Urteil des OLG Karlsruhe vom 09.10.2003

OLG Karlsruhe: werbung, unterlassen, bevölkerung, verkehr, gesundheit, amtsblatt, irreführung, presse, kennzeichnung, vollstreckung

OLG Karlsruhe Urteil vom 9.10.2003, 4 U 99/03
Verwendung von Warnhinweisen in der Publikumswerbung für Zigarillos
Leitsätze
Bei der Werbung für Cigarillos in Printmedien besteht keine Pflicht zur Verwendung von gesundheitlichen Warnhinweisen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Vorsitzenden der 5. Kammer für Handelssachen des LG Offenburg vom 14.05.2003 - 5 O 16/03 KfH -
wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
1
Der - nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG klagebefugte - Kläger möchte der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagen lassen, für
Cigarillos in Printmedien ohne Warnhinweis auf die Gesundheitsschädlichkeit des Rauchens von Tabakwaren zu werben. Die Beklagte ist der
Klage entgegengetreten. Zu den Einzelheiten des Sach - und Streitstandes wird auf die Feststellungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Gründe wird auf das Urteil vom 14.05.2003 Bezug genommen.
3
Mit seiner Berufung macht der Kläger weiterhin unter Hinweis auf die Entscheidung BGHZ 124, 230 ff. „Warnhinweis“ geltend, die Beklagte
verstoße durch das Unterlassen eines Warnhinweises in ihrer Werbung für Cigarillos gegen ihre sittliche Verpflichtung, im Interesse des
Gesundheitsschutzes der Bevölkerung das Bewusstsein der Schädlichkeit des Rauchens wachzuhalten. Neben dem darin liegenden Verstoß
gegen § 1 UWG verhalte sich die Beklagte gleichzeitig irreführend i.S.v. § 3 UWG, da sie durch das Unterlassen des erforderlichen
Warnhinweises den falschen Eindruck erwecke, das Rauchen von Cigarillos sei gesundheitlich ungefährlicher als etwa das Rauchen von
Zigaretten.
4
Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des LG Offenburg vom 14.05.2003 die Beklagte zu verurteilen,
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es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,
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im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Cigarillos (hier: West Rollies Filter) in periodisch erscheinenden Druckwerken ohne
den deutlich sichtbaren und leicht lesbaren Warnhinweis „Die EG-Gesundheitsminister: Rauchen gefährdet die Gesundheit“ zu werben bzw.
werben zu lassen.
8
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und beantragt,
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das Rechtsmittel des Klägers zurückzuweisen.
10 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
11 Die Berufung des Klägers ist zulässig, sachlich aber nicht begründet. Die Beklagte verhält sich nicht wettbewerbswidrig, wenn sie bei der
Werbung für Cigarillos in Printmedien keine Warnhinweise i.S. etwa von § 7 Tabakprodukt-Verordnung vom 20.11.2002 (BGBl. I S. 4434) bzw.
Art. 5 Ri 2001/37/EG vom 05.06.2001 (Amtsblatt Nr. L 194 vom 18.07.2001, S. 26) verwendet. Insoweit gilt Folgendes:
12 1. Nach der Sach- und Rechtslage besteht in Deutschland keine Pflicht zu Warnhinweisen bei der Bewerbung von Cigarillos in Printmedien.
a) ...
13 aa) Das Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen vom
15.08.1974 (im folgenden: LMBG) statuiert keine Pflicht zur Verwendung von Warnhinweisen bei der Werbung für Tabakwaren. Die in § 22 LMBG
aufgestellten Werbeverbote beziehen sich nicht auf die hier streitigen Warnhinweise hinsichtlich der Gesundheitsgefährlichkeit des Rauchens
von Tabakerzeugnissen. Von der auf § 21 Abs. 1 Ziff. 1 lit. f LMBG beruhenden Möglichkeit, durch Rechtsverordnung „vorzuschreiben, dass .... in
der Werbung für bestimmte Tabakerzeugnisse Warnhinweise .... zu verwenden sind“, hat der Gesetz- bzw. VO-Geber allerdings Gebrauch
gemacht. Mit der VO über die Kennzeichnung von Tabakerzeugnissen und über Höchstmengen von Teer im Zigarettenrauch vom 29.10.1991 (im
Folgenden: TabKTHmV) wurde die Pflicht zur Kennzeichnung der Packungen von Tabakerzeugnissen mit Warnhinweisen eingeführt. So durften
nach § 2 TabKTHmV Tabakerzeugnisse nur in den Verkehr gebracht werden, wenn ihre Packungen mit dem allgemeinen Warnhinweis
„Rauchen gefährdet die Gesundheit“ versehen und die Worte „Die EG-Gesundheitsminister“ vorangestellt waren. Zusätzlich mussten die
Packungen besondere Warnhinweise aufweisen, und zwar nach § 3 Abs. 2 TabKTHmV u.a. Cigarillo-Verpackungen etwa den Hinweis:
“Rauchen verursacht Krebs“. Für die Publikumswerbung für Tabakerzeugnisse sah die TabKTHmV dagegen keine Hinweispflicht vor.
14 Diese VO vom 29.10.1991 wurde durch die Tabakprodukt-Verordnung vom 20.11.2002 abgelöst, die in ihrem § 7 eine der Vorgängerverordnung
entsprechende Verpflichtung zur Verwendung von Warnhinweisen auf Verpackungen von Tabakerzeugnissen statuiert. Warnhinweise in der
Werbung für Tabakwaren sieht die TabKTHmV vom 20.11.2002 jedoch ebenfalls nicht vor.
15 bb) Auch europa-rechtlich besteht keine Verpflichtung zu Warnhinweisen bei der Publikumswerbung für Tabakerzeugnisse. Die Richtlinie
2001/37/EG vom 05.06.2001 - die in Deutschland durch die TabKTHmV vom 20.11.2002 umgesetzt wurde - verlangt lediglich bestimmte
Warnhinweise auf Verpackungen von Tabakerzeugnissen. Demgegenüber sieht jedoch die Ri 2003/33/EG vom 26.05.2003 (Amtsblatt Nr. L
152/16 vom 20.06.2003) in ihrem Art. 3 ein Verbot jeglicher Publikumswerbung für Tabakerzeugnisse in der Presse und anderen gedruckten
Veröffentlichungen vor. Diese Richtlinie ist in Deutschland aber noch nicht umgesetzt; die Umsetzungsfrist läuft bis 31.07.2005.
16 cc) Auf freiwilliger Basis haben sich in Deutschland allerdings einzelne tabakverarbeitende Unternehmen - darunter auch die Beklagte - mit ihrer
Richtlinie 1980 ( i.d.F. vom 26.10.1993 ) zur Verwendung von Warnhinweisen in der Anzeigen- und Plakatwerbung verpflichtet. Diese
Selbstverpflichtung ist jedoch auf die Werbung für Zigaretten beschränkt. Eine Auslegung dieser Richtlinie über Zigaretten hinaus auf jegliche
Tabakerzeugnisse oder zumindest auf Cigarillos scheidet, was zwischen den Parteien unstreitig ist, aber aus.
17 b) Lässt sich das vom Kläger verfolgte Unterlassungsgebot somit - wie gezeigt - nicht auf lebensmittelrechtliche bzw. tabakrechtliche Normen
oder nationale bzw. internationale Richtlinien stützen, findet dieses eine Rechtsgrundlage auch nicht in § 1 UWG (zum Verhältnis der
Vorschriften des LMBG zu § 1 UWG vgl. BGH WRP 1988, 237, 239 - in unserem Haus muß alles schmecken).
18 Richtig ist zwar, dass der BGH in seinem Urteil vom 25.11.1993 - AZ: I ZR 259/91(KG) - (BGHZ 124, 230 ff. - Warnhinweis) im Interesse des
Gesundheitsschutzes der Bevölkerung und insbesondere der Wachhaltung des Bewusstseins der Schädlichkeit des Rauchens bei der
Publikumswerbung für Zigaretten die Verwendung von Warnhinweisen als sittliche Verpflichtung für erforderlich gehalten hat. Dies hat der BGH
mit der Gesundheitsschädlichkeit des Rauchens von Zigaretten, dem in Art. 4 der Ri 89/622/EWG vom 13.11.1989 und den zu dessen
mit der Gesundheitsschädlichkeit des Rauchens von Zigaretten, dem in Art. 4 der Ri 89/622/EWG vom 13.11.1989 und den zu dessen
Umsetzung erlassenen §§ 2 und 3 der TabKTHmV vom 29.10.1991 verankerten Gebot der Anbringung von Warnhinweisen auf
Zigarettenpackungen sowie mit der von der Deutschen Zigarettenindustrie in deren Richtlinie 1980 übernommenen Selbstverpflichtung zur
Verwendung von Warnhinweisen bei der Anzeigen- und Plakatwerbung für Zigaretten begründet. Ein Verstoß gegen diese sittliche Verpflichtung,
bei der Werbung von Zigaretten deutlich lesbar vor den Gesundheitsgefahren des Rauchens zu warnen, begründet nach der Auffassung des
BGH den wettbewerbsrechtlichen Vorwurf der Unlauterkeit i.S.v. § 1 UWG.
19 Diese Wertung kann aber nicht auf die Publikumswerbung für Cigarillos übertragen werden. Denn der BGH hat in der genannten Entscheidung
die „sittliche Verpflichtung“ zur Verwendung von Warnhinweisen in der Publikumswerbung maßgeblich aus der Selbstverpflichtung der
Deutschen Tabakindustrie in ihrer Richtlinie 1980 - auch in deren Fassung vom 26.12.1993 - hergeleitet, die sich ausdrücklich nur auf Zigaretten
bezieht. Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang bezeichnend, dass weder die EU-Instanzen noch der Deutsche Gesetzgeber bislang
Veranlassung gesehen haben, überhaupt Warnhinweise bei der Werbung für Tabakerzeugnisse, und schon gar nicht für Cigarillos zu fordern.
Dass die - bis zum 31.07.2005 umzusetzende - Ri 2003/33/EG vom 26.05.2003 in Zukunft zu einem uneingeschränkten Verbot von
Publikumswerbung für Tabakerzeugnisse führen wird, beruht dagegen auf allgemeinen sozialpolitischen Erwägungen und ist - im Sinne der
BGH-Entscheidung vom 25.11.1993 - als solches nicht geeignet, das Bewusstsein der Gesundheitsgefährlichkeit des Rauchens in der
Bevölkerung wachzuhalten. Auf die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen der Werbung für Tabakwaren etwa in den Ländern der EU - vgl.
hierzu u.a. die Übersicht in dem Memo/01/205 vom 30.05.2001 zum Vorschlag für eine EU-Richtlinie über Tabakwerbung - zeigen, dass
jedenfalls Warnhinweise in der Tabakwerbung nur in Luxemburg, Griechenland und Österreich vorgeschrieben sind. Angesichts auch der
allgemeinen Kenntnis von der Gesundheitsschädlichkeit des Rauchens (BVerfG NJW 1997, 2871, 2872) vermag nach all dem der Senat keine
sittliche Verpflichtung zu erkennen, bei der Werbung konkret für Cigarillos gesundheitsbezogene Warnhinweise zu verwenden, zumal jedenfalls
auf entsprechenden Umverpackungen für Cigarillos ohnehin Warnhinweise vorgeschrieben sind (§ 7 TabKTHmV vom 20.11.2002).
Dementsprechend und bezeichnenderweise wird in Deutschland nach der Kenntnis des Senats nur die Werbung für Zigaretten, nicht dagegen
aber - wie auch die von der Beklagten vorgelegten Werbebeispiele zeigen - die Werbung für sonstige Tabakwaren mit Warnhinweisen versehen.
20 2. Die Cigarillowerbung der Beklagten verstößt auch nicht gegen das Irreführungsverbot des § 3 UWG.
21 Wettbewerbsrechtliche Irreführung durch Schweigen kommt nur dort in Betracht, wo etwa aufgrund Gesetzes oder Vertrages eine
Aufklärungspflicht besteht bzw. eine verschwiegene Tatsache geeignet ist, den Kaufentschluss eines Wettbewerbsadressaten zu beeinflussen
(BGH WRP 1999, 1151, 1152/1153 - EG-Neuwagen I; WRP 1999, 839/840 - Auslaufmodelle I; GRUR 1985, 450, 451- Benzinverbrauch). Auch
Letzteres kann im Streitfall im Hinblick auf die - wie bereits ausgeführt - allgemeine Kenntnis von der Gesundheitsgefährlichkeit des Rauchens
von Tabakwaren nicht angenommen werden. Dabei greift die Argumentation des Klägers auch deshalb nicht, weil die beanstandete
Werbeanzeige keine Gleichstellung von Zigaretten und Cigarillos enthält und Jugendliche in aller Regel keine Cigarillos rauchen. Eine
Irreführung i.S.v. § 3 UWG würde deshalb im Streitfall zumindest eine allgemeine Verpflichtung der Beklagten zur Verwendung von
Warnhinweisen bei ihrer Werbung für Cigarillos voraussetzen. Da eine solche Verpflichtung jedoch, wie oben dargelegt, nicht besteht, scheidet
auch ein Verstoß gegen § 3 UWG aus.
III.
22 Nach all dem hat das klageabweisende erstinstanzliche Urteil Bestand. Die Berufung des Klägers ist deshalb mit den Nebenfolgen aus den §§
97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
23 Die Revision ist gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die hier streitige, soweit ersichtlich bislang höchstrichterlich nicht entschiedene
Frage der Pflicht zur Verwendung von gesundheitsbezogenen Warnhinweisen bei der Werbung für Cigarillos von grundsätzlicher und über den
Einzelfall hinausreichender Bedeutung ist und trotz des in der Ri 2003/33/EG vom 26.05.2003 statuierten Verbots der Publikumswerbung für
Tabakerzeugnisse in der Presse und anderen gedruckten Veröffentlichungen im Hinblick auf die noch bis zum 31.07.2005 laufende
Umsetzungsfrist
24 der Rechtszustand bis zur Umsetzung der Richtlinie durch den Deutschen Normgeber klärungsbedürftig erscheint (BGH NJW 2003, 65, 67/68;
2003,1943, 1944/1955).