Urteil des OLG Karlsruhe vom 17.02.2005
OLG Karlsruhe: freiwillige gerichtsbarkeit, sachverständigenkosten, verfahrenskosten, anwendungsbereich, eltern, belastung, entstehung, billigkeit, ermessen, verfahrenseinleitung
OLG Karlsruhe Beschluß vom 17.2.2005, 2 WF 233/04
Kostenentscheidung im Sorgerechtsverfahren: Billigkeitsentscheidung hinsichtlich der Sachverständigenkosten nach gesetzlicher
Neuregelung
Leitsätze
Die Bestimmung des § 94 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 KostO findet seit der Neufassung des Halbs. 2 der Bestimmung zum 01.01.2002, mit der das Wort
"Gebühren" durch das Wort "Kosten" in Halbs. 2 ersetzt wurde, auch auf die gerichtlichen Auslagen, insbesondere die Sachverständigenkosten,
Anwendung (wie OLG Koblenz, FamRZ 2004, 391, 392).
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Schwetzingen vom 06.10.2004 (3 F
363/03) geändert:
Die gerichtlichen Auslagen tragen die Antragsteller (Beteil. zu 1) und die Antragsgegnerin (Beteil. zu 2) je zur Hälfte.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
2. Die im Beschwerdeverfahren angefallenen Kosten tragen die Beteil. zu 1 und die Beteil. zu 2 je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht
erstattet.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1052,99 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1 Mit Schriftsatz vom 11.11.2003 leiteten die Antragsteller (Beteil. zu 1), die Großeltern des Kindes M. V., geboren 2000, beim Amtsgericht ein
Sorgerechtsverfahren mit der Begründung ein, ihre Tochter (Beteil. zu 2), die Kindesmutter, sei nicht in der Lage, ausreichend für dieses zu
sorgen. Nach entsprechenden Ermittlungen, insbesondere der Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens von Dr. P. S., für
das dieser 2.105,98 EUR Honorar abrechnete, wurde im Verhandlungstermin vom 06.10.2004 Übereinstimmung zwischen allen Beteiligten
erzielt, dass keine gerichtlichen Maßnahmen erforderlich seien. Die Großeltern erklärten ihren Antrag für erledigt.
2 Das Amtsgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 06.10.2004 gem. § 94 Abs. 3 KostO die Verfahrenskosten der Kindesmutter auferlegt und von
einer Erstattung außergerichtlicher Kosten gem. § 13 a FGG abgesehen. Dieser Beschluss wurde der Beteil. zu 2 am 16.11.2004 zugestellt. Mit
ihrer am 29.11.2004 eingegangenen sofortigen Beschwerde macht sie geltend, es sei unbillig, ihr allein die Verfahrenskosten und damit auch die
Sachverständigenkosten aufzuerlegen. Diese seien vielmehr gegeneinander aufzuheben.
3 Die Beteil. zu 1 sind der Beschwerde entgegengetreten. Sie machen geltend, ihre Bedenken hinsichtlich des Wohlergehens ihres Enkels seien bei
Verfahrenseinleitung begründet gewesen, weshalb die Kindesmutter Veranlassung für das Verfahren gegeben habe.
II.
4 Die sofortige Beschwerde ist gem. § 20 a Abs. 2 FGG zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes
beträgt 1.052,99 EUR und übersteigt damit 100 EUR. Die Bestimmung des zahlungspflichtigen Beteiligten gem. § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO ist gem.
§ 20 a Abs. 2 FGG anfechtbar (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Zimmermann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 20 a Rdnr. 22). Die Beschwerde ist
auch begründet.
5 Die Bestimmung des § 94 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 KostO findet seit der Neufassung des Halbs. 2 der Bestimmung zum 01.01.2002, mit der das Wort
"Gebühren" durch das Wort "Kosten" in Halbs. 2 ersetzt wurde, nach der nunmehr wohl überwiegenden Meinung, die der Senat teilt, auch auf die
gerichtlichen Auslagen, insbesondere die Sachverständigenkosten, Anwendung (Korinthenberg/Lappe, KostO, 15. Aufl., § 94 Rdnr. 33; Hartmann,
Kostengesetze, 34. Aufl., § 94 KostO Rdnr. 27; OLG Koblenz, FamRZ 2004, 391, 392; bereits früher: OLG Celle, FamRZ 1996, 1559; OLG
Karlsruhe, Rpfleger 1981, 76). Die Bestimmung des zahlungspflichtigen Beteiligten hat nach billigem Ermessen zu erfolgen. Dabei ist vor allem
darauf abzustellen, welcher Beteiligte die Maßnahme unmittelbar oder mittelbar verursacht - veranlasst im weiteren Sinne - hat, so dass seine
Belastung billigenswert erscheint.
6 Im vorliegenden Falle lag - worauf das Amtsgericht offenbar entscheidend abgestellt hat - ein gewisser Verursachungsbeitrag bei der
Kindesmutter, deren Erziehungseignung die Beteil. zu 1 nicht völlig haltlos in Zweifel gezogen haben, wie sich aus dem
Sachverständigengutachten ergibt. Die Beteil. zu 1 haben jedoch die Entstehung der Auslagen für das Sachverständigengutachten entscheidend
mit verursacht, indem sie konkrete Fürsorgedefizite bei der Kindesmutter gerügt und deren Untersuchung angeregt haben - zunächst sogar mit
dem Ziel, selbst das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind zu erhalten. Ähnlich wie im Anwendungsbereich des § 13 a FGG ist bei der
einseitigen Auferlegung von Kosten in familiengerichtlichen Angelegenheiten auch im Anwendungsbereich der KostO Zurückhaltung geboten (vgl.
OLG Frankfurt, FamRZ 1994, 253; Senat, 2 WF 37/03, Beschluss vom 10.11.2003). Ebenso wie das Amtsgericht zu Recht keine Veranlassung
gesehen hat, eine Kostenerstattung gem. § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG anzuordnen, entspricht es deshalb der Billigkeit, die Beteil. zu 1 und zu 2
gleichermaßen mit den Verfahrenskosten zu belasten.
7 Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 13 a Abs. 1 FGG, die Festsetzung des Beschwerdewerts auf §§ 131
Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.