Urteil des OLG Köln vom 16.06.2004

OLG Köln: gesetzliche erbfolge, auszahlung der versicherungsleistung, gesetzlicher erbe, bezugsrecht, testament, gespräch, versicherungsnehmer, erbrecht, versicherer, willenserklärung

Oberlandesgericht Köln, 5 U 208/03
Datum:
16.06.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 208/03
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 9 O 136/03
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10. November 2003
verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 9 O
136/03 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
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I.
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Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäss § 540 Abs. 2 ZPO
i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen
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II.
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Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Auszahlung der
Versicherungsleistung aus der von ihrem verstorbenen Ehemann im Jahr 1990 bei der
Beklagten abgeschlossenen Lebensversicherung. Sie ist zwar aufgrund Testaments
Alleinerbin ihres Mannes geworden; ihrem Anspruch steht jedoch entgegen, dass als
Bezugsberechtigte von ihrem verstorbenen Ehemann die gesetzlichen Erben verfügt
worden sind mit der Folge, dass die zum Todeszeitpunkt lebenden Schwestern des
Ehemannes als gesetzliche Erben bezugsberechtigt sind und sie, die Klägerin, als
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Testamentserbin ausgeschlossen ist.
Nach dem Ergebnis der in zweiter Instanz durchgeführten Beweiserhebung steht zur
Überzeugung des Senats fest, dass die in der Spalte "Bezugsrecht" erfolgte Eintragung
im Versicherungsantrag, wonach im Falle des Todes der versicherten Person die
"gesetzl. Erbfolge" gelte, mit Wissen und Wollen des Versicherungsnehmers Herrn V
nachträglich durch den Zeugen I vorgenommen worden ist. Dieser hat bei seiner
Vernehmung ausführlich seine damalige Tätigkeit für die Beklagte beschrieben, die
insbesondere darin bestand, ihm zugeleitete, nicht vollständig ausgefüllte
Versicherungsanträge nachzubearbeiten. Dazu hat er regelmäßig die Kunden
aufgesucht und mit ihnen die notwendigen Ergänzungen besprochen. Er hat auf
Nachfrage auch geschildert, dass er bei fehlendem Eintrag in der Spalte Bezugsrecht für
den Fall, dass ein Versicherungsnehmer keine konkrete Vorstellung hat, wen er
benennen soll, dort "gesetzliche Erbfolge" einträgt nach einem Hinweis, dass dieses
jederzeit änderbare Bezugsrecht Vorrang vor einem Testament habe. Der Senat hat
keinen zureichenden Anlass, daran zu zweifeln, dass der Zeuge I in gleicher Weise
gehandelt hat, als er den verstorbenen Ehemann der Klägerin im Jahr 1990
aufgesuchte, um mehrere unzureichende Eintragungen in dem Versicherungsantrag zu
ergänzen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Zeuge I von seiner regelmäßigen
Vorgehensweise abgewichen ist. Im Gegenteil hat er anhand des Antragsformulars
anschaulich dargelegt, wie es zu den Änderungen und Ergänzungen (auch etwa
hinsichtlich der Berufsangabe Soldat sowie hinsichtlich der Gesundheitsfrage)
gekommen ist. Bei dieser Sachlage spricht gegen die Glaubhaftigkeit und
Überzeugungskraft seiner Angaben nicht, dass er sich konkret an das Gespräch mit
Herrn V nicht mehr erinnern kann. Das war nach nahezu 14 Jahren nicht zu erwarten.
Gegen die Glaubhaftigkeit seiner Angaben kann ferner nicht eingewandt werden, es sei
ungereimt, dass er sich nicht alle Änderungen im Formular durch Herrn V habe
abzeichnen lassen. Der Zeuge I hat dies durchaus plausibel damit erklärt, dass er den
Namenszug unter der 3. Änderung (Beantwortung der Gesundheitsfrage mit "nein" statt
"ja") als ausreichend angesehen habe. Soweit darunter noch der Wohnort des
Hausarztes ergänzt worden ist, war dies gegenüber den 3 anderen Ergänzungen
ersichtlich von untergeordneter Bedeutung und bedurfte nicht der Abzeichnung durch
Herrn V. Die insoweit gegen die Glaubhaftigkeit seiner Angaben gerichteten Einwände
der Klägerin ergehen sich weitgehend in Mutmaßungen ohne konkreten Hintergrund. Es
ist nichts dafür ersichtlich, dass der Zeuge I die Ergänzung betreffend das Bezugsrecht
erst ausgefüllt hat, nachdem er bereits bei Herrn V gewesen ist. Vielmehr kann nach der
Lebenserfahrung ohne weiteres von ausgegangen werden, dass der Zeuge I als
erfahrener Mitarbeiter der Beklagten, der täglich mehrere unvollständig ausgefüllte
Anträge bearbeitet hat, auch vorliegend darauf geachtet hat, dass er alle notwendigen
Ergänzungen mit Herrn V bespricht und danach die entsprechenden Einträge vornimmt.
Alles andere ist reine Spekulation. Wenn der Zeuge M in erster Instanz bekundet hat,
jede nachträgliche Änderung im Versicherungsantrag sei vom Kunden abgezeichnet
worden, so belegt dies nur eine entsprechende Handhabung durch den Zeugen selbst
und nicht - wie die Klägerin mutmaßt - eine ständige Übung bei der Beklagten oder gar
eine bei der Beklagten "bestehende Regelung"; dazu hat der Zeuge M nichts bekundet.
Der Senat hat jedenfalls keine durchgreifenden Bedenken, den in sich schlüssigen und
widerspruchsfreien Angaben des Zeugen I Glauben zu schenken; er hat auf den Senat
auch einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen.
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Somit ist davon auszugehen, dass Herr V hinsichtlich der Bezugsberechtigung im Falle
seines Todes die "gesetzliche Erbfolge" angeordnet hat. Diese Bezugsberechtigung ist
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als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung nach §§ 133, 157 BGB auszulegen;
maßgebend ist der Wille des Versicherungsnehmers, der bei der Festlegung des
Bezugsrechts vorhanden war und gegenüber dem Versicherer zum Ausdruck
gekommen ist (vgl. Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 167, Rn. 1). Insoweit hat der Zeuge
I bekundet, er trage nach Rücksprache mit dem jeweiligen Versicherungsnehmer unter
Hinweis auf die Rechtsfolgen "gesetzliche Erbfolge" ein, wenn jener keine konkreten
Vorstellungen über die Person des Bezugsberechtigten habe. Dass mit einer solchen
Erklärung bestimmte rechtliche Konsequenzen verbunden sind, wird Herrn V als Jurist
nicht verborgen geblieben sein. Entscheidend ist allerdings, wie die Beklagte jene
Erklärung bei verständiger Würdigung verstehen durfte. Dabei macht es keinen
entscheidenden Unterschied, ob insoweit auf Personen in der Zentrale der Beklagten
oder auf den Zeugen I abgestellt wird. Der Zeuge I wird sicher, nachdem er selbst auf
die Folgen einer entsprechenden Regelung des Bezugsrechts hingewiesen hat, davon
ausgegangen sein, dass damit die gesetzlichen Erben unter Ausschluss der
Testamentserben eingesetzt werden sollten. Aber auch für jene Mitarbeiter der
Beklagten, die nicht an dem Gespräch beteiligt waren, war die Regelung bei
sachgerechter Würdigung nur dahin zu verstehen, dass unter "gesetzliche Erbfolge"
nichts anderes als der Einsatz der "gesetzlichen Erben" gemeint sein sollte. Die
gegenteilige Auffassung der Klägerin, der sich das Landgericht angeschlossen hat, teilt
der Senat nicht. Das BGB verwendet zwar nicht die Begriffe "gesetzliche Erbfolge" bzw.
"gewillkürte Erbfolge", sondern fasst beides unter dem Oberbegriff "Erbfolge"
zusammen.; daraus kann aber nicht geschlossen werden, gesetzlicher Erbe sei auch,
wer durch eine testamentarische Verfügung zum Erben berufen worden ist. Die
Unterscheidung zwischen gesetzlicher und gewillkürter Erbfolge ist im Gesetz angelegt
(§§ 1924-1936 BGB einerseits; §§ 1937-1941 BGB andererseits), und in
Rechtsprechung und Literatur ist diese Unterscheidung eine Selbstverständlichkeit (vgl.
nur Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl., § 9 I 1 a), S. 226). Ein anderes Verständnis kann
man daher auch nicht den Mitarbeitern der Beklagten unterstellen. Es kann mithin
keinen relevanten Unterschied machen, ob als bezugberechtigt die "gesetzlichen
Erben" eingesetzt sind (dann sind nach anerkannter Rechtsprechung die
Testamentserben ausgeschlossen, vgl. RG, DR 1942, 1286; LG Waldshut, VersR 1954,
76) oder ob stattdessen die "gesetzliche Erbfolge" verfügt wird. Das folgt mit Deutlichkeit
aus der vorzitierten Entscheidung des Reichsgerichts, in der beide Begriffe synonym
verwendet werden:
"Den Kl. steht als Begünstigten aus den Lebensversicherungsurkunden des Dr. H. ein
unmittelbarer Anspruch zu, soweit diese auf die "gesetzlichen Erben" lauteten und die
Kl. Erben geworden wären, falls die gesetzliche Erbfolge eingetreten wäre."
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Hinzu kommt, dass Herr V die Bezugsberechtigung zu einem Zeitpunkt verfügt hat, zu
der er kein Testament errichtet hatte, nicht verheiratet war und auch keine Kinder hatte.
Dann spricht alles dafür, dass er die gesetzlichen Erben als Bezugsberechtigte
einsetzen wollte. Etwas anderes hat er jedenfalls für die Beklagte erkennbar nicht zum
Ausdruck gebracht. Die spätere Testamentserrichtung ist insoweit nicht mehr von
Bedeutung.
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Damit kann die Klage keinen Erfolg haben.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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Veranlassung zur Revisionszulassung besteht nicht, da die Voraussetzungen hierfür (§
543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Es geht vorliegend um die Auslegung einer
Bezugsberechtigung in einem Einzelfall. Das alleine kann - auch wenn bislang ein
vergleichbarer Fall nicht entschieden worden sein mag - weder die grundsätzliche
Bedeutung der Sache begründen noch gebietet dies die Zulassung der Revision zur
Fortbildung des Rechts, zumal die Auslegung von Willenserklärungen ohnehin nur einer
beschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt. Zur Zulassung der Revision
zwingt auch nicht der Umstand, dass der Senat die Benennung des Zeugen I in zweiter
Instanz für zulässig gehalten hat, weil das Landgericht die in sein Wissen gestellten
Tatsachen im Urteil für unerheblich gehalten hat (§ 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), denn die
Zulassung eines Beweismittels durch das Berufungsgericht ist revisionsrechtlich nicht
überprüfbar (vgl. BGH, Beschl. v. 22. Januar 2004 - V ZR 187/03).
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Berufungsstreitwert: 16.583,30 EUR
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