Urteil des OLG Koblenz vom 28.05.2010
OLG Koblenz: ärztliche behandlung, ambulante behandlung, stationäre behandlung, arbeitsunfähigkeit, eintritt des versicherungsfalls, berufliche tätigkeit, heilbehandlung, facharzt, gutachter
OLG
Koblenz
28.05.2010
10 U 686/09
Eine "medizinisch notwendige Heilbehandlung, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird", ist auch
dann gegeben, wenn aus gutachterlicher Sicht der tatsächlich erfolgenden ambulanten - hier: psychiatrischen -
Behandlung eine stationäre Behandlung vorzuziehen wäre.
Zu Inhalt und Grenzen von Auskunftsobliegenheiten des Versicherungsnehmers, insbesondere hinslichlich Beibringung
von Belegen und Auskünften des behandelnden Arztes.
- Anm.: Die Entscheidung ist rechtskräftig -
Geschäftsnummer:
10 U 686/09
16 O 288/08 LG Koblenz
Verkündet am 28. Mai 2010
Birgit Schäfer, Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
des Oberlandesgerichts
in dem Rechtsstreit
…
Kläger , Berufungskläger und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
g e g e n
…
Beklagte , Berufungsbeklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die
Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger
auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2010
für R e c h t erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 6. Mai 2009 teilweise
abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus 840,00 € brutto seit dem 04.03.2008,
aus 1.680,00 € brutto seit dem 11.03.2008,
aus 2.520,00 € brutto seit dem 18.03.2008,
aus 3.360,00 € brutto seit dem 25.03.2008,
aus 4.200,00 € brutto seit dem 01.04.2008,
aus 5.040,00 € brutto seit dem 08.04.2008,
aus 5.880,00 € brutto seit dem 15.04.2008,
aus 6.740,00 € brutto seit dem 22.04.2008,
aus 7.560,00 € brutto seit dem 29.04.2008,
aus 8.400,00 € brutto seit dem 06.05.2008,
aus 9.240,00 € brutto seit dem 13.05.2008,
aus 10.080,00 € brutto seit dem 20.05.2008,
aus 10.920,00 € brutto seit dem 27.05.2008,
aus 11.760,00 € brutto seit dem 03.06.2008,
aus 12.000,00 € brutto seit dem 05.06.2008
sowie 837,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. September 2008 zu
zahlen.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten, bei der er eine Krankenversicherung und eine Krankentagegeldversicherung mit
Vereinbarung der MB/KT 94 unterhält, bedingungsgemäße Krankentagegeldzahlungen in Höhe von 120 €
kalendertäglich für den Zeitraum 23. Februar 2008 bis 1. Juni 2008.
Der Kläger ist angestellter Bankkaufmann bei einer Sparkasse. Aufgrund einer psychischen Erkrankung war der Kläger
ab dem 18. Juni 2007 bis zum 22. Februar 2008 arbeitsunfähig. Er befand sich in dieser Zeit in ärztlicher Behandlung
und erhielt von der Beklagten in wöchentlicher Auszahlung das vertraglich vereinbarte Krankentagegeld aufgrund der
wöchentlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, obwohl der behandelnde Arzt Dr. F... die von der Beklagten
erbetenen Auskünfte zur Behandlung nicht erteilte und sie dem Kläger dies auch mitteilte.
Die Beklagte ließ den Kläger am 24. Januar 2008 durch den von der Beklagten beauftragten Facharzt für Psychiatrie und
Psychotherapie, Herrn I... H… P..., begutachten (Bl. 79 bis 86 d. A.). Dieser stellte fest, dass der Kläger weiterhin
umfänglich arbeitsunfähig krank sei, das Krankheitsbild aber weiterhin behandelbar, mittelfristig von einer Remission
auszugehen sei und deshalb keine Erwerbsunfähigkeit bestehe, hielt jedoch wegen der Länge und Schwere der
Erkrankung eine stationäre Behandlung in einem Fachkrankenhaus für erforderlich und die bisher leitliniengerecht
durchgeführte ambulante Behandlung für nicht mehr ausreichend; der Gutachter empfahl eine Nachuntersuchung in
etwa sechs Wochen.
Mit Schreiben vom 11. Februar 2008 (Bl. 38 bis 39 d. A.) forderte die Beklagte von dem den Kläger behandelnden
Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F... Auskünfte zu den aktuellen Beschwerden und
Untersuchungsergebnissen, zu den durchgeführten und geplanten Therapiemaßnahmen mit einer Aufstellung der
einzelnen stattgefundenen Behandlungstage, zum Grad der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtlicher Beendigung,
zur möglichen Arbeitsbelastung und zu eventuellen Begleiterkrankungen des Klägers an. Zugleich wies die Beklagte den
Kläger auf seine Auskunftspflicht und die Folgen ihrer Verletzung sowie auf die erfolgte Anfrage bei Dr. F... hin (Bl. 122 d.
A.).
Ab dem 23. Februar 2008 stellte die Beklagte ihre Leistungen ein, da eine weitere Bearbeitung vor Erhalt der
angeforderten näheren Auskünfte von Dr. F... nicht möglich sei.
Die Anfrage vom 11. Februar 2008 beantwortete Dr. F... mit Schreiben vom 1. April 2008 (Bl. 40 bis 41 d. A.). Die Beklagte
forderte sodann mit Schreiben vom 7. April 2008 Herrn Dr. F... – erfolglos – auf, die geforderte
Behandlungsdokumentation mit Aufstellung der einzelnen Behandlungstage und jeweiliger Medikation vorzulegen, und
teilte dies dem Kläger jeweils bei der wöchentlichen Vorlage der Bescheinigungen fortdauernder Arbeitsunfähigkeit mit
(Bl. 42 bis 47 d. A.).
Die Beklagte verweigerte weitere Krankentagegeldleistungen, da mangels der angeforderten
Behandlungsdokumentation die Leistungsvoraussetzung der ärztlichen Behandlung nicht nachgewiesen sei (Bl. 48 bis
51 d. A.).
Der Kläger nahm ab Juni 2008 seine Arbeitstätigkeit zunächst wieder auf, war jedoch ab dem 3. November 2008 erneut
arbeitsunfähig.
Der Kläger hat vorgetragen,
er sei in der Zeit vom 18. Juni 2007 bis einschließlich 1. Juni 2008 arbeitsunfähig erkrankt gewesen und ärztlich
behandelt worden. Dies sei aufgrund der im Auftrag der Beklagten durchgeführten Begutachtung und des Schreibens
des Dr. F... vom 1. April 2008 ausreichend belegt.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
wie folgt zu zahlen:
aus 840,00 € brutto seit dem 04.03.2008,
aus 1.680,00 € brutto seit dem 11.03.2008,
aus 2.520,00 € brutto seit dem 18.03.2008,
aus 3.360,00 € brutto seit dem 25.03.2008,
aus 4.200,00 € brutto seit dem 01.04.2008,
aus 5.040,00 € brutto seit dem 08.04.2008,
aus 5.880,00 € brutto seit dem 15.04.2008,
aus 6.740,00 € brutto seit dem 22.04.2008,
aus 7.560,00 € brutto seit dem 29.04.2008,
aus 8.400,00 € brutto seit dem 06.05.2008,
aus 9.240,00 € brutto seit dem 13.05.2008,
aus10.080,00 € brutto seit dem 20.05.2008,
aus10.920,00 € brutto seit dem 27.05.2008,
aus11.760,00 € brutto seit dem 03.06.2008,
aus12.000,00 € brutto seit dem 05.06.2008,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 837,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen,
eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers habe nicht vorgelegen und es fehle die Darlegung einer medizinisch notwendigen
Heilbehandlung, denn das Schreiben des Dr. F... vom 1. April 2008 sei hierfür nicht ausreichend. Daher sei ein
Leistungsanspruch des Klägers jedenfalls noch nicht fällig. Der Kläger habe eine Obliegenheitsverletzung wegen
unterlassener Auskunft zur Feststellung des Versicherungsfalles begangen, was zur Leistungsfreiheit der Beklagten
führe.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von Krankentagegeld für den Zeitraum 23. Februar 2008 bis einschließlich
31. März 2008 in Höhe von 3.360 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 840 € brutto
seit dem 4. März 2008, aus 1.680 € brutto seit dem 11. März 2008, aus 2.520 € brutto seit dem 18. März 2008, aus 3.360
€ brutto seit dem 25. März 2008 sowie zur Zahlung dem Kläger vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe
von 234,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. September 2008 verurteilt
und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Beklagte wegen der
zunächst nur auf der Grundlage der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erfolgten
Krankentagegeldleistungen für den langen Zeitraum vom 30. Juli 2007 bis zum 22. Februar 2008 einen
Vertrauenstatbestand geschaffen habe, der es ihr verwehre, Leistungen bis zum 31. März 2008 nicht zu erbringen.
Zudem beantworte der Arztbrief des Dr. F... vom 1. April 2008 den Fragenkatalog der Beklagten vom 11. Februar 2008,
da das Krankheitsbild des Klägers, seine akuten Beschwerden, Untersuchungsergebnisse, Behandlungsmaßnahmen
und auch eine Prognose zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers enthalten seien. Für den Zeitraum ab 1.
April 2008 sei der Anspruch des Klägers auf weitere Krankentagegeldleistungen jedoch noch nicht fällig, weil der Kläger
insoweit seine Aufklärungsobliegenheit verletzt habe. Denn die Beklagte sei zu der mit Schreiben vom 7. April 2008
erfolgten Anforderung ergänzender Auskünfte bezüglich der einzelnen Behandlungstage sowie der bisherigen und
geplanten Therapiemaßnahmen berechtigt gewesen und der Kläger habe weder selbst noch durch seinen
behandelnden Arzt dieses Auskunftsverlangen erfüllt.
Hiergegen wenden sich die Parteien mit ihren form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen, mit
denen sie ihre jeweiligen erstinstanzlichen Sachanträge weiterverfolgen.
Der Kläger macht geltend, aus dem von der Beklagten eingeholten Sachverständigengutachten und dem Arztbrief des
Dr. F... vom 1. April 2008 hätten sich sowohl die psychische Erkrankung des Klägers als auch dessen andauernde
Arbeitsunfähigkeit ergeben. Die wöchentlich erfolgte ärztliche Behandlung sei nachgewiesen durch die von dem Kläger
eingereichten und von der Beklagten ausgeglichenen Rechnungen des behandelnden Arztes. Die Beklagte verhalte sich
treuwidrig, wenn sie einerseits die Arztrechnungen begleiche, andererseits die ärztliche Behandlung des Klägers und
dessen Arbeitsunfähigkeit bestreite, obwohl sie Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erhalte. Die im Juni 2008
eingetretene Arbeitsfähigkeit des Klägers zeige, dass die ambulante Therapie bei Dr. F... erfolgreich gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts abzuändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, über den in Höhe von 3.360 € ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 8.640 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz wie folgt zu zahlen:
aus 840,00 € brutto seit dem 01.04.2008,
aus 1.680,00 € brutto seit dem 08.04.2008,
aus 2.520,00 € brutto seit dem 15.04.2008,
aus 3.360,00 € brutto seit dem 22.04.2008,
aus 4.200,00 € brutto seit dem 29.04.2008,
aus 5.040,00 € brutto seit dem 06.05.2008,
aus 5.880,00 € brutto seit dem 13.05.2008,
aus 6.720,00 € brutto seit dem 20.05.2008,
aus 7.560,00 € brutto seit dem 27.05.2008,
aus 8.400,00 € brutto seit dem 03.06.2008,
aus 8.640,00 € brutto seit dem 05.06.2008,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger über den ausgeurteilten Betrag in Höhe von 234,50 € hinaus weitere
603,02 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. September 2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen
sowie
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor,
aufgrund der von dem Gutachter P... für notwendig erachteten stationären Behandlung des Klägers stelle die danach
erfolgte weitere ambulante Behandlung keine medizinisch notwendige Heilbehandlung mehr dar. Die Beklagte habe
durch ihre Leistungen in der Zeit bis zum 22. Februar 2008 keinen Vertrauenstatbestand zugunsten des Klägers
geschaffen, da sie unstreitig bereits seit dem 10. September 2007 den behandelnden Arzt erfolglos um Auskunft
hinsichtlich der Behandlung des Klägers gebeten und dies dem Kläger auch mitgeteilt hatte. Die ärztliche Auskunft vom
1. April 2008 sei unvollständig und damit nicht ausreichend gewesen. Der Kläger habe seine Auskunftsobliegenheit
verletzt, weshalb seine Forderung nicht nur zurzeit, sondern unbedingt unbegründet sei. Die Beklagte habe auch durch
die Arztrechnungen keine ausreichenden Informationen über die ärztliche Behandlung des Klägers erhalten, da sich aus
den Rechnungen nur vereinzelte Gesprächstermine und kein konkretes Behandlungskonzept ergebe. Der Kläger habe
das Vorliegen voller Arbeitsunfähigkeit nicht ausreichend dargestellt und bewiesen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Bl. 89 bis 90
d. A.) sowie die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg, während die zulässige Berufung der Beklagten unbegründet ist.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von kalendertäglich 120 € Krankentagegeld für den
Zeitraum 23. Februar 2008 bis 1. Juni 2008, somit in Höhe von insgesamt 12.000 € gemäß § 1 Nr. (1) Satz 2 MB/KT 94
zu.
Nach § 1 Nr. (1) Satz 1 MB/KT 94 bietet die Beklagte Versicherungsschutz wegen Verdienstausfall als Folge von
Krankheiten oder Unfällen, soweit dadurch Arbeitsunfähigkeit verursacht wird, und gewährt nach § 1 Nr. (1) Satz 2
MB/KT 94 im Versicherungsfall für die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit ein Krankentagegeld im vertraglichen Umfang.
Dabei ist gemäß § 1 Nr. (2) Satz 1 MB/KT 94 Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer
versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird.
Arbeitsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt gemäß § 1 Nr. (3) MB/KT 94 vor, wenn der Versicherte seine
berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt
und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht.
Diese kumulativ erforderlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Versicherungsfalls und damit für den von dem
Kläger geltend gemachten Leistungsanspruch sind gegeben.
Unstreitig liegt bei dem Kläger eine psychiatrische Erkrankung vor.
Wegen dieser Krankheit unterzog sich der Kläger mindestens seit dem 18. Juni 2007 einer fachärztlichen Behandlung,
die als medizinisch notwendige Heilbehandlung zu qualifizieren ist. Dies ergibt sich bis zum Zeitpunkt der von der
Beklagten veranlassten Begutachtung des Klägers am 24. Januar 2008 bereits aus den Feststellungen des Gutachters
P..., der die bis zu diesem Zeitpunkt erfolgte ambulante Behandlung des Klägers als leitliniengerecht ansah und eine
weitere Behandelbarkeit des Krankheitsbildes annahm.
Auch die weitere ambulante Behandlung des Klägers im Zeitraum 25. Januar 2008 bis 1. Juni 2008 stellt eine
medizinisch notwendige Heilbehandlung im Sinne der Versicherungsbedingungen dar. Unerheblich ist insoweit, dass
der Sachverständige P... eine stationäre Behandlung des Klägers für angezeigt hielt und eine ambulante Behandlung als
nicht mehr ausreichend ansah. Denn daraus kann nicht der Schluss gezogen werden, die weitere ambulante
Behandlung sei keine notwendige medizinische Heilbehandlung mehr. Vielmehr zeigt die Empfehlung einer stationären
Behandlung gerade die medizinische Notwendigkeit einer weiteren ärztlichen Behandlung des Klägers, der nicht
verpflichtet ist, zur eventuellen Kostenminimierung der Beklagten sich einer stationären Behandlung zu unterziehen.
Denn in der Krankentagegeldversicherung ist allein entscheidend für das Vorliegen einer medizinisch notwendigen
Heilbehandlung die Eignung der Behandlung zur Wiederherstellung der Gesundheit. Dass die erfolgte ambulante
Therapie hierzu ungeeignet gewesen wäre, ist nicht ersichtlich, zumal der Kläger – wenn auch letztlich nur
vorübergehend – ab Juni 2008 wieder arbeitsfähig war und tatsächlich seinen bisherigen Beruf ausübte.
Nach § 4 Nr. (5) MB/KT 94 setzt die Zahlung von Krankentagegeld nur voraus, dass die versicherte Person während der
Dauer der Arbeitsunfähigkeit durch einen niedergelassenen approbierten Arzt oder Zahnarzt bzw. im Krankenhaus
behandelt wird. Unstreitig hat sich der Kläger einer solchen Behandlung unterzogen; ob sie aus Sicht des Versicherers
die optimale Therapie darstellt, ist insoweit unerheblich, da es noch nicht einmal darauf ankommt, ob der
Versicherungsnehmer einen Arzt der „richtigen“ Fachrichtung aufgesucht hat (OLG Karlsruhe, VersR 1995, 653). Dass
tatsächlich eine ärztliche Behandlung des Klägers in dem hier maßgeblichen Zeitraum erfolgte, ergibt sich einerseits aus
den Arztrechnungen des Dr. F..., andererseits aus dessen Schreiben vom 1. April 2008. Für die Frage der tatsächlichen
ärztlichen Behandlung des Versicherungsnehmers kommt es nicht darauf an, wie oft dieser seinen behandelnden Arzt
aufsucht und ob lediglich eine medikamentöse Therapie oder auch eine Gesprächstherapie stattfindet, da maßgeblich
allein ist, dass der Versicherungsnehmer sich überhaupt in ärztlicher Behandlung mit dem Ziel der Wiederherstellung
seiner Arbeitsfähigkeit befindet.
Der Kläger war auch während des Behandlungszeitraums bis zum 1. Juni 2008 aufgrund seiner Erkrankung
arbeitsunfähig. Dies ergibt sich zunächst aus dem von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten P..., das „weiter
AU bis auf Weiteres“ feststellt (Bl. 84 d. A.). Daraus folgt das Vorliegen vollständiger Arbeitsunfähigkeit des Klägers auch
für die Zeit nach der Begutachtung, ohne dass insoweit ein konkreter Endtermin bestimmt werden könnte, da der
Sachverständige auch keine Angaben zu der voraussichtlichen Dauer der von ihm empfohlenen stationären Behandlung
gemacht hat. Im Hinblick darauf konnte die Beklagte vorliegend das Bestehen von (vollständiger) Arbeitsunfähigkeit des
Klägers, das dieser ihr entsprechend seiner Verpflichtung in § 4 Nr. (7) MB/KT 94 durch wöchentliche Bescheinigungen
des behandelnden Arztes Dr. F... nachgewiesen hat, nicht pauschal bestreiten. Vielmehr hätte es eines konkreten
Beklagtenvortrags dazu bedurft, warum entgegen den Feststellungen des von ihr selbst beauftragten Gutachters keine
oder nur teilweise Arbeitsunfähigkeit des Klägers vorliegen sollte. Aufgrund des unzureichenden Sachvortrags der
Beklagten hierzu bedurfte es auch nicht der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zur Feststellung,
ob der Kläger in dem Zeitraum 23. Februar 2008 bis 1. Juni 2008 vollständig arbeitsunfähig war.
Weiter zu berücksichtigen ist dabei, dass die Beklagte bereits zuvor über sechs Monate hinweg allein aufgrund der von
dem Kläger vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und ohne Vorliegen einer ärztlichen Auskunft oder
Begutachtung das Krankentagegeld gezahlt hatte und so bei dem Kläger ein gewisses Vertrauen begründete, die
Beklagte werde das Vorliegen vollständiger Arbeitsunfähigkeit nicht bestreiten, wenn sogar der von ihr eingeschaltete
Gutachter von einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit des Klägers ausgeht. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte,
nachdem Dr. F... ihre ergänzende Anfrage vom 7. April 2008 nicht beantwortete, den Kläger in der Zeit vom 15. April 2008
bis zum 2. Juni 2008 mit verschiedenen Schreiben nur um Geduld hinsichtlich der weiteren Bearbeitung wegen der noch
fehlenden ärztlichen Informationen bat (Bl. 43 bis 47 d. A.), jedoch keine Zweifel an dem Vorliegen seiner
Arbeitsunfähigkeit äußerte. Der zuvor mit Schreiben vom 11. Februar 2008 (Bl. 122 d. A.) erfolgte Hinweis auf die den
Kläger treffende Auskunftsobliegenheit und deren Folgen vermochte den Vertrauenstatbestand, die Beklagte werde das
Vorliegen vollständiger Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht in Abrede stellen, nicht zu beseitigen.
Da der Kläger die geforderten Arbeitsunfähigkeitsnachweise erbracht hat (vgl. § 6 Nr. (1) in Verbindung mit § 4 Nr. (7)
MB/KT 94) und den Eintritt des Versicherungsfalls dargelegt hat, bedurfte es keiner weiteren Erhebungen der Beklagten
zur Feststellung des Versicherungsfalls; die geltend gemachte Forderung des Klägers ist daher auch fällig (§ 6 Nr. (2)
MB/KT 94 in Verbindung mit § 11 VVG a. F., Art. 1 Nr. (2) EGVVG).
Die Beklagte ist auch nicht wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers gemäß § 10 Nr. (1) MB/KT 94 in
Verbindung mit § 6 Abs. 3 VVG a. F. leistungsfrei.
Nach § 9 Nr. (2) MB/KT 94 hat der Versicherungsnehmer auf Verlangen des Versicherers jede Auskunft zu erteilen, die
zur Feststellung des Versicherungsfalls oder der Leistungspflicht des Versicherers und ihres Umfangs erforderlich ist.
Diese Auskunftsobliegenheit hat der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verletzt.
Unstreitig hat die Beklagte am 11. Februar 2008 den Arzt Dr. F... mittels eines Fragebogens um verschiedene Auskünfte
zur Behandlung des Klägers gebeten (Bl. 38 bis 39 d. A.) und dies dem Kläger auch mitgeteilt (Bl. 122 d. A.). Daraufhin
teilte Dr. F... der Beklagten mit Schreiben vom 1. April 2008 zum einen den in seinem Praxisumzug bedingten Grund der
verzögerten Beantwortung mit, zum anderen legte er die Diagnosen der klägerischen Erkrankung, deren Anamnese, die
Entwicklung der Krankheitssymptome während der Behandlung, die Therapieform (Anfangssedierung mit
Benzodiapezin, sodann multiple Gesprächstherapien und psychopharmakologische Behandlungsversuche, seit Februar
2008 in Form von Remergil Sotap 30 und Zoloft 100 mg) und die Erwartung eines stabilisierten Zustands des Klägers mit
der Möglichkeit eines Arbeitsversuchs für Ende April oder Ende Mai 2008 dar. Damit hat der Kläger bzw. der ihn
behandelnde Arzt für diesen die von der Beklagten erbetenen Auskünfte erteilt.
Zutreffend ist zwar, dass die Beklagte in ihrem Schreiben vom 11. Februar 2008 – und sodann erneut mit Schreiben vom
7. April 2008 – auch um eine Aufstellung der bisher stattgefundenen einzelnen Behandlungstage gebeten hatte. Es ist
jedoch nicht ersichtlich, inwieweit diese Informationen für die Feststellung des Versicherungsfalls von Bedeutung hätte
sein können. Die Beklagte teilte den nunmehrigen Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 16. April
2008 (Bl. 48 d. A.) und vom 9. Mai 2008 (Bl. 49 d. A.) mit, sie benötige eine Behandlungsdokumentation mit
Behandlungstagen und jeweiliger Medikation zur Prüfung, ob überhaupt eine ärztliche Behandlung des Klägers als
Voraussetzung für die geforderte Krankentagegeldzahlung vorliege. Diese Information der tatsächlich erfolgenden
Behandlung hatte die Beklagte jedoch bereits durch die Feststellungen des von ihr beauftragten Sachverständigen P...,
der hierzu bereits in seinem Gutachten zu „Derzeitige Therapie und Medikation“ ausführte „Trevilor ret. 225 mg täglich,
psychotherapeutische Gespräche bei 1 Facharzt alle 2 Wochen“ (Bl. 81 d. A.).
Für die Zeit nach der Begutachtung des Klägers hatte der diesen behandelnde Facharzt Dr. F... in seinem Schreiben vom
1. April 2008 die bisherige und die ab Februar 2008 geänderte Therapie des Klägers dargelegt und damit auch dessen
ärztliche Behandlung. Ein Bedürfnis für die von der Beklagten erstrebte Darlegung eines Behandlungskonzepts besteht
im Rahmen der Krankentagegeldversicherung nicht, da es für diese nur auf die tatsächliche ärztliche Behandlung
ankommt und es nicht um das Interesse des Versicherers an der Abwehr unnötiger Kosten geht (vgl. Prölss/Martin, VVG,
27. Aufl., § 4 MB/KT 94, Rdnr. 14). Auf die Frage, ob die Beklagte aus den Arztrechnungen die ärztliche Behandlung des
Klägers ersehen konnte, kommt es daher hier nicht an.
Da gleichwohl der Kläger sich – nach dem unbestrittenen Klägervortrag – um die Beibringung der von der Beklagten
geforderten Auskünfte durch die wiederholte Aufforderung an Dr. F..., die ergänzende Anfrage der Beklagten vom 7. April
2008 zu beantworten, bemüht hatte, wäre eine eventuell objektiv gegebene Auskunftsobliegenheitsverletzung jedenfalls
nicht schuldhaft erfolgt, so dass die Beklagte nicht leistungsfrei ist.
Dem Kläger stehen auch ein Anspruch auf Erstattung der ihm durch die vorgerichtliche Tätigkeit seiner Rechtsanwälte
entstandenen Kosten ebenso wie die geltend gemachten Zinsansprüche gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 BGB zu. Die
Beklagte hat die begehrten Leistungen aus der Krankentagegeldversicherung zu Unrecht verweigert und befand sich
daher mit diesen ab dem jeweiligen wöchentlichen Fälligkeitstag in Verzug. Durch die Zahlungsverweigerung der
Beklagten war der Kläger zur Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung seines Leistungsanspruchs
berechtigt. Dessen Kosten sind von der Beklagten nebst Prozesszinsen gemäß § 291 ZPO ab Zustellung der Klage zu
erstatten.
Die mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung eingelegte Berufung der Beklagten ist daher unbegründet und somit
zurückzuweisen, während auf die Berufung des Klägers das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage
vollumfänglich zuzusprechen ist.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben
sind.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 12.000 € (Berufung des Klägers: 8.640 €, Berufung der Beklagten: 3.360
€) festgesetzt.
Weiss Schwager-Wenz Zeitler-Hetger