Urteil des OLG Karlsruhe vom 25.10.2006

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OLG Karlsruhe Urteil vom 25.10.2006, 7 U 11/06
Zwei-Personen-OHG: Auslegung einer für den Fall der Kündigung geltenden Fortsetzungs- und
Übernahmeklausel; Kündigungsrecht des verbleibenden Gesellschafters
Leitsätze
1. Eine Fortsetzungs- oder Übernahmeklausel ist in der Regel dahin auszulegen ist, dass dem verbleibenden
Gesellschafter einer Zwei-Personen-Gesellschaft ein Übernahmerecht zusteht, er aber nicht verpflichtet ist, das
Unternehmen fortzuführen. Die gilt auch im Falle einer außerordentlichen Kündigung.
2. Ein Gesellschafter ist nicht durch die frühere (ordentliche) Kündigung des anderen Gesellschafters gehindert,
seinerseits die Gesellschaft ordentlich zu kündigen. In diesem Fall ist die Gesellschaft nach Ablauf der
Kündigungsfrist auseinanderzusetzen.
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Teilurteil des Landgerichts Heidelberg vom 16.12.2005 -11 O 40/03 KfH
- im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110
% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Die Parteien gründeten am 02.07.1996 die Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter dem Namen GP B. GdbR
(im folgenden: GP). Nachdem der Kläger den Gesellschaftsvertrag zunächst am 29.07.2001 zum Jahresende
2002 und der Beklagte seinerseits im Dezember 2001 ebenfalls ordentlich zum Ende des Jahres 2002
gekündigt hatten, kündigte der Kläger den Gesellschaftsvertrag am 14.03.2002 aus wichtigem Grund mit
sofortiger Wirkung. § 10 des Gesellschaftsvertrages enthält eine sogenannte Fortsetzungsklausel, der zufolge
der verbleibende Gesellschafter die Gesellschaft fortführt und die Aktiva und Passiva der Gesellschaft
übernimmt. Dem ausscheidenden Gesellschafter steht gem. § 11 des Gesellschaftsvertrages ein
Abfindungsanspruch zu, der sich nach einer Kombination von Ertragswert - und Substanzwertmethode
berechnet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag (Anl. I K1) verwiesen. Der Kläger wirft
dem Beklagten schwerwiegende Verstöße gegen § 5 des Gesellschaftsvertrages, Unterschriftsfälschung sowie
unberechtigte Privatentnahmen zu Lasten der Gesellschaft im Jahr 2000 von ca. 79.000,00 EUR und vom
01.01.2001 bis 15.03.2002 von ca. 89.300,00 EUR vor.
2
Der Kläger hat im Wege der Stufenklage die Verurteilung des Beklagten zur Erstellung einer Abfindungsbilanz
zum Stichtag 15.03.2002 gem. § 11 des Gesellschaftsvertrages begehrt, die Feststellung, dass das
Abfindungsguthaben nach der in § 11 geregelten Ermittlungsmethode zu berechnen und dabei der Gewinn des
Jahres 2000 um 79.056,44 EUR höher anzusetzen ist als in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung der
Gesellschaft des Jahres 2000 ausgewiesen, Feststellung, dass in das nach dieser Berechnungsmethode
ermittelte Abfindungsguthaben ein weiterer Betrag vom 87.220,31 EUR einzustellen ist, und den Kläger zu
verurteilen zu erklären, dass die so aufgestellte Auseinandersetzungsbilanz als festgestellt gelten solle. In der
zweiten Stufe hat er die Zahlung des sich aus dem in der Stufe 1 ermittelten Betrag in zehn Raten nebst
Zinsen gemäß dem Gesellschaftsvertrag begehrt. Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des Sach- und
Streitstands und der getroffenen Feststellungen im ersten Rechtszug verwiesen wird, hat mit Teilurteil vom
16.12.2005 über die erste Stufe der Stufenklage entschieden. Es hat den Beklagten zur Aufstellung einer
„Auseinandersetzungsbilanz“ zum Stichtag 15.03.2002 gem. § 11 des Gesellschaftsvertrages verpflichtet und
festgestellt, dass das Abfindungsguthaben gemäß dieser Bilanz nach den im einzelnen im Vertrag
ausgeführten Rechenschritten zu ermitteln sei, wobei der Gewinn des Jahres 2000 um 33.276,05 EUR höher
anzusetzen sei als in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung der Gesellschaft des Jahres 2000 ausgewiesen.
Weiterhin hat es festgestellt, dass in das so ermittelte Abfindungsguthaben ein Betrag vom 27.645,91 EUR
einzustellen ist. Schließlich hat es den Beklagten verurteilt zu erklären, dass die nach dem Urteilsausspruch
auszustellende Auseinandersetzungsbilanz als festgestellt gelten solle.
3
Dagegen wendet sich die Berufung des Beklagten, der unter Wiederholung und Vertiefung seines Vortrags
weiterhin Klagabweisung begehrt. Er vertritt insbesondere die Auffassung, § 11 des Gesellschaftsvertrages sei
hier nicht anzuwenden, da unabhängig von des weiteren Schicksals der Gesellschaft eine Abfindung
ausschließlich nach dem Geschäftserfolg der Vergangenheit bemessen werde. Dies werde der Situation nach
bereits beidseits gekündigter Gesellschaft nicht gerecht. Jedenfalls wäre die Klausel an die jetzigen
Verhältnisse anzupassen.
4
Der Kläger beantragt,
5
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und begehrt mit seiner Anschlussberufung, die Abänderung des
Urteilsausspruchs Ziff. 3 dahingehend, dass die einzustellende Summe 30.664,99 EUR betrage.
6
Der Beklagte beantragt
7
die Zurückweisung der Anschlussberufung.
8
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im Berufungsrechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
A.
9
Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.
10 Auf entsprechenden Antrag des Beklagten hat der Senat die Klage insgesamt abgewiesen, also den durch das
zulässige Teilurteil nicht entschiedenen Teil des erstinstanzlichen Rechtsstreits über den in der zweiten Stufe
geltend gemachten Zahlungsantrag „hochgezogen“, um durch einheitliches Endurteil über den
Leistungsanspruch mit zu entscheiden (vgl. nur Zöller/Greger, 25. Auflage, § 254 RN 14 mit zahlreichen
Nachweisen).
11 1. Dem Kläger steht kein Anspruch auf ein Abfindungsguthaben nach § 11 des Gesellschaftsvertrages vom
01.07.1996 zu. Dementsprechend bestehen auch die geltend gemachten vorbereitenden Ansprüche nicht. So
hat der Kläger keinen Anspruch auf Erstellung einer entsprechenden Abschichtungs- oder Abfindungsbilanz,
der im Urteilsausspruch Nr. 1 zuerkannt ist. Ein etwaiger Zahlungsanspruch des Klägers berechnet sich nicht
in der in § 11 des Gesellschaftsvertrages vorgesehenen Art und Weise, so dass die Feststellung im
Urteilsausspruch Nr. 2 des Landgerichts entfällt und auch eine „Einstellung“ eines weiteren Betrages in das
nach diesen Ziffern zu ermittelnde Abfindungsguthaben (Urteilsausspruch Nr. 3) gegenstandslos wird.
12 a) Bei der GP handelt es sich entgegen der Bezeichnung als GdbR um eine OHG. Mit dem Vertrag vom
01.07.1996 gründeten die Parteien die Gesellschaft GP B. GdbR mit Haftungsbeschränkung, deren
Gegenstand individuelles Psychologisches Training, Gestaltung von Trainingssystemen für Unternehmen,
Beratung der Unternehmensgeschäftsleitung sowie Beratung international arbeitender Unternehmen mit
multikultureller Mitarbeiter- und Trägerschaften sein sollte. Selbst wenn davon ausgegangen werden könnte,
das die Gesellschaft im Zeitpunkt ihrer Gründung eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts war, so hat diese sich
jedenfalls im Laufe des Geschäftsbetrieb kraft Gesetzes in eine OHG umgewandelt. Dies setzt keine
besondere Vereinbarung der Gesellschafter voraus, da die Gesellschaft bürgerlichen Rechts automatisch zur
OHG wird, wenn sie ein Handelsgewerbe beginnt. Angesichts der unstreitig zwischen den Parteien erzielten
Umsätze zumindest in den Jahren 1998 bis 2001 ist von einem betriebenen Handelsgewerbe auszugehen.
13 Unternehmensberater sind ähnlich wie Werbeberater oder Systemanalytiker nicht zu den freien Berufen zu
rechnen, die nach ihrem historisch gewachsenen Berufsbild und der Verkehrsanschauung kein Gewerbe
begründen (vgl. nur Baumbach/Hopt, 23. Auflage, § 1 RN 19). Sie bieten vielmehr außerhalb eines klassischen
freien Berufs Dienstleistungen an, die typischerweise unternehmerisch geprägt sind und deshalb, auch wenn
Psychologen in ihrer Behandlungspraxis zu den freien Berufen zu rechnen wären, nicht in diesem Kernbereich
des freien Berufs tätig werden. Daran ändert auch nichts, dass die Gesellschaft offensichtlich nach
entsprechender Erklärung steuerlich nicht als Gewerbe eingeordnet wurde. Letztendlich kommt es aber für die
Entscheidung auf diese Einordnung nicht an, da sie an der Beurteilung der vertraglichen Regelungen betreffend
die Kündigung und Abfindung nichts ändert.
14 b) Die Kündigung des Klägers vom 14.03.2002 ist wirksam. Der Gesellschaftsvertrag vom 01.07.1996 sieht
ausdrücklich die ordentliche Kündigung durch einen Gesellschafter in § 9 des Vertrages vor, § 131 Abs. 3 Nr. 3
HGB. Von dieser Kündigungsmöglichkeit haben hier beide Parteien im Jahr 2001 Gebrauch gemacht. Eine
Kündigung aus wichtigem Grund ist nicht ausdrücklich vorgesehen, aber in jedem Fall zulässig. Da § 10 des
Gesellschaftsvertrages die Folgen von Kündigung und Ausscheiden eines Gesellschafters ohne Einschränkung
regelt, ist davon auszugehen, dass sich auch die Folgen einer Kündigung aus wichtigem Grund, die der Kläger
am 14.03.2002 erklärt hat, nach § 10 des Gesellschaftsvertrages richten. An der Wirksamkeit der Kündigung
hat der Senat wie das Landgericht, auf dessen Begründung insoweit Bezug genommen wird, keine Zweifel. Das
wird auch von der Berufung nicht angegriffen.
15 c) § 10 enthält eine so genannte Fortsetzungsklausel, wie sie in OHG-Gesellschaftsverträgen gerade vor der
Neufassung des § 131 HGB und im Hinblick auf § 736 BGB bei Gesellschaften bürgerlichen Rechts häufig
vorgesehen wurde. Mit dieser Klausel wird im Sinne der Erhaltung des Unternehmens vermieden, dass die
Kündigung eines Gesellschafters oder ein Ausscheiden aus sonstigen Gründen zur Auflösung der Gesellschaft
und damit zum Ende des Unternehmens führt, wie es ursprünglich nicht nur in § 736 BGB als gesetzliche
Folge vorgesehen war, sondern auch bis zum 30.06.1998 in § 131 HGB a. F. für die OHG. Hier ist in § 10 des
Vertrags festgelegt, dass die Gesellschaft bei Kündigung eines Gesellschafters unter den übrigen
Gesellschaftern fortgesetzt bzw. vom verbleibenden Gesellschafter ohne Liquidation übernommen wird. Diese
Regelung hat - ebenso wie der auf die OHG gemäß Artikel 41 EGHGB auch für eine Altgesellschaft wie hier
mangels Option für das alte Recht anzuwendende § 131 Abs. 3 HGB n. F. - zur Folge, dass bei einer Zwei-
Personen-Gesellschaft die Gesellschaft erlischt und ihr Vermögen einschließlich der Verbindlichkeiten dem
„verbleibenden Gesellschafter“ anfällt. Dies folgt zwangsläufig daraus, dass jedenfalls bisher eine „Ein-Mann-
Personengesellschaft“ nicht anerkannt ist (vgl. zur BGB-Gesellschaft Münchener Kommentar/Ulmer, 4. Auflage
§ 730 RN 81; Staudinger/Habermeier, 13. Bearbeitung, vor §§ 705 ff RN 29; für die OHG Münchener
Kommentar/Schmidt, HGB, 2. Auflage, § 131 RN 7; Baumbach/Hopt, a. a. O., § 131 RN 81).
16 Der Wortlaut der Regelung im Gesellschaftsvertrag spricht für einen Automatismus der Fortführung des
Unternehmens durch den verbleibenden Gesellschafter. Allerdings ist bei einer Auslegung gem. §§ 133, 157
BGB nicht nur auf den Wortlaut der Erklärung abzustellen, sondern eine interessengerechte Auslegung nach
Sinn und Zweck der Vereinbarung vorzunehmen. Diese Auslegung ergibt hier, dass, wie in Rechtsprechung und
Literatur überwiegend anerkannt, die Fortsetzungs- oder Übernahmeklausel dahin auszulegen ist, dass dem
verbleibenden Gesellschafter einer Zwei-Personen-Gesellschaft ein Übernahmerecht zusteht, er also nicht
gegen seinen Willen gezwungen werden kann, das Unternehmen fortzuführen (vgl. dazu nur BGH, Urteil vom
21.01.1957 - II ZR147/56 - LM § 138 HGB Nr. 2; Baumbach/Hopt a. a. O. § 131 RN 81; Staudinger/Habermeier,
13. Bearbeitung, § 736 RN 14; Münchener Kommentar/Ulmer a. a. O. § 730 RN 77, § 736 RN 18 ff m. w. N.).
Auch wenn die Frage häufig in Fällen von Bedeutung ist, in denen eine zunächst mehrgliedrige Gesellschaft zu
einer Zwei-Personen-Gesellschaft geschrumpft ist, ist diese Auslegung hier ebenfalls interessengerecht.
Insbesondere im Hinblick auf den mit der Kündigung grundsätzlich entstehenden Abfindungsanspruch, der
maßgeblich vom Ertragswert der Gesellschaft bestimmt wird und der in der Regel bei Gesellschaften, in denen
der Umsatz und Gewinn größtenteils durch die Gesellschafter und deren persönliche Tätigkeit geprägt wird,
höher ist als der Substanzwert, könnte sonst der Kündigende durch taktisches Zurückhalten der Kündigung bis
zum letzten Moment den anderen Gesellschafter zur Übernahme und gegebenenfalls zur Zahlung einer sehr
hohen Abfindung zwingen, obwohl abzusehen ist, dass die Gesellschaft nicht mehr die Gewinne erbringen
kann, die bisher erzielt wurden. Dementsprechend ist es trotz der Formulierung dem verbleibenden
Gesellschafter hier freigestellt, die Gesellschaft fortzuführen oder aber sein Übernahmerecht nicht auszuüben
und dann die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Ausscheidens des anderen Gesellschafters
auseinanderzusetzen. Aus dem Zusammenhang der Regelungen in den §§ 10 und 11 des Vertrages ergibt
sich, dass der Abfindungsanspruch nur dann entsteht, wenn der Kündigende aus der Gesellschaft ausscheidet
und der verbleibende Gesellschafter das Unternehmen fortführt, denn auf diese Situation ist sowohl die
Fortsetzungsklausel in § 10 als auch die Abfindungsregelung in § 11 „bei Ausscheiden nach § 10 “ausgerichtet.
17 d) Selbst wenn die Fortsetzungsklausel anders ausgelegt würde, sodass grundsätzlich die Gesellschaft vom
verbliebenen Gesellschafter fortzuführen wäre und dementsprechend § 11 regelmäßig zur Anwendung käme,
ist dies hier aufgrund der besonderen Umstände nicht der Fall.
18 § 11 des Gesellschaftsvertrages geht davon aus, dass der Mitgesellschafter die Gesellschaft weiterführt und
dementsprechend vom Ertragswert des Unternehmens weiter profitiert. Dementsprechend bestimmt dieser
Wert den Abfindungsanspruch - im Hinblick auf die Unternehmensbewertung durchaus im Rahmen des üblichen
- und weicht von einer Auseinandersetzung und den dabei anzusetzenden Werten erheblich ab. Bedenken
gegen die Wirksamkeit dieser Berechnungsart hat der Senat im Gegensatz zum Beklagten nicht. Die
Ertragswertmethode (selbst ohne Berücksichtigung des Substanzwertes) ist eine übliche Bewertungsmethode.
Durch die Annahme eines dreijährigen Berechnungszeitraums sind auch in gewissem Umfang zufällige
Gewinnsprünge des Unternehmens abgemildert. Anhaltspunkte dafür, dass diese Regelung gegen § 138 BGB
verstoßen könnte, sind daher nicht ersichtlich. Dass die Bewertung eines Unternehmens aus den Zahlen der
Vergangenheit hergeleitet werden muss, die im übrigen auch für die Prognose herangezogen werden, ist
selbstverständlich und auch sachgerecht für die Berechnung des Abfindungsanspruchs, der die Leistung des
ausscheidenden Gesellschafters beim Aufbau und der Führung des Unternehmens ausgleichen soll.
19 Allerdings ergibt die ergänzende Vertragsauslegung nach § 157 BGB, dass § 11 des Gesellschaftsvertrages
hier nach der Kündigung der Gesellschaft von beiden Gesellschaftern mit der Folge einer feststehenden
Einstellung des Geschäftsbetriebs nur ca. 9 Monate nach der außerordentlichen Kündigung, nicht anzuwenden
ist. § 11 des Gesellschaftsvertrages geht ersichtlich davon aus, dass der Abfindungsanspruch dann gewährt
wird, wenn ein Gesellschafter nach § 10 ausscheidet und der andere Gesellschafter die Gesellschaft fortführt.
Nicht geregelt ist dagegen in § 11 die Konstellation, dass beide Gesellschafter die Gesellschaft kündigen. Dies
ist ohne weiteres möglich, wie es im Jahre 2001 geschehen ist. Ein Gesellschafter ist nicht durch die frühere
(ordentliche) Kündigung des anderen Gesellschafters gehindert, seinerseits die Gesellschaft ordentlich zu
kündigen. In diesem Fall ist die Gesellschaft nach Ablauf der Kündigungsfrist auseinanderzusetzen. Raum für
einen Abfindungsanspruch gem. § 10 des Gesellschaftsvertrages besteht nicht.
20 Auch die jetzt zwischen den Parteien entstandene Situation ist in § 11 des Vertrages nicht geregelt. Durch die
beiderseitige Kündigung der Gesellschaft hätte diese lediglich noch bis zum 31.12.2002 bestanden.
Dementsprechend ist auch das Verhalten des Beklagten zu verstehen, der zunächst nach beiderseitiger
Kündigung Anfang des Jahres 2002 bemüht war, bis zum 31.12.2002 die Gesellschaft möglichst
gewinnbringend fortzuführen. Daraus kann der Kläger nicht herleiten, dass der Beklagte auch die vom Kläger
dann zum 15.03.2002 gekündigte Gesellschaft allein fortführen wollte. Steht demnach fest, dass die
Gesellschaft zum 31.12.2002 liquidiert werden sollte, so greift zumindest im Wege der ergänzenden Auslegung
§ 10 des Gesellschaftsvertrages nicht ein. Wird das Unternehmen nicht nachhaltig fortgeführt, so ist eine
interessengerechte Regelung zur Auseinandersetzung der Gesellschafter zu finden, die hier darin besteht, die
Auseinandersetzung nicht zum 31.12.2002 durchzuführen, sondern aufgrund der wirksamen außerordentlichen
Kündigung des Klägers bereits zum 15.03.2002. Damit ist einerseits dem Interesse des Klägers, aufgrund der
erheblichen Pflichtverletzungen des Beklagten sofort aus der Gesellschaft auszuscheiden und nicht bis Ende
des Jahres mit diesem zusammenarbeiten zu müssen, Rechnung getragen. Andererseits ist dem Interesse
des Beklagten Genüge getan, nicht einen erheblichen Abfindungsbetrag zahlen zu müssen, wenn das
Unternehmen den Abfindungsbetrag, der nach beiderseitigen Berechnungen erheblich über dem
Auseinandersetzungsguthaben der Parteien läge, nicht erwirtschaften kann.
21 Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht eine einverständliche Auseinandersetzung der Gesellschaft
bereits vor der außerordentlichen Kündigung des Klägers nicht festzustellen vermochte (vgl. S. 30-33 des
Urteils). Eine solche Liquidation der Gesellschaft in diesem Zeitpunkt war nicht erforderlich, weil eine
Fortsetzung über den Dezember 2002 nicht geplant war und erst bei der Beendigung der Gesellschaft eine
Auseinandersetzung stattzufinden hatte. Jedenfalls überließen die Parteien - ohne dass es darauf ankäme, ob
dies gegen den Willen des Beklagten oder aber mit dessen Zustimmung geschah - wesentliche Kunden, die
dieser selbst aquiriert hatte, dem Zeugen B. . Zwar mag es keine rechtliche Handhabung gegeben haben, dem
Zeugen B. , wenn er als freier Mitarbeiter für die GP ausschied, diese Kundenbetreuung zu verwehren, da ein
Wettbewerbsverbot nicht vereinbart war, jedoch verzichtete die Gesellschaft freiwillig auf erhebliche Umsätze
mit diesen Kunden. Immerhin hat der Zeuge B. angegeben, im Jahre 2002 damit einen Umsatz von 190.000,00
EUR erzielt zu haben. Auch die Abgabe des Kunden A. an den Zeugen R. durch den Beklagten spricht dafür,
dass er das Unternehmen nicht wie bisher fortführen wollte.
22 e) Darüber hinaus hat der Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers sein Übernahmerecht nicht
wahrgenommen. Ganz offensichtlich waren beide Parteien nach der Kündigung des Beklagten vom 14.03.2002
weiterhin auf dem Gebiet des Personalführungstrainings tätig, wenn auch der Kläger wohl - nicht zuletzt
gesundheitlich bedingt - in geringerem Umfang. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, gegen das damit
verstoßen werden könnte, besteht nicht. Eine Fortführung des Unternehmens durch den Beklagten lässt sich
trotz dessen Tätigkeit im gleichen Bereich nicht feststellen.
23 Auch die Feststellungen des Landgerichts auf Seite 31 des Urteils rechtfertigen nicht die Annahme der
Fortführung der Gesellschaft durch den Beklagten. So spricht die Bezeichnung „R. G. , Diplom-Psychologe, GF
(wohl GP), Beratergruppe Internationale Gesellschaft für Management Entwicklung“ nicht wie das Landgericht
meint, für eine Fortführung der Gesellschaft und ein Auftreten nach außen. Die GP hieß GP B. GdbR, während
wohl die vom Beklagten teilweise auch nach Auflösung der Gesellschaft verwandte Bezeichnung in der
Beratergruppe aus verschiedenen Gesellschaften allgemein verwendet wurde. Näheres dazu ist weder
vorgetragen noch ersichtlich. Dass der Beklagte diese Firma möglicherweise aus wettbewerbsrechtlichen oder
firmensrechtlichen Gründen nicht mehr verwenden darf, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Ob eine
Gesellschaft dieses Namens in der Gruppe überhaupt bestand, ist nicht vorgetragen. Nicht bestritten ist auch,
dass im Jahre 2003 bei der I. die Zeugen R. , B. und der Kläger als Referenten aufgetreten sind, während der
Beklagte dies nicht tat. Unwidersprochen hat der Beklagte auch vorgetragen, die Firmenliste der Gemeinde E.
sei ohne sein Zutun weitergeführt worden. Schließlich ist die Ankündigung einer „GP-
Kooperationsveranstaltung“ mit „erfahrenen Trainern der GP-Beratergruppe“ nicht als Fortführung gerade des
Unternehmens der GP zu sehen. Sonst könnte auch aus der Verwendung der in der GP entwickelten „Tools“
für Seminare durch den Kläger und den Zeugen R. geschlossen werden, dass von diesem das Unternehmen
fortgeführt wird. Beide Parteien sind naturgemäß weiterhin im gleichen Gebiet tätig und verwenden
dementsprechend von ihnen entwickelte oder aber ähnliche Konzepte bei der Unternehmensberatung, was
schlichtweg auf die Tätigkeit in dem Marktsegment zurückzuführen ist. Ähnlich wie bei Freiberuflern, z.B.
Rechtsanwälten, sind sie teilweise für Kunden der früheren GP tätig und halten im Prinzip die gleichen
Veranstaltungen, wie sie das früher unter der Firma GP B. getan haben. Ob diese „Mitnahme“ von Kunden und
gegebenenfalls in welchem Umfang bei der Auseinandersetzung zu berücksichtigen ist, kann hier dahinstehen.
24 f) War demnach eine Fortführung der Gesellschaft über den 31.12.2002 von vornherein nach den beiderseitigen
Kündigungen nicht geplant, so bleibt es bei dem im Wege der ergänzenden Auslegung gewonnenen Ergebnis,
dass ein Abfindungsanspruch des Klägers nach § 11 des Vertrags ausscheidet und lediglich die
Auseinandersetzung der Gesellschaft zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich zum 14.03.2003 zu erfolgen hat.
Dies hat nach den allgemeinen Grundsätzen zu geschehen, sodass der Beklagte nicht verpflichtet ist, eine
Abschichtungsbilanz nach den Grundsätzen des § 11 des Gesellschaftsvertrages aufzustellen, sondern eine
Auseinandersetzungsbilanz nach den allgemeinen Grundsätzen. Dementsprechend ist, der Urteilsausspruch
Ziff. 1 und 2 aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.
25 Da das nach dem vom Kläger begehrten Maßstäben zu ermittelnde Abfindungsguthaben nicht geschuldet ist,
entfällt auch die „Einstellung“ des Betrages von 27.645,91 EUR entsprechend dem Urteilsausspruch Ziff. 3.
26 2. Einen Anspruch des Klägers auf Erklärung, die gem. § 11 des Gesellschaftsvertrages aufzustellende
Auseinandersetzungsbilanz solle als festgestellt gelten, hat der Kläger ebenfalls nicht. Im Gegensatz zum
Anspruch des Gesellschafters auf jährliche Feststellung der Bilanz, die regelmäßig die für die Gewinnermittlung
maßgebenden Werte festlegt und Voraussetzung für die Geltendmachung des Gewinnanspruchs ist (vgl. nur
Münchener Kommentar / Ulmer, a. a. O. § 721 RN 11) besteht kein Anspruch auf Feststellung der
Abfindungsbilanz. Insoweit hat der Gesellschafter lediglich einen Anspruch auf Aufstellung der Bilanz, die
seinen Abfindungsanspruch ermittelt, nicht aber der Feststellung, da die Abfindungsbilanz nicht Voraussetzung
für die Entstehung und die Fälligkeit des Abfindungsanspruchs ist (vgl. nur Münchener Kommentar / Ulmer, a.
a. O., § 738 RN 28 für die BGB-Gesellschaft; Baumbach/Hopt a. a. O., § 131 RN 51; Münchener Kommentar /
Schmidt HGB, a. a. O., § 131 RN 137 jeweils für die OHG).
B.
27 Die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet.
28 Wie oben dargelegt, besteht der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf den nach § 11 zu ermittelnden
Abfindungsbetrag nicht. Dementsprechend kann in diesem Betrag auch kein wie immer gearteter Betrag zum
Ausgleich eingeführt oder unberechtigte Entnahmen des Beklagten oder Schadensersatzansprüche der
Gesellschaft gegen den Beklagten eingestellt werden. Es kommt daher nicht darauf an, dass auf der Grundlage
der Feststellungen des Landgerichts, das vom 01.01.2001 bis 15.03.2002 unberechtigte Zahlungen aus dem
Gesellschaftsvermögen in Höhe von 27.645,91 EUR erfolgt sind, allenfalls die Hälfte dieses Betrages
zugunsten des Klägers zu berücksichtigen gewesen wäre.
29 Allerdings käme entgegen der Anschlussberufung auch nicht in Betracht, die Privatentnahmen des Beklagten
aus dem Jahre 2000 zusätzlich in das Abfindungsguthaben einzustellen. Das scheidet bereits aufgrund der
auch vom Kläger unterschriebenen und festgestellten Bilanz aus. Egal wie die Feststellung der Bilanz
dogmatisch eingeordnet wird, als besonderer Feststellungsvertrag oder als kausales Schuldanerkenntnis, so
bedurfte es insoweit jedenfalls, auch wenn es sich nicht um eine Kapitalgesellschaft handelt, deren
Beschlüsse angefochten werden müssen, einer Anfechtung dieses Vertrages zwischen den beiden
Gesellschaftern, um nachträglich diese Positionen überhaupt geltend machen zu können. Eine solche
Anfechtung ist nicht vorgetragen. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass nach der Berechnung des
Landgerichts, das insoweit dem klägerischen Begehren gefolgt ist, dieser Betrag gewinnerhöhend für das Jahr
2000 in die Ertragswertberechnung eingestellt wurde. Damit wäre der Betrag entsprechend der Berechnung des
Klägers bereits berücksichtigt und kann nicht ein zweites Mal in das Abfindungsguthaben erhöhend
eingerechnet werden.
C.
30 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus
§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
31 Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO, insbesondere eine grundsätzliche Bedeutung
der Sache liegen nicht vor. Zwar ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortsetzungsklausel zu
einer zunächst mehrgliedrigen Gesellschaft ergangen, während die hier zu beurteilende Gesellschaft von
Beginn an zweigliedrig war, was - soweit ersichtlich noch nicht Gegenstand der höchstrichterlichen
Rechtsprechung war. Die Literatur ist aber insoweit nicht abweichender Auffassung. Darüber hinaus ist die
Entscheidung auf die selbständig tragende Auslegung im Einzelfall gestützt, dass hier die Anwendung der
Abfindungsklausel bereits deshalb nicht in Betracht kommt, weil vor der außerordentlichen Kündigung bereits
beiderseits ordentlich gekündigt und damit die Beendigung der Gesellschaft beschlossen war.