Urteil des OLG Karlsruhe vom 22.01.2014
OLG Karlsruhe: buchhalter, werbung, irreführende angabe, verkehr, irreführung, buchhaltung, steuerberater, buchführung, verbraucher, unterlassen
OLG Karlsruhe Urteil vom 22.1.2014, 6 U 45/13
Zulässigkeit der Verwendung des Briefkopfes "Mobiler Buchhaltungsservice"
Leitsätze
Die Verwendung des Briefkopfes "MoB$ MOBILER BUCHHALTUNGS$ERVICE" durch
Personen, die nur im Rahmen von § 6 Nr. 3 StBerG und § 6 Nr. 4 StBerG zur Hilfeleistung in
Steuersachen befugt sind, ist irreführend, wenn nicht gleichzeitig und unmissverständlich darauf
hingewiesen wird, dass hiermit nur die dort aufgeführten Tätigkeiten gemeint sind. Dem genügt
der bloße Hinweis auf § 6 StBerG nicht.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Teil-Anerkenntnis- und -Endurteil des Landgerichts
Karlsruhe vom 08.03.2013 - Az. 14 O 43/12 KfH III - im Kostenpunkt aufgehoben und in Ziffer 2
wie folgt abgeändert:
a) Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für ihre
Tätigkeit den Briefkopf „MoB$ MOBILER BUCHHALTUNGS$ERVICE i.S. § 6
STBERG“ zu verwenden, ohne in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit
diesen Angaben darauf hinzuweisen, dass damit nur das Buchen laufender
Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechnung und das Fertigen der Lohnsteuer-
Anmeldungen sowie die Durchführung mechanischer Arbeitsgänge bei der Führung
von Büchern und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, nicht
aber das Kontieren von Belegen und das Erteilen von Buchungsanweisungen
gemeint ist.
b) Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein vom Gericht
festzusetzendes Ordnungsgeld von im Einzelfall bis zu 25.000,00 EUR, ersatzweise
von Ordnungshaft von im Einzelfall bis zu sechs Monaten angedroht.
II. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte ist berechtigt, die Vollstreckung der
Klägerin hinsichtlich Ziffer 2a) des Urteils durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines
Betrages in Höhe von 10.000,00 EUR und hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin
vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
1 Die Beklagte, eine Wirtschaftsinformatikerin, fertigte in den Jahren 2007 bis 2009 für
Unternehmen in Karlsruhe Umsatzsteuervoranmeldungen, Jahresabschlüsse und
Jahressteuererklärungen, wobei über den Umfang dieser Tätigkeit Streit besteht. Darüber
hinaus wirkte sie für ein Unternehmen bei einer Betriebsprüfung des Finanzamts
Karlsruhe Stadt mit. Die gegen diese Tätigkeiten gerichteten Unterlassungsanträge hat die
Beklagte während des Prozesses anerkannt und sind nicht mehr Gegenstand des
Berufungsverfahrens.
2 Die Beklagte verwendet den nachfolgend wiedergegebenen Briefkopf:
3
„MOB$
MOBILER BUCHHALTUNGS$ERVICE I.S. § 6 STBERG“
4 Die klagende Steuerberaterkammer sieht hierin ein unter dem Gesichtspunkt der
Irreführung wettbewerbswidriges Verhalten.
5 Die Klägerin hat zuletzt beantragt:
6
Die Beklagte wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 25.000,00 EUR,
ersatzweise von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu
sechs Monaten, verurteilt zu unterlassen, geschäftsmäßig Dritten Hilfe in Steuersachen in
der Form zu leisten, dass
7
1.1 .
sich die Beklagten gegenüber Behörden der Finanzverwaltung als steuerrechtliche
Beraterin der bzw. des ihr vertretener Steuerpflichtiger(n) ausgibt, mit Behörden der
Finanzverwaltung namens und auftrags der bzw. des von ihr vertretener
Steuerpflichtiger(n) korrespondiert und/oder Verhandlungen führt,
8
1.2
Dritten steuerlich gewerbsmäßig Hilfe in Steuersachen in der Form leistet, dass sie für
diese Umsatzsteuervoranmeldungen, Jahresabschlüsse und/oder
Jahressteuererklärungen fertigt,
9
1.3
im geschäftlichen Verkehr für ihre Tätigkeit mit der Bezeichnung „MoBS Mobiler
Buchhaltungsservice i.S. § 6 StBerG“ zu verwenden.
10 Die Beklagte hat die Klageanträge Ziffer 1.1 und 1.2 anerkannt und ist im Übrigen der
Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, dass der Verkehr durch die
Briefkopfgestaltung nicht irregeführt werde.
11 Das Landgericht hat die Beklagte ihrem Teilanerkenntnis gemäß verurteilt und hinsichtlich
des beanstandeten Briefkopfes die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig,
insbesondere sei die Klägerin als Berufskammer nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt.
Wegen des von der Beklagten verwendeten Briefkopfes stehe der Klägerin kein
Unterlassungsanspruch zu. Weder die Verwendung des Begriffes „Buchhaltungsservice“
noch der Zusatz „i.S. § 6 StBerG“ bergten eine relevante Irreführungsgefahr. Die Beklagte
gehöre unstreitig zu dem Personenkreis, dem gemäß § 6 Nr. 3 StBerG die Durchführung
mechanischer Arbeitsgänge bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen, die für die
Besteuerung von Bedeutung seien sowie gemäß § 6 Ziffer 4 StBerG das Buchen
laufender Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechnung und das Fertigen der
Lohnsteuer-Anmeldungen gestattet sei. Gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 StBerG dürften solche
Personen auf ihre Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen hinweisen und sich als
Buchhalter bezeichnen. Seit Inkrafttreten des Achten Gesetzes zur Änderung des
Steuerberatergesetzes am 12.04.2008 (BT-Drucks. 16/7867) hätten die genannten
Personen dabei nicht mehr die von ihnen angebotenen Tätigkeiten im Einzelnen
aufzuführen. Die neue Gesetzesfassung verweise vielmehr allgemein auf das Gesetz
gegen den unlauteren Wettbewerb. Wer sich - wie die Beklagte - gemäß § 8 Abs. 4 StBerG
als „Buchhalter“ bezeichnen dürfe, müsse grundsätzlich auch damit werben dürfen, die
Leistungen bzw. den Service eines Buchhalters zu erbringen und ein Buchhaltungsbüro
oder einen Buchhaltungsservice zu betreiben, solange er keine darüber hinausgehenden
Aussagen treffe, die eine Irreführungsgefahr bergen. Dies entspreche der
Grundentscheidung des Gesetzgebers, den Begriff Buchhalter zu erlauben. Eine
inhaltliche Differenzierung zwischen den Begriffen Buchhalter, Buchhaltung,
Buchhaltungsbüro und Buchhaltungsservice habe der Gesetzgeber erkennbar nicht
gewollt und wäre auch nicht vermittelbar, da sie denselben Wortstamm enthielten. Mit der
Aufgabe des § 8 Abs. 4 Satz 3 StBerG a.F., wonach der Buchhalter die von ihm
angebotenen Tätigkeiten noch im Einzelnen aufzuführen gehabt habe, habe der
Gesetzgeber darüber hinaus zu erkennen gegeben, dass solche Angaben nicht zwingend
seien, um eine Irreführung zu verhindern. Mit der Verwendung des Begriffes
„Buchhaltungsservice“ habe die Beklagte lediglich zum Ausdruck gebracht, dass sie die
Leistungen einer Buchhalterin anbiete und damit keine Leistungen angeboten, die über
das ihr Erlaubte hinausgingen. Eine Irreführungsgefahr ergebe sich auch nicht aus dem
Zusatz „i.S. § 6 StBerG“. Die Beklagte habe damit zutreffend auf die Einschränkungen
hingewiesen, denen sie gesetzlich im Hinblick auf den Umfang der ihr erlaubten Tätigkeit
unterliege. Objektiv zutreffende Angaben könnten dann irreführend sein, wenn ein
beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise damit eine unrichtige Vorstellung
verbinde. Es möge zwar zutreffen, dass den angesprochenen Verkehrskreisen der Inhalt
dieser Vorschrift oft nicht hinreichend geläufig sein werde. Dass die angesprochenen
Verkehrskreise aufgrund des Hinweises auf § 6 StBerG allerdings zu einem maßgeblichen
Teil irrig von einem Tätigkeitsfeld der Beklagten ausgingen, der über das ihr erlaubte Maß
hinausgehe, habe die Klägerin nicht vorgetragen. Vielmehr müsse es der Beklagten
möglich sein, auf zutreffende gesetzliche Vorschriften hinzuweisen.
12 Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist,
mit der Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt. Die
Klägerin macht geltend, es sei auch nach dem Inkrafttreten des 8.
Steuerberatungsänderungsgesetzes die Absicht des Gesetzgebers, das Werberecht von
Buchhaltern nicht völlig freizugeben. Es bleibe weiterhin dabei, dass deren
Tätigkeitsbereich sachlich eingeschränkt sei und sie nur die erlaubten Tätigkeiten
bewerben dürften. Sich als Buchhalter zu bezeichnen, sei diesen Personen erlaubt,
anderes nicht. Verhindert werden solle das Überschreiten der ersten Grenze durch die
konkrete Formulierung der erlaubten Berufsbezeichnung im Text des Gesetzes, die zweite
durch Regelungen im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Der Gesetzgeber habe
für alle in § 6 Nr. 4 StBerG aufgeführten Personen jeweils eine konkrete Bezeichnung
gewählt. Deren Ausweitung über mehrdeutige bzw. mehrdeutbare Be- bzw.
Umschreibungen sei nicht erlaubt. Weshalb der Gesetzgeber mit der konkreten
Tätigkeitsbezeichnung in § 8 Abs. 4 Satz 1 StBerG zugleich jede weitere gemeint haben
solle, die denselben Wortstamm enthalte, sei nicht erkennbar. „Buchhalter“ sei eine
konkrete und allgemein verständliche Berufsbezeichnung, während „Buchhaltungsservice“
eine Dienstleistungsbezeichnung ohne konkreten sachlichen Inhalt und ohne feste
Grenzen bedeute. Solche Grenzen habe der Gesetzgeber in § 6 Nr. 4 StBerG gezogen.
Unter „Service“ sei letztlich nichts Konkretes zu verstehen. Es liege nahe, unter
„Buchhaltungsservice“ Dienste aus dem Bereich der Buchhaltung schlechthin zu
verstehen, jedenfalls nicht nur die sachlich nach § 6 Nr. 4 StBerG eingegrenzten. Auf eine
Ausweitung der vom Gesetzgeber gewollten sachlichen Eingrenzung komme es der
Beklagten an, erkennbar an den Tätigkeiten, die sie verbotenerweise ausgeübt habe. Auf
den nach § 8 Abs. 4 Satz 3 StBerG verbotenen Wettbewerbsverstoß komme es zunächst
nicht an, wenn, wie hier, Unterlassung bereits wegen eines Verstoßes gegen die Grenzen
des § 8 Abs. 4 Satz 1 StBerG verlangt werden könne. Dessen ungeachtet sei das
werbende Verhalten irreführend. Dass das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb das
vom Gesetzgeber gewollte, als solches einem „dynamischen Prozess unterliegende“
Regularium gegen u.a. eine unzulässige Bewerbung der Berufsausübung sei, belege der
tägliche Wandel im Bereich der Berufswerbung. Der interessierte Verbraucher brauche bei
GOOGLE nur den Suchbegriff „Buchhaltungsservice“ einzugeben und finde sofort, was
darunter verstanden werde. Auf den als Anlage BK 1 beigeschlossenen Ausdruck werde
verwiesen. Die Grenze des § 6 Nr. 4 StBerG werde völlig ignoriert. Der Zusatz „§ 6
STBERG“ sei nicht geeignet, die Irreführung zu beseitigen. Der Zusatz kläre den
Verbraucher nicht unmittelbar auf, sondern erfordere einen Blick in das
Steuerberatungsgesetz, das nicht allgemein bekannt sei. Der Verbraucher habe keine
konkrete Vorstellung davon, was er bedeute. Der Hinweis sei so zu verstehen, dass die
Beklagte alle Tätigkeiten bewerben wolle, die vom Verbot des § 5 StBerG ausgenommen
seien, obwohl sie die persönlichen Ausnahmevoraussetzungen nicht erfülle. Während die
Begriffe des Buchhalters und das Führen der Handelsbücher nach § 239 HGB beim
Publikum seit unvordenklichen Zeiten eine feste Bedeutung hätten, sei der
Buchführungsservice ein verbales Produkt aus jüngster Zeit, das der Verwässerung diene
und suggeriere, dass eine umfassende Dienstleistung angeboten werde.
13 Die Klägerin beantragt nach Hinweis des Senats:
14 unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Karlsruhe vom
08.03.2013 - 14 O 43/12 KfH III - die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen, unter
Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes von im Einzelfall bis zu 25.000,00 EUR, ersatzweise von Ordnungshaft
von im Einzelfall bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für ihre
Tätigkeit den Briefkopf „MoB$ MOBILER BUCHHALTUNGS$ERVICE i.S. § 6 STBERG“
zu verwenden, ohne in unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit diesen Angaben
darauf hinzuweisen, dass damit nur das Buchen laufender Geschäftsvorfälle, die
laufende Lohnabrechnung und das Fertigen der Lohnsteuer-Anmeldungen sowie die
Durchführung mechanischer Arbeitsgänge bei der Führung von Büchern und
Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, nicht aber das Kontieren
von Belegen und das Erteilen von Buchungsanweisungen gemeint ist.
15 Die Beklagte beantragt,
16 die Berufung zurückzuweisen.
17 Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des
erstinstanzlichen Vorbringens. Die bloße Verwendung eines Briefkopfs sei nicht geeignet,
die Interessen der Mitglieder der Klägerin oder von Verbrauchern spürbar zu
beeinträchtigen.
18 Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
II.
19 Die zulässige Berufung hat in der Sache mit dem geänderten Antrag Erfolg.
20 1. Wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, ist die Klägerin als
Steuerberaterkammer gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Denn zu ihren Aufgaben
gehört die Wahrung und Förderung der beruflichen Belange ihrer Mitglieder (vgl. BGH,
DStR 2001, 1669).
21 2. Eine Verurteilung zur Unterlassung in dem von der Klägerin beantragten Umfang lässt
sich allerdings nicht mit § 8 Abs. 1 UWG i.V. mit § 3 UWG, § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung
mit § 8 Abs. 1 StBerG begründen. Zwar handelt es sich bei § 8 StBerG, welcher sich mit
der Zulässigkeit von Werbung befasst um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4
Nr. 11 UWG, da ihr eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion
zukommt (vgl. BGH, GRUR 2005, 520, 521 - Optimale Interessenvertretung; BGH, GRUR
2010, 349 Rn. 19 EKW-Steuerberater). Jedoch stellt die Verwendung eines Briefkopfes mit
der Bezeichnung „mobiler Buchhaltungsservice i.S. § 6 StBerG“ keine nach § 8 Abs. 1 und
Abs. 4 StBerG verbotene Werbung dar.
22 a) Gemäß § 8 Abs. 4 StBerG in der seit dem 12.04.2008 gültigen Fassung dürfen die in § 6
Nr. 4 StBerG bezeichneten Personen auf ihre Befugnisse zur Hilfeleistung in
Steuersachen hinweisen und sich als Buchhalter bezeichnen. Gemäß § 6 Nr. 4 StBerG gilt
das Verbot der Hilfeleistung in Steuersachen für andere als die in den §§ 3, 3a und § 4
StBerG bezeichneten Personen und Vereinigungen nicht für das Buchen laufender
Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechnung und das Fertigen der Lohnsteuer-
Anmeldungen, soweit diese Tätigkeiten verantwortlich durch Personen erbracht werden,
die nach Bestehen der Abschlussprüfung in einem kaufmännischen Ausbildungsberuf
oder nach Erwerb einer gleichwertigen Vorbildung mindestens drei Jahre auf dem Gebiet
des Buchhaltungswesens in einem Umfang von 16 Wochenstunden praktisch tätig
gewesen sind. Im Verlauf des Rechtsstreits ist zwischen den Parteien unstreitig geworden,
dass die Beklagte die in § 6 Nr. 4 StBerG genannten persönlichen Voraussetzungen
erfüllt. Sie ist damit - wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat -berechtigt, die in dieser
Bestimmung aufgeführten Tätigkeiten auszuführen, und darf deshalb gemäß § 8 Abs. 4
Satz 1 StBerG auf ihre insoweit gegebene Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen
hinweisen und sich als Buchhalter bezeichnen. Entgegen der Auffassung der Klägerin
ergibt sich hieraus jedoch nicht, dass es der genannten Berufsgruppe verboten ist, für die
Werbung eine andere als die dort genannte Terminologie zu verwenden. Die in § 6 Nr. 4
StBerG genannten Personen sind zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet sich als
Buchhalter zu bezeichnen (vgl. für § 8 Abs. 4 StBerG n.F.: OLG Brandenburg, DStR 2011,
123, 124; vgl. für § 8 Abs. 4 StBerG in der bis zum 11.04.2008 gültigen Fassung: BGH,
GRUR 2008, 815 Rn. 17 -Buchführungsbüro). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut
„dürfen“, aber auch aus dem Regelungsgehalt von § 8 Abs. 4 Satz 3 UWG in der seit
12.04.2008 gültigen Fassung. Die früher geltende Fassung, die die genannten Personen
dazu verpflichtet hat, bei Werbemaßnahmen, die unter den dort genannten
Bezeichnungen erfolgen, die von ihnen angebotenen Tätigkeiten nach § 6 Nrn. 3 und 4
StBerG im Einzelnen aufzuführen (vgl. dazu BGH, GRUR 2008, 815 Rn. 17 f -
Buchführungsbüro), ist durch das Achte Gesetz zur Änderung des Steuerberatergesetzes
geändert worden. Nach der nunmehr geltenden Fassung der Bestimmung haben diese
Personen bei Werbemaßnahmen (ebenfalls nur noch) das Gesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb zu beachten (vgl. BGH, GRUR 2011, 535, Rn. 21 -Lohnsteuerhilfeverein
Preußen). Hätte der Gesetzgeber die Verwendung anderer Bezeichnungen als die des
Buchhalters als Hinweis auf die Hilfeleistung in Steuersachen verbieten wollen, hätte er
dies wie in § 42 Abs. 4 Satz 2 StBerG im Gesetz ausdrücklich vorgesehen. Danach ist es
unzulässig, zum Hinweis auf eine steuerberatende Tätigkeit andere Bezeichnungen als
„Steuerberater“, „Steuerbevollmächtigter“ oder „Steuerberatergesellschaft“ zu verwenden.
23 b) Zu Recht beruft sich die Klägerin nicht auf § 8 Abs. 1 StBerG. Danach darf auf eigene
Dienste oder Dienste zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen hingewiesen
werden, soweit über die Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet wird. § 8 Abs. 1
StBerG findet auf die in § 6 Nr. 4 StBerG genannten Personen keine Anwendung, da
insoweit § 8 Abs. 4 StBerG als lex specialis § 8 Abs. 1 StBerG verdrängt. Dies entspricht
dem Willen des Gesetzgebers. Denn Grund der Änderung des § 8 Abs. 4 Satz 3 StBerG
durch das Achte Gesetz zur Änderung des Steuerberatergesetzes war, dass der
Gesetzgeber kein Bedürfnis für eine Werberegelung für Gewerbetreibende im Berufsrecht
der Steuerberater sah. Auf Grund dessen sollte auf die besonderen Anforderungen
hinsichtlich der Werbung von geprüften Bilanzbuchhaltern und Steuerfachwirten im
Steuerberatungsgesetz verzichtet werden und stattdessen die Maßnahmen nach dem
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb beurteilt werden (Beschlussempfehlung und
Bericht des Finanzausschusses vom 23.01.2008, BT-Drucks. 16/7867 S. 39).
24 3. Der Klägerin steht jedoch gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch gemäß den §
8 Abs. 1 und 3 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG zu. Die Verwendung des Briefkopfes „MOB$
MOBILER BUCHHALTUNGS$ERVICE I.S. § 6 STBERG“ ist eine irreführende
geschäftliche Handlung im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG, denn sie enthält zur
Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale ihrer Dienstleistung.
25 Die uneingeschränkte Verwendung des Begriffs „mobiler Buchhaltungsservice“ erweckt
bei den angesprochenen Verkehrskreisen, bei denen es sich überwiegend um kleinere
Gewerbetreibende handeln wird, den Eindruck, die Beklagte biete die unter dem Begriff
der „Buchhaltung“ zu verstehenden Tätigkeiten an und sei hierzu berechtigt. Sie gehen
aufgrund des Sprachsinns davon aus, dass sie der Klägerin die umfassende Führung ihrer
Bücher übertragen können. Insoweit besteht kein Unterschied zur Verwendung des
Begriffs der Buchhaltung bzw. Buchführung, bei welchen die vorherrschende Auffassung
davon ausgeht, dass diese Begriffe den Eindruck erwecken, dass der Werbende auch
steuerberatenden Berufe vorbehaltenen Tätigkeiten ausübe (vgl. BGH, DStR 2001, 1669,
1670; OLG Brandenburg, DStRE 2011, 123; OLG Jena, GRUR-RR 2009, 149, 151; OLG
Düsseldorf, DStR 2012, 2560 Rn. 23; Bornkamm, in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. § 5
Rn. 4.146). Zur Buchhaltung zählen nämlich nicht nur die nach § 6 Nr. 3 StBerG zulässige
Durchführung mechanischer Arbeitsgänge bei der Führung von Büchern und
Aufzeichnungen und die nach § 6 Nr. 4 StBerG zulässigen Hilfeleistungen in
Steuersachen wie das Buchen laufender Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechnung
und das Fertigen der Lohnsteuer-Anmeldungen. Hierher gehören vielmehr auch die der
Beklagten verbotenen Maßnahmen, die dem Steuerberater vorbehalten sind, wie z. B. das
Kontieren von Belegen und das Erteilen von Buchungsanweisungen (vgl. § 6 Nr. 3
StBerG, 2. Halbs.; vgl. OLG Brandenburg aaO.; OLG Düsseldorf aaO.; Bornkamm aaO.).
26 Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann aus der Zulässigkeit der Verwendung
der Berufsbezeichnung „Buchhalter“ gemäß § 8 Abs. 4 StBerG nicht geschlossen werden,
dem Buchhalter sei auch ein Hinweis auf eine Buchhaltungstätigkeit erlaubt, ohne dass es
eines ergänzenden Hinweises bedarf. Es kann hier dahinstehen, ob - mit dem
Oberlandesgericht Jena (GRUR-RR 2009, 149, 150)- davon auszugehen ist, dass es im
Hinblick auf die in § 8 Abs. 4 StBerG zugelassene Bezeichnung unter
Irreführungsgesichtspunkten unschädlich ist, dass sich aus ihr eine eingeschränkte
Tätigkeitsbefugnis nicht ableiten lässt. Denn dies könnte angesichts der grundsätzlichen
Irreführungseignung lediglich mit der gesetzgeberischen Wertung begründet werden (vgl.
für die Bezeichnung Lohnsteuerhilfeverein: BGH, GRUR 2011, 535 Rn. 20 -
Lohnsteuerhilfeverein Preußen). Davon geht auch das OLG Jena aus, welches die
Werbung mit der Tätigkeit „Buchführung“ ausdrücklich und aus den oben ausgeführten
Gründen ebenso bejaht hat, wie der Senat.
27 Der Senat kann die Eignung der Briefkopfgestaltung zur Irreführung aus eigener
Sachkunde beurteilen, da es insoweit lediglich auf den Sprachsinn ankommt. Denn die
Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass die Gewerbetreibenden, die sie mit ihrer
Werbung angesprochen hat, regelmäßig über besondere Kenntnisse und Erfahrungen
verfügten, die eine von der Werbung ausgehende Irreführungsgefahr ausschließen könnte.
Zur Beurteilung aus eigener Sachkunde ist der Senat um so mehr in der Lage, als zu den
angesprochenen Verkehrskreisen in nicht unerheblichen Umfang Personen gehören, bei
denen keine nähere Sachkunde erwartet werden kann, wie insbesondere
Kleingewerbetreibende und Existenzgründer (vgl. BGH, GRUR 1973, 320 -
Buchhaltungskraft; GRUR 1987, 444 - Laufende Buchführung; DStR 2001, 1669, 1670).
28 Allerdings ist der Hinweis auf eine buchhalterische Tätigkeit den in § 6 Nr. 4 StBerG
genannten Personen nicht schlechthin verwehrt. Vielmehr können sie die Gefahr einer
Irreführung ausräumen, wenn sie gleichzeitig und unmissverständlich darauf hinweisen,
dass hiermit nur die in § 6 Nr. 3 und Nr. 4 StBerG aufgeführten Tätigkeiten gemeint sind
(BGH, GRUR 2008, 815 Rn. 17 - Buchführungsbüro; Bornkamm aaO.). Dem genügt der
bloße Hinweis auf § 6 StBerG nicht (OLG Jena, GRUR-RR 2009, 149, 151; OLG
Brandenburg, DStR 2011, 123, 125). Ein klarstellender Zusatz kann nur dann seinen Sinn
erfüllen, wenn ihn der Verkehr unmittelbar verstehen kann. Das ist aber bei der bloßen
Zitierung eines Paragrafen gerade bei den wenig sachkundigen Kleingewerbetreibenden
nicht der Fall (OLG Jena aaO.). Denn den angesprochenen Verkehrskreisen fehlt die
Kenntnis des Regelungsgehalts des § 6 Nr. 3 und Nr. 4 StBerG (OLG Brandenburg, DStR
2011, 123, 125).
29 Die irreführende Angabe ist auch wettbewerbsrechtlich relevant, weil sie geeignet ist, die
Entscheidung des Publikums bei der Auswahl des Anbieters einer Dienstleistung zu
beeinflussen und schützenswerte Interessen betroffen sind. Wird - wie hier - der Anschein
erweckt, dass ein Buchhalter Tätigkeiten erbringen kann, die nach § 5 StBerG den in § 3
StBerG, § 3a StBerG und 4 StBerG bezeichneten Personen vorbehalten sind, so erreicht
er, dass sich Mandanten oder Kunden für sein Angebot verstärkt interessieren. Die
schutzwürdigen Interessen sowohl der potentiellen Kunden als auch der zur Hilfeleistung
in Steuersachen umfassend berechtigten Personen werden hierdurch betroffen. Dass das
Steuerberatungsgesetz insoweit Angaben enthält, genügt nicht zur Verneinung der
wettbewerbsrechtlichen Relevanz (OLG Jena, GRUR-RR 2009, 149). Der Senat verkennt
nicht, dass die Werbefreiheit verfassungsrechtlich garantiert ist. Deshalb bedarf nicht die
Gestattung der Werbung der Rechtfertigung, sondern deren Einschränkung. Sie ist nur
dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie im Einzelfall durch ausreichende Gründe
des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und im Übrigen dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. BVerfG, WRP 2001, 1284, 1285; GRUR 2003, 965f.;
BGH, GRUR 2011, 535 Rn. 21 - Lohnsteuerhilfeverein Preußen). Dies ist im Hinblick auf
die festgestellte Irreführungsgefahr der Fall. Es darf hier zwar nicht außer Acht gelassen
werden, dass es für andere Berufe - nicht zuletzt für solche, für die wie beispielsweise die
Heilpraktiker eine solche Verpflichtung keineswegs fernläge - keine gesetzlichen
Bestimmungen gibt, die die Berufsangehörigen dazu verpflichten, auf die nach den jeweils
einschlägigen Bestimmungen bestehenden Grenzen ihrer beruflichen Beratungs- und
Behandlungsbefugnisse hinzuweisen (vgl. BGH, GRUR 2011, 535, Rn. 21 -
Lohnsteuerhilfeverein Preußen). Jedoch gilt auch für diese Berufe, dass ihnen Werbung
mit Irreführungstendenz untersagt ist. Außerdem wird der Buchhalter durch die
Verpflichtung, bei der Bewerbung seiner Tätigkeit auf die Grenzen seiner
Leistungsbefugnis hinzuweisen, nicht unverhältnismäßig belastet. Denn dem
Hilfeleistenden, der mit Rücksicht auf das Verbot des § 5 StBerG nur einen Teil seiner
vertraglich übernommenen Tätigkeiten erbringen kann, obliegt wegen der Nichtigkeit des
Vertrages ohnehin die Pflicht, auf die Grenzen seiner Leistungsbefugnis
unmissverständlich hinzuweisen (vgl. BGH, VersR 2008, 1227, 1228 Rn. 13). Zwar hat der
Bundesgerichtshof in der Entscheidung Lohnsteuerhilfeverein Preußen (GRUR 2011, 535)
die Beurteilung der Tatsacheninstanz gebilligt, wonach die Werbung eines
Lohnsteuerhilfevereins in einer Zeitung unter der Rubrik „Steuerberatung - Kompetenz
vom Fachmann“ auch dann nicht irreführend ist, wenn kein Hinweis auf die
Tätigkeitsbeschränkung erfolgt. Dabei hat er jedoch lediglich die Beurteilung der
Vorinstanz nicht beanstandet, die Anzeigen könnten schon deshalb nicht irreführend sein,
weil sie keine weiteren Informationen als die enthielten, die der Beklagte auch an seinem
Türschild anbringen würde (aaO Rn. 18), und sich lediglich mit der Bezeichnung der
Beklagten als Lohnsteuerhilfeverein auseinandergesetzt. Mit dem Umstand, dass die
Werbeanzeigen des Lohnsteuerhilfevereins in der Rubrik „Steuerberatung - Kompetenz
vom Fachmann“ geschaltet wurden, hat er sich dabei offensichtlich nicht
auseinandergesetzt (vgl. Mutschler, DStR 2011, 1395, 1396).
III.
30 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1
ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Ob auch nach der
Änderung des § 8 Abs. 4 Satz 3 StBerG durch das Achte Gesetz zur Änderung des
Steuerberatungsgesetzes daran festzuhalten ist, dass die in § 6 Nr. 4 StBerG
bezeichneten Personen unter Verwendung der Begriffe „Buchführung“ nur dann werben
dürfen, wenn sie im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit diesen Angaben darauf
hinweisen, dass mit diesen Begriffen nur die in § 6 Nr. 4 StBerG aufgeführten Tätigkeiten
gemeint sind (vgl. zum alten Recht: BGH, GRUR 2008, 815 - Buchführungsbüro), ist
höchstrichterlich noch nicht geklärt. Höchstrichterlich ist insbesondere noch nicht geklärt,
ob die Interessenabwägung nach Änderung des § 8 Abs. 4 Satz 3 StBerG zur Bejahung
wettbewerblichen Relevanz führt. Dies bedarf vor allem im Hinblick auf die Entscheidung
des Bundesgerichtshofs Lohnsteuerhilfeverein Preußen (GRUR 2011, 535 Rn. 21) einer
höchstrichterlichen Klärung.