Urteil des OLG Koblenz vom 05.12.2003

OLG Koblenz: grad des verschuldens, führung des haushalts, schmerzensgeld, amputation, versorgung, erwerbsfähigkeit, minderung, vollstreckung, zeugenaussage, unfallfolgen

Verkehrsrecht
Versicherungsrecht
Zivil- und Zivilprozessrecht
OLG
Koblenz
05.12.2003
12 U 1262/02
1. Bei der Bemessung des Schme
Geschäftsnummer:
12 U 1262/02
6 O 203/98
LG Trier
Verkündet
am 15. 12. 2003
Matysik, Amtsinspektor,
als Urkundsbeamter der
Geschäftsstelle
OBERLANDESGERICHT
KOBLENZ
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
in dem Rechtsstreit
M… N…,
Kläger, Berufungskläger und Anschlussberufungsbeklagter,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
R… Versicherung AG,
Beklagte, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
wegen eines Schadensersatzanspruchs aus einem Verkehrsunfall.
Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes,
die Richter am Oberlandesgericht Dr. Wohlhage und Dr. Eschelbach
auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2003
für R e c h t erkannt:
Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des
Landgerichts Trier vom 22. August 2002 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 81,5 %, die Beklagte 18,5 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 11 % über dem vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet. Ebenfalls darf die Beklagte die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 11% über dem vollstreckbaren Betrag abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung entsprechende
Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche des Klägers aus einem Verkehrsunfall, der sich am 31.
Oktober 1997 auf der Bundesstraße … in H…-L… zugetragen hat. Den Unfall hat der Versicherungsnehmer der
Beklagten W... B... allein verschuldet; das steht außer Streit. Der damals 28jährige Kläger war zum Unfallzeitpunkt als
Rettungssanitäter mit der Versorgung des Opfers eines anderen Unfalls beschäftigt. W... B... fuhr zunächst an der von der
Polizei gesicherten Unfallstelle vorbei. Später kam er aus der Gegenrichtung zurück, verlor in der lang gezogenen
Rechtskurve infolge überhöhter Geschwindigkeit die Kontrolle über sein Fahrzeug und erfasste den auf der
Gegenfahrbahn vor dem Rettungswagen stehenden Kläger. Dieser wurde am linken Bein so schwer verletzt, dass ihm
der Unterschenkel notfallmäßig amputiert werden musste. Außerdem trug er eine Oberschenkelfraktur am linken Bein,
eine Platzwunde am linken Finger, eine Herzprellung, eine Gehirnerschütterung und eine Außenbandruptur rechts
davon. Nachdem die Operationswunde am linken Bein nicht verheilte, musste nachamputiert und dem Kläger auch das
linke Kniegelenk entfernt werden. Mehrfach wurde vom rechten Bein Haut in langen Streifen und bis zur untersten
Hautschicht entnommen, um sie als Spalthaut an der Amputationsstelle des linken Beins anzubringen. Erst zwei Jahre
nach dem Unfall konnte der Kläger mit einer Unterschenkelprothese versorgt werden. Die Beklagte zahlte vorprozessual
110.000 DM (56.242,11 Euro) an den Kläger, die letztlich auf seine Schmerzensgeldforderung angerechnet wurden; der
Kläger fordert in beiden Instanzen ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 140.000 DM (71.580,86 Euro). Auf den
Haushaltsführungsschaden des Klägers zahlte die Beklagte 20.500 DM (10.481,48 Euro); insoweit machte der Kläger in
erster Instanz weiter gehende Forderungen geltend, die zum Teil vom Landgericht zuerkannt wurden und Gegenstand
des Berufungsverfahrens sind. Auf den Erwerbsschaden des Klägers wurden von der Beklagten 244,50 DM (125,01
Euro) gezahlt; auch dazu erhob der Kläger mit der Klage weiter gehende Ansprüche, die im Berufungsrechtszug nicht
mehr Verfahrensgegenstand sind. Schließlich machte er Ersatzansprüche wegen des Wegfalls von Eigenleistungen
beim Ausbau des Hauses seiner Mutter, das später in sein Eigentum überging, geltend, welches er mit dieser zusammen
bewohnt und unmittelbar vor dem Unfall ausbauen wollte. Das ist Gegenstand der Anschlussberufung.
Der Kläger hat in erster Instanz vorgetragen,
er habe einen erheblichen Dauerschaden erlitten, der ihn in seinem bisherigen Beruf völlig erwerbsunfähig mache und
im Übrigen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 60 % zur Folge habe. Berücksichtigt werden müsse die komplizierte
Versorgung des Unterschenkelstumpfes, die auch künftig weitere operative Eingriffe erwarten lasse. Bei dieser Lage sei
ein Schmerzensgeld in Höhe von 250.000 DM (127.822,97 Euro) abzüglich der gezahlten Beträge angemessen.
Außerdem sei er mindestens zum Teil an der Führung des Haushalts gehindert. Er lebe mit seiner inzwischen 74 Jahre
alten und sehbehinderten Mutter in einem großen Haushalt zusammen. Der umbaute Wohnraum des gemeinsam
bewohnten Anwesens sei dreimal so groß, wie der eines gewöhnlichen Einfamilienhauses. Hinzu komme ein Garten mit
einer Fläche von 400 qm. Es bestehe ein wöchentlicher Arbeitszeitbedarf von mindestens 35 Stunden. Seine Mutter sei
immer weniger dazu in der Lage, Haushaltstätigkeiten durchzuführen. Bei dem genannten Arbeitszeitbedarf und der
Vergütung einer Hilfskraft nach BAT VIII errechne sich ein monatlicher Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.368,75
DM (699,83 Euro). Daraus ergebe sich für die Zeit vom 1. November 1997 bis zum 30. September 1998 ein Anspruch auf
Zahlung von 15.056,25 DM (7.698,14 Euro) abzüglich gezahlter 10.000 DM (5.112,92 Euro), für die Zeit vom
30. September 1998 bis 30. Juni 2001 ein solcher von 28.743,75 DM (14.696,45 Euro) abzüglich gezahlter 10.000 DM
(5.112,92 Euro), schließlich für die Zeit vom 1. Juli 2000 bis zum 31. August 2001 ein Anspruch in Höhe von 19.162,50
DM (9.797,63 Euro). Ferner sei ihm für die Zeit vom 13. Dezember 1997 bis zum 17. März 1999 ein Erwerbsschaden in
Höhe von 8.183,33 DM (4.184,07 Euro) entstanden. Schließlich habe er im Zuge des Ausbaus seines Elternhauses
geplante Eigenleistungen im Wert von 30.740 DM (15.717,11 Euro) nicht erbringen können; das hierzu eingeholten
Sachverständigengutachten habe 3.982,54 DM (2.036,24 Euro) gekostet, so dass ein weiterer Schaden in Höhe von
34.722,54 DM (17.753,35 Euro) entstanden sei. Sämtliche Arbeiten der geltend gemachten Art habe er früher an anderer
Stelle bereits erbracht. Er sei auch der Lage gewesen, solche Arbeiten in seiner Freizeit durchzuführen.
Der Kläger hat nach einer teilweisen Rücknahme seiner ursprünglichen Klage beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch weitere 150.000 DM
(76.693,78 Euro) nebst Zinsen zu zahlen, wobei der Rechtsstreit in Höhe von 10.000 DM (5.112,92 Euro) in der
Hauptsache für erledigt erklärt wurde,
2. die Beklagte zu verurteilen, für die Zeit vom 1. November 1997 bis zum 30. September 1998 an ihn 5.056,25 DM
(2.585,22 Euro) nebst Zinsen zu zahlen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 30. Juni 2000 18.243,75 DM (9.327,88
Euro) nebst Zinsen zu zahlen,
4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 1. Juli 2000 bis zum 31. August 2001 19.162,50 DM (9.797,63
Euro) nebst Zinsen zu zahlen,
5. die Beklagte zu verurteilen, an ihn beginnend mit dem Monat September 2001 jeweils monatlich im Voraus 1.368,75
DM (699,83 Euro), der rückständigen Beträge nebst Zinsen, zu zahlen,
6. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.183,33 DM (4.184,07 Euro) nebst Zinsen zu zahlen,
7. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 34.722,54 DM (17.753,35 Euro) nebst Zinsen zu zahlen.
Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen,
es könne nicht von einer dauernden Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers von 60% und einer Einschränkung
seiner Haushaltsführungsfähigkeit in diesem Umfang ausgegangen werden. Vielmehr sei mit einer Verbesserung seiner
Gesundheit zurechnen. Dies müsse anspruchsmindernd berücksichtigt werden. Dem Kläger sei kein Verdienstausfall
entstanden. Ein Anspruch auf Ersatz angeblich entgangener Eigenleistungen bei der Renovierung des Hauses sei
ebenfalls nicht begründet. Der Kläger habe nicht die Fähigkeit besessen, die genannten Leistungen erbringen; zudem
habe er vor dem Unfall nicht über die erforderliche Zeit verfügt. Auch sei die Art der Bemessung der Forderung zu
beanstanden. Die vorprozessual erbrachten Leistungen seien ausreichend. Der geltend gemachte
Haushaltsführungsschaden sei übersetzt; es sei nur von einem Stundenaufwand von 21,7 Stunden pro Woche
auszugehen.
Das Landgericht hat nach Beweiserhebung die Klage teilweise abgewiesen, den Rechtsstreit hinsichtlich eines
Schmerzensgeldbetrages in Höhe von 10.000 DM (Tenor Ziffer 6) in der Hauptsache für erledigt erklärt und dem Kläger
folgendes zugesprochen (hinsichtlich der Zinsforderungen näher Bl. 375 f. GA):
Tenor Ziffer 1: für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 30. Juni 2000 insgesamt 475,23 Euro nebst Zinsen
(Haushaltsführungsschaden; Klageantrag zu 3: 18.243,75 DM = 9.327,88 Euro; Klageabweisung also in Höhe von
8.852,65 Euro),
Tenor Ziffer 2: für die Zeit vom 1. Juli 2000 bis zum 31. August 2001 insgesamt 5.203,85 Euro nebst Zinsen
(Haushaltsführungsschaden bei 50 % Leistungsminderung; Klageantrag zu 4: 19.162,50 DM = 9.797,63 Euro;
Klageabweisung also in Höhe von 4.593,78 Euro),
Tenor Ziffer 3: beginnend ab September 2001 jeweils monatlich 372,17 Euro, rückständigen Beträge nebst Zinsen
(Haushaltsführungsschaden bei 50 % Leistungsminderung; Klageantrag zu 5.: monatlich 1.368,75 DM = 699,83 Euro;
Klageabweisung also in Höhe von 327,66 Euro pro Monat),
Tenor Ziffer 4: 2.915,61 Euro nebst Zinsen (Erwerbsschaden für 460 Tage),
Tenor Ziffer 5: 15.742,95 Euro nebst Zinsen (entgangene Eigenleistungen am Haus).
Das Landgericht hat dabei den Haushaltsführungsschaden auf der Grundlage eines wöchentlichen Arbeitszeitbedarfs
von 21,7 Stunden bemessen (Bl. 383 GA). Dabei hat es die Zeugenaussage der Mutter des Klägers zu Grunde gelegt
und angenommen, diese habe einen Teil der Arbeiten selbst erledigt. Die Behauptung, die Mutter sei pflegebedürftig, sei
widerlegt. Es könne daher nur von einem Ein-Personen-Haushalt als Bemessungsgrundlage ausgegangen werden. Die
hierfür angemessenen 21,7 Stunden seien in dem Verhältnis zu reduzieren, in dem der Kläger unfallbedingt in seiner
haushaltsspezifischen Erwerbsfähigkeit gemindert sei. Dabei folge das Gericht den Ausführungen des Sachverständigen
Professor Dr. R...; dieser sei zu einer dauerhaften haushaltsspezifischen Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50%
gelangt, so dass sich ein ersatzfähiger Wochenstundensatz von 10,85 Stunden. Da der Kläger in seiner Leitungsfunktion
für eine Haushaltshilfe nicht mit mehr als 50 Prozent ausfalle, komme für die Bemessung der (hypothetischen) Vergütung
einer Aushilfskraft nicht der Tarif BAT VIII, sondern BAT X auf Nettolohnbasis zur Anwendung. Dem Kläger stehe ferner
ein Anspruch auf eine monatliche Rente zu; von der Bestimmung einer begrenzten Rentendauer sei abzusehen, weil es
ein Anspruch auf eine monatliche Rente zu; von der Bestimmung einer begrenzten Rentendauer sei abzusehen, weil es
sich bei dieser Schadensersatzrente um einen Ausgleich für zukünftige Nachteile handele und hierbei die künftige
Gestaltung der Verhältnisse in der Bemessung der Höhe der Raten zu berücksichtigen sei, soweit sie nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Umständen des Einzelfalls im Zeitpunkt der Urteilsfassung voraussehbar sei.
Bei der Bemessung des Verdienstausfallschadens für die Zeit vom 13. Dezember 1997 bis zum 17. März 1999 (460
Tage) seien die vorgelegten Gehaltsbescheinigungen zu Grunde zu legen (Bl. 387 ff. GA). Daraus ergebe sich ein
Tagesnettoverdienst einschließlich anteiliger Sonderzuwendungen von 94,79 DM (48,47 Euro). Auf den Gesamtbetrag
von 43.603,40 DM (22.294,06 Euro) seien Krankengeldzahlungen von 36.081,68 DM (18.448,27 Euro) anzurechnen,
ferner ein Krankengeldzuschuss des Arbeitgebers von 1.574,78 DM (805,17 Euro), schließlich eine Zahlung der
Beklagten von 244,50 DM (125,01 Euro), so dass ein noch zu leistender Betrag von 5.702,44 DM (2.915,61 Euro)
verbleibe.
Ersatzfähig seien ferner die entgangenen Eigenleistungen auf den Ausbau des Eigenheims, deren Realisierungsabsicht
und –möglichkeit durch die Aussagen der vernommenen Zeugen belegt sei (Bl. 389 ff. GA). Ersparte
Handwerkerleistungen und Sachverständigenkosten ergäben den Betrag von 30.790,54 DM (15.742,95 Euro).
Als Schmerzensgeld seien insgesamt die bereits geleisteten 110.000 DM (56.242,11 Euro) angemessen, wovon auch
10.000 DM (5.112,92 Euro) durch nachträgliche Verrechnungsbestimmung als gezahlt gälten. Hinsichtlich der weiter
geforderten 140.000 DM (71.580,86 Euro) sei die Klage unbegründet (Bl. 391 GA). Dazu nahm das Landgericht auf
seinen Beschluss vom 16. Oktober 2000 Bezug, in dem für einen Vergleichsvorschlag die Schmerzensgeldvorstellung
bereits näher erläutert worden war. Über die dortige Annahme, 100.000 DM Schmerzensgeld seien angemessen, sei das
Gericht aber nun der Auffassung, dass der Kläger auch den weiteren (gezahlten und nachträglich auf die
Schmerzensgeldforderung angerechneten) Betrag von 10.000 DM beanspruchen könne (Bl. 391 GA)
Gegen dieses Urteil richten sich die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten.
Der Kläger greift das Urteil nur teilweise an, soweit die weiter gehende Schmerzensgeldforderung von 140.000 DM
(71.580,86 Euro) als unbegründet angesehen wurde und die Ersatzansprüche wegen des Haushaltsführungsschadens
in Ziffern 2 und 3 des Urteilstenors teilweise nicht zugesprochen wurden (Teilklageabweisung zu Ziff. 2 in Höhe 4.593,78
Euro und zu Ziff. 3 in Höhe einer Teil-Rentenforderung von 327,66 Euro pro Monat). Insoweit verfolgt der Kläger die
restlichen Forderungen aus seinen erstinstanzlichen Anträgen weiter. Er macht im Wesentlichen geltend, der weitere
Schmerzensgeldanspruch sei auf Grund unzureichender Feststellungen abgewiesen worden. Seine Verletzungen sei
nur zum Teil berücksichtigt worden, dies gelte namentlich für eine Fibulaköpfchenfraktur, die Herzprellung und eine
Schürfwunde im Gesicht. Außerdem sei das grobe Verschulden des Schädigers nicht ausreichend berücksichtigt worden.
Beim Haushaltsführungsschaden habe das Landgericht die Verschlechterung des Gesundheitszustands seiner Mutter
nicht berücksichtigt, durch die sich der Anteil seiner Arbeitsleistung im Haushalt erhöht habe und weiter erhöhen werde.
Mit Blick auf die Größe von Haus und Garten sei die schematisch angewendete Schätzgrundlage unzureichend.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung das angefochtene Urteil
hinsichtlich der Entscheidungen zu den Ziffern der Urteilsformel
1: 475,23 Euro (Haushaltsführungsschaden),
2: 5.203,65 Euro (Haushaltsführungsschaden)
3: 372,17 Euro monatlich (Haushaltsführungsschaden)
5: 15.742,95 Euro (entgangene Eigenleistungen am Haus)
(insgesamt 21.794 Euro) aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.
Sie meint, das angefochtene Urteil sei nicht zu Lasten des Klägers, sondern zu ihren Lasten unrichtig. Das
Schmerzensgeld sei vom Landgericht ausreichend bemessen worden. Das Landgericht habe hingegen übersehen, dass
der Kläger keinen eigenen Hausstand führe. Nach den Zeugenaussagen sei es seine Mutter, die den Haushalt führe. Der
Kläger selbst verrichte lediglich einzelne Gartenarbeiten, werde aber auch dabei von einem Nachbarjungen unterstützt.
Unabhängig davon sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger im Haushalt zu 50 Prozent an der Erbringung von
Leistungen gehindert sei. Eine 50-prozentige Behinderung werde sonst nur angenommen, wenn eine Amputation
überhaupt nicht prothesenfähig sei, was aber beim Kläger nicht der Fall sei. Hinsichtlich der entgangenen
Eigenleistungen beim Umbau des Hauses seien sehr strenge Beweisanforderungen aufzustellen. Fiktive
Handwerkerleistungen seien grundsätzlich nicht erstattungsfähig. Im Übrigen fehlten Feststellungen dazu, dass der
Kläger überhaupt zeitlich und finanziell in der Lage gewesen wäre, sein Bauvorhaben abzuwickeln.
Der Kläger beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug
genommen. Wegen der erstinstanzlichen Feststellungen nimmt der Senat gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das
Urteil des Landgerichts Bezug.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I.
Beide Rechtsmittel sind zulässig, haben aber jeweils in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil ist im
Prüfungsumfang des § 529 ZPO in beide Angriffsrichtungen nicht zu beanstanden.
1. Die Berufung des Klägers ist unbegründet.
a) Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist von seiner Doppelfunktion auszugehen (BGHZ 18, 149, 154 ff.). Es soll
dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art
sind, und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung dafür schuldet,
was er ihm angetan hat. Der Entschädigungs- und Ausgleichsgedanke steht im Vordergrund (BGHZ 128, 117, 119). Eine
strafrechtliche Verurteilung des Täters muss sich nicht mindernd auf das Schmerzensgeld auswirken (BGHZ 128, 117,
121 ff.); sie spielt hier zudem schon deshalb keine erhebliche Rolle, weil der Schädiger nur zu einer Geldstrafe verurteilt
wurde. Die wesentliche Grundlage für die Höhe der Bemessung des Schmerzensgeldes bilden das Maß und die Dauer
der Lebensbeeinträchtigung, die Größe, Heftigkeit und die Dauer der Schmerzen und Leiden sowie die Dauer der
Behandlung und der Arbeitsunfähigkeit, Übersehbarkeit des weiteren Krankheitsverlaufes, die Fraglichkeit der
endgültigen Heilung sowie ferner Grad des Verschuldens und die Gesamtumstände des Falles. Dabei ist der aus der
Rechtsprechung ersichtliche Rahmen nicht zu sprengen (vgl. KG Urteil vom 16. Januar 1997 - 12 U 6048/95). Die
Annahme des Landgerichts, ein Schmerzensgeld von 110.000 DM sei hier angemessen und ausreichend, ist nach
diesem Maßstab nicht zu beanstanden.
Feststellungsmängel liegen nicht vor. Das Landgericht hat auf Schriftsätze und Gutachten Bezug genommen und alle
dort enthaltenen Informationen in einer Gesamtschau gewürdigt. Es hat nur die wesentlichen, für die
Schmerzensgeldbemessung zentralen Umstände ausdrücklich hervorgehoben. Dagegen ist nichts zu erinnern. Im
Mittelpunkt der Überlegungen steht notwendigerweise die dauernde Beeinträchtigung des Klägers durch die Amputation
des linken Unterschenkels. Die anderen Verletzungen sind zwar mit zu berücksichtigen, bleiben aber von geringerem
Gewicht; sie sind für sich genommen ohne gravierende Folgen verheilt. Dass die weiteren Verletzungen vom Landgericht
übersehen wurden, ist sicher auszuschließen, zumal das Gericht vor dem Urteil im Rahmen eines Vergleichsvorschlages
seine Schmerzensgeldvorstellung unter Berücksichtigung aller weiteren Verletzungen näher erläutert hatte (Beschluss
vom 16. Oktober 2000, Bl. 201 ff. GA); darauf hat das Urteil in zulässiger Weise Bezug genommen. Mit allen Einzelheiten
des Unfallgeschehens und der Unfallfolgen musste sich das Landgericht danach im Urteil nicht nochmals ausdrücklich
auseinandersetzen. Auch die Art des Verhaltens des Schädigers ist im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils so
festgestellt worden, wie der Kläger es vorgetragen hat. Daraus ist zu entnehmen, dass der Grad des alleinigen
Verschuldens des Schädigers, soweit er aus diesen Feststellungen zum zweimaligen Erscheinen des Schädigers an der
abgesperrten Unfallstelle und dem Schleudern in der Rechtskurve zu entnehmen ist, nicht übersehen wurde; das Motiv
des Schädigers für sein erneutes Erscheinen und der genaue Grund für sein Schleudern auf der (reifglatten) Fahrbahn,
namentlich die Höhe der Fahrgeschwindigkeit, sind vom Kläger nicht näher dargelegt worden. Die Höhe des
Schmerzensgeldes von 110.000 DM ist bei dieser Sachlage angemessen und hält sich im Rahmen dessen, was in der
haftungsrechtlichen Rechtsprechung üblich ist (vgl. KG Urteil vom 16. Januar 1997 - 12 U 6048/95 – in juris: 100.000 DM
bei Amputation des Unterschenkels und Nachamputation des Oberschenkels bei einem 33jährigen Mann im Fall der
vollen Haftung des Schädigers). Dabei wird auch berücksichtigt, dass die prothetische Versorgung nicht bestmöglich
gelungen ist; dies haben die Sachverständigen Prof. Dr. R... und Privatdozent Dr. von I... erläutert (Bl. 258 GA). In der
Rechtsprechung sind bei den in der Wundheilung und prothetischen Versorgung weniger komplizierten
Schenkelamputationen geringere Schmerzensgeldbeträge festgesetzt worden (vgl. OLG Celle VersR 2002, 854 f.:
70.000 DM; OLG Hamm VersR 1998, 104 f.: 75.000 DM; OLG Hamm VersR und2002, 1250 f.: 80.000 DM), höhere
Beträge dagegen nur bei gravierenderen Begleitverletzungen, besonderen Nebenfolgen oder andern
außergewöhnlichen Umständen (vgl. HansOLG Bremen OLGR Bremen 2000, 236 ff.: Amputation des linken Beins,
Exartikulation des Hüftgelenks und dauernde schmerzhafte Beeinträchtigungen des gesamten Bewegungsapparats;
OLG Frankfurt Urteil vom 22. März 2000 - 19 U 168/99 – DAR 2001, 456 Ls.: Verletzung eines 7jährigen Kindes; OLG
Nürnberg Urteil vom 11. April 1997 - 6 U 3535/96: Oberschenkel amputiert, außerdem eine offene Trümmerfraktur des
linken Ellenbogens, der in Rechtswinkelstellung verblieb, zu beanstandendes Regulierungsverhalten des Versicherers
trotz feststehender Zahlungspflicht unter grundloser Behauptung, der Geschädigte sei bei dem Unfall erheblich
alkoholisiert gewesen; OLG Nürnberg VersR 1997, 1108 f.: Oberschenkelamputation und offener Trümmerbruch des
linken Ellenbogens mit endgültiger Versteifung des Gelenks; s.a. LG Meinungen ZfSch 2002, 18 f.). So ist auch in dem
vom Kläger angeführten Fall des Landgerichts Trier, Urteil vom 4. Juli 2001 – 4 O 141/00, ergänzend der Umstand
bedeutsam geworden, dass vor dem Hintergrund der Unfallfolgen die Ehe des dortigen Klägers gescheitert war (s.
Bl. 370 GA).
b) Der Haushaltsführungsschaden wurde nach § 287 ZPO ermittelt. Darin sind notwendigerweise Schematisierungen
enthalten, zumal zu berücksichtigen ist, dass die Mutter des Klägers nach ihrer Zeugenaussage einen Teil der
Haushaltsführungsleistungen auch für den Kläger noch erbringt (Bl. 274 f. GA). Sie ist zwar wegen ihrer partiellen
Sehbehinderung auf Unterstützung angewiesen, aber nicht pflegebedürftig (Bl. 275 GA). Eine künftige weitere
Verschiebung der Arbeitsanteile im Haushalt zwischen der betagten und sehbehinderten Mutter des Klägers und diesem,
die nicht absehbar ist, kann derzeit nicht in der vom Kläger angenommenen Weise beachtet werden, zumal die im Urteil
unbegrenzte Dauer der Rentenzahlung (vgl. dazu Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 8. Aufl., Rn.
210) noch nicht absehbar ist. Das muss gegebenenfalls im Wege einer Abänderungsklage berücksichtigt werden.
c) Für eine erneute Vernehmung der vom Landgericht gehörten Zeugen ist nach § 529 ZPO kein Raum.
Glaubwürdigkeitsbedenken gegenüber den Zeugen aus der Familie des Klägers sind nicht dargelegt worden oder sonst
ersichtlich. Die Zeugen haben sich zurückhaltend geäußert und nirgends erkennen lassen, dass sie etwa den Kläger mit
übertriebenen Angaben zu Unrecht begünstigen wollen. So hat die Mutter des Klägers ihre eigenen Leistungen im
Haushalt als weit reichend geschildert (Bl. 274 f. GA) und damit objektiv den Kläger nicht begünstigt. Die Angaben der
Mutter und der Brüder des Klägers werden zudem von den Ausführungen des neutralen Zeugen H... abgerundet und
unterstützt (Bl. 272 f. GA).
2. Die Anschlussberufung ist ebenfalls unbegründet.
a) Die Annahme, der Kläger führe gar keinen eigenen Haushalt, geht zu weit. Er hat eigene Räume in dem Haus, das
inzwischen in seinem Eigentum steht, zu versorgen und für seine eigene Ausstattung mit Bekleidung und Nahrung
grundsätzlich selbst zu sorgen. Wird er nach der Zeugenaussage seiner Mutter auch in manchen Bereichen von dieser
unterstützt, so bleibt doch zu berücksichtigen, dass er auch danach selbst Arbeitsleistungen im Haushalt für sich selbst
erbringt, wie es insbesondere der Zeuge Stefan Nohn bekundet hat (Bl. 279 GA), und mit fortschreitendem Alter der
Mutter zunehmend auch für diese zu erbringen hat.
Die Minderung der Leistungsfähigkeit des Klägers im Haushalt um 50 % beruht auf dem Sachverständigengutachten des
Prof. Dr. R.... Dabei sind die individuellen Verletzungen des Klägers, der komplizierte Heilungsverlauf und die nicht
bestmöglich gelungene prothetische Versorgung des Klägers berücksichtigt worden. Darauf, dass in anderen Fällen
einer 50-prozentige Beeinträchtigung in der Haushaltsführung infolge einer Amputation nur dann angenommen werde,
wenn diese gar nicht prothesenfähig sei, kommt es nicht an. Der vorliegende Fall ist hinsichtlich seiner konkreten
Umstände zu berücksichtigen, die dadurch geprägt sind, dass der Kläger zwar prothetisch versorgt wurde, dies aber nur
bedingt gelungen ist und vom Sachverständigen näher erläuterte und vom Landgericht zutreffend bewertete
Folgebeeinträchtigungen durch reduzierte Streck- und Beugefähigkeit des Beins sowie eine sehr begrenzte Belastbarkeit
nach den Spalthautverpflanzungen verbleiben. Der Sachverständige und das Landgericht haben die besonderen
Einschränkungen des Klägers infolge der Komplikationen der Heilung seiner Verletzung berücksichtigt; dem schließt sich
der Senat an.
b) Verletzungsbedingt unterbliebene Eigenleistungen an einem Bauvorhaben können einen Schaden darstellen, der
nach §§ 823 Abs. 1, 249, 252 S. 1 BGB zu ersetzen ist (BGH NJW 1990, 1037 f.;OLG Köln VersR 1991, 111; PfzOLG
Zweibrücken VersR 1996, 864). Der Schaden ist meßbar an den Lohnkosten einschließlich Mehrwertsteuer, die für die
betreffenden Arbeiten durch Beauftragung fremder Arbeitskräfte aufgewendet worden sind oder werden müssen (OLG
Düsseldorf OLGR Düsseldorf 1998, 240, 241 f.). Der durch den Ausfall von Eigenleistungen am eigenen Bau
entstandene Schaden ist nach ZPO § 287 zu schätzen. Dabei sind allerdings strenge Beweisanforderungen zu stellen,
um uferlose Schadenskonstruktionen abzuwehren (OLG Celle Schaden-Praxis 1994, 11, 12). Der Umfang des Schadens
hängt namentlich davon ab, ob der Geschädigte für das geplante Bauvorhaben die notwendigen Kenntnisse, das
handwerkliche Geschick, den Willen und das Durchhaltevermögen, die Körperkraft, die freie Zeit sowie genug Geld oder
Kredit für Baumaterial, Maschinen und Werkzeuge hatte, und ob er bei allen Arbeiten, die er anführt, nicht auf die Hilfe
anderer Personen angewiesen gewesen wäre. Diesbezüglich hat das Landgericht Beweis erhoben und die Beweise in
einer nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht zu beanstandenden Weise gewürdigt; der Senat teilt seine Auffassung. Den
Aussagen der vernommenen Zeugen ist sowohl die konkrete Absicht zum Umbau des Hauses, als auch die zeitliche und
finanzielle Möglichkeit hierzu sowie die Fähigkeit des Klägers, bestimmte Arbeiten selbst auszuführen, zu entnehmen.
Wenige Tage vor dem Unfall war ein Verkehrswertgutachten eingeholt worden, das für Finanzierungszwecke benötigt
wurde. Bei dieser Sachlage ist die konkrete Absicht unmittelbar bevorstehender Umbauarbeiten in Eigenleistung
hinlänglich belegt. Es ist sicher auszuschließen, dass insoweit durch nachträgliche Behauptung fiktiver Vorhaben zu
Unrecht aus den Unfallfolgen ein unberechtigter Nutzen gezogen werden sollte. Dass noch keine konkrete
Handwerkerrechnung vorgelegt wurde, beruht darauf, dass die Umbauabsichten vor dem Hintergrund des sodann
eingetretenen Unfalls verständlicherweise zurückgestellt wurden.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10,
709, 711 ZPO.
III.
Ein Grund zur Revisionszulassung gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor.
IV.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 117.628,24 Euro festgesetzt.
Die Beschwer der Parteien beträgt:
für den Kläger 95.834,24 Euro (71.580,86 Euro Schmerzensgeld; 4.593,78 Euro Haushaltsführungsschaden-Kapital;
19.659,60 Euro [60 x 327,66 Euro; § 17 Abs. 2 GKG] Haushaltsführungsschaden-Rente),
für die Beklagte 21.794 Euro.
Dierkes Dr. Wohlhage Dr. Eschelbach