Urteil des OLG Köln vom 08.08.2000

OLG Köln: wirtschaftliches interesse, öffentliches interesse, vergütung, auflage, jäger, konkursmasse, beteiligter, konkursverfahren, vollstreckungsverfahren, zumutbarkeit

Oberlandesgericht Köln, 18 W 23/00
Datum:
08.08.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 W 23/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 16 O 622/99
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des
Landgerichts Köln vom 31.03.2000 - 16 O 622/99 - abgeändert. Dem
Antragsteller wird zur Durchführung der beabsichtigten Klage für die
erste Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt unter Beiord-nung von Herrn
Rechtsanwalt F. in K..
G r ü n d e :
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Der Antragsteller begehrt als Konkursverwalter Prozesskostenhilfe, um den
Antragsgegner, einen der beiden Gesellschafter der Gemeinschuldnerin, auf
Nachzahlung des Stammkapitals in Höhe von 26.000,- DM in Anspruch zu nehmen. Zur
Begründung hat er ausgeführt, an Masse stünde nur ein Betrag von 2.275,56 DM zur
Verfügung. Dem stünden Masseverbindlichkeiten für die Gerichtskosten des
Konkursverfahrens, für die Konkursverwaltervergütung und die Sequestergebühr in
Höhe von 23.144,54 DM gegenüber. Im übrigen könne von einem klagestattgebendem
Urteil in erster Linie das Finanzamt hinsichtlich einer anerkannten Forderung in Höhe
von 864,12 DM profitieren. Nachrangige Konkursgläubiger könnten nur eine geringe
quotale Befriedigung erhalten.
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Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung unter
Bezugnahme auf eine Entscheidung des 3. Zivilsenats des OLG Köln vom 24.5.1996
(BB 1996, 1798; OLGR Köln 1996, 169) ausgeführt, der Antragsteller sei als
Konkursverwalter selbst vorschusspflichtig, da der Prozess vorwiegend der
Realisierung seines Vergütungsanspruchs diene und er somit als wirtschaftlicher
Beteiligter anzusehen sei.
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Die dagegen gerichtete Beschwerde gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO ist begründet.
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Die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind erfüllt. Nach § 116 Abs. 1 Nr. 1
ZPO erhält der Konkursverwalter als Partei kraft Amtes Prozesskostenhilfe, wenn die
Kosten aus der Konkursmasse nicht aufgebracht werden können und den am
Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten die Kostenaufbringung nicht
zugemutet werden kann.
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Der Massebestand von derzeit 2.275,56 DM reicht vorliegend nicht aus, um die
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Prozesskosten aufzubringen, da sich nach Abzug der Massekosten im Range von § 58
Ziff. 1 und 2 KO ein Negativsaldo ergibt.
Ob im Zusammenhang mit einer Vorschusspflicht der Konkursverwalter als am
Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligter anzusehen ist, ist in
Rechtsprechung und Literatur umstritten.
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Nach der mit Beschluss vom 15.1.1998 geäußerten Auffassung des IX. Senats des BGH
ist der Konkursverwalter an Prozessen, die er im Interesse der Konkursmasse führt,
nicht "wirtschaftlich beteiligt", da er die Vergütung für die Wahrnehmung einer im
öffentlichen Interesse liegenden Tätigkeit erhalte und die Verwaltertätigkeit nicht
eigennützig sei (BGH, ZIP 1998, S. 2297 f.). Dieser Auffassung wird entgegengehalten,
dass sie in den Fällen nicht überzeugt, in denen der angestrebte Prozess allein und
ausschließlich dazu dient, eine Massemehrung zur Erhöhung der Verwaltervergütung
des Konkursverwalters zu erzielen (OLG Köln [1. Senat] OLGR Köln 1998, S. 222).
Wirtschaftlich beteiligt im Sinne des § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO sind diejenigen Gläubiger,
deren Befriedigungsaussichten sich dadurch konkret verbessern, dass der
Konkursverwalter obsiegt (BGH, ZIP 1990, S. 1490 m.w.N.). Nach Auffassung des
erkennenden Senats liegt dieser Definition ein rein wirtschaftlicher Maßstab zugrunde,
der Konkurs- und Massegläubiger gleichermaßen erfasst, so dass ein Konkursverwalter,
der einen Prozess allein im Hinblick auf sein wirtschaftliches Interesse führt, damit auch
wirtschaftlich Beteiligter im Sinne des § 116 ZPO ist (OLG Köln [1. Senat] OLGR Köln
1998, S. 222; OLG Köln [3. Senat] OLGR Köln 1996, S. 169; OLG Köln [16. Senat]
OLGR Köln 1994, S. 89; OLG Frankfurt ZIP 1997, S. 1600; OLG Rostock ZIP 1997, S.
1710 f.; OLG Celle [3. Senat] ZIP 1994, S. 1973 f.; OLG Celle [9.Senat], ZIP 1988, S.
792; Jäger VersR 1997, S. 1060 f.; ders. in: Festschrift für Egon Lorenz, 1994, S. 331,
335 f.; a.A.: OLG Düsseldorf ZIP 1993, S. 780; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
ZPO, 58. Auflage 2000, § 116 Rz. 9; MünchKomm/Wax, ZPO, Band 1 §§ 1 - 354, 1992,
§ 116 Rz. 16; Jauch EWiR § 116 ZPO 5/97 S. 1049; Pape in: Mohrbutter/Mohrbutter,
Handbuch der Insolvenzverwaltung, 7. Auflage 1999, Kap. X Rz. 24; ders., ZIP 1990, S.
1529, 1531). Auswirkungen, die sich aus der Wahrnehmung der im öffentlichen
Interesse liegenden Tätigkeit des Konkursverwalters ergeben, sind hingegen erst im
Zusammenhang mit der Frage, ob eine Vorschussleistung zumutbar ist, zu erörtern
(OLG Rostock ZIP 1997, S. 1710 f.; OLG Celle [3. Senat] ZIP 1994, S. 1973 f.).
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Die wirtschaftliche Beteiligung des Antragstellers am beabsichtigten Prozess ergibt sich
nicht nur daraus, dass seine Vergütungsforderung sichergestellt wird, sondern zeigt sich
darüber hinaus auch darin, dass die Höhe seiner Vergütungsforderung vom Erfolg des
Prozesses abhängt. Die Höhe der Vergütung ergibt sich nach § 1 VergVO aus der in der
Schlussrechnung festgestellten Teilungsmasse. Würde sich die Teilungsmasse um den
im Klageschriftentwurf bezeichneten Betrag von 26.000,- DM auf 28.275,56 DM
erhöhen, beliefe sich das Konkursverwalterhonorar des Antragstellers bei einem
vierfachen Regelsatz gemäß § 3 VergVO nebst Mehrwertsteuerausgleich und
Auslagenpauschale auf 17.026,- DM. Die dem Antragsteller zustehenden Gebühren
würden sich damit mehr als verfünffachen.
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Dem Antragsteller ist es jedoch als Konkursverwalter nicht zuzumuten, selbst einen
Prozesskostenvorschuß zu erbringen und den Prozess auf eigenes Risiko zu führen
(OLG Frankfurt ZIP 1997, S. 1600; OLG Rostock ZIP 1997, S. 1710 f.; OLG Celle [3.
Senat] ZIP 1994, S. 1973 f. des OLG Düsseldorf ZIP 1993, S. 1018; Zöller/Philippi, ZPO,
21. Auflage 1999, § 116 Rz. 10 a; a.A.: OLG Köln [3. Senat] OLGR Köln 1996, S. 169;
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OLG Köln [16. Senat] OLGR Köln 1994, S. 89; OLG Celle [9.Senat], ZIP 1988, S. 792;
Stein/Jonas/Bork, ZPO, Band 2 §§ 91- 252, 21. Auflage 1994, § 116 Rz. 13; Jäger, aaO).
Der Konkursverwalter nimmt eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe - die
Abwicklung eines geordneten Gesamtvollstreckungsverfahrens - wahr. Der
Rechtsverfolgung durch den Konkursverwalter hat der Gesetzgeber in § 116 ZPO n.F.
ein eigenständiges öffentliches Interesse zuerkannt (BGH, NJW 1998, 1868 f.; ZIP 1990,
1490 f.). Mit der Einführung des § 116 ZPO n.F. sollte dem Konkursverwalter durch
Verbesserung der Bewilligungsvoraussetzungen die Prozessführung in weiterem
Umfang ermöglicht werden. Es sollte vermieden werden, dass aussichtsreiche
Masseprozesse gegen zahlungsunwillige Masseschuldner häufig deswegen
unterbleiben, weil die Gläubiger wegen der geringen auf sie entfallenden Quote nicht
bereit sind, das Prozessrisiko auf sich zu nehmen (Amtl. Begr. BT-Drucks. 8/3068 S. 26).
Der Entwicklung ist entgegenzuwirken, dass Masseschuldner allein deshalb
zahlungsunwillig sind, weil sie mit einer geringen Wahrscheinlichkeit rechnen müssen,
dass ausstehende Forderungen des Gemeinschuldners noch durchgesetzt werden.
Durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung von Masseprozessen
wird verhindert, dass Konkursverfahren als masselos eingestellt werden, obwohl noch
erhebliche Vermögenswerte vorhanden sind, die dann für den individuellen Zugriff der
einzelnen Gläubiger frei werden. Damit trägt sie dazu bei, dass das Konkursverfahren
seine Verteilungsfunktion erfüllt, und dient der geordneten und rechtlich gesicherten
Abwicklung eines Unternehmens zum Schutz des sozial Schwächeren (BGH ZIP 1990,
S. 1490).
Zwar hat der Gesetzgeber das öffentliche Interesse an einer geordneten und rechtlich
gesicherten Abwicklung massearmer Konkurse in § 116 Nr. 1 ZPO nicht allen anderen
Gesichtspunkten übergeordnet (BGH, NJW 1998, S. 1868 f.). Vielmehr geht das Gesetz
davon aus, dass Prozesse des Konkursverwalters im Fall fehlender Barmasse in erster
Linie von den am Prozessergebnis wirtschaftlich Beteiligten zu finanzieren sind, und
nimmt deshalb in Kauf, dass Prozesse unterbleiben müssen, wenn die Beteiligten eine
ihnen zumutbare Kostenaufbringung verweigern (BGH, aaO).
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Die Tatsache, dass der beabsichtigte Prozess zur Vergrößerung der Teilungsmasse
und damit zur Erhöhung der Konkursverwaltervergütung führt, kann gleichwohl keine
Zumutbarkeit eines Prozesskostenvorschusses für den Konkursverwalter begründen.
Der Konkursverwalter erhält die gesetzliche Vergütung auch dafür, dass er zur
Anreicherung oder Erhaltung der Masse im öffentlichen Interesse Prozesse führt (BGH,
ZIP 1998, S. 297 f). Ein Prozess, den der Konkursverwalter als Partei kraft Amtes führt,
liegt auch dann noch im öffentlichen Interesse eines geordneten
Gesamtvollstreckungsverfahrens, wenn er allein der Erhöhung des
Vergütungsanspruchs dient. Zwar kann damit die Verteilungsfunktion des
Vollstreckungsverfahren, d.h. die gemeinschaftliche Befriedigung aller
Konkursgläubiger, im konkreten Fall nicht erfüllt werden. Die bevorzugte Befriedigung
des Konkursverwalters ist jedoch der Unterscheidung von Massegläubigern und
Konkursgläubigern in den §§ 57 ff. KO immanent. Im Rahmen der Abwicklung des
Konkurses ist dem Konkursverwalter die Einziehung offener Forderungen übertragen
worden. Diese Aufgabe wird der Konkursverwalter nur dann im vollen Umfang erfüllen,
wenn er die dazu erforderlichen Prozesse nicht auf eigenes, persönliches Risiko führen
muss.
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Schließlich ist der Konkursverwalter nach § 7 VergVO seinerseits berechtigt, aus der
vorhandenen Masse einen Vorschuß auf die Vergütung und Auslagen zu verlangen.
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Diesem Anspruch auf Vorschussleistung widerspräche es, den Konkursverwalter im
Rahmen des § 116 Nr. 1 ZPO für vorschusspflichtig zu halten (OLG Rostock, ZIP 1997,
S. 1710 f.; OLG Celle, ZIP 1994, 1973 f.).
Auch dem Finanzamt, das als Inhaber von bevorrechtigten Konkursforderungen im
Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO am Gegenstand des Rechtsstreit wirtschaftlich beteiligt
ist, ist eine Aufbringung der Prozeßkosten nicht zuzumuten.
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Der Steuerfiskus wird nicht generell von einer Kostenaufbringungslast freigestellt, da es
ihm insbesondere zuzumuten ist, einen entsprechenden Haushaltsansatz zu schaffen,
und die Freistellung von der Zahlung der Gerichtskosten gemäß § 2 Abs. 1 GKG nicht
für Rechtsstreitigkeiten Dritter gilt (BGH NJW 1998, S. 1868 f.; OLG Köln [19. Senat]
OLGR Köln 1998, S. 208; Jäger VersR 1997, S. 1060, 1062 f.; a.A.: OLG Stuttgart, ZIP
1996, S. 1670; OLG Düsseldorf ZIP 1995, S. 1277; OLG Köln [20. Senat] ZIP 1994, S.
724; OLG Köln ZIP 1993, S. 1019).
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Den Finanzbehörden ist es aber nicht zuzumuten, die Durchsetzung fremder
Vermögensinteressen zu finanzieren und insoweit das Prozeßrisiko zusätzlich zu
übernehmen, wenn bei einem Prozeßerfolg der für die Konkursmasse gesicherte
Vermögenswert überwiegend zur Erfüllung der nicht mit einer Vorschußpflicht
belasteten Forderungen verwendet werden müßte (BGH, NJW 1994, 3170; OLG Köln
[20. Senat] ZIP 1997, S. 1969).
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Der beabsichtigten Klageforderung stehen eigene Forderungen des Finanzamts in
Höhe von 1.296,12 DM und 1.609,00 DM gegenüber, von denen bislang lediglich die
erste Forderung in Höhe von 864,12 DM anerkannt wurde. Zur Geltendmachung der
beabsichtigten Klageforderung müßte das Finanzamt mithin Vorschüsse in einer
Größenordnung machen, die in keinem Verhältnis zu den von ihm beanspruchten
Zahlungen stehen.
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Entgegen der Auffassung des Antraggegners ergibt sich auch keine Vorschusspflicht für
die Konkursgläubigerin F.-S. GmbH. Abgesehen davon, dass nicht als gesichert
angesehen werden kann, dass allein deren Forderung in der Rangklasse § 61 Abs.1
Nr.6 KO anerkannt wird, ist der von dem Antragsteller berechnete Ansatz seiner
Vergütung nicht zu beanstanden. Der drei- bis vierfache Regelsatz entspricht der
Üblichkeit. Durchgreifende Gesichtspunkte, die eine erhebliche Unterschreitung
rechtfertigen und das Konkursgericht zu einer entsprechenden Festsetzung veranlassen
könnten, sind nicht erkennbar.
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Die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage ist zu bejahen, da der Antraggegner dem
schlüssigen Vortrag des Klageentwurfs nicht entgegen getreten ist.
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Beschwerdewert: Kosteninteresse
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