Urteil des OLG Karlsruhe vom 25.02.2008
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OLG Karlsruhe Beschluß vom 25.2.2008, 22 W 1/08 BSch
Leitsätze
1. § 99 Abs. 1 ZPO, wonach die Anfechtung einer Kostenentscheidung grundsätzlich unzulässig ist, wenn nicht
gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird, steht der Zulässigkeit einer sofortigen
Beschwerde nicht entgegen, wenn das Ausgangsgericht (nach einer vorausgegangenen Übertragung durch das
Rechtsmittelgericht) eine „isolierte“ Kostengrundentscheidung getroffen hat.
2. Bei der Kostenentscheidung hinsichtlich einer sofortigen Beschwerde gegen ein die Eröffnung des
Binnenschifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens ablehnenden Beschluss sind die am Beschwerdeverfahren
tatsächlich und rechtlich zulässigerweise Beteiligten, also nicht nur die Antragstellerin, sondern auch die Gläubiger
als Antrags- und Beschwerdegegner zu berücksichtigen und es kann von der in § 97 Abs. 2 ZPO eröffneten
Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, Kosten eines Rechtsmittelverfahrens (ganz oder) teilweise der
obsiegenden Partei aufzuerlegen, wenn diese auf Grund neuen Vorbringens obsiegt hatte, das im ersten
Rechtszug sie geltend zu machen im Stande gewesen war.
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Schifffahrtsgericht - Mainz
vom 19.12 2007 - 281 SVR 1/07 (77 H 68/06 BSchRh) - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Am 13.09.2006 hat die Antragstellerin den Antrag auf Einleitung eines Verteilungsverfahrens gemäß der
Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung (SVertO) beim Schifffahrtsgericht Mainz gestellt. Mit Beschluss
vom 29.06.2007 hat das Schifffahrtsgericht diesen Antrag zurückgewiesen. Hiergegen wandte sich die
Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde, der die Antragsgegner entgegen getreten sind.
2
Das Schifffahrtsobergericht hat mit Beschluss vom 1.10.2007 - 22 W 1/07 BSch - auf die sofortige Beschwerde
der Antragstellerin den Beschluss des Schifffahrtsgericht vom 29.06.2007 aufgehoben und die Sache zur
Entscheidung über die Haftungssumme, die zur Errichtung des Fonds einzuzahlen ist, sowie zur weiteren
Sachbehandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das
Schifffahrtsgericht Mainz zurückverwiesen.
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Daraufhin hat das Schifffahrtsgericht festgestellt, dass die Formalien des Antrags gegeben seien und mit
Beschluss vom 30.10.2007 die Haftungssumme festgesetzt. Nach deren Einzahlung hat es mit Beschluss
vom 11.12.2007 die Eröffnung des Binnenschifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens angeordnet, einen
Sachwalter bestellt und einen Termin zur Prüfung der angemeldeten Forderungen bestimmt.
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Mit Beschluss vom 19.12.2007 hat das Schifffahrtsgericht entschieden:
5
Die im Beschwerdeverfahren entstandenen Gerichtskosten fallen der Antragstellerin zur Hälfte, der
Antragsgegnerin zu 1) zu 17%, der Antragsgegnerin zu 2) zu 10,5%, der Antragsgegnerin zu 3) zu 22,5% zur
Last.
6
Die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin fallen dieser zur
Hälfte, der Antragsgegnerin zu 1) zu 17%, der Antragsgegnerin zu 2.) zu 10,5%, der Antragsgegnerin zu 3) zu
22,5% zur Last.
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Die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3) fallen jeweils zur Hälfte der Antragstellerin
und jeweils zur Hälfte den Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3) zur Last.
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Zur Begründung wird in der Entscheidung auf §§ 97 Abs. 2, 100 ZPO verwiesen.
9
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde, zu der sie im
Wesentlichen ausführt:
10 Eine Mitwirkung der Gläubiger sei bis zur Eröffnung eines schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens nicht
vorgesehen. Im Übrigen habe die Antragstellerin in vollem Umfang obsiegt.
11 Die Antragsgegner sind der sofortigen Beschwerde unter Hinweis auf ihre Beteiligung am Eröffnungs- und
Beschwerdeverfahren entgegengetreten. Das Schifffahrtsgericht erachtet die sofortige Beschwerde für
unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet, hat ihr deshalb nicht abgeholfen und sie dem
Schifffahrtsobergericht zur Entscheidung vorgelegt.
12 Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
13 1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die ergangene isolierte Kostengrundentscheidung des
Schifffahrtsgerichts hinsichtlich des vorausgegangenen Beschwerdeverfahrens ist zulässig, §§ 3 Abs. 2, 34
Abs. 2 SVertO, §§ 567, 569 ZPO.
14 § 99 Abs. 1 ZPO, wonach die Anfechtung einer Kostenentscheidung grundsätzlich unzulässig ist, wenn nicht
gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird, steht der Zulässigkeit der
sofortigen Beschwerde nicht entgegen. Diese Vorschrift ist nämlich nicht anzuwenden, wenn - wie vorliegend -
eine reine („isolierte“) Kostengrundentscheidung ergangen ist, die dem Ausgangsgericht vom
Rechtsmittelgericht übertragen worden war (vgl. dazu auch OLG Zweibrücken, FamRZ 1983, 1154; OLG
Karlsruhe FamRZ 2002, 682; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 66. Aufl. § 99 Rdnr5 m.w.N.).
15 2. In der Sache hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg.
16 Für die Entscheidung darüber, wem die Kosten eines Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen sind, gelten gemäß
§§ 3 Abs. 2, 34 Abs. 2 SVertO die Vorschriften der ZPO, insbesondere § 97 ZPO.
17 Bei dem Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens handelt es sich um ein teilweise dem Insolvenzverfahren
vergleichbares, besonders ausgestaltetes Vollstreckungsverfahren, das nicht der freiwilligen, sondern der
streitigen Gerichtsbarkeit angehört (vgl. Rittmeister, Das Seerechtliche Haftungsbeschränkungsverfahren nach
neuem Recht, S. 74; v. Waldstein/Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5. Aufl. § 5 d BinSchG Rdnr. 5 jeweils
m.w.N.). Die Funktion des Verteilungsverfahren besteht darin, die Haftungssumme in möglichst gerechter
Weise auf die Gläubiger zu verteilen und — anders als das Insolvenzverfahren — den Zugriff der Gläubiger auf
das übrige Vermögen des Schuldners zu verhindern. Das Verteilungsverfahren gliedert sich in ein
Eröffnungsverfahren, ein Feststellungsverfahren und ein Verteilungsverfahren im engeren Sinne. Das Verfahren
beginnt mit der Antragsstellung durch den Schuldner, worauf das Gericht die Höhe der einzuzahlenden Höhe
der Haftungssumme festsetzt und das Verteilungsverfahren eröffnet. Der Eröffnungsbeschluss bewirkt
materiell-rechtlich die Haftungsbeschränkung. Nach Eröffnung des Verfahrens erlässt das Gericht ein
Aufgebot, um die teilnahmeberechtigten Gläubiger festzustellen. In einem Prüfungstermin werden die
angemeldeten Forderungen auf ihre Berechtigung hin überprüft und gegebenenfalls festgestellt. Anschließend
erfolgt die Verteilung der Haftungssumme anteilig auf die festgestellten Ansprüche (vgl. Rittmeister und v.
Waldstein/Holland, jeweils a.a.O.). Soweit die Vorschriften der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung keine
besondere Regelung enthalten, ist auf die Bestimmungen der ZPO zurückzugreifen.
18 Bei der Kostengrundentscheidung, die das Schifffahrtsobergericht in der Entscheidung über die Aufhebung des
die Eröffnung des Verteilungsverfahrens ablehnenden Beschluss und die Zurückverweisung der Sache zur
weiteren Behandlung dem Schifffahrtsgericht übertragen hatte, hat dieses rechtsfehlerfrei einerseits die am
Beschwerdeverfahren tatsächlich und rechtlich zulässigerweise Beteiligten, also nicht nur die Antragstellerin,
sondern auch die Gläubiger als Antrags- und Beschwerdegegner berücksichtigt, und andererseits von der in §
97 Abs. 2 ZPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, Kosten eines Rechtsmittelverfahrens (ganz oder)
teilweise der obsiegenden Partei - hier der Antragstellerin - aufzuerlegen, nachdem diese - jedenfalls u.a. - auf
Grund neuen Vorbringens obsiegt hatte, das im ersten Rechtszug sie geltend zu machen im Stande gewesen
war.
19 In dem früheren Beschwerdeverfahren ist keine Gerichtsgebühr entstanden, KV Nr. 2440 (§ 3 Abs. 2 GKG
Anlage 1).
20 3. Die Kosten des vorliegenden sofortigen Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin gemäß § 97 Abs.1
ZPO zu tragen.
21 An Gerichtskosten ist gemäß KV Nr. 2440 (§ 3 Abs. 2 GKG Anlage 1) eine Festgebühr von 50,00 Euro
angefallen.