Urteil des OLG Karlsruhe vom 05.06.2008

OLG Karlsruhe (sohn, fahrzeug, unfall, umkehrung der beweislast, eintritt des versicherungsfalls, blutalkoholkonzentration, vvg, allgemeine bedingungen, grobe fahrlässigkeit, verletzung)

OLG Karlsruhe Urteil vom 5.6.2008, 12 U 13/08
Kaskoversicherung: Darlegungs- und Beweislast des Versicherers hinsichtlich der Alkoholisierung und
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort durch einen Repräsentanten des Versicherungsnehmers unter
Berücksichtigung eines Nachtrunks
Leitsätze
Zur Bedeutung des Nachtrunks in der Kaskoversicherung.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 11. Dezember 2007 - 3 O 205/07
- wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Die Klägerin begehrt Leistungen aus einer bei der Beklagten genommenen Fahrzeugversicherung.
2
Die Klägerin unterhielt für den Pkw Marke Opel, .... (im Folgenden: Fahrzeug), bei der Beklagten eine
Fahrzeugversicherung. Ihr lagen Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) zugrunde, die,
soweit hier von Belang, mit den bei Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 17. Auflage abgedruckten
Bedingungen übereinstimmten. § 7 AKB lautete demgemäß auszugsweise wie folgt:
3
§ 7 I (2) Satz 3
Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur
Minderung des Schadens dienlich sein kann.
§ 7 V (4)
Wird eine dieser Obliegenheiten in der Fahrzeug- oder Kraftfahrtunfallversicherung verletzt, so besteht
Leistungsfreiheit nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 VVG.
4
In der Nacht vom 18.08.2006 auf den 19.08.2006 besuchte der Sohn der Klägerin ein Kabinenfest seiner
ehemaligen Fußballmannschaft in L, danach zwischen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr ein Lokal in L und zwischen
0.00 Uhr und 6.00 Uhr mit Freunden den Musikpark in Lu. Er nahm alkoholische Getränke in streitiger Menge
zu sich. Am 19.08.2006 befuhr er mit dem Fahrzeug zwischen 7.45 Uhr und 8.00 Uhr die Kreisstraße von S in
Richtung L. In Höhe des Fahrbahnteilers bei der Einmündung zur Golfanlage kam er nach rechts von der
Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Am Fahrzeug entstand Totalschaden.
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Der Sohn der Klägerin entfernte sich zunächst unter Zurücklassung des beschädigten Fahrzeugs von der
Unfallstelle, ehe er gegen 11.00 Uhr bei der Polizei in S erschien. Eine um 11.56 Uhr entnommene Blutprobe
ergab eine Blutalkoholkonzentration von 0,66 Promille, eine um 12.28 Uhr entnommene zweite Blutprobe eine
Blutalkoholkonzentration von 0,57 Promille.
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Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen, ihr Sohn habe auf dem Kabinenfest keinen Alkohol getrunken. In
der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr habe er drei Doppelkorn á 0,2 cl zu sich genommen. Im Musikpark
habe er lediglich drei kleine Bier á 0,3 l konsumiert. Zum Unfall sei es gekommen, als er in Höhe der durch
zwei Verkehrsinseln stark verengten Einmündung mit dem linken Vorderrad den Bordstein touchiert habe.
Danach habe die Lenkung des Fahrzeugs nicht mehr reagiert, das Fahrzeug sei von der Fahrbahn
abgekommen und frontal auf einen rechts neben der Straße stehenden Baum geprallt. Es handele sich um
einen Vorfall, der sich bei jedem Kraftfahrer unabhängig von Alter und Fahrpraxis auch ohne Alkoholeinfluss
ereignen könne und keine auf Alkoholeinfluss zurückzuführende Fahruntüchtigkeit indiziere. Ein Fremdschaden
ereignen könne und keine auf Alkoholeinfluss zurückzuführende Fahruntüchtigkeit indiziere. Ein Fremdschaden
sei durch den Unfall nicht entstanden. Der Baum, an dem das Fahrzeug zum Stehen gekommen sei, sei kurz
nach dem Unfall zusammen mit weiteren Bäumen gefällt worden. Nach dem Unfall habe der Sohn der Klägerin
einige Schlucke aus einer Wodkaflasche genommen. Hierdurch habe er jedoch ebenso wenig wie durch das
Entfernen vom Unfallort eine Obliegenheitsverletzung gegenüber der Beklagten begangen.
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Die Beklagte hat in erster Instanz vorgetragen, ein technischer Defekt am Fahrzeug habe nicht vorgelegen. Es
sei vielmehr zu dem Unfall mit einem Fremdschaden an vorbezeichnetem Baum in Höhe von 500,00 EUR
gekommen, weil der Sohn der Klägerin zu heftig gegengelenkt und dadurch die Herrschaft über das Fahrzeug
verloren habe. Dies sei eine klassische Fehlreaktion, die nur darauf zurückgeführt werden könne, dass der
Sohn der Klägerin fahruntüchtig gewesen sei; ohne Nachtrunk ergebe sich zum Unfallzeitpunkt im Wege der
Rückrechnung eine Blutalkoholkonzentration von 1,06 Promille. Den Nachtrunk habe der Sohn der Klägerin
wahrheitswidrig behauptet, hilfsweise bewusst zu sich genommen, um die Tatsache seiner Alkoholisierung
zum Unfallzeitpunkt zu verschleiern. Dafür spreche insbesondere, dass er sich vom Unfallort entfernt habe. Da
der Sohn der Klägerin deren Repräsentant gewesen sei, müsse sich die Klägerin sein Verhalten zurechnen
lassen mit der Folge, dass die Beklagte von ihrer Leistungsverpflichtung frei geworden sei.
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Das Landgericht hat - unter Klageabweisung im Übrigen - der Klage in Höhe von 7.288,91 EUR zuzüglich
Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 09.02.2007
stattgegeben. Die Beklagte habe nicht bewiesen, dass der Sohn der Klägerin das Fahrzeug in alkoholbedingt
fahruntüchtigem Zustand geführt habe. Es fehle bereits an einer substantiierten Darlegung einer bestimmten
Blutalkoholkonzentration. Die Beklagte habe zwar eine Blutalkoholkonzentration von 1,06 Promille zum
Unfallzeitpunkt behauptet. Diesen Wert habe sie jedoch durch Rückrechnung der bei der ersten Blutprobe
festgestellten Blutalkoholkonzentration auf den Unfallzeitpunkt gewonnen, ohne den Nachtrunk zu
berücksichtigen. Dieser sei aber nicht widerlegt. Von einer Blutalkoholkonzentration von 1,06 Promille zum
Unfallzeitpunkt könne daher nicht ausgegangen werden. Es könne nicht einmal davon ausgegangen werden,
dass der Sohn der Klägerin bei dem Unfall überhaupt alkoholisiert gewesen sei.
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Der Sohn der Klägerin habe auch keine Aufklärungsobliegenheit verletzt. Da die Beklagte einen relevanten
Fremdschaden nicht nachgewiesen habe, sei der Sohn der Klägerin nicht gehalten gewesen, an der Unfallstelle
zu verbleiben.
10 Auch aus den Angaben des Sohnes der Klägerin zum Nachtrunk, die sich die Beklagte hilfsweise zu eigen
gemacht habe, ergebe sich keine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit. In der Fahrzeugversicherung
verletze der Versicherungsnehmer durch einen Nachtrunk seine Aufklärungsobliegenheit bei fehlendem
Drittschaden nur dann, wenn er den Nachtrunk in der Erwartung eines polizeilichen Einsatzes zu sich nehme,
um den Sachverhalt zu verschleiern, oder die Tatsache des Nachtrunks zu einer solchen Verschleierung
ausnutze. Ausreichende Anhaltspunkte dafür habe die Beklagte jedoch nicht dargetan. Vielmehr sprächen die
Umstände der nachträglichen Alkoholaufnahme - Streit mit der Ex-Freundin, Totalschaden am Fahrzeug,
Offenbarung gegenüber dem Vater - dafür, dass der Sohn der Klägerin wegen seiner emotionalen Belastung
getrunken habe und nicht, um eine Alkoholisierung bei dem Unfall zu verschleiern.
11 Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil zu ändern und die
Klage insgesamt abzuweisen. Die Beklagte trägt vor, dass ein Nachtrunk, der von der Klägerin zu beweisen
gewesen wäre, nicht einmal ansatzweise erwiesen sei. Ohne Nachtrunk sei eine Rückrechnung der
Blutalkoholkonzentration auf das Unfallereignis möglich. Der Wert liege im Bereich der absoluten
Fahruntüchtigkeit. Ein typischer Fahrfehler, der auch einem nüchternen Fahrer unterlaufen wäre, liege nicht vor.
Eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles könne daher durchaus angenommen werden.
12 Des Weiteren finde die Feststellung des Landgerichts, dass der Sohn der Klägerin keinen Nachtrunk zu sich
genommen habe, um eine Alkoholisierung bei der Nutzung des Fahrzeugs zu verschleiern, sondern getrunken
habe, weil er einer emotionalen Belastung durch einen Streit mit seiner Ex-Freundin, den Totalschaden am
Fahrzeug und durch die Offenbarung dieses Schadens gegenüber seinem Vater ausgesetzt gewesen sei, im
Vortrag der Klägerin keine Stütze. Dass der Kläger trotz der Erheblichkeit des Unfalls nicht einmal die
geringste Zeit an seinem Fahrzeug gewartet, sondern sich gleich die (angeblich) im Fahrzeug befindliche
Flasche Wodka geschnappt habe und verschwunden sei, lasse vielmehr eher auf kühle Berechnung schließen.
Zunächst müsse jedoch Beweis über die Behauptung eines Nachtrunks erhoben werden und sodann müsse die
Klägerin zudem noch nachweisen, dass der Nachtrunk nicht zur Verschleierung einer zu erwartenden
Blutentnahme durch die Polizei geschehen sei.
13 Unabhängig davon hätte das Landgericht die Klage jedenfalls schon wegen einer Verletzung der
Aufklärungsobliegenheit durch die Verkehrsunfallflucht abweisen müssen. Eine Verkehrsunfallflucht liege
sowohl objektiv als auch subjektiv tatbestandlich vor. Die Beklagte habe die Entstehung eines Fremdschadens
vorgetragen und unter Beweis gestellt; dass der Baum gänzlich unbeschädigt geblieben sein solle, sei eine
Vermutung und keine gesicherte Erkenntnis.
14 Außerdem habe der Sohn der Klägerin durch den - tatsächlich erfolgten oder aber lediglich behaupteten -
Nachtrunk die Feststellung seiner Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt vereitelt. Auch deshalb hätte wegen
Verletzung der Aufklärungsobliegenheit auf Klageabweisung erkannt werden müssen.
15 Die Klägerin tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.
16 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden
Schriftsätze der Parteien in beiden Instanzen nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der gerichtlichen
Sitzungsprotokolle Bezug genommen. Die Akten Staatsanwaltschaft ... lagen vor und waren Gegenstand der
mündlichen Verhandlung.
II.
17 Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das beruht auf folgenden
Erwägungen:
18 1. Das Landgericht nimmt zutreffend an, dass die Beklagte nicht wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des
Versicherungsfalls von ihrer Leistungspflicht frei geworden ist.
19 Nach § 61 VVG a.F. ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer
den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt. Der Nachweis der Herbeiführung
des objektiven Tatbestandes des Versicherungsfalls, des Verschuldens des Versicherungsnehmers und der
Kausalität zwischen dem Handeln des Versicherungsnehmers und dem Eintritt des Versicherungsfalls obliegt
dabei dem Versicherer (Langheid in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 61 Rdn. 83 mwN). Obschon
Leistungsfreiheit nach § 61 VVG a.F. bei absoluter Fahruntüchtigkeit (Blutalkoholkonzentration von 1,1
Promille und mehr) grundsätzlich zu bejahen ist und bei relativer Fahruntüchtigkeit (Blutalkoholkonzentration
unter 1,1 Promille) zumindest in Frage kommt, wenn weitere Umstände die Alkoholbedingtheit des Unfalls
belegen, kann hiervon im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Denn auch ein alkoholtypischer Unfall
kann den Schluss auf dessen alkoholbedingte grob fahrlässige Verursachung nur rechtfertigen, wenn der
Fahrzeugführer zum Unfallzeitpunkt nachweislich Alkohol getrunken hatte (vgl. OLG Hamm VersR 1993, 90 f.).
An diesem Nachweis, den - weil zum objektiven Tatbestand des § 61 VVG a.F. gehörig - die Beklagte zu
erbringen hat, fehlt es im vorliegenden Fall. Er ist ihr, weil die Klägerin Nachtrunk geltend macht, wobei die
Trinkmenge nur ungefähr bekannt ist, nicht gelungen. Das Landgericht hat daher mit Recht ausgeführt, dass
die von der Beklagten nur unter Ausblendung des geltend gemachten Nachtrunks errechnete
Blutalkoholkonzentration von 1,06 Promille zum Unfallzeitpunkt der Entscheidung nicht zugrunde gelegt,
vielmehr nicht einmal davon ausgegangen werden kann, dass der Sohn der Klägerin bei dem Unfall überhaupt
alkoholisiert gewesen war. Anstrengungen, den von der Klägerin angeführten Nachtrunk zu widerlegen, hat die
Beklagte, abgesehen von bloßem Bestreiten und dem Versuch, die Beweislast insoweit auf die Klägerin zu
verlagern, auch im Berufungsrechtszug nicht unternommen. Eine Umkehrung der Beweislast kommt jedoch
nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1975 - IV ZR 5/74 - VersR 1976, 84 unter 3; Rech
NVersZ 1999, 156, 159).
20 2. Das Landgericht ist des Weiteren zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass Leistungsfreiheit der Beklagten
auch nicht wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nach § 7 I (2) Satz 3, V (4) AKB i.V. mit § 6 Abs. 3
VVG a.F. eingetreten ist.
21 a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1999 - IV ZR 71/99 -
VersR 2000, 222 unter II 1 mwN) stellt das bloße Verlassen der Unfallstelle nur dann eine Verletzung der
Aufklärungsobliegenheit dar, wenn dadurch der objektive und subjektive Tatbestand des § 142 StGB erfüllt
wird. Bei fehlendem Verstoß gegen die Strafrechtsnorm ist eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nicht
gegeben (BGH aaO unter II 2). Den Verstoß gegen den objektiven und subjektiven Tatbestand der
Strafvorschrift darzulegen und zu beweisen - insbesondere auch die Kenntnis des Versicherungsnehmers oder
seines Repräsentanten von dem Entstehen eines nicht nur ganz unerheblichen Schadens an fremden
Rechtsgütern -, obliegt dabei dem Versicherer (OLG Saarbrücken zfs 2001, 69, 70; OLG Hamm aaO;
Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl § 7 AKB Rdn. 19; der von Knappmann (aaO) als (mögliche)
Gegenansicht angeführten Entscheidung des OLG Oldenburg VersR 1995, 952 f. ist der Bundesgerichtshof
bereits im Urteil vom 13. Dezember 2006 - IV ZR 252/05 - VersR 2007, 389 unter II 1 entgegengetreten.).
22 Diesen Beweis hat die Beklagte nicht geführt. Der von der Beklagten durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellte Vortrag, Schäden wie beim Unfall am Fahrzeug der
Klägerin eingetreten gingen notwendig einher mit einer Beschädigung des Baumes, und allein ein
Wundverschlussmittel und die Arbeitsstunde eines Arbeiters hätten weit mehr als 100,00 EUR gekostet,
vorsichtig geschätzt werde sich der Schaden auf mindestens 500,00 EUR belaufen haben, kann die
Rechtsverteidigung nicht stützen. Damit lässt sich nämlich nicht belegen, dass sich der Sohn der Klägerin
eines Fremdschadens bewusst war, als er die Unfallstelle verließ. Auf den in den Ermittlungsakten
vorhandenen Lichtbildkopien ist eine Beschädigung des Baumes nicht erkennbar. In der in derselben Akte
enthaltenen Sachverhaltsschilderung des Polizeikommissars K vom 19.08.2006 ist nur von einem
Sachschaden am Fahrzeug, nicht aber von einem sonstigen Schaden die Rede. Die Staatsanwaltschaft und
die Kreisverwaltung stellten einen (nennenswerten) Fremdschaden ebenfalls nicht fest. Weiteres ist für eine
Kenntnis des Sohnes der Klägerin von einer etwaigen (nennenswerten) Beschädigung des Baumes zu dem
Zeitpunkt, zu dem er sich vom Unfallort entfernte, von der Beklagten weder vorgetragen noch unter Beweis
gestellt worden.
23 b) Auch aus den Angaben (des Sohnes) der Klägerin zum Nachtrunk, die sich die Beklagte hilfsweise zu eigen
gemacht hat, ergibt sich mit dem Landgericht keine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit.
24 Gemäß § 7 I (2) Satz 3 AKB ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des
Tatbestandes dienlich sein kann. Diese Obliegenheit umfasst auch das Unterlassen von Handlungen, welche
die Verschleierung des Sachverhalts oder der Begleitumstände bezwecken (OLG Nürnberg VersR 2001, 711;
vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 1967 - II ZR 17/65 - VersR 1967, 593 unter 4).
25 Zur Verschleierung des Sachverhalts ist es grundsätzlich geeignet, wenn der Fahrer des versicherten
Fahrzeugs nach dem Unfall Alkohol zu sich nimmt, weil dadurch die Feststellung der (möglichen)
Leistungsfreiheit des Versicherers gemäß § 61 VVG a.F. erheblich erschwert wird in Beziehung auf die Frage,
ob der Versicherungsfall durch Alkoholeinfluss und damit möglicherweise grob fahrlässig verursacht wurde (vgl.
OLG Nürnberg aaO). Das bedeutet allerdings nicht, dass sich der Fahrer stets für eine polizeilich angeordnete,
nicht durch Nachtrunk verfälschte Blutprobe bereithalten müsste (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1975
aaO unter 1 a). In der Fahrzeugversicherung besteht eine entsprechende Obliegenheit vielmehr nur bei
ausdrücklicher Vereinbarung mit dem Versicherer sowie in denjenigen Fällen, in denen ein Dritter als
(möglicher) Mitverursacher an dem Unfall beteiligt oder durch ihn geschädigt ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.
November 1975 aaO). Da von letzterem nicht ausgegangen werden kann und eine ausdrückliche
Vertragsbestimmung, sich für eine Blutprobe bereitzuhalten, fehlt, wurde die Aufklärungsobliegenheit nicht
dadurch verletzt, dass der Sohn der Klägerin nach dem Unfall Alkohol zu sich nahm.
26 Etwas anderes würde gelten, wenn der Sohn der Klägerin den Nachtrunk in der Erwartung eines polizeilichen
Einsatzes zu sich genommen hätte, um den Sachverhalt zu verschleiern, oder die Tatsache des Nachtrunks
zu einer solchen Verschleierung ausgenutzt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1975 aaO unter 1 b;
OLG Nürnberg aaO; zfs 1987, 118; OLG Köln VersR 1997, 1222, 1223; 1987, 777; OLG Frankfurt/M. r+s 1994,
367, 368; OLG Hamm NJW-RR 1992, 165; Knappmann aaO Rdn. 24; Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung
17. Aufl. § 7 AKB Rdn. 66; Jacobsen in Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung 2. Aufl. § 7 AKB Rdn.
62; Bauer, Die Kraftfahrtversicherung 5. Aufl. Rdn. 604). Auch davon kann indes nicht ausgegangen werden.
Dabei kann der Senat offen lassen, ob auch insoweit dem Landgericht zu folgen ist, das nach Auswertung der
Angaben des Sohnes der Klägerin gegenüber der Polizei im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft ... zu
der Überzeugung gelangt ist, dass die Umstände des Nachtrunks dafür sprächen, der Sohn der Klägerin habe
wegen seiner emotionalen Belastung und nicht in Verschleierungsabsicht getrunken. Denn der Vortrag der
Beklagten, der eine planmäßige Sachverhaltsverschleierung durch den Sohn der Klägerin zum Gegenstand hat,
ist beweislos geblieben, obschon mit Verfügung des Senats vom 19.02.2008 darauf hingewiesen wurde, dass
insoweit die Beklagte als Versicherer die Beweislast zu tragen hat (vgl. OLG Hamm, VersR 1981, 924; OLG
Nürnberg VersR 2001, 711 f.; Knappmann aaO).
27 Die Entscheidung des OLG Köln (VersR 1993, 45 f.) steht dem nicht entgegen. Sie betrifft einen anderen, mit
dem vorliegenden nicht vergleichbaren Sachverhalt. Danach ist es Sache des Versicherungsnehmers
darzulegen und zu beweisen, dass ein Nachtrunk in seiner Wohnung nicht dazu bestimmt war, eine
Blutalkoholbestimmung zur Unfallzeit aufgrund einer nach den Umständen des Falles zu erwartenden
Entnahme einer Blutprobe durch die Polizei zu vereiteln, nachdem ein Unfall mit Schäden an fremden
Rechtsgütern - damals in Höhe von insgesamt 1.200,00 DM - vorausgegangen war und sich der
Versicherungsnehmer „entschuldigt“ (i.S. des § 142 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 StGB) vom Unfallort entfernt hatte. Hier
kann jedoch, wie dargelegt, von einem (nennenswerten) Schaden an fremden Rechtsgütern nicht ausgegangen
werden. Außerdem hat der Sohn der Klägerin den Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort
auch nicht in der nach § 142 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 StGB unter Strafe gestellten Begehungsart verwirklicht.
III.
28 Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1
ZPO bestehen nicht.