Urteil des OLG Karlsruhe vom 30.03.2004

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OLG Karlsruhe Beschluß vom 30.3.2004, 16 WF 29/04
Einkommensberechnung im Prozesskostenhilfeverfahren
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Heidelberg vom 12. Januar 2004
aufgehoben.
Gründe
1 Das Amtsgericht hat der Antragstellerin mit Beschluss vom 09. Oktober 2003 Prozesskostenhilfe bewilligt und die Bestimmung, dass keine Raten
zu zahlen seien, unter den Vorbehalt der Feststellung eines Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin gegen den Antragsgegner gestellt. Mit dem
angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht sodann Monatsraten von 45 EUR ab 01. März 2004 festgesetzt und als Nettoeinkommen der
Antragstellerin deren Unterhaltsanspruch mit 500 EUR monatlich geschätzt.
2 Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.
3 Die Antragstellerin trägt vor, sie bestreite ihren Lebensunterhalt von Darlehenszahlungen ihrer Eltern. Der Ehemann bezahle keinen Unterhalt. Er
habe in einem Verfahren, in dem er auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses in Anspruch genommen worden sei, dargelegt, dass er
aufgrund der zahlreichen Kreditverbindlichkeiten nicht leistungsfähig sei. Der Ehemann sei außergerichtlich nochmals aufgefordert worden,
Ehegattenunterhalt zu leisten und einen Vorschlag zu unterbreiten; hierauf sei keine Reaktion erfolgt. Die Antragstellerin sehe nur die Möglichkeit,
nach Ablauf des Trennungsjahres einen Antrag auf Ehescheidung einzureichen und dann im Wege des Zugewinnausgleichs finanzielle
Forderungen zu erheben.
4 Nach § 115 Abs. 1 ZPO ist grundsätzlich auf vorhandenes Einkommen der Partei abzustellen. Dies gilt auch dann, wenn eine Partei
Unterhaltsansprüche hat, die sie erst einklagen muss. In diesem Fall kommt die Anwendung des § 120 Abs. 4 ZPO in Frage, sobald
Unterhaltszahlungen fließen.
5 Das erzielbare statt des tatsächlichen Einkommens kann allenfalls dann angesetzt werden, wenn es sonst zu einer missbräuchlichen
Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe käme (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2003 - 16 WF 182/03 - zur Veröffentlichung
bestimmt - bereits aufgenommen in die Datenbank: Juris Länderrechtsprechung). Rechtsmissbräuchliches Verhalten könnte in Fällen wie dem
vorliegenden angenommen werden, wenn eine Partei einen liquiden Unterhaltsanspruch nicht einklagt. Ein solches, aber auch sonstiges
rechtsmissbräuchliches Verhalten der Antragstellerin ist nicht zu sehen. Die Antragstellerin hat zunächst versucht, im Wege der einstweiligen
Anordnung gegen den Antragsgegner einen Prozesskostenvorschuss geltend zu machen. Über diesen ist sodann am 28. August 2003 verhandelt
worden; man erzielte Einigkeit darüber, dass der Ehemann einen Prozesskostenvorschuss nicht leisten könne und dass deshalb über eine
Prozesskostenhilfe für die Ehefrau, die Antragstellerin, entschieden werden müsse. Dazu müsse geklärt werden, welchen Unterhalt die
Antragstellerin beziehe. Selbst wenn die Antragstellerin ihren Unterhaltsanspruch sofort eingeklagt hätte, wäre es wenig wahrscheinlich, dass sie
bereits jetzt über laufenden Unterhalt verfügen würde. Da ihr Prozesskostenbedarf sofort besteht, ist ihr Prozesskostenhilfe nach Maßgabe der
tatsächlichen Verhältnisse zu gewähren. Bezieht sie in Zukunft laufenden Unterhalt oder wird rechtsmissbräuchliches Verhalten offenkundig, kann
nach § 120 Abs. 4 ZPO vorgegangen werden.