Urteil des OLG Koblenz vom 09.05.2008
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Versicherungsvertragsrecht
OLG
Koblenz
09.05.2008
10 U 999/07
Beschädigte Objektive und Magazin einer Fotoausrüstung wegen Pauschalpolice als Totalschaden an
Einzelgegenständen, nicht als partielle Beschädigung der Ausrüstung einzustufen.
Neuwertentschädigung für Altmodelle ohne Listenpreis gemäß dem Listenpreis der Nachfolgemodelle, auch wenn hierin
Mehrkosten wegen Technologiefortschritts enthalten.
Geschäftsnummer:
10 U 999/07
6 O 220/06 LG Trier
Verkündet am 9. Mai 2008
Schäfer, B., Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts
in dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungskläger,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte -
g e g e n
Beklagte und Berufungsbeklagte,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte -
Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die
Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger
auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2008
für R e c h t erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 28. Juni 2007 abgeändert
und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.144,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem
Basiszinssatz seit dem 13. Mai 2006 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Entschädigung für zwei beschädigte Objektive und ein beschädigtes Magazin
seiner Fotoausrüstung aufgrund des mit der Beklagten bestehenden Versicherungsvertrages „Elektronik-Spezial-Police“
(Bl. 6, 7, 12 - 27 d. A.). Die Beklagte hat eine Teilleistung erbracht, der Kläger begehrt jedoch Ersatz der vollständigen
Kosten, die ihm für die Anschaffung der Nachfolgemodelle der beschädigten Geräte, für die Ersatzteile nicht mehr zu
beschaffen waren, entstanden sind (abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung). Der Kläger forderte die Beklagte
erfolglos auf, den Betrag bis zum 13. Mai 2006 an ihn zu zahlen.
Die Parteien streiten im Wesentlichen darum, ob für die versicherten Sachen serienmäßig hergestellte Ersatzteile nicht
mehr zu beziehen sind und die nach dem Versicherungsvertrag zu zahlende Entschädigung somit nach § 9 Nr. 4 lit. b
ABE auf den Zeitwert begrenzt ist, den die Beklagte dem Kläger bereits erstattet hat.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da wegen des Eingreifens der Ersatzteilklausel in § 9 Nr. 4 lit. b ABE der
Kläger nur Anspruch auf Ersatz des Zeitwerts der beschädigten Geräte habe.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der er
unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags beantragt,
unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.144,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 13. Mai 2006 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt ihren erstinstanzlichen Sachvortrag und hat mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 22. April 2008
ergänzend vorgetragen.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet.
Dem Kläger steht aufgrund des mit der Beklagten geschlossenen Elektronikversicherungsvertrages ein
Zahlungsanspruch in Höhe von noch 5.144,94 € als Entschädigung für die zwei beschädigten Objektive und das
beschädigte Magazin zu.
Unstreitig ist die Beklagte nach der bestehenden Elektronik-Versicherung verpflichtet, für die Beschädigung der
Fotoausrüstungsgegenstände des Klägers Entschädigung zu leisten. Gemäß § 9 Nr. 1 ABE leistet der Versicherer die
Entschädigung entweder durch Naturalersatz oder durch Geldsersatz. Vorliegend hat die Beklagte erkennbar die
Entschädigung durch Geldersatz gewählt. Dieser bedeutet gemäß § 9 Nr. 3 lit. a ABE im Falle eines Teilschadens die
Zahlung der für die Wiederherstellung der beschädigten Sache am Schadenstag notwendigen Kosten und gemäß § 9 Nr.
3 lit. b ABE im Falle eines Totalschadens die Zahlung des Betrages gemäß § 4 Nr. 1 ABE. Abweichend hiervon ist die
Entschädigungsleistung nach § 9 Nr. 4 durch Geldersatz auf den Zeitwert begrenzt, wenn a) die Wiederherstellung
(Teilschaden) oder Wiederbeschaffung (Totalschaden) unterbleibt oder b) für die versicherte Sache serienmäßig
hergestellte Ersatzteile nicht mehr zu beziehen sind. Nach den vereinbarten Zusatzbedingungen ersetzt der Versicherer
auch tatsächlich entstandene Mehrkosten durch Technologiefortschritt.
Die zwischen den Parteien bestehende Elektronikversicherung ist – wie sich aus der fehlenden Bezeichnung der
einzelnen Fotoausrüstungsbestandteile ergibt – als Pauschalversicherung abgeschlossen worden. Damit sind alle dem
Betrieb der Fotoagentur des Klägers zuzuordnenden Geräte versichert, wobei jedoch jedes einzelne Gerät den
versicherten Gegenstand darstellt. Hiervon geht auch die Beklagte aus.
Damit ergibt sich, dass die zwei Objektive und das Magazin keine Ersatzteile darstellen, sondern selbst die versicherten
Sachen im Sinne der vereinbarten Versicherungsbedingungen darstellen. Diese sind unstreitig beschädigt worden,
wobei nach dem unbestritten gebliebenen Sachvortrag des Klägers in der Klageschrift ein Totalschaden der
beschädigten Teile vorliegt. Soweit die Beklagte nunmehr in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 22. April 2008
vorträgt, eine Reparatur der Teile wäre im Falle der Verfügbarkeit serienmäßiger Ersatzteile wirtschaftlich möglich
gewesen, handelt es sich um nach Schluss der mündlichen Verhandlung gehaltenen neuen Sachvortrag, der gemäß §
296 a ZPO nicht zu berücksichtigen ist. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO) war hierzu nicht
geboten, zumal der Aspekt des Totalschadens und der daraus folgenden Unanwendbarkeit der Ersatzteilklausel in den
ABE ausführlich im Termin zur mündlichen Verhandlung von dem Senat erörtert wurde und die Beklagte keine
Erklärungsfrist hierzu beantragt hat (§ 139 Abs. 5 ZPO). Im Übrigen ergibt sich jedoch auch aus den von der Beklagten
selbst vorgelegten Rechnungen (Bl. 42 - 44 d. A.) das Vorliegen eines Totalschadens.
Ist demzufolge von dem Vorliegen eines Totalschadens auszugehen, da die Objektive und das Magazin aufgrund der
erheblichen Beschädigungen an jeweils verschiedenen Stellen nicht reparaturfähig sind, ist die Ersatzteilklausel des § 9
Nr. 4 lit. b ABE nicht anwendbar (vgl. Prölls/Martin, VVG, 27. Aufl., ABE § 9 Rn. 9). Für den Fall des Totalschadens sieht §
9 Nr. 3 lit. b ABE die Zahlung des Betrages gemäß § 4 Nr. 1 ABE vor, mithin grundsätzlich die Erstattung des Neuwerts
(§ 4 Nr. 1 lit. a ABE). Vorliegend sind die Objektive und das Magazin bereits viele Jahre alt, so dass sie nicht mehr in
Preislisten geführt werden. Gleichwohl ist hier nicht gemäß § 4 Nr. 1 lit. b ABE die Entschädigung dann auf den letzten
Listenpreis der Sache im Neuzustand zuzüglich der Bezugskosten unter Berücksichtigung der entsprechenden
Preisentwicklung beschränkt. Denn diese Klausel wird im vorliegenden Fall überlagert durch die vereinbarten
Zusatzbedingungen (Bl. 17 - 19 d. A.), nach denen auch tatsächlich entstandene Mehrkosten durch Technologiefortschritt
zu erstatten sind. Diese Klausel kommt gerade in Fällen wie dem vorliegenden zum Tragen, in denen der versicherte
Gegenstand wegen der fortschreitenden Technologie weder wiederhergestellt noch wiederbeschafft werden kann.
Dementsprechend ist gemäß den Zusatzbedingungen die Entschädigungsleistung zu gewähren in Höhe von 110 % des
für die beschädigte Sache gültigen Versicherungswertes. Der Kläger hat als den ihm zustehenden
Entschädigungsbetrag die Preise der Nachfolgemodelle gemäß der Rechnung vom 9. März 2006 (Bl. 8 d. A.) geltend
gemacht. Die Beklagte hat insoweit nicht substantiiert bestritten, dass es sich bei diesen Beträgen nicht um die
geschuldete Entschädigung handelt, vielmehr erstinstanzlich nur geltend gemacht, es bestehe kein Anspruch des
Klägers auf den Neupreis der Nachfolgemodelle im Hinblick auf die anzuwendende Ersatzteilklausel. Soweit die
Beklagte in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 22. April 2008 die fehlende Darlegung des Klägers zum letzten
Listenpreis und der entsprechenden Preisanpassung der beschädigten Geräte und zur Berechnung von 110 % des
Versicherungswertes rügt, ist dieses Verteidigungsvorbringen gemäß § 296 a ZPO aus den bereits dargelegten Gründen
unbeachtlich.
Dem Kläger steht somit ein weiterer Zahlungsanspruch in Höhe von 5.144,94 € zu, den die Beklagte gemäß § 286 Abs. 1,
§ 288 Abs. 1 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Mai 2006 zu verzinsen hat.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben
sind.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.144,94 € festgesetzt.
Weiss Schwager-Wenz Zeitler-Hetger