Urteil des OLG Karlsruhe vom 15.07.2010

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OLG Karlsruhe Urteil vom 15.7.2010, 12 U 6/10
Leitsätze
Zum Einschluss des Risikos einer Haftung wegen Schäden, die aus einem fehlerhaften Anschluss eines
Wasserhahns an die Sanitärinstallation herrühren, in den Haftpflichtversicherungsschutz eines
Möbelschreinerbetriebs.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 15. Dezember 2009, 11 O
266/09, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von
110% des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Die Klägerin unterhält bei der Beklagten seit 2006 u.a. eine gewerbliche Haftpflichtversicherung für Betriebe
des Baunebengewerbes. Im Versicherungsantrag ist als Betriebsart Bau- und Möbelschreinerei genannt. In der
Rubrik „Versichertes Risiko“ heißt es „Bau- und Möbelschreinerei inkl. Handel mit Möbeln“.
2
Die Klägerin war von einem Kunden beauftragt mit der Anfertigung und dem Einbau von Mobiliar in einem
Arbeitszimmer, wobei auch in einer Wandnische eine kleine Teeküche mit Waschbecken anzubringen war. Der
Monteur der Klägerin, welcher das Mobiliar einbaute, schloss den Wasserhahn des Waschbeckens an einen
dort schon vorhandenen Boiler an. Der Anschluss erfolgte direkt an die Trinkwasserleitung. Der Wasserhahn
wies keine Druckreduzierung auf. Dies führte dazu, dass der drucklose Boiler in der Nacht vom
27.02./28.02.2009 platzte. Es liefen mehrere 100 Liter Wasser aus und es kam zu Wasserschäden an Möbeln,
Fußböden, Bildern und Ikonen. Auf die Schadensmeldung der Klägerin vom 02.03.2009 lehnte die Beklagte mit
Schreiben vom 12.03.2009 den nachgesuchten Deckungsschutz ab mit der Begründung, es bestehe kein
Versicherungsschutz, da der Anschluss des Wasserhahns nicht vom versicherten Risiko einer Bau- und
Möbelschreinerei umfasst sei.
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Die Klägerin hat vorgetragen, dass es zwar zutreffend sei, dass ihre Tätigkeit im Bereich der Bau- und
Möbelschreinerei liege und entsprechend dies als versichertes Risiko im Versicherungsantrag aufgeführt sei.
Es sei auch zutreffend, dass es sich beim Anschluss eines Wasserhahns an einen Boiler grundsätzlich um
eine Sanitärinstallationsarbeit handele. Dennoch sei der Versicherungsschutz nicht ausgeschlossen. Der
Anschluss des Wasserhahnes durch den Monteur der Klägerin sei ausnahmsweise gefälligkeitshalber erfolgt.
Es stelle eine Tätigkeit im Interesse des Betriebes der Klägerin dar, für welche Versicherungsschutz aufgrund
eines inneren Zusammenhanges mit der vom Auftraggeber beauftragten Leistung der Klägerin bestehe. Eine
Risikoerhöhung oder -erweiterung liege schon nicht vor, da es sich nur um eine kurzfristige Veränderung der
Gefahrhöhe gehandelt habe. Außerdem verstoße die Ablehnung des Versicherungsschutzes gegen Treu und
Glauben. Gegebenenfalls hätte die Beklagte die Klägerin darüber aufklären müssen, wie weit der
Versicherungsschutz reicht und für welchen Fall zweckmäßigerweise eine Erweiterung der Versicherung
beantragt werden müsse. Hierauf sei nicht hingewiesen worden.
4
Die Klägerin hat beantragt:
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1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für das Schadensereignis in ..“,
welches bei ihr unter der Schadensnummer ... geführt wird, Versicherungsschutz aus dem
Versicherungsvertrag Nr.: .... zu gewähren.
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2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.680,10 vorgerichtliche Anwaltskosten zu
bezahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat vorgetragen, dass die Klägerin keine Deckung für Gas- und Wasserinstallationsarbeiten beantragt habe,
was ein schwereres Risiko als die Tätigkeit als Bau- und Möbelschreiner beinhaltet hätte. Aufgrund des im
Haftpflichtrecht geltenden Grundsatz der Spezialität der versicherten Gefahren komme Versicherungsschutz
nicht in Betracht. Es handele sich um handwerksrechtlich unterschiedliche Handwerksbereiche. Es handle sich
auch nicht um eine Erhöhung oder Erweiterung des Risikos im Sinne von § 1 Ziff. 1 b AHB, da es hierbei
immer nur um Erhöhungen oder Erweiterungen im Bereich des versicherten Risikos gehen könne. Zur
Küchenmontage habe der Anschluss des Wasserhahnes nicht gehört.
10 Das Landgericht hat durch Urteil vom 15. Dezember 2009, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug
genommen wird, der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten,
mit der diese ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt.
11 Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Obermeisters F.
Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15. Juli 2010
verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze
sowie auf die mit diesen Schriftsätzen vorgelegten Urkunden Bezug genommen.
II.
12 Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
13 1. Im Ergebnis zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte der Klägerin gem. §§ 241
Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB i.V.m. Nr. 1 ff AHB Deckungsschutz aus der Haftpflichtversicherung zu gewähren hat.
Die schadensauslösende Tätigkeit der Montage eines Wasserhahns ist Gegenstand der Haftpflichtversicherung
der Beklagten.
14 Der Senat neigt dabei der Auffassung zu, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer, der seine
berufliche bzw. betriebliche Tätigkeit gegen Haftpflichtrisiken versichert, mit seinem Versicherungsantrag
regelmäßig zum Ausdruck bringen will, dass nicht ein bestimmtes Berufsbild oder Betriebsmodell unabhängig
von seiner tatsächlichen Ausgestaltung versichert werden soll, sondern seine gewöhnliche Tätigkeit bzw. sein
realer Betrieb. Wird ein so verstandener Antrag ohne Einschränkungen angenommen, so kann sich der
Versicherer wohl nur durch Risikoausschlüsse der Eintrittspflicht für Risiken entziehen, die er nicht
übernehmen möchte. Ein Risikoausschluss für Tätigkeiten, die originär einem anderen Handwerk zugehören,
findet sich in den vereinbarten Bedingungen nicht. Letztlich muss der Senat hierzu jedoch nicht abschließend
Stellung nehmen, denn das Risiko einer Schadensstiftung durch eine fehlerhafte Montage eines Wasserhahns
ist hier - was das Landgericht aber auch die Beklagte übersehen haben - ausdrücklich von den
Versicherungsbedingungen umfasst.
15 Die Bestimmungen über das versicherte Risiko nach Nr. 3 AHB werden durch die dem Vertrag zu Grunde
liegenden „Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Haftpflichtversicherung für Betriebe des
Baunebengewerbes“ konkretisiert. In deren Nr. 1 ist bestimmt:
16
„Maßgebend ist die Beschreibung unter Position „versicherte Risiken“ bzw.
„Deckungserweiterungen/Nebenrisiken aufgrund besonderer Vereinbarung“ im Versicherungsschein
oder seinen Nachträgen, wobei das Risiko gem. § 5 Handwerksordnung (HWO) eingeschlossen ist.
17 Die hierdurch unter Verweis genommene Regelung des § 5 HWO bestimmt:
18
Wer ein Handwerk nach § 1 Abs. 1 betreibt, kann hierbei auch Arbeiten in anderen Handwerken nach §
1 Abs. 1 ausführen, wenn sie mit dem Leistungsangebot seines Gewerbes technisch oder fachlich
zusammenhängen oder es wirtschaftlich ergänzen.
19 Welche Arbeiten mit einem Gewerk technisch oder fachlich zusammenhängen oder es wirtschaftlich ergänzen,
entscheidet die Verkehrsauffassung (Honig/Knörr, Handwerksordnung, 4. Auflage 2008, Rdnr. 8). Ein fachlicher
Zusammenhang in diesem Sinne ist gegeben, wenn die Arbeiten in einer derartig engen Verbindung zu einem
konkreten Arbeitsauftrag stehen, dass die gemeinsame Verrichtung zwar nicht notwendigerweise technisch,
wohl aber wirtschaftlich geboten ist (OLG Stuttgart, GewA 1990, 416; VG Berlin, GewA 1992, 188). Die
Entscheidung ist für den Einzelfall zu treffen, wobei hierbei großzügig zu verfahren ist (Honig/Knörr, a.a.O.,
Rdnr. 9).
20 Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme geht der Senat von einem derartigen fachlichen Zusammenhang aus.
Die Klägerin hatte als Hauptauftrag aus ihrem eigenen Handwerk eine Möbelherstellung und -montage
vorzunehmen, zu dem auch eine Teeküche gehörte. Der gerichtliche Sachverständige führt in überzeugender
Weise aus, dass ein Schreiner bei einer Küchenmontage auch die in diesem Zusammenhang stehenden
sanitären Installationsarbeiten wie die Montage eines Wasserhahns - und zwar auch dessen Anschluss an
einen Boiler zur Warmwasseraufbereitung - ausführt. Dass dies gängige Praxis im Schreinereihandwerk ist,
erläutert der Sachverständige an einem einschlägigen Verkaufsprospekt eines namhaften
Küchentechnikherstellers, der sich mit seinen Produkten an Schreinereien wendet und dabei gezielt
Montageanleitungen für Anschlüsse an das Wassersystem mitliefert. Der Sachverständige macht deutlich,
dass hinsichtlich des Anschließens eines Wasserhahns ein enger Zusammenhang zur Montage der
Kücheneinrichtung besteht und es bei wirtschaftlicher Betrachtung völlig unverhältnismäßig wäre, hierfür jedes
Mal gesondert einen Sanitärfachbetrieb zu beauftragen. Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich der
Senat an. Das Anschließen eines Wasserhahns an die vorhandene Sanitärinstallation stellt eine mit den
Aufbauarbeiten der Küchenmöbel fachlich zusammenhänge Tätigkeit dar.
21 Zudem läge zumindest eine wirtschaftlich ergänzende Arbeit vor. Der Begriff der „wirtschaftlichen Ergänzung“
ist dabei ein unbestimmter Rechtsbegriff, zu dessen Konkretisierung Haupt- und Zusatztätigkeit in Vergleich zu
setzen sind (Honig/Knörr, a.a.O., Rdnr. 10). Dabei soll dem Interesse sowohl des Kunden als auch des
Handwerkers nach mehr „Arbeiten aus einer Hand“ noch weiter Rechnung getragen werden (ebda). Vor diesem
Hintergrund ist das Montieren eines Wasserhahns eine untergeordnete Tätigkeit im Vergleich zur Erstellung
und zur Montage einer Küche. Demnach ist das Anschließen eines Wasserhahns lediglich von ergänzendem
Charakter. Diese Ergänzung hat auch einen wirtschaftlichen Hintergrund, da der Kunde nicht dazu gezwungen
werden soll, wegen einer vergleichsweise kleinen Verrichtung einen weiteren Handwerker zu beauftragen und
zu entlohnen.
22 Nach allem war das Risiko einer Haftung wegen Schäden, die aus einem fehlerhaften Anschluss des
Wasserhahns an die Sanitärinstallation herrühren, über den ausdrücklichen Einschluss von Tätigkeiten nach §
5 HWO durch die Versicherung abgedeckt.
23 2. Die geltend gemachte Nebenforderung hat das Landgericht zu Recht als Verzugsschaden betrachtet.
24 3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht
auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.