Urteil des OLG Koblenz vom 11.12.2009
OLG Koblenz: einstellung der zahlungen, versicherer, verjährungsfrist, abrechnung, invaliditätsgrad, rente, versicherungsvertrag, kapitalleistung, vollstreckung, erwerbsfähigkeit
OLG
Koblenz
11.12.2009
10 U 27/09
Unfallversicherung; Zurechnung von Regulierungsverhalten bei zwei beteiligten Versicherern
Einigen sich zwei Versicherer auf einen gemeinsamen Gutachtenauftrag für einen Versicherungsfall und die
federführende Bearbeitung des Versicherungsfalls durch einen der Versicherer, bedeutet ein nach abschließender
Begutachtung für seine Leistungspflicht ergehender Bescheid auch des nicht federführend gewesenen Versicherers
ohne weiteres seine abschließende Feststellung im Sinne von § 12 VVG. Das weitere Verhalten des anderen
Versicherers führt insoweit nicht zu einer Verjährungshemmung.
Geschäftsnummer:
10 U 27/09
2 O 170/09 LG Bad Kreuznach
Verkündet am 11. Dezember 2009
Birgit Schäfer, Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts
in dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungskläger,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte -
g e g e n
Beklagte und Berufungsbeklagte,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte -
Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die
Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger
auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2009
für R e c h t erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 30. Dezember
2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils
gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
G R Ü N D E:
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Invaliditätsleistung aufgrund eines zwischen den Parteien
geschlossenen Unfallversicherungsvertrages.
Der Kläger hatte sowohl bei der Beklagten als auch bei der A. Versicherung, die im Laufe der weiteren Zeit von der B.
Versicherung übernommen wurde, jeweils einen Unfallversicherungsvertrag geschlossen. Während der Vertragslaufzeit
kam es am 21.8.1999 zu einem Unfall, durch den er einen Gesundheitsschaden erlitt. Diesen Schadensfall meldete er
unverzüglich sowohl der Beklagten wie auch der A. Versicherung. Beide Versicherer kamen intern überein, dass die
Beklagte federführend bei der Einholung der erforderlichen Sachverständigengutachten tätig werden sollte. In ihrem
Auftrag wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt, gegen dessen Verwertung sich die A. Versicherung mit
Schreiben vom 23.8.2001 wehrte. Aufgrund einer internen Absprache der Versicherer sollte nun die A. Versicherung den
Schadensfall federführend weiter bearbeiten. Im Jahr 2001 kam es zur erneuten ärztlichen Begutachtung des Klägers,
nach welcher die Beklagte aufgrund Schreiben vom 23.8.2002 unter Zugrundelegung eines Invaliditätsgrades nach der
Gliedertaxe von 42% vertragsgemäß einen Betrag von 30.166,70 € an den Kläger zahlte. Die A. Versicherung teilte dem
Kläger mit Schreiben vom 17.7.2002 mit, dass sie davon ausgehe, dass der Invaliditätsgrad von 50% auf jeden Fall
erreicht werde und dass sie deshalb in die von ihr zu erbringenden Rentenzahlungen eintreten werde. Entsprechende
Rentenzahlungen erfolgten bis einschließlich Februar 2006 durch den Rechtsnachfolger der A. Versicherung, die B.
Versicherung, welche die Einstellung der Zahlungen für die Folgezeit damit rechtfertigte, der Kläger habe den Nachweis
des von ihm behaupteten Invaliditätsgrades nicht erbracht. Die neben der Rente geschuldete Kapitalleistung hatte die A.
Versicherung ebenfalls in Höhe von 42% erbracht.
Im Jahr 2002 hatte die B. eine Nachuntersuchung des Klägers veranlasst, auf deren Ergebnis hin sie weitere Zahlungen
ablehnte. Das Nachprüfungsverfahren nahm einen Zeitraum von mehreren Jahren in Anspruch, bis die B. schließlich im
Jahr 2006 die Rentenzahlung einstellte. Zwischen der B. und dem Kläger sind zwei Rechtsstreitigkeiten anhängig, in
welchen er zum einen die Fortzahlung der Rente und zum anderen weitere Invaliditätsleistungen in Form von
Kapitalzahlung begehrt.
Mit Schreiben vom 17.8.2002 an die A. Versicherung forderte der damalige Bevollmächtigte des Klägers binnen zwei
Wochen eine endgültige Abrechnung der Versicherungsansprüche an.
Mit Schreiben des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 7.1.2008 forderte dieser von der
Beklagten mit Fristsetzung zum 18.1.2008 die Zahlung des mit der Klage verfolgten Betrages. Gegen diese Forderung
erhob die Beklagte die Einrede der Verjährung.
Der Kläger hat vorgetragen:
Bei ihm liege weiterhin eine Invalidität von mindestens 90% vor, woraus sich eine Invaliditätsleistung von 137.874,68 €,
also ein Restanspruch in Höhe von 107.707,98 € ergebe. Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung sei
unbegründet. Da die A. Versicherung/B. seine Ansprüche habe federführend bearbeiten sollen, müsse sich die Beklagte
sämtliche Erklärungen dieses Versicherers mit verjährungsbeeinflussender Wirkung zurechnen lassen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, eine Invaliditätsleistung auf der Basis einer Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers von
90% aus dem Unfallversicherungsvertrag Nr. L 20.91.1…./1 in Höhe von 107.707.98 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.8.2002.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen:
Es sei nicht zutreffend, dass die A. Versicherung federführend auch für die Beklagte mit der Regulierung der
Versicherungsansprüche befasst gewesen sei. Der vom Kläger behauptete Invaliditätsgrad werde bestritten. In dem
Parallelverfahren gegen die B. Versicherung komme der dort bestellte Sachverständige Prof. Dr. C. zu einem
Invaliditätsgrad von unter 50%.
Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung des geltend gemachten Anspruchs abgewiesen. Hiergegen wendet
sich der Kläger mit seiner Berufung.
Der Kläger trägt vor:
Er gehe davon aus, dass sein Anspruch auf Zahlung einer Invaliditätsleistung nicht verjährt sei. Die Beklagte müsse sich
das Schreiben der A. Versicherung vom 17. 7. 2002, wonach diese davon ausgehe, dass der Invaliditätsgrad von 50%
auf jeden Fall erreicht werde, aufgrund der internen Absprachen entgegenhalten lassen. Dieses Schreiben habe somit
auch im Verhältnis zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits verjährungshemmende Wirkung. Es
überlagere auch die Abrechnung der Beklagten gemäß Schreiben vom 23.8.2002. Die Verjährungsfrist habe also nicht
mit diesem Schreiben zu laufen begonnen. Die Beklagte müsse sich vielmehr daran festhalten lassen, dass sie davon
ausgehe, dass der Invaliditätsgrad von 50% auf jeden Fall erreicht werde. Zumindest in dieser Höhe könne keine
Verjährung eingetreten sein. Darüber hinaus könnten die Ansprüche gegenüber der Beklagten und diejenigen
gegenüber der A. Versicherung (nunmehr B.) nur einheitlich betrachtet werden. Immerhin hätten beide Versicherer
vereinbart, gemeinsam tätig zu werden. Insofern sei es auch irrelevant, ob die Beklagte in der Folge am Verfahren der
B.versicherung teilgenommen habe. Sie müsse sich nun das Agieren der B. entgegenhalten lassen, was auch die
verjährungshemmende Wirkung umfasse.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, eine Invaliditätsleistung auf der Basis einer
Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers von 90% aus dem Unfallversicherungsvertrag Nr. L 20.91.1…./1 in Höhe
von 107.707.98 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.8.2002.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bestreitet weiterhin, dass die A. Versicherung mit der Regulierung bezüglich aller Versicherungsverträge beauftragt
gewesen sei. Die von der A. Versicherung angesprochene Verfahrensweise betreffe lediglich die Begutachtung, nicht
aber die Regulierung. Auf die Einrede der Verjährung habe sie, die Beklagte, im Verhältnis zum Kläger nicht verzichtet.
Spätestens aus ihrem, der Beklagten, Schreiben vom 23.8.2002 nach Vorlage der Begutachtung habe sich ergeben,
dass eine etwaige gemeinsame Regulierung beendet sei. Sie bestreite weiterhin, dass die A. Versicherung bei Abgabe
von etwaigen Erklärungen gegenüber dem Kläger im Namen und mit Vollmacht der Beklagten gehandelt habe. Im
Übrigen weist sie darauf hin, dass eine interne Absprache zwischen zwei Versicherern zur Vermeidung einer
Doppelbegutachtung nicht dazu führe, dass im Außenverhältnis zum Versicherungsnehmer hieraus
verjährungshemmende Tatbestände erwüchsen. Insoweit sei für jeden Versicherer gesondert darauf abzustellen, zu
welchem Zeitpunkt die endgültige Leistungsablehnung erfolgt sei. Diese habe zur Folge, dass die Verjährungsfrist laufe.
Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst
Anlagen sowie auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Kläger kann von der
Beklagten keine weitere Invaliditätsleistung mehr verlangen, da ein entsprechender Anspruch, so er denn begründet
gewesen sein sollte, verjährt ist und die Beklagte sich auf den Eintritt der Verjährung auch berufen hat.
Gemäß § 12 a. F. VVG verjähren Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis zwei Jahre nach Abschluss des Jahres, in
dem sie erstmals geltend gemacht werden können. Gemäß Absatz 2 der genannten Vorschrift ist allerdings der Lauf der
Verjährungsfrist gehemmt bis zum Zugang der Abrechnung des Versicherers. Im vorliegenden Fall, in welchem der
Kläger von der Beklagten allein eine einmalig zu zahlende Invaliditätsleistung verlangen konnte und auch nur verlangt
hat, endete die Hemmung der Verjährungsfrist mit dem Zugang der Abrechnung der Beklagten vom 23.8. 2002, in der sie
die als begründet erachteten Ansprüche des Klägers bezifferte, die sie anschließend auch zur Auszahlung brachte.
Weiterer Schriftverkehr zwischen den Parteien, aus welchem die Beklagte hätte ersehen können, dass der Kläger mit
dieser Abrechnung nicht einverstanden ist und weitere Leistungen von ihr begehrt, fand bis zum 7.1.2008 nicht statt.
Auch hat die Beklagte unstreitig nicht gegenüber dem Kläger wegen noch weiterer offener Forderungen auf die
Erhebung der Einrede der Verjährung verzichtet. Damit war die zweijährige Verjährungsfrist bereits seit mehreren Jahren
abgelaufen, als der Kläger mit Schreiben seines erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 7.1.2008 die Zahlung
des mit der Klage geltend gemachten Betrages forderte.
Entgegen der Auffassung des Klägers kommt den weiteren Verhandlungen der B. Versicherung mit ihm in Bezug auf das
dort wegen der Rente angestrengte Nachprüfungsverfahren keine verjährungsunterbrechende Wirkung in Bezug auf den
Versicherungsvertrag mit der Beklagten und die daraus resultierenden Forderungen zu. Unstreitig ist, dass die beiden
Versicherer, bei welchen der Kläger Unfallversicherungen unterhielt, interne Absprachen darüber getroffen hatten, dass
die Begutachtung des Klägers einheitlich erfolgen sollte und dass nicht jeder Versicherer gesondert für sich eine
Begutachtung anordnet. Aus dieser internen Absprache ergeben sich jedoch keine Folgen bezüglich der Regulierung
der Ansprüche des Klägers. Insoweit hat der Kläger auch nicht dargelegt, dass der jeweils federführende Versicherer ihm
gegenüber irgendwelche Erklärungen zur Regulierung aus dem Versicherungsvertrag mit dem jeweils anderen
Versicherer abgegeben hätte. Ein solches Vorgehen ergibt sich auch nicht aus dem von ihm vorgelegten Schriftverkehr.
Die Schreiben der A. Versicherung/B. Versicherung, auf die er sich für seine Auffassung gegenüber der Beklagten
bezieht, verhalten sich jeweils ausschließlich über den Versicherungsvertrag dieses Versicherers. Insbesondere das
Schreiben der A. Versicherung vom 17.7. 2002 verhält sich lediglich über die von der A. Versicherung unter bestimmten
Voraussetzungen zu zahlende Rente und betraf noch nicht einmal die von diesem Versicherer ebenfalls geschuldete
Kapitalleistung, über die eine anderweitige Entscheidung ergangen war. Mit keinem Wort nimmt es auf den Anspruch
gegen die Beklagte Bezug. Damit ist schon nicht erkennbar, dass die A. Versicherung/B. Versicherung im Namen der
Beklagten handeln wollte. Dass sie bevollmächtigt gewesen wäre, für die Beklagte Entscheidungen über deren
Leistungsverpflichtung zu treffen und diesbezüglich Erklärungen abzugeben, ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers
nicht. Anhaltspunkte für ein derartiges Vorgehen sind dem vorgelegten Schriftverkehr nicht zu entnehmen.
Da somit ein Handeln der B.versicherung im Namen und in Vollmacht der Beklagten weder hinreichend vorgetragen
noch sonst ersichtlich ist, kann dem weiteren Verhandeln der B. mit dem Kläger, das allein deren Leistungspflicht betraf,
eine verjährungshemmende Wirkung hinsichtlich etwaiger Forderungen gegen die Beklagte nicht zukommen. Damit ist
der gegen die Beklagte gerichtete Anspruch verjährt.
Da somit das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat, ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht gegeben
sind.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 107. 707,98 € festgesetzt.
Weiss Schwager-Wenz Zeitler-Hetger