Urteil des OLG Koblenz vom 18.01.2006

OLG Koblenz: dolus eventualis, gläubigerbenachteiligung, insolvenz, gesellschafterversammlung, deckung, rückzahlung, verfügung, nahestehende person, verbindlichkeit, geschäftsführer

Gesellschaftsrecht
OLG
Koblenz
18.01.2006
1 U 1082/04
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen ein einer GmbH vor Eintritt der Krise gewährtes Gesellschafterdarlehen durch
Stehenlassen nach Eintritt der Krise der Gesellschaft eigenkapitalersetzenden Charakter erhält.
2. Für ein die Umqualifizierung von Fremdkapital in Eigenkapital auslösendes Stehenlassen eines
Gesellschafterdarlehens ist eine ausdrückliche oder konkludente Finanzierungsabrede nicht erforderlich. Auch die ohne
rechtsgeschäftliche Verbindlichkeit belassene Gesellschafterleistung kann eigenkapitalersetzenden Charakter erhalten,
wenn der Gesellschafter in Kenntnis der Krise der Gesellschaft zwar das Darlehen zurückfordert, aber diese Forderung
weder zwangsweise durchsetzt noch nach einer angemessenen Überlegungsfrist die Liquidation der Gesellschaft
einleitet.
Geschäftsnummer:
1 U 1082/04
5 O 45/02
Landgericht Bad Kreuznach
Verkündet
am 18. Januar 2006
M. Schäfer, Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
1. Dr. F… H…,
Beklagter und Berufungskläger,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
2. G… V… S…,
Streithelfer und Berufungskläger,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
g e g e n
Rechtsanwalt A… M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der I…-L… GmbH,
Kläger und Berufungsbeklagter,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Trueson, den
Richter am Oberlandesgericht Goebel und die Richterin am Landgericht Dr. Metzger hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14.12.2005
für R e c h t erkannt:
1. Die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das am 29.07.2004 verkündete Urteil
des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bad Kreuznach werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte, mit Ausnahme der Kosten der Nebenintervention; diese
hat der Streithelfer zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger
vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
G r ü n d e:
I.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der I…-L… GmbH (im Folgenden: ILG). Er macht als solcher gegen
den Beklagten Ansprüche aus Insolvenzanfechtung geltend.
Der Beklagte gründete die ILG im Jahre 1996 und war zunächst alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer. Gemäß
Darlehensvertrag vom 20.12.1996 gewährte er der ILG zweckgebundene Darlehen zu deren Existenzgründung. Ende
1999 traten der ILG weitere Gesellschafter, u. a. die 3i G… I… LP (im Folgenden: 3i G...), bei, wodurch der ILG neues
Kapital zufloss. In der dem Beitritt zugrunde liegenden „Rahmenvereinbarung“ (Bl. 19 ff. GA) ist bestimmt: „Auf das der
Gesellschaft von dem Altgesellschafter gewährte Gesellschafterdarlehen soll eine außerordentliche Tilgung in Höhe von
405.000,- DM geleistet werden, sofern das zur Erhaltung des Stammkapitals der Gesellschaft erforderliche Vermögen
dadurch nicht berührt wird... und sofern hierzu nach den jeweiligen Darlehens- oder Beteiligungsverträgen erforderliche
Zustimmungen der Darlehens- oder Beteiligungsgeber vorliegen.“ Nach Erhöhung des Stammkapitals auf 200.000,- DM
Anfang 2000 beschloss eine Gesellschafterversammlung vom 06.06.2000, die vom Beklagten eingebrachten Darlehen
bis zum 30.09.2000 zurückzuzahlen (Bl. 5-27 GA), was indes nicht fristgerecht geschah.
In einer Gesellschafterversammlung vom 14.12.2000 (Protokoll Bl. 5-35 GA) erläuterte der Streithelfer, Mitgesellschafter
und Mitgeschäftsführer der ILG, deren finanzielle Situation. Sie erwarte im Jahr 2000 einen Verlust von rund 1 Mio. Euro.
Deshalb und zum Ausgleich von Liquiditätsproblemen sei eine Nachfinanzierung durch die 3i G... erforderlich. Vor der
Versammlung hatte der Beklagte um sofortige Rückzahlung der Darlehen gebeten (Bl. 5-51 GA).
Im Januar 2001 stellte die 3i G... der ILG Gelder in Höhe von 1 Mio. DM zur Verfügung. Am 26.01.2001 überwies der
Streithelfer zum Zwecke einer teilweisen Tilgung der Darlehen, die der Beklagte der ILG gewährt hatte, 367.000,- DM von
einem Konto der ILG an den Beklagten. Aufgrund Antrages vom 23.05.2001 wurde über das Vermögen der ILG das
Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Kläger als Insolvenzverwalter verlangt nun vom Beklagten den am 26.01.2001 gezahlten Betrag zurück. Er hält die
Überweisung für insolvenzrechtlich anfechtbar, da sie infolge eigenkapitalersetzenden Charakters des Darlehens zu
einer inkongruenten Deckung geführt habe. In Anbetracht der schweren Krise, in der sich das Unternehmen befunden
habe, sei auch der Vorsatz zur Gläubigerbenachteiligung anzunehmen.
Mit einem am 29.07.2004 verkündeten Urteil hat der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bad
Kreuznach den Beklagten verurteilt, an den Kläger 187.644,12 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem
10.07.2002 zu zahlen, und die Klage lediglich hinsichtlich darüber hinaus in Höhe von 5 % seit dem 01.07.2001 geltend
gemachter Zinsen abgewiesen. Der Kläger habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückgewähr der gezahlten
367.000,- DM aus § 143 Abs. 1 S. 1 InsO. Die Ende Januar 2001 durchgeführte Überweisung führe, da sie bei einer
möglichen späteren Insolvenz die Masse schmälere, zu einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung. Sie sei gemäß §
133 Abs. 2 InsO anfechtbar, da sich die ILG seinerzeit in einer schweren Krise befunden habe, was dem Beklagten und
dem Streithelfer auch bewusst gewesen sei.
Gegen die Verurteilung wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Sie wiederholen und vertiefen ihren
erstinstanzlichen Sachvortrag. In rechtlicher Hinsicht machen sie insbesondere geltend, die Überweisung führe weder zu
einer unmittelbaren noch zu einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung, vielmehr sei ein für die Insolvenzmasse
neutraler reiner Gläubigertausch anzunehmen, da – was unstreitig ist – die streitige Überweisung von einem debitorisch
geführten Konto vorgenommen worden sei. Weder der Beklagte noch der für die ILG handelnde Streithelfer hätten eine
Insolvenz in Betracht gezogen oder in Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehandelt, vielmehr habe zum Zeitpunkt der
Überweisung die berechtigte Hoffnung auf künftigen wirtschaftlichen Erfolg der ILG bestanden, zumal deren
Liquiditätslage gut gewesen sei und ein finanzkräftiger Investor, die 3i G..., auch für die Zukunft weitreichende
Finanzierungszusagen gemacht habe. Die Verluste, die die Gesellschaft erwirtschaftet habe, seien für ein in der
Gründungsphase befindliches Unternehmen nicht außergewöhnlich gewesen.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 29.07.2004 verkündeten Urteils des Landgerichts Bad Kreuznach die Klage in vollem Umfang
abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
Der Kläger beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Mit seiner Anschlussberufung beantragt der Kläger,
das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach dahin gehend abzuändern, dass der Beklagte verurteilt wird, an ihn
187.644,12 € nebst 4 % Zinsen hieraus ab dem 01.02.2001 bis 10.07.2002 und ab dem 10.07.2002 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Auch der Kläger wiederholt, erweitert und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag zur Insolvenzanfechtung der
Überweisung vom 26.01.2001. Im Übrigen ist er der Ansicht, der Rückgewähranspruch umfasse vom Zeitpunkt der
Weggabe an auch gesetzliche Zinsen.
Der Senat hat die Akten des Insolvenzverfahrens des Amtsgerichts Idar-Oberstein zu Az. 10 IN 15/01 sowie der Akten der
Staatsanwaltschaft Koblenz zu Az. 2050 Js 40095/01 zu Beweiszwecken beigezogen.
II.
Die Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht ist vielmehr der Richter der ersten Instanz zu dem
Ergebnis gelangt, dass der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückgewähr des zur Darlehensrückzahlung
gezahlten Betrages von 367.000,- DM hat. Die Überweisung ist gemäß § 129 InsO anfechtbar, da die Voraussetzungen
des § 133 Abs. 2 InsO erfüllt sind.
1.
Nach § 133 Abs. 2 InsO anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person im Sinne des § 138 InsO
geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Um einen
solchen Vertrag handelt es sich vorliegend, wobei hinsichtlich der Voraussetzungen der Entgeltlichkeit sowie der
Qualifizierung des Beklagten als der ILG nahestehende Person auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils, denen
der Beklagte nicht entgegen getreten ist, Bezug genommen werden kann.
Die Überweisung führt auch zu einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 133 Abs. 2 Satz 1 InsO.
Voraussetzung für eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung ist eine Verkürzung des Schuldnervermögens zum
Zeitpunkt des § 140 InsO, d. h. die Benachteiligung muss auf der Vornahme der Rechtshandlung selbst beruhen und
nicht erst infolge erst später hinzutretender Umstände eingetreten sein (Kirchhof, in: Münchener Kommentar zur InsO, §
129 Rn. 77, § 133 Rn. 44, Braun, InsO, 2. Aufl. 2004, § 133 Rn. 29; Kirchhof, in: Münchener Kommentar zur InsO § 129
Rn. 113; BGH NJW 2002, 1574). Anfechtbar sind Rechtshandlungen nur, wenn sie den Zugriff der Gläubiger auf das
Schuldnervermögen beeinträchtigen. Dies kann zutreffen, wenn entweder die – in der Insolvenz zu befriedigenden –
Verbindlichkeiten des Schuldners vermehrt wurden oder sein Aktivvermögen verringert wurde. Im Ergebnis muss die
Aussicht ungesicherter Insolvenzgläubiger (Kirchhof, in: Münchener Kommentar zur InsO § 129 Rn. 103) in ihrer
Gesamtheit (Kirchhof, in: Münchener Kommentar zur InsO § 129 Rn. 104) auf Befriedigung verringert sein (Kirchhof, in:
Münchener Kommentar zur InsO § 129 Rn. 100). Die Frage einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung ist nicht
formalrechtlich, sondern wirtschaftlich zu betrachten; eine Erschwerung oder Verzögerung der Gläubigerbefriedigung
genügen mithin (Kirchhof, in: Münchener Kommentar zur InsO § 129 Rn. 101).
Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung tritt deshalb stets bei einseitigen Vermögensopfern des Insolvenzschuldners
ein, insbesondere bei Leistungen seinerseits ohne ausgleichende Gegenleistung des Empfängers (Kirchhof, in:
Münchener Kommentar zur InsO § 129 Rn. 114, § 129 Rn. 117; BGH NJW 2002, 1574). Hat der Schuldner hingegen für
das, was er aufgegeben hat, eine gleichwertige Gegenleistung erhalten, ist eine unmittelbare Benachteiligung nicht
gegeben (Kirchhof, in: Münchener Kommentar zur InsO 133/44; BGH WM 1997, 921). Eine unmittelbare
Gläubigerbenachteiligung fehlt mit anderen Worten, wenn für eine Leistung des Insolvenzschuldners eine Gegenleistung
in sein Vermögen gelangt, die den Insolvenzgläubigern im Allgemeinen eine gleichwertige Befriedigungsmöglichkeit
bietet, insbes. beim Austausch gleichwertiger Leistungen.
Nach diesen Maßstäben ist vorliegend eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung durch die streitige Überweisung
anzunehmen.
a.
Die Überweisung führte zu einer Gläubigerbenachteiligung durch Vermögensminderung des Aktivvermögens der ILG.
Sie war nicht allein deshalb wirtschaftlich neutral, weil sie von einem debitorisch geführten Konto getätigt, letztlich also –
wie der Beklagte meint – lediglich ein Insolvenzgläubiger gegen einen anderen ausgetauscht worden ist. Zum einen
kann eine Gläubigerbenachteiligung schon darin liegen, dass die auf Kosten der Insolvenzmasse als Kredit gewährten
Mittel zur Tilgung einer bloßen Insolvenzforderung verwendet wurden Da der Anspruch auf Krediteinräumung pfändbar
ist, unterliegt er gemäß §§ 35, 36 InsO auch dem Insolvenzbeschlag (BGH NJW 1990, 2687 f.; Kirchhof, in: Münchener
Kommentar zur InsO, § 129 Rn. 1232, 142). Zum anderen ist selbst der Austausch eines Insolvenzschuldners gegen
einen anderen für die Masse nicht ohne weiteres wirtschaftlich neutral (BGH NJW 2002, 1574; Kirchhof, in: Münchener
Kommentar zur InsO, § 129 Rn. 108; Braun, InsO, 2. Aufl. 2004, § 129 Rn. 31 a. E.). Eine Gläubigerbenachteiligung kann
sich selbst bei einem Gläubigertausch aus ungünstigeren Bedingungen der neuen gegenüber der alten Verbindlichkeit
ergeben, insbesondere daraus, dass die neue Verbindlichkeit mit günstigerem Rang zu befriedigen, besser gesichert
oder sonst für die Masse ungünstiger ist als die alte Verbindlichkeit. So liegt der Fall hier, weil der durch die …sparkasse
(im folgenden: .SK) B… gewährte Kontokorrentkredit bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der
Gesellschaft kündbar war, die Rückforderung des Gesellschafterdarlehens gerade in der Krise der Gesellschaft
besonderen Einschränkungen unterlag.
b.
Die Überweisung war auch nicht deshalb für die Insolvenzmasse wirtschaftlich neutral, weil mit der Zahlung eine
Verbindlichkeit gegenüber dem Beklagten in entsprechender Höhe erfüllt worden ist. Zwar benachteiligt die Tilgung
eigener vollwertiger Verbindlichkeiten des Schuldners dessen Gläubiger nicht unmittelbar, denn die Befreiung von einer
rechtsgültigen, unanfechtbaren Verbindlichkeit ist regelmäßig ein vollwertiger wirtschaftlicher Ausgleich für die
entsprechende Tilgungsleistung (BGH NJW 2002, 1574; BGH WM 1997, 921; Kirchhof, in: Münchener Kommentar zur
InsO; § 129 Rn. 118). Eine solche, die unmittelbare Gläubigerbenachteiligung und damit die Anfechtbarkeit nach § 133
Abs. 2 InsO ausschließende kongruente Deckung setzt aber voraus, dass eine vollwertige, d. h. fällige und durchsetzbare
Verbindlichkeit des Schuldners erfüllt wird. Sie ist hingegen ausgeschlossen, wenn der Anfechtungsgegner die gewährte
Befriedigung nicht, nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte (inkongruente Deckung, legaldefiniert in
§ 131 Abs. 1 InsO).
Mit der Zahlung von 367.000,- DM an den Beklagten ist diesem eine inkongruente Deckung im beschriebenen Sinne
gewährt worden. Sein Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens dürfte zwar aufgrund des Beschlusses der
Gesellschafterversammlung vom 06.06.2000 spätestens mit Ablauf des 30.09.2000 fällig geworden sein. Er war indes
zum Zeitpunkt der streitigen Überweisung nicht (mehr) durchsetzbar. Das Darlehen hatte zu diesem Zeitpunkt bereits
eigenkapitalersetzenden Charakter, so dass es nach § 30 Abs. 1 GmbHG nicht zurückgezahlt werden durfte.
Eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen ist nicht nur ein Darlehen, das ein Gesellschafter seiner Gesellschaft zu
einem Zeitpunkt zugeführt hat, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (§
32a Abs. 1 GmbHG). Dem in Zeiten der Krise gewährten Gesellschafterkredit hat die Rechtsprechung Kredite
gleichgestellt, die der Gesellschafter zwar vor Eintritt der Krise gewährt, jedoch auch nach Eintritt der Krise stehen
gelassen hat (BGH, NJW 1992, 1764; NJW-RR 1987, 806; NJW 1985, 2719; Kirchhof, in: Münchener Kommentar zur
InsO, § 135 Rn. 7 f. m. w. N.). Ein solcher Fall ist vorliegend anzunehmen.
aa.
Voraussetzung hierfür ist zunächst eine Krise der Gesellschaft im Sinne des Eigenkapitalersatzrechts. Sie liegt,
abgesehen von dem vorliegend unstreitig zu keinem Zeitpunkt gegebenen Fall der Zahlungsunfähigkeit, vor, wenn die
Gesellschaft nicht mehr kreditwürdig ist, d. h. wenn ein wirtschaftlich vernünftig denkender, außenstehender Kreditgeber
der Gesellschaft keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen mehr gewährt hätte (st. Rspr.; BGHZ 76, 326, 330; BGH,
NJW 1992, 1764; Rowedder/Schmitt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 32a Rn. 33 ff.). Darauf, ob sich tatsächlich noch ein
Kreditgeber bereit gefunden hat, der Gesellschaft ein Darlehen zu gewähren, kommt es hingegen nicht an, denn das
Verhalten einer einzelnen Bank ist nicht entscheidend (BGH NJW 1992, 1169; Rowedder/Schmitt-Leithoff, GmbHG, 4.
Aufl. 2002, § 32a Rn. 33 ff.).
Nach Überzeugung des Senates war eine solche Krise der Gesellschaft mit großer Wahrscheinlichkeit bereits im
November 2000, spätestens aber am 07.12.2000 anzunehmen. Maßgebend hierfür sind folgende Gesichtspunkte:
Bei einem Stammkapital von zunächst 100.000,- DM - erhöht auf 200.000,- DM am 24.01.2000 – erwirtschaftete die ILG
im Jahr 2000 einen Verlust in Höhe von 1.659.000,- DM. Diese Entwicklung zeichnete sich bereits aufgrund der
betriebswirtschaftlichen Auswertung vom Oktober 2000 ab; bis zu diesem Zeitpunkt bezifferte sich der im Laufe des
Jahres 2000 erwirtschaftete Verlust schon auf 850.000,- DM, also immerhin das mehr als Vierfache des Stammkapitals.
Durch Gewinne aus den Vorjahren konnten die Verluste nicht aufgefangen werden, da sich die Gesellschaft noch in der
Gründungsphase befand und der Gewinn des Jahres 1999 mit 113.461,- DM weit hinter dem Verlust des Folgejahres
zurückblieb.
Die Gesellschaft soll zwar – so der (bestrittene) Vortrag des Beklagten – im Verlaufe des Jahres 2000 über neue liquide
Mittel in Höhe von 4,5 Mio. DM verfügt haben, zur Verfügung gestellt in Höhe von 2,5 Mio. DM durch die 3i G..., in Höhe
von 2 Mio. DM durch die T…-B… (TBG) und in Höhe von 200.000,- DM durch den Streithelfer. Der Senat geht aber davon
aus, dass diese Gelder, soweit sie bereits geflossen waren, der ILG jedenfalls im Dezember 2000 nicht oder nicht mehr
als liquide Mittel zur Verfügung standen. Der Beklagte selbst hat mit Schriftsatz vom 16.10.2003, dort Seite 3 (Bl. 78 GA),
eingeräumt, dass gegen Ende des Jahres 2000 „die Liquidität der Gesellschaft... angespannt war“ aufgrund der
Rückführung der Kontokorrentlinie bei der …sparkasse B... von 1,3 Mio. auf 0,3 Mio. DM, zu der es am 07.12.2000 (Schr.
der .SK B... vom 07.12.2000, Bl. 114-54 GA) gekommen war.
Welche Hintergründe die Rückführung der Kreditlinie der .SK B... – die unstreitig durch den Beklagten veranlasst worden
war – hatte, kann in diesem Zusammenhang dahin stehen. Jedenfalls war aufgrund der Rückführung der Kreditlinie der
.SK der Zufluss weiteren Kapitals erforderlich, und zwar – wie das der Beklagte und sein Streithelfer in der
Gesellschafterversammlung vom 14.12.2000 dargelegt haben – „zum Ausgleich von Liquiditätsproblemen und des
erwartenden Verlustes“ (Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 14.12.2000, Bl. 5-35 GA).
Einer der Gesellschafter hat der Gesellschaft in der Folge dann tatsächlich Mittel zugeführt, und zwar die an der
Gesellschaft mit einem Stammkapital von 80.000,- DM beteiligte 3i durch Gewährung eines Darlehens in Höhe von
zunächst 1 Mio. DM. Auch damit war aber der sich abzeichnende Finanzbedarf der ILG nicht gedeckt, vielmehr ging der
Streithelfer am 14.12.2000 davon aus, dass „unter Berücksichtigung des Gesellschafterdarlehens von 3i in Höhe von 1
Mio. DM im Jahr für das laufende Geschäftsjahr 2001 mindestens weitere 1 bis 1,5 Mio. € an Finanzmitteln vorläufig
benötigt werden“, und zwar „zwingend“ (Protokoll vom 14.12.2000, Bl. 5-39 GA). Der entstandene zusätzliche
Finanzbedarf war auch keineswegs allein auf die Rückführung der Kreditlinie bei der .SK B... zurückzuführen. Dies ergibt
sich bereits aus den in Rede stehenden Beträgen; die Kreditlinie bei der .SK B... betrug vor ihrer Rückführung 1,3 Mio.
DM und hätte damit zur Deckung des finanziellen Bedarfs der Gesellschaft selbst dann nicht genügt, wenn man
unterstellt, dass sie noch in voller Höhe zur Verfügung stand.
Der Finanzbedarf der Gesellschaft war auch nicht nur ein kurzfristiger oder seiner Natur nach in absehbarer Zeit
vorübergehender. Er resultierte nicht aus einem von vornherein zeitlich begrenzten Liquiditätsengpass, sondern aus
gravierenden Problemen im Zusammenhang mit der Sicherung der Qualität der Produktion. Dass diese
Qualitätsprobleme im Herbst/Winter 2000 bereits behoben gewesen wären oder ihre Behebung unmittelbar
bevorgestanden habe oder doch zumindest absehbar gewesen wäre, ist nicht hinreichend dargetan. Der Beklagte
behauptet zwar, im Januar/Februar 2001 habe die ILG die technischen Probleme im Griff gehabt (Schriftsatz vom
16.10.2003, Seite 5, Bl. 80 GA); als Endzeitpunkt habe man insoweit bereits in der Gesellschafterversammlung vom
14.12.2000 den 31.12.2001 angepeilt. Diese Behauptung einer optimistischen Zukunftsperspektive schon im Dezember
2000 ist aber nicht in Einklang zu bringen mit der Darstellung zu TOP 3 – Projekt Qualitätssicherung: Serienfertigung –
des Protokolls der Gesellschafterversammlung vom 14.12.2000 (Bl. 5-37 GA). Dort ist die Rede von einer Besprechung
zum Krisenmanagement (sic!) vom 09.11.2000, einem weiteren Qualitätseinbruch mit der Folge einer seit November
2000 weiter – auf bis zu 50 % - gestiegenen Rücklaufquote und erheblichen Problemen mit den Kunden. Eine positive
Perspektive kommt in dem Protokoll allein insoweit zum Ausdruck, als man Konsens gefunden habe, sich „für die nähere
Zukunft ausschließlich auf die sachliche Abarbeitung der aufgetretenen Probleme zu konzentrieren und die emotionalen
Handlungen… hinten an zu stellen“. Als Grundlage für eine berechtigte Hoffnung, die Fertigung werde in absehbarer Zeit
eine zufrieden stellende Qualität erreichen, genügt dies nicht. Die Geschäftsführer der ILG konnten auch deshalb nicht
ohne weiteres von kurzfristig überwindlichen Problemen ausgehen, weil die Qualitätsprobleme maßgeblich auch auf
Fertigungsprobleme eines Lieferanten zurückzuführen waren, an den sich die ILG aber offenbar, aus welchen Gründen
auch immer, gebunden sah.
Die erwirtschafteten Verluste und der damit zusammenhängende Finanzbedarf der ILG begründete eine Krise im Sinne
der Grundsätze über eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen, weil ein wirtschaftlich denkender außenstehender
Dritter der ILG einen ihren zusätzlichen Finanzbedarf abdeckenden Kredit zu marktüblichen Bedingungen nicht mehr
gewährt hätte. Zu berücksichtigen ist hierbei einerseits die Höhe der erwirtschafteten und der weiter zu erwartenden
Verluste, gemessen an der vergleichsweise „dünnen“ Eigenkapitaldecke, andererseits die ungewisse Perspektive im
Bereich der Qualitätssicherung. Ein außenstehender Dritter hätte sich unter diesen Umständen verständigerweise nur
dann zur Gewährung von Darlehen an die Gesellschaft bereit erklärt, wenn diese in der Lage gewesen wäre, ihm hierfür
(aus eigenen Mitteln, nicht aus denjenigen der Gesellschafter, vgl. BGH, NJW 1992, 1764) angemessene Sicherheit zu
bieten. Das war aber nicht der Fall. Der Behauptung des Klägers, das Vermögen der ILG sei an die .SK B...
sicherungsübereignet gewesen, hat der Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit zwar bestritten. Dem steht aber seine
eigene Angabe im Insolvenzantrag entgegen, wonach das gesamte (Umlauf- und Anlage-)Vermögen der ILG mit
Ausnahme lediglich des Guthabens auf einem Konto der Deutschen Bank zur Sicherung der Forderungen der .SK B... auf
diese übertragen war. Dieses Guthaben seinerseits stellte mit der im Insolvenzantrag genannten Höhe von 118.751,- €
keine realistische Sicherheit dar für benötigte Drittmittel in Millionenhöhe.
Die Gewährung weiterer Darlehen durch die 3i G... in Höhe von zunächst 1 Mio. DM (Zahlungseingang vom 17.01.2001,
Bl. 191 GA) und der Umstand, dass weitere Mittel der 3i G... zugesagt (so der Beklagte) oder in Aussicht gestellt gewesen
sein sollen, stehen der Annahme einer Krise der Gesellschaft nicht entgegen. Zum einen war die 3i G... als
Gesellschafterin an der ILG beteiligt. Ihre Unterstützung war daher von unternehmerischen Interessen getragen und
belegt nicht die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft am allgemeinen Kapitalmarkt. Zum anderen reichten, wie ausgeführt,
weder das von der 3i zuletzt gewährte Darlehen noch die von dritter Seite, nämlich der .SK B... (erneute Aufstockung der
Kreditlinie) zur Verfügung gestellten Mittel allein oder gemeinsam zur Abdeckung des absehbaren Finanzbedarfs der
Gesellschaft aus. Der Beklagte trägt zwar vor, die 3i G... habe fest zugesagt, auch künftig den Investitionsbedarf der
Gesellschaft, zumindest für das Jahr 2001, zu decken. Zu belegen vermochte der Beklagte diese – bestrittenen – festen
Zusagen indes nicht, vielmehr spricht die weitere Entwicklung dafür, dass die Gelder nur unverbindlich in Aussicht
gestellt worden waren. Der Beklagte selbst trägt vor, die 3i G... habe die Nachfinanzierung, für die die Verträge bereits
„vorbereitet“ gewesen seien (Schriftsatz vom 11.07.2003, Seite 3, Bl. 52 GA), ab März/April 2001 davon abhängig
gemacht, dass ein Herr F… Gesellschafter und – anstelle des Beklagten – Geschäftsführer der ILG werde. Das sei
zunächst auch geplant gewesen, habe sich dann aber infolge eines Sinneswandels des Herrn F... am 19.04.2001, einen
Tag vor der geplanten Beurkundung, zerschlagen. Bis März/April 2001 soll die 3i G... ihre Nachfinanzierung zwar nicht
von der Person des Herrn F... abhängig gemacht. Dass und in welcher Weise die Finanzierungszusagen der 3i G...
bereits zu diesem Zeitpunkt gegenüber der ILG verbindlich gewesen wären, ist aber weder belegt noch sonst unter
Beweis gestellt. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, wie bereits im Oktober, Dezember oder Januar 2001 eine
Nachfinanzierung durch die 3i G... aufgrund einer verbindlichen Zusage sichergestellt gewesen sein soll.
Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die .SK B... den Kreditrahmen nur auf Veranlassung
des Beklagten zurückgeführt hat und in der Folge erneut zur Aufstockung des Kontokorrentkredites bereit war. Ob die
Rückführung des Kreditrahmens den Eintritt einer Krise der Gesellschaft erst verursacht oder doch zumindest
beschleunigt hat, ist unerheblich. Jedenfalls war auch die .SK B... in der Folge nicht mehr bereit, den Kredit wieder auf
den ursprünglichen Rahmen, sondern nur noch auf 800.000,- DM aufzustocken. Selbst dazu war sie nur unter
einschränkenden Bedingungen, u. a. der Sicherstellung der kurzfristigen Liquidität durch das ausstehende
Gesellschafterdarlehen der 3i über 1 Mio. DM, bereit (Schreiben des Streithelfers an den Kläger vom 19.07.2001, Bl. 114-
54 GA). Zudem hat die .SK B... offenbar Veranlassung gesehen, den auf 800.000,- DM erweiterten Kontokorrentkredit
durch weitere Sicherheiten abzusichern. So trägt der Streithelfer des Beklagten unter Hinweis auf das Schreiben der .SK
B... vom 07.12.2000 (Bl. 114-7 GA) vor, diese habe sich nachträglich eine Landesbürgschaft für die Einräumung der
Kreditlinie verschaffen wollen (Schriftsatz vom 24.05.2004, Seite 6 – Bl. 131 GA -). Bezeichnenderweise hat auch der
Beklagte die ihm mit der streitigen Überweisung ausgezahlten Darlehensmittel sogleich wieder zugunsten der .SK B...
verpfändet. Der Senat geht davon aus, dass diese Gestellung von – ab dem Zeitpunkt der Überweisung:
gesellschaftsfremden – Sicherheiten zumindest mitursächlich für die Bereitschaft der .SK B... war, den Kreditrahmen
wieder zu erhöhen. Dass die Verpfändung schon vor der streitigen Überweisung abgesprochen war, ergibt sich mittelbar
aus dem Schreiben des Streithelfers an den Kläger vom 19.07.2001 (Bl. 114-54 GA), in dem es heißt, er – der Streithelfer
– habe einer Zahlung der 367.000,- DM auf das bei der .SK hierfür neu eingerichtete Privatkonto des Beklagten nur
zugestimmt, weil der Betrag weiterhin für die Sicherstellung der Liquidität der ILG habe mitverwendet werden können.
Auch im Rahmen seiner erstinstanzlichen Beweisaufnahme hat der Streithelfer bestätigt, dass er vor Überweisung der
367.000,- DM über eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem Beklagten und der .SK B... unterrichtet worden war
(Bl. 105 GA).
Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte schließlich gegenüber der Annahme einer Krise der Gesellschaft darauf, diese habe
bis zuletzt alle Verbindlichkeiten, und zwar unter Inanspruchnahme von Skonto, erfüllt. Das trifft in dieser Allgemeinheit
ersichtlich nicht zu: Jedenfalls die Darlehensverbindlichkeit gegenüber dem Beklagten konnte aufgrund von
Liquiditätsschwierigkeiten (s. o.; vgl. Schriftsatz der Beklagtenseite vom 16.10.2003, dort Seite 3, Bl. 78 GA, und Protokoll
der Gesellschafterversammlung vom 14.12.2000) zunächst nicht zu dem von der Gesellschafterversammlung vom
06.06.2000 beschlossenen Zeitpunkt zurückgezahlt werden. Als die ILG am 26.01.2001 letztlich doch den streitigen
Betrag von 367.000,- DM an den Beklagten überwies, sah sich der Streithelfer dazu nur imstande, weil in Gestalt der 3i
G... ein anderer Gesellschafter bereit war, seinerseits der Gesellschaft mit einem noch deutlich höheren, gleichfalls
eigenkapitalersetzenden Darlehen „unter die Arme zu greifen“. Von einer pünktlichen Erfüllung aller Verbindlichkeiten
der ILG, und das gar aus eigener Kraft (BGHZ 127, 336), kann deshalb keine Rede sein.
Die existenzielle Krise der Gesellschaft kommt schließlich auch darin zum Ausdruck, dass es die Gesellschafter für
geboten hielten, für ihre Gesellschafterdarlehen einen Rangrücktritt zu erklären oder anzukündigen. Dies trägt der
Beklagte selbst vor für die Ende 2000 zugesagten oder in Aussicht gestellten Darlehen der 3i G... sowie für die Darlehen
der W.. GmbH und der T…-B… (TBG).
bb.
Ein vor Eintritt der Krise gewährtes Darlehen bekommt nach Eintritt der Krise nur dann eigenkapitalersetzenden
Charakter, wenn der Gesellschafter die Krise erkennen und entsprechend handeln konnte, also in der Lage war, die
Darlehensmittel aus der Gesellschaft abzuziehen, notfalls die Gesellschaft unter Entzug der ihr zur Verfügung gestellten
Mittel zu liquidieren, ohne dass dies tatsächlich geschehen wäre (BGHZ 127, 336; BGH 1992, 1763; NJW 1992, 1169;
Kirchhof, in: Münchener Kommentar zur InsO, 2002, § 135 Rn. 9 m. w. N.). An die Möglichkeit, die Krise der Gesellschaft
zu erkennen, um entsprechend handeln zu können, sind jedoch keine hohen Anforderungen zu stellen. Vielmehr ist im
Normalfall davon auszugehen, dass der Gesellschafter die wirtschaftlichen Verhältnisse „seiner“ Gesellschaft, die den
Eintritt der Krise begründen, kennen kann und muss. Das gilt insbesondere dann, wenn er der Geschäftsführer der
Gesellschaft ist. Der Gesellschafter wird deshalb nur in Ausnahmefällen bei Vorliegen ganz besonderer, von ihm
darzulegender und zu beweisender Umstände mit dem Einwand durchdringen können, er sei nicht in der Lage gewesen,
die kritische wirtschaftliche Situation „seiner“ Gesellschaft zu erkennen (grundlegend BGHZ 127, 336; vgl. ferner BGH,
NJW 1992, 1763).
Vorliegend bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Beklagte aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer
die wirtschaftliche Situation der ILG kennen musste. Das gilt bis in alle Einzelheiten insbesondere auch für den Bereich
der Qualitätssicherung, in dem die finanziellen Schwierigkeiten der ILG letztlich wurzelten, da der Beklagte betriebsintern
für diesen Bereich verantwortlich war.
Der Senat geht zudem davon aus, dass der Beklagte die wirtschaftlichen und produktionstechnischen Rahmendaten
auch zutreffend bewertet hat. Diese Bewertung fand Niederschlag in der (undatierten) „internen Mitteilung“, die der
Beklagte dem Streithelfer im Vorfeld der Gesellschafterversammlung vom 14.12.2000 übergeben hatte. Dort führte der
Beklagte aus: „Ferner bitte ich um sofortige Rückzahlung des Verrechnungskontos auf mein Privatkonto sowie eine
Sicherung des Restbetrages in Höhe von DM 156.310,34 zur Sondertilgung des EKH-Darlehens im Falle einer Insolvenz
und damit verbundenen Existenzaufgabe…“(Bl. 5-51 GA).
Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, die zitierte Formulierung habe sich allein darauf bezogen, dass von den drei
Darlehen, durch deren Aufnahme er selbst unstreitig die Darlehensgewährung an die ILG finanziert hat (nämlich ein
Eigenkapitalhilfedarlehen über 170.000,- DM sowie zwei Existenzgründungsdarlehen über 210.000,- DM und 62.000,-
DM) die Existenzgründungsdarlehen jederzeit ohne Zinsverlust, das Eigenkapitalhilfedarlehen (EKH-Darlehen)
hingegen nur im Fall der Insolvenz ohne Zinsverlust vorzeitig hätten zurückgezahlt werden können. Ihm habe zur
Vermeidung dieses Zinsverlustes daran gelegen, das EKH-Darlehen weiterhin nur ratenweise zu tilgen. – Diese
Ausführungen des Beklagten vermögen die Formulierungen in seiner „internen Mitteilung“ an den Streithelfer indes nicht
zu erklären. Zum einen sind mit der Zahlung von 367.000,- DM nicht unter Abkürzung des Zahlungsweges unmittelbar
die vom Beklagten aufgenommenen Darlehen zurückgezahlt worden, vielmehr ist der Betrag von 367.000,- DM an den
Beklagten überwiesen worden. Dass zeitweise ein anderes geplant oder auch nur ins Auge gefasst worden wäre, macht
keine der Parteien geltend. Dann wusste aber der Beklagte, dass es ihm bei Rückzahlung des Darlehens an ihn
freistehen würde, mit dem zurückgeflossenen Geld die eine oder andere seiner eigenen Verbindlichkeiten zu tilgen,
ohne dass er seine diesbezüglichen Absichten der ILG näher hätte erläutern müssen. Darüber hinaus bezieht sich die
zitierte Formulierung aus der „internen Mitteilung“ des Beklagten nicht auf die Frage der Rückzahlung der
Darlehensverbindlichkeiten, insbesondere die Reihenfolge ihrer Rückzahlung, sondern auf die Sicherung dieser
Verbindlichkeiten, und zwar gerade und explizit für den Fall der Insolvenz. Hätte der Beklagte, ohne aktuell eine
Insolvenz vorherzusehen oder zu befürchten, nur abstrakt seine Darlehensrestforderung gegen die ILG sichern wollen,
hätte es sich aufgedrängt, nicht nur um „Sicherung des Restbetrages in Höhe von DM 156.310,34 zur Sondertilgung des
EKH-Darlehens im Falle einer Insolvenz…“ zu bitten, sondern allgemeiner um „Sicherung des Restbetrages in Höhe von
DM 156.310,34 zur Tilgung des EKH-Darlehens“. Der Beklagte hat seine Forderung demgegenüber gerade auf den Fall
der Insolvenz bezogen und zugeschnitten. Dies belegt, dass er die Insolvenz der ILG zumindest ernsthaft in Betracht
gezogen und damit die Krise der Gesellschaft erkannt hat.
cc.
Der Beklagte hat sein Darlehen nach Eintritt der von ihm erkannten Krise der Gesellschaft „stehen gelassen“. Er hat im
Herbst 2000 zwar wiederholt und nachdrücklich die Rückzahlung seines Darlehens gefordert. Für das die
Umqualifizierung von Fremdkapital in Eigenkapitalersatz auslösende Stehenlassen einer Gesellschafterhilfe ist aber eine
ausdrückliche oder konkludente Finanzierungsabrede nicht erforderlich; vielmehr ersetzt auch eine ohne
rechtsgeschäftliche Verbindlichkeit belassene Gesellschafterleistung in gesellschaftsrechtlich nicht zu billigender Weise
notwendiges Eigenkapital. Will der Gesellschafter diese Konsequenz vermeiden, muss er, um seine Darlehensmittel
abzuziehen, notfalls die Liquidation der Gesellschaft einleiten (BGH, NJW 1992, 1764; NJW 1992, 1169; NJW 1985,
2719). Ob auch die klageweise Geltendmachung eines Anspruches auf Darlehensrückzahlung geeignet wäre, die
Umqualifizierung in Eigenkapitalersatz zu vermeiden, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da der Beklagte auch
diesen Weg nicht beschritten hat.
Für die Prüfung und Einleitung der angesichts einer Krise der Gesellschaft gebotenen Maßnahmen steht dem
Gesellschafter-Darlehensgeber eine angemessene Überlegungsfrist zu. Zur Umqualifizierung der Kredithilfe durch
sogenanntes Stehenlassen kommt es erst, wenn er diese Zeitspanne ungenutzt verstreichen lässt (BGHZ 127, 336 m. w.
N.). Sie beträgt in Anlehnung an die Insolvenzantragsfrist des § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG regelmäßig höchstens 3
Wochen ab dem Zeitpunkt, zu dem der Eintritt der Krise der Gesellschaft für den Gesellschafter erkennbar wird (Kirchhof,
in: Münchener Kommentar zur InsO, 2002, § 135 Rn. 58). Gründe, aus denen dem Beklagten ausnahmsweise eine
längere Überlegungsfrist zuzubilligen wären, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Nach alledem ist die spätestens am 07.12.2000 eingetretene Krise der ILG dem Beklagten auch bekannt gewesen.
Indem er die gewährten Kreditmittel der ILG gleichwohl nicht innerhalb von 3 Wochen entzogen hat, sind diese
eigenkapitalersetzend geworden und war ihre Rückzahlung fortan entsprechend § 30 Abs. 1 GmbHG unzulässig. Dem
Beklagten stand zum Zeitpunkt der streitigen Überweisung in der 2. Januarhälfte 2001 kein durchsetzbarer Anspruch auf
Darlehensrückzahlung mehr gegen die ILG zu. Die gleichwohl geleistete Zahlung stellte eine inkongruente Deckung im
Sinne des § 131 InsO dar, die durch den Abfluss der dazu verwendeten Mittel aus dem Vermögen der ILG zu einer
unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 135 Abs. 2 Satz 1 InsO führte.
2.
Die Anfechtbarkeit der Überweisung ist auch nicht nach § 133 Abs. 2 Satz 2 InsO ausgeschlossen. Insbesondere hat der
Beklagte nicht zu beweisen vermocht, dass ihm ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der ILG bzw. des bei der
Überweisung für die ILG handelnden Streithelfers nicht bekannt war.
Im Fall einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung werden sowohl der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des
Schuldners als auch die Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon kraft Gesetzes widerleglich vermutet (Kirchhof, in:
Münchener Kommentar zur InsO, 2002, § 133 Rn. 45-47). Diese Vermutungen zu widerlegen, ist dem Beklagten
vorliegend nicht gelungen.
Das gilt zunächst für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners. Maßgebend sind insoweit die subjektiven
Voraussetzungen in der Person des Streithelfers, da dem Schuldner das Wissen und Wollen eines für ihn handelnden
Stellvertreters gemäß § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen ist (Kirchhof, in: Münchener Kommentar zur InsO, 2002, § 133 Rn.
12, 18) und (was mittlerweile unstreitig ist) der Streithelfer die Überweisung vom 26.01.2001 veranlasst hat.
Gläubigerbenachteiligungsvorsatz setzt voraus, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen
hat, seine Gläubiger im Allgemeinen zu benachteiligen. Dabei genügt dolus eventualis (Kirchhof, in: Münchener
Kommentar zur InsO, 2002, § 133 Rn. 12, 13). Es bedeutet ein – meist starkes – Beweisanzeichen sowohl für eine
Benachteiligungsabsicht des Schuldners als auch für deren Kenntnis durch den anderen Teil, wenn diesem durch die
Rechtshandlung eine inkongruente Deckung gewährt wurde. Der Benachteiligungswille ist regelmäßig zu bejahen, wenn
der Schuldner die Schädigung anderer Gläubiger als notwendige Folge der inkongruenten Deckung vorausgesehen hat
(BGH WM 1997, 921; Kirchhof, in: Münchener Kommentar zur InsO, 2002, § 133 Rn. 29 f., 118).
Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte in diesem Zusammenhang darauf, aufgrund der seinerzeit bestehenden Differenzen
zwischen ihm und dem Streithelfer – die allerdings unstreitig sind – habe letzterer keine Veranlassung gehabt, ihn, den
Beklagten, gegenüber anderen Gläubigern zu bevorzugen. Der Streithelfer mag mit der streitigen Zahlung in der Tat
primär andere Zwecke verfolgt haben, möglicherweise dasjenige, den Beklagten zur Aufgabe seiner Position als
Geschäftsführer zu bewegen, da die 3i G... dies ab einem gewissen Zeitpunkt zur Bedingung für weitere Kredite gemacht
haben soll. Darauf kommt es indes nicht an, da – wie dargestellt – dolus eventualis für die Annahme des
Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes genügt.
Umstände, aufgrund deren davon auszugehen wäre, dass der Streithelfer eine Benachteiligung der Gläubigergesamtheit
nicht zumindest billigend in Kauf genommen hat, hat der Beklagte nicht darzutun und zu beweisen vermocht. Der
Streithelfer war sich vielmehr offenbar bewusst, der Gesellschaft mit der Überweisung liquide Mittel zu entziehen, die im
Falle einer Insolvenz nicht mehr als Massebestandteil zur Verfügung stehen würden. Wie der Beklagte, so kannte auch
der Streithelfer als weiterer Geschäftsführer deren wirtschaftliche Situation, wie er sie beispielsweise in der
Gesellschafterversammlung vom 14.12.2000 beschrieben hat, und die sich aus den graviererenden
Produktionsschwierigkeiten ergebende ungewisse Zukunftsperspektive. Die vorstehenden Ausführungen zur
Erkennbarkeit der Krise für den Beklagten gelten für den Streithelfer im Wesentlichen entsprechend. Gerade aufgrund
der angespannten Liquiditätslage der ILG war der Streithelfer im übrigen über Monate hinweg nicht bereit gewesen, den
seit 01.10.2000 fälligen Darlehensrückzahlunganspruch des Beklagten zu bedienen.
Der Beklagte hat auch nicht zu beweisen vermocht, dass er im Sinne des § 133 Abs. 2 InsO keine Kenntnis vom
Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der ILG bzw. des für diese handelnden Streithelfers hatte. Er kannte – wie dargelegt –
die Umstände, aus denen sich die Krise der Gesellschaft ergab. Es bestehen auch nicht die geringsten Anhaltspunkte,
dass der Beklagte davon ausgegangen wäre, der Streithelfer habe die Situation günstiger bewertet als er selbst. Beide
mögen die Hoffnung gehabt haben, die Sanierung der ILG werde noch gelingen. Das steht aber ihrem Bewusstsein nicht
entgegen, dass der Gesellschaft mit der Überweisung Gelder entzogen wurden, und dass in dem nicht
auszuschließenden Falle einer Insolvenz der Masse weder diese Gelder noch eine gleichwertige Gegenleistung zur
Verfügung stehen würden.
Nach alledem hat die Berufung des Beklagten keinen Erfolg.
III.
Auch die Anschlussberufung des Klägers hat keinen Erfolg. Über die in erster Instanz zugesprochenen Verzugszinsen
hinaus steht dem Kläger ein weiterer Zinsanspruch, mit der Anschlussberufung weiterverfolgt in Höhe von 4 % für die Zeit
von 01.02.2001 bis 10.07.2002, nicht zu. Rechtshängigkeitszinsen nach § 291 BGB sind erst ab dem 10.07.2002
angefallen, da die Klage am 09.07.2002 zugestellt worden ist (Bl. 10 GA). Auch unter dem Gesichtspunkt des
Zahlungsverzuges ergibt sich kein früherer Zinsbeginn, da weder eine Mahnung des Klägers gegenüber dem Beklagten
vor Rechtshängigkeit der Klage dargetan ist noch ein Umstand, aus dem nach § 286 Abs. 2 BGB (soweit überhaupt
bereits anwendbar) der Verzug auch ohne Mahnung eintritt. Eine sofortige Verzinsungspflicht vermag der Senat auch
dem in der Begründung zur Anschlussberufung zitierten Urteil des OLG Brandenburg (ZIP 1999, 1012) nicht zu
entnehmen; aus der Veröffentlichung der Entscheidung in jurisweb ist vielmehr ersichtlich, dass auch dort Zinsen nur
nach § 291 BGB zugesprochen worden waren.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO, wobei die lediglich hinsichtlich einer Zinsforderung
eingelegte Anschlussberufung außer Betracht zu bleiben hatte. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
eingelegte Anschlussberufung außer Betracht zu bleiben hatte. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 187.644,12 € festgesetzt.
Trueson Goebel Dr. Metzger