Urteil des OLG Karlsruhe vom 02.08.2012

OLG Karlsruhe: richterliche frist, nachfrist, androhung, erstellung, datum, kontradiktorisch, zusage, gerichtsakte, einspruch, anfang

OLG Karlsruhe Beschluß vom 2.8.2012, 7 W 26/12
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. X. wird der Beschluss des
Landgerichts Mannheim vom 30. Mai 2012 - 3 OH 9/09 - aufgehoben, soweit gegen ihn darin ein
Ordnungsgeld in Höhe von 800,00 EUR festgesetzt ist.
Gründe
I.
1 Gegen den Sachverständigen hat das Landgericht Mannheim mit Beschluss vom
30.05.2012 (AS 220-222), ihm zugestellt am 02.06.2012 (AS 225), u.a. ein Ordnungsgeld in
Höhe von 800,00 EUR festgesetzt. Dagegen wendet sich der Sachverständige mit seinem
am 13.06.2012 beim Landgericht Mannheim mittels Telefax eingegangenen, als sofortige
Beschwerde zu behandelnden Einspruch vom 11.06.2012 (AS 227 f.). Das Landgericht hat
der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 19.07.2012 (AS 243 f.) nicht abgeholfen.
II.
2 Die gem. §§ 411 Abs. 2, 409 Abs. 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige,
insbesondere gem. § 569 ZPO frist- und formgerecht eingelegte und gem. §§ 569 Abs. 3 Nr.
3, 78 Abs. 3 ZPO nicht dem Anwaltszwang unterliegende sofortige Beschwerde des
Sachverständigen hat auch in der Sache Erfolg.
3 Der Senat verkennt nicht, dass sich das Landgericht zu Recht veranlasst sah, gegenüber
dem ersichtlich die Erstellung des Ergänzungsgutachtens verzögernden Sachverständigen
auf eine zügige Erstattung des Gutachtens hinzuwirken (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., §
411a Rn. 6 m.w.N.). Das Landgericht war jedoch gehalten, dabei die förmlichen
Voraussetzungen des § 411a Abs. 2 ZPO einzuhalten. Diese hat es nicht hinreichend
beachtet.
4 1. Das Landgericht durfte dem Sachverständigen durch den angefochtenen Beschluss vom
30.05.2012 kein Ordnungsgeld auferlegen, weil es an einer vorherigen wirksamen
Fristsetzung nach § 411 Abs. 1 S. 2 ZPO fehlte und deshalb auch das Setzen der Nachfrist
und die Androhung des Ordnungsgeldes im Beschluss vom 26.03.2012 (AS 210/211)
unzulässig war. Die formellen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes
sind hier nicht gegeben.
5 a) Nach § 411 Abs. 1 S. 2 ZPO soll im Falle der Anordnung einer schriftlichen
Begutachtung das Gericht dem Sachverständigen eine Frist zur Niederlegung des von ihm
unterschriebenen Gutachtens auf der Geschäftsstelle des Gerichts bestimmen. Nur wenn
der Sachverständige diese erste Frist versäumt hat, darf ihm eine Nachfrist unter
Androhung eines Ordnungsgeldes gesetzt werden, § 411 Abs. 2 S. 2 ZPO (OLGR Hamm
1998, 55 f., juris Tz. 5). Erst nach Ablauf dieser Androhungsfrist, also der zweiten Frist,
kann gegen den Sachverständigen das Ordnungsgeld verhängt werden. Die Verhängung
des Ordnungsgeldes setzt voraus, dass das Gericht wirksam eine Frist zur
Gutachtenübermittlung gem. § 411 Abs. 1 ZPO gesetzt hat (OLGR Hamm 1998, 55 f., juris
Tz. 5 f.; OLGR Hamm 1991, 14 f., juris Tz. 4; Musielak/Huber, ZPO, 9. Aufl., § 411 Rn. 6, 5;
MünchKomm/Zimmermann, ZPO, 3. Aufl., § 411 Rn. 6).
6 b) Diese formellen Voraussetzungen hat das Landgericht in dem angegriffenen Beschluss
nicht hinreichend beachtet. Es hat in seinem Beschluss vom 26.03.2012 (AS 210/211)
ohne vorherige verbindliche richterliche Frist eine Nachfrist gesetzt mit entsprechender
Androhung eines Ordnungsgeldes gegen den Sachverständigen. Der der Beauftragung
des Sachverständigen zu Grunde liegende Beschluss vom 02.09.2011 (AS 183 f.) enthält
keine Vorgabezeit für die Erstellung des Gutachtens. Auch das Schreiben des
Kammervorsitzenden vom 04.10.2011 (AS 195), mit welchem dem Sachverständigen die
Gerichtsakte übersandt wurde, enthält lediglich die Bitte um alsbaldige Erstattung, jedoch
keine verbindliche Fristsetzung. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob eine Fristsetzung
allein durch den Vorsitzenden wirksam ist (verneinend: Musielak/Huber, ZPO, 9. Aufl., §
411 Rn. 5a; bejahend: Zöller/Greger, a.a.O., § 411 Rn. 6a). Die folgenden
Sachstandsanfragen des Gerichts vom 13.01.2012 (AS 201) und 09.03.2012 (AS 207)
machten die nach § 411 Abs. 1 ZPO erforderliche ordnungsmäßige richterliche Frist zur
Niederlegung des Gutachtens auf der Geschäftsstelle ersichtlich nicht entbehrlich. Die mit
Beschluss des Landgerichts vom 26.03.2012 gesetzte Nachfrist und die Androhung des
Ordnungsgeldes für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der „Nachfrist” waren demnach
unzulässig. Sie boten keine ausreichende Grundlage für die Festsetzung des
Ordnungsgeldes.
7 2. Der Senat hat erwogen, ob es hier ausnahmsweise entbehrlich war, dass das
Landgericht dem Sachverständigen eine Frist gem. § 411 Abs. 1 ZPO setzte. Es kann
jedoch dahinstehen, ob dies etwa der Fall ist, wenn der Sachverständige selbst das
Gutachten für einen bestimmten Termin zugesagt hat und es sich deshalb um eine reine
Förmelei handeln würde (vgl. MünchKomm/Zimmermann, a.a.O.; OLG Rostock, Beschluss
vom 06.10.2009, 1 U 3/08, juris Tz. 6). Denn den Antworten des Sachverständigen vom
23.01.2012 („ich rechne .. bis Ende Februar, Anfang März“,“ AS 204) und vom 15.03.2012
(„noch mindestens bis Mitte Mai“, AS 208) auf die Sachstandsanfragen des Gerichts lässt
sich eine Zusage zu einem bestimmten Termin, die als Grundlage für Zwangsmaßnahmen
dient (vgl. Musielak/Huber, a.a.O., Rn. 5a), nicht hinreichend entnehmen. Die Erklärung des
Sachverständigen in seinem Schreiben vom 30.05.2012 („um die Fertigstellung bis zum
15.06.2012 zu gewährleisten“, AS 218) rechtfertigt schon deshalb keine andere
Entscheidung, weil der Ordnungsgeldbeschluss bereits vor diesem Datum erging und das
Gutachten im Übrigen innerhalb der selbst gesetzten Frist am 13.06.2012 bei Gericht
einging (AS 229 ff.).
III.
8 Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Auseinandersetzung über die
Verhängung eines Ordnungsgeldes ist nicht kontradiktorisch ausgestaltet. Gemäß § 380
Abs. 3 ZPO sind die Kosten der erfolgreichen Beschwerde des Sachverständigen nicht in
entsprechender Anwendung des § 46 OWiG der Staatskasse aufzuerlegen, denn diese ist
nicht am Rechtsstreit beteiligt. Derartige Auslagen gehen vielmehr zu Lasten der nach dem
Schlussurteil kostenpflichtigen Partei (BGH, NJW-RR 2007, 1364 ff., juris Tz. 23;
Zöller/Greger, a.a.O., § 380 Rn. 10).