Urteil des OLG Köln vom 08.05.2007
OLG Köln: örtliche zuständigkeit, obg, öffentliche sicherheit, abschiebungshaft, behörde, stadt, aufenthalt, behandlung, asylverfahren, gefahr
Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 107/07
Datum:
08.05.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 107/07
Tenor:
Auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2.) wird der
Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 13.04.2007 –
12 T 7 /07 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und
Entscheidung – auch über die Kosten des Verfahrens der weiteren
Beschwerde – an das Landgericht zurückverwiesen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Der Betroffene, der im Jahre 2001 nach Deutschland einreiste und als Asylbewerber
dem Landkreis G/Sachsen zugewiesen wurde, blieb mit seinem Asylantrag ohne Erfolg.
Dieser war noch im Jahr 2001 durch inzwischen bestandskräftigen Beschluss abgelehnt
worden verbunden mit der Aufforderung zur Ausreise und der Androhung der
Abschiebung. Vermutlich Anfang Oktober 2001 verließ der Betroffene den Bereich des
Regierungsbezirks Chemnitz und hielt sich in den folgenden Jahren an
unterschiedlichen Orten auf. Am 10. 03.2007 wurde er in Bergisch Gladbach
festgenommen, nachdem er wegen des Verdachts des Diebstahls und anderer
Straftaten aufgefallen war. Zuvor hatte er nach eigenen Angaben ca. neun Monate bei
seiner Verlobten in M gelebt. Auf Antrag der Ausländerbehörde der Stadt Bergisch
Gladbach hat das Amtsgericht Bergisch Gladbach gegen den Betroffenen
Abschiebungshaft für die Dauer von drei Monaten verhängt. Auf Beschwerde des
Betroffenen hat das Landgericht diesen Beschluss aufgehoben und den Haftantrag
zurückgewiesen, weil nach seiner Ansicht der Antrag auf Abschiebungshaft nicht von
der örtlich zuständigen Behörde, dem Regierungspräsidium Chemnitz gestellt worden
und somit die Abschiebungshaft unter Verstoß gegen § 3 FEVG angeordnet worden sei.
Dagegen wendet sich der Beteiligte zu 2.), der auf die Zuständigkeitsnorm des § 4 OBG
hinweist, sowie der Beteiligte zu 3.), soweit ihm Kosten auferlegt worden sind.
3
II.
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Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2.) ist gemäß der §§ 3 S.2, 7 Abs. 2
FEVG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Zulässigkeit der
ebenfalls fristgerechten sofortigen weiteren Beschwerde des Beteiligten zu 3.) folgt aus
§ 20 FGG, da ihm mit der Entscheidung Kosten auferlegt worden sind.
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Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 2.) hat insoweit Erfolg, als die Sache an das
Landgericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurück zu verweisen ist. Die
Entscheidung des Beschwerdegerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern (§§ 27 Abs. 1
FGG, 546 ZPO). Die Ausländerbehörde der Stadt Bergisch Gladbach war gemäß § 4
OBG die zuständige örtliche Behörde zur Beantragung der Abschiebungshaft, so dass
die Anordnung der Haft durch Beschluss des Amtsgerichts vom 10.03.2007 nicht unter
Verstoß gegen Zuständigkeitsvorschriften zustande gekommen ist.
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Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Anordnung von
Abschiebungshaft, die auf dem Antrag einer unzuständigen Behörde beruht, keinen
Bestand haben kann, und dass dieser Umstand in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen
ist (OLG München vom 28.09.2006 – 34 Wx 115/06 –; KG vom 25.08.2006 – 25 W
70/05, beide in Melchior, Abschiebungshaft, Anhang).
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Entgegen der Meinung des Landgerichts beurteilt sich die örtliche Zuständigkeit der
antragstellenden Behörde nach den Vorschriften des OBG NW und nicht nach § 3
VwVfG.
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Das nordrhein-westfälische Landesrecht hat keine ausdrücklich auf die
Ausländerbehörde bezogene Regelung der örtlichen Zuständigkeit getroffen. Über § 12
Abs. 2 OBG findet § 4 OBG als Sondervorschrift Anwendung, da das nordrhein-
westfälische Landesrecht zweifelsfrei davon ausgeht, dass das Ausländerrecht dem
Recht der Gefahrenabwehr zugehört (vgl. OVG NRW vom 10.07.1997, NVwZ-RR 1998,
201 f; VG Düsseldorf v. 17.11.2004 – 24 L 2438/04 -; VG Aachen v. 23.03.2006 - 3 L
13/06 -). Die Ausländerbehörden sind demnach Sonderordnungsbehörden im Sinne des
OBG. Für die Frage, welche Ausländerbehörde für eine Maßnahme örtlich zuständig ist,
stellt § 4 OBG darauf ab, in welchem Bezirk "die zu schützenden Interessen verletzt oder
gefährdet werden". Die zu schützenden Interessen werden jedenfalls dort verletzt oder
gefährdet, wo der Ausländer, von dem Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder
Ordnung ausgehen, sich aufhält (vgl. OVG NRW vom 10.07.1997, a.a.O.), wobei es
ausreicht, dass dieser Aufenthalt unter Missachtung der im Asylverfahren ergangenen
Zuweisung erfolgt (so VG Aachen vom 23.03.2006 – 3 L 13/06 -). Auf den Wohnsitz oder
den gewöhnlichen Aufenthalt kommt es hingegen nicht an (Rhein, OBG NRW,
Kommentar, § 4 Rdz. 5).
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Zum Zeitpunkt der Antragstellung waren zu schützende Interessen im Raum Bergisch
Gladbach verletzt oder gefährdet, weil sich der Betroffene nach eigener Einlassung dort
für längere Zeit entgegen der örtlichen Zuweisung zum Regierungsbezirk Chemnitz
aufgehalten hat und in Blick auf seine Ausreiseverpflichtung die Gefahr einer strafbaren
Handlung nach § 95 Abs. 1 AufenthG drohte. Darüber hinaus bestand der Verdacht
weiterer Straftaten des Betroffenen, nämlich Diebstahl und Bedrohung, die er ebenfalls
im Zuständigkeitsbereich des Beteiligten zu 2.) begangen haben soll und deretwegen
zunächst auch gegen ihn ermittelt wurde.
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Danach ergibt sich für die Antragstellung zur Haftanordnung am 10.03.2007 die örtliche
Zuständigkeit des Beteiligten zu 2.). Es kann offen bleiben, ob daneben noch weitere
Zuständigkeiten, wie insbes. der Ausländerbehörde des Regierungspräsidiums
Chemnitz bestehen. Auch kam es nicht darauf an, ob der Beteiligte zu 2.) in Amtshilfe für
diese Behörde tätig wurde.
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Da das Landgericht – aus seiner Sicht konsequent – eine Sachprüfung bisher nicht
vorgenommen hat, ist diese nachzuholen. Die Sache ist deshalb unter Aufhebung der
landgerichtlichen Entscheidung zur entsprechenden weiteren Sachaufklärung und
Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
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Die Beschwerde des Beteiligten zu 3.) ist damit gegenstandslos geworden.
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In der Sache hätte sie – wenn ein Fall des § 16 FEVG vorgelegen hätte - aus den
Gründen des Beschwerdevorbringens Erfolg gehabt. Als Gebietskörperschaft wäre die
Stadt Bergisch Gladbach in Betracht gekommen.
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