Urteil des OLG Koblenz vom 10.09.2008

OLG Koblenz: kontrolle, luftfahrt, verordnung, auflage, prüfer, zerstörung, kommission, betriebsordnung, halter, gefahr

OLG
Koblenz
10.09.2008
1 U 1600/07
Aktenzeichen:
1 U 1600/07
4 O 143/05 - LG Mainz
Verkündet
am 10. September 2008
M. Schäfer,
Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
E… A…,
- Beklagter und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
g e g en
1. J… S…,
2. Prof. Dr. K… S…,
- Kläger und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin
w e g e n Schadensersatzes (Grundurteil)
Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Itzel,
den Richter am Oberlandesgericht Dennhardt und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Cloeren
auf die mündliche Verhandlung vom 20. August 2008
für R e c h t erkannt:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 23.
November 2007 abgeändert.
November 2007 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits im ersten und zweiten Rechtszug tragen die Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern bleibt es nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 Euro
abzuwenden, wenn nicht der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
I.
Die Kläger nehmen den Beklagten, Inhaber eines „Aircraft Service“ in W…, auf Schadensersatz wegen mangelhafter
Leistungen im Rahmen der sog. „Jahresnachprüfung und 100-Stunden-Kontrolle“ an ihrem später infolge eines
Motorschadens zur Notlandung gezwungenen Flugzeug in Anspruch.
Es wird auf die tatbestandlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
ZPO).
Der Betrieb des Beklagten ist seit 1987 fortlaufend als Luftfahrtgerät-Instandhaltungsbetrieb genehmigt (Genehmigungen
des Luftfahrt-Bundesamtes vom 3. September 1999 [Bl. 334 GA] und vom 7. September 2005 [Bl. 333 GA]); mit Prüfschein
vom 7. August 2003 (Bl. 348 ff. GA) bescheinigte der Beklagte die Lufttüchtigkeit des Flugzeugs der Kläger.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme mit Urteil vom 23. November 2007 (Bl. 255 ff. GA) die Klage dem Grunde
nach für gerechtfertigt erklärt (Schadensersatzanspruch nach §§ 633, 280 Abs. 1 BGB). Hiergegen richtet sich die
Berufung des Beklagten.
Der Beklagte begehrt eine Korrektur der tatbestandlichen Feststellungen („Durchführung des späteren Ölwechsels durch
die Kläger selbst auf dem Gelände des Beklagten“) und rügt eine fehlerhafte Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil.
Das Landgericht sei aufgrund zweifelhafter sachverständiger Feststellungen zu falschen Schlussfolgerungen gelangt
und habe die „eigentliche Schadensursache“ nicht aufgeklärt; in jedem Fall hätte Beweis über eine „genügende
Rückstandskontrolle“ durch Vernehmung der angebotenen Zeugen erhoben werden müssen. Im Anschluss an den
vorterminlichen Hinweis des Senatsvorsitzenden (Verfügung vom 28. Mai 2008; Bl. 320/321 GA) hat der Beklagte seine
Passivlegitimation in Abrede gestellt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Mainz vom 23. November 2007 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und stellen heraus, dass der Beklagte das (unfallursächliche) Schadensbild
auch ohne Spezialwerkzeuge ohne weiteres hätte erkennen können und müssen. Die streitgegenständliche
Inanspruchnahme erfolge, im Unterschied zur Sachlage im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. März 2001 – III ZR
394/99 – (BGHZ 147,169 ff.), nicht aufgrund einer hoheitlichen Prüfungstätigkeit, sondern vielmehr aufgrund der
Schlechterfüllung des zwischen den Parteien zustande gekommenen Werkvertrages.
II.
Die Berufung ist zulässig und auch begründet.
Der Beklagte ist in Ansehung der im zweiten Rechtszug herausgearbeiteten Rechtsnatur des streitgegenständlichen
Schadensersatzanspruchs (Art. 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG; Ersatzpflicht im Rahmen der Nachprüfung der Lufttüchtigkeit
eines Luftfahrtgeräts durch einen behördlich genehmigten Instandhaltungsbetrieb) nicht passiv legitimiert.
1. Der Betrieb des Beklagten ist vom Luftfahrt-Bundesamt nach § 13 Abs. 1 der Verordnung zur Prüfung von
Luftfahrtgerät vom 3. August 1998 – LuftGerPV – (BGBl. I S. 2010) i.V.m. Anhang II (Teil-145) der Verordnung (EG) Nr.
2042/2003 der Kommission vom 20. November 2003 (ABl. L 315 S. 1) als Instandhaltungsbetrieb genehmigt. Die Kläger
als verantwortliche Haltergemeinschaft haben den Beklagten mit der Jahresnachprüfung (§ 15 Abs. 1 LuftGerPV) und der
100-Stunden-Kontrolle (vgl. § 6 Nr. 1 der Betriebsordnung für Luftfahrtgerät vom 4. März 1970 – LuftBO – [BGBl. I S. 262])
ihres Motorflugzeugs beauftragt; in dem vom Beklagten abschließend ausgestellten Nachprüfschein vom 7. August 2003
(§ 20 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 3 LuftGerPV) wurde uneingeschränkt die Lufttüchtigkeit des Luftfahrzeugs bescheinigt. War
Gegenstand des dem Beklagten erteilten Auftrags damit – wie das Landgericht im angefochtenen Urteil unbeanstandet
festgestellt hat – die Nachprüfung der Lufttüchtigkeit des gegenständlichen Flugzeugs entsprechend den gesetzlichen
Vorgaben (vgl. § 14 Abs. 1 LuftGerPV; § 9 LuftBO), so stützen die Kläger den geltend gemachten
Schadensersatzanspruch auch – allein – auf ein fehlerhaftes Verhalten des Beklagten im Rahmen gerade dieses
Leistungsbildes (Nichterkennen der „korrosionsbedingten Zerstörung der Zylinder-Stößelköper“ und der dadurch
bedingten dringenden Gefahr für die Lufttüchtigkeit des Flugzeugs). Dies haben die Kläger im Übrigen noch in der
Berufungserwiderung vom 23. April 2008 (Bl. 297 ff. GA) ausdrücklich bekräftigt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 147,169 ff = NVwZ 2002,375 ff.; s. auch Wurm in: Staudinger,
BGB, Neubearbeitung 2007, § 839 Rn. 772; Reinert in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Auflage 2007, § 839 Rn. 9), der sich der
Senat angeschlossen hat, wird – im Einklang mit den für die als Prüfer oder Sachverständige der Technischen
Überwachungsvereine tätig werdenden Personen aufgestellten Grundsätze – für Pflichtverletzungen, die im Rahmen der
Nachprüfung der Lufttüchtigkeit eines Luftfahrtgeräts durch einen genehmigten Betrieb begangen werden, nach
Amtshaftungsgrundsätzen gehaftet. Dem steht weder der vom Halter oder Eigentümer selbst erteilte Prüfauftrag noch der
Zusammenhang der hoheitlichen Prüfertätigkeit mit einer (werkvertraglichen) Reparatur oder Änderung des Flugzeugs
entgegen (BGH a.a.O.; s. auch § 9 Abs. 1 Satz 3 LuftBO zur Zusammenfassung von Wartung und Nachprüfung).
Gerade so liegt der Fall hier. Die Kläger werfen dem Beklagten (Amts-)Pflichtverletzungen im Rahmen der ihm
obliegenden Lufttüchtigkeits-Prüfung vor und begehren den Ersatz der ihnen hieraus an ihrem Eigentum entstandenen
Schäden.
Der Beklagte ist nach alledem nicht passiv legitimiert; richtiger Anspruchsgegner wäre vielmehr der Bund als
„Anstellungskörperschaft“ (Genehmigungsgeber) des Instandhaltungsbetriebs des Beklagten.
Auf die dementsprechenden rechtlichen Erwägungen hat der Senat bereits vorterminlich aufmerksam gemacht; sie
wurden im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit den Parteien ausführlich und umfassend erörtert
(Protokoll Bl. 356 – 358 GA).
2. Der Senat hat deutlich gemacht, dass er auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen durchaus eine –
nach den soeben (unter 1.) dargestellten Grundsätzen allerdings auf die öffentliche Hand übergeleitete –
haftungsbegründende Verantwortlichkeit des Beklagten erkannt hat (zur Regressfrage vgl. BGH NVwZ 2002,375,377
a.E.; BGHZ 161, 6 ff.).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
IV.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor; die
streitentscheidende Rechtsfrage ist – wie dargestellt (sub II.1.) –bereits höchstrichterlich geklärt.
V.
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird gemäß §§ 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3
ZPO festgesetzt auf
24.116,00 Euro.
Dr. Itzel Dennhardt Dr. Cloeren