Urteil des OLG Koblenz vom 01.02.2010

OLG Koblenz: besonderer gerichtsstand, bezirk, prospekthaftung, anlageberatung, anbieter, sma, kommunikation, quelle, präsident, gründer

Zivilprozessrecht
OLG
Koblenz
01.02.2010
4 W 838/09 SmA
Zur Gerichtsstandsbestimmung bei fehlerhafter Anlageberatung und Prospekthaftung
Aktenzeichen:
4 W 838/09 SmA
Oberlandesgericht
Koblenz
Beschluss
In Sachen
W… W…,
- Antragsteller -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
1. W… Bank eG,
- Antragsgegnerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
2. Treuhandgesellschaft J… & Partner Steuerberatungsgesellschaft mbH,
- Antragsgegnerin -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
3. F… F…-Verwaltungen GmbH,
- Antragsgegnerin -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
wegen Schadenersatzes und Feststellung
hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts
hat der 4. Zivilsenat des OberlandesgerichtsKoblenz durch den Präsidenten des OberlandesgerichtsBartz,
den Richter am OberlandesgerichtGrünewald und den Richter am OberlandesgerichtEisert am 01.02.2010
beschlossen:
Zuständig ist das Landgericht Koblenz.
Gründe:
I.
Der Antragsteller erwarb über die Antragsgegnerin zu 1) als Anlagevermittlerin und -beraterin eine
Fondsbeteiligung. Die Antragsgegnerinnen zu 2) und 3) sind Gründungs- bzw. Treuhandkommanditistin der
streitgegenständlichen Fondsgesellschaft. Der Antragsteller beabsichtigt, die Antragsgegnerinnen zu 1) bis
3) wegen fehlerhafter Anlageberatung (Antragsgegnerin zu 1)) und Prospekthaftung (Antragsgegnerinnen
zu 2) und 3)) gesamtschuldnerisch auf Schadenersatz und Feststellung in Anspruch zu nehmen. Die
Antragsgegnerin zu 1) hat ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts Koblenz, die
Antragsgegnerinnen zu 2) und 3) im Bezirk des Landgerichts Aachen.
Mit seinem Schriftsatz vom 18.12.2009 beantragt der Antragsteller, das Landgericht Koblenz als das örtlich
zuständige Gericht zu bestimmen. Dem sind die Antragsgegnerinnen zu 2) und 3) entgegengetreten. Sie
sind der Auffassung, das Landgericht Aachen sei als zuständiges Gericht zu bestimmen.
II.
Das Oberlandesgericht Koblenz ist zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen. In den Fällen, in
denen - wie hier - noch keine Klage erhoben ist und die allgemeinen Gerichtsstände der zu verklagenden
Streitgenossen in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken liegen, kann nach gefestigter
Rechtsprechung der Gesuchsteller den Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nach seiner Wahl bei einem der
Oberlandesgerichte stellen, in deren Bezirk mindestens ein allgemeiner Gerichtsstand liegt (vgl. Zöller, ZPO,
28. Aufl. 2010, § 36 Rn. 17). Diese Voraussetzung ist für das Oberlandesgericht Koblenz erfüllt, da die
künftige Beklagte zu 1) ihren allgemeinen Gerichtsstand in dessen Bezirk hat.
Auch in sachlicher Hinsicht liegen die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36
Abs. 1 Nr. 3 ZPO vor.
Der Antragsteller will die Antragsgegnerinnen als einfache Streitgenossen im Sinne der §§ 59, 60 ZPO in
Anspruch nehmen. Dabei hat er zu den Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft schlüssig vorgetragen.
Ob sie tatsächlich vorliegen, wird im Bestimmungsverfahren ebenso wenig geprüft wie die Schlüssigkeit
oder Begründetheit des Klagevorbringens.
Die Antragsgegnerin zu 1) einerseits und die Antragsgegnerinnen zu 2) und 3) andererseits haben ihren
allgemeinen Gerichtsstand bei verschiedenen Gerichten (§§ 17 und 21 ZPO).
Ein gemeinsamer besonderer oder ausschließlicher Gerichtsstand für alle Antragsgegnerinnen liegt nicht
vor. Die Voraussetzungen für die ausschließliche Zuständigkeit nach § 32 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO sind
hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1) nicht erfüllt. Denn diese wird wegen ihrer falschen oder
unzureichenden Beratung im Rahmen eines Anlageberatungsvertrages in Anspruch genommen und nicht
aufgrund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen.
Anspruchsgrundlage ist insoweit eine Verletzung des Anlageberatungsvertrags, der nicht schon deshalb
öffentliche Kapitalmarktinformationen zum Gegenstand hat, weil sich die Antragsgegnerin zu 1) bei ihrer
Beratung auch auf öffentliche Kapitalmarktinformationen bezogen hat. Die Antragsgegnerin ist auch nicht
Anbieter im Sinne von § 32 b ZPO. Anbieter ist nur derjenige, der für das öffentliche Angebot von
Vermögensanlagen verantwortlich ist und so auch den Anlegern gegenüber auftritt (vgl. BGH NJW 2007,
1364; s. a. BGH NJW 2009, 513 ff.).
Ebenso wenig besteht ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand nach § 22 ZPO. Zwar können Mitglieder
von Anlagegesellschaften Ansprüche gegen den der sogenannten Prospekthaftung unterliegenden
Personenkreis der Gründer, Initiatoren oder Gestalter der Gesellschaft im Gerichtsstand des § 22 ZPO
geltend machen (BGHZ 76, 231 ff.). Die Anwendung des § 22 ZPO kann jedoch nicht auch auf
selbstständige Werbeunternehmen, die den Beitritt neuer Anleger vermitteln, im Übrigen aber der
Anlagegesellschaft fern stehen, sowie deren Erfüllungsgehilfen (hier also die Antragsgegnerin zu 1))
erstreckt werden.
Das zuständige Gericht ist im Falle des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu
bestimmen. Derlei Gesichtspunkte sprechen für die Bestimmung des Landgerichts Koblenz als zuständiges
Gericht. Zwar haben zwei der drei Antragsgegnerinnen ihren allgemeinen Gerichtsstand in Aachen. Auch ist
im Rahmen der Abwägung der Rechtsgedanke des § 22 ZPO zu berücksichtigen (vgl. BayObLG NJW-RR
2002, 1684; 2003, 134). Ausschlaggebend für die Bestimmung des Landgerichts Koblenz ist jedoch, dass in
dessen Zuständigkeitsbereich die gesamte Kommunikation mit dem Antragsteller stattgefunden und der
Rechtsstreit somit seinen Ursprung und Kern im Landgerichtsbezirk Koblenz hat. Hier haben der
Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 1) ihren allgemeinen Gerichtsstand. Demgegenüber tritt der
Rechtsgedanke des § 22 ZPO zurück, da Fragen der unterlassenen Aufklärung, fehlerhaften Beratung und
Prospekthaftung, nicht aber die Verhältnisse der Anlagegesellschaft, im Vordergrund stehen.
Bartz
Grünewald
Eisert
Präsident
des Oberlandesgerichts
Richter
am Oberlandesgericht
Richter
am Oberlandesgericht
.