Urteil des OLG Karlsruhe vom 30.06.2004

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OLG Karlsruhe Urteil vom 30.6.2004, 12 U 112/04
Rücktritt vom Gebrauchtwagenkauf: Voraussetzung fehlgeschlagener Nacherfüllung
Leitsätze
Fehlgeschlagene Nacherfüllung als Voraussetzung für den Rücktritt vom Gebrauchtwagenkauf
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 27. Januar 2004 - 1 O 324/03 - wird mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass Ziffer 1. des Tenors wie folgt lautet:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.651,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz aus 19.856,38 EUR vom 13.06.2003 bis 29.06.2004 sowie aus 19.651,03 EUR seit 30.06.2004 Zug um
Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges Mercedes Benz Typ 240 Limousine, amtliches Kennzeichen ..., zu zahlen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
1
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises für einen Gebrauchtwagen Zug um Zug gegen Rückgabe des
Fahrzeugs. Er bemängelt einen wiederholten Wassereintritt in die Karosserie im Bereich der Vertiefung hinter dem linken Hinterrad, den die
Beklagte trotz zweier Versuche nicht behoben hat. Der Kläger macht ein Rücktrittsrecht geltend; außerdem hat er den Kaufvertrag wegen
arglistiger Täuschung angefochten.
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Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen. Zweitinstanzliche Änderungen und
Ergänzungen ergeben sich aus den folgenden Ausführungen.
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Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und unter Abweisung im Übrigen entschieden:
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1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 19.856,38 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
13.06.2003 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges Mercedes Benz Typ 240 Limousine, mit dem amtlichen Kennzeichen ..., zu
zahlen.
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2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeuges seit 13.06.2003 in Verzug befindet.
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3. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in Höhe von weiteren EUR 98,81 erledigt ist.
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Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung und beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hält die Auffassung des Landgerichts, sie habe den Kläger arglistig getäuscht, da sie verpflichtet gewesen sei, ihn auf die
Nachlackierarbeiten und den Austausch der Heckscheibe hinzuweisen, für rechtsirrig. Mit diesen Arbeiten seien keine Unfallschäden, sondern
lediglich Bagatellschäden (Kratzer) beseitigt worden. Es handele sich um bei der Beklagten übliche und im Übrigen werterhöhende Maßnahmen,
die dem Käufer nicht offenbart werden müssten. Das vom Landgericht ebenfalls angenommene Recht des Klägers zum Rücktritt vom Kaufvertrag
gemäß §§ 437 Nr. 2, 440 BGB scheide bereits nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB wegen Unerheblichkeit des vom Kläger gerügten Mangels aus. Die
Nachbesserung sei auch nicht fehlgeschlagen im Sinne von § 440 Satz 2 BGB. Der Beklagten sei angesichts der Schwierigkeit, die
Undichtigkeitsursache festzustellen, ein dritter Nachbesserungsversuch zuzubilligen gewesen, den sie auch angeboten habe.
10 Der Kläger beantragt unter Verteidigung des landgerichtlichen Urteils,
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die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass sich der Rechtsstreit in Höhe von weiteren 205,35 EUR - entsprechend den ihm
zwischenzeitlich durch die weitere Nutzung des Pkws erwachsenen Gebrauchsvorteilen - erledigt sei.
12 Die Beklagte schließt sich der Erledigterklärung an.
13 Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
14 Die Akten des von dem Kläger beantragten Beweissicherungsverfahrens vor dem Amtsgericht Bühl - 3 H 10/03 - waren beigezogen und
Gegenstand der Verhandlung.
II.
15 Die Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen
Rückgabe des Fahrzeuges, jedoch unter Anrechnung der dem Kläger entstandenen Nutzungsvorteile für verpflichtet gehalten. Ebenso zutreffend
hat es festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs seit 13.06.2003 in Verzug befindet.
16 1. Nach Auffassung des Landgerichts hat der Kläger den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung im Sinne von § 123 BGB wirksam
angefochten. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihn vor dem Verkauf des zweijährigen Fahrzeugs darauf hinzuweisen, dass sie an dem
Kraftfahrzeug bereits umfangreiche Nachlackierarbeiten vorgenommen sowie die Heckscheibe ausgetauscht hatte. Selbst wenn man den
Sachvortrag der Beklagten, es hätten lediglich kleinere Kratzer an Karosserie und Scheibe vorgelegen, unterstelle, sei hier von einem
aufklärungspflichtigen Umstand auszugehen.
17 Ob dieser Bewertung zu folgen ist, kann letztlich dahinstehen. Immerhin hat der Sachverständige Dr. L gemäß den Ausführungen auf Seite 3
seines schriftlichen Gutachtens vom 18.08.2003 (Blatt 55 der Akten des Beweissicherungsverfahrens) „bei näherer Betrachtung der Karosserie“
festgestellt, dass die beiden hinteren Seitenwände, die seitlichen Dachrahmen und die hinteren Türen nachlackiert waren. Demnach wird man
davon ausgehen können, dass auch ein möglicher Kaufinteressent - beispielsweise bei einem Weiterverkauf des Fahrzeugs durch den Kläger -
die Tatsache der Nachlackierung durch eine bloße Sichtprüfung erkennen kann. Dann liegt es aber auch nahe, dass der Interessent darauf auch
einen - wenn auch letztlich nicht zu begründenden - Unfallverdacht hegen und aus diesem Grund nur einen erheblich verminderten Kaufpreis
akzeptieren oder gar vom Kauf Abstand nehmen wird. Dies könnte in der Tat dafür sprechen, in der Tatsache einer umfangreichen
Nachlackierung auch ohne Unfall einen offenbarungspflichtigen, weil für den Wert des Fahrzeugs erheblichen Umstand anzusehen. Das bedarf
jedoch im Streitfall keiner Vertiefung.
18 2. Das Landgericht hat jedenfalls zu Recht ein Rücktrittsrecht des Klägers gemäß den §§ 434, 437 Nr. 2, 440, 346 ff BGB bejaht. Die dagegen
von der Beklagten im Berufungsverfahren erhobenen Einwände sind nicht berechtigt.
19 a) Der - insbesondere auf Lichtbild 12 des Beweissicherungsgutachtens des Sachverständigen L anschaulich dokumentierte - wiederholte
Wassereintritt im hinteren Karosseriebereich des Pkw kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht als ein gemäß §§ 323 Abs. 5 Satz 2,
437 Nr. 2 BGB unerheblicher Mangel angesehen werden. Ein Fahrzeug, in das bei starker Beregnung Wasser eindringt, kann ohne Nachteile
weder in einer Waschanlage gewaschen noch bei starkem Regen benutzt werden. Langfristig drohen infolge von Durchfeuchtung zumindest
Korrosionsschäden, die zu einer erheblichen Verkürzung der Lebensdauer des Fahrzeugs führen können (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8.
Aufl. Rn. 280). Dass in dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug bisher noch kein Korrosionsschaden aufgetreten ist, ändert an diesem gemeinhin
bekannten Umstand nichts.
20 b) Zutreffend hat das Landgericht auch die Nachbesserung der Beklagten als fehlgeschlagen im Sinne von § 440 Satz 1 und 2 BGB angesehen.
Jedenfalls beim zweiten Nachbesserungsversuch hätte die Beklagte der wahren Ursache des Wassereintritts umfassend nachgehen müssen.
Dies gilt auch mit Rücksicht auf eine etwa von der Heckscheibe herrührende Undichtigkeit. Eine solche eingehende Untersuchung hat die
Beklagte aber gerade nicht in hinreichendem Maße durchgeführt und dabei dem Kläger nicht einmal mitgeteilt, dass sie bei ihren
Beregnungsversuchen einen Wassereintritt gar nicht feststellen konnte.
21 Ohne Erfolg verweist die Beklagte in diesem Zusammenhang auf die - auch vom Sachverständigen Dr. L bestätigten - Schwierigkeiten bei der
Auffindung der undichten Stelle. Insofern wird die Auffassung vertreten, dass, gerade weil solche Schwierigkeiten unter Fachleuten bekannt sind,
dem Käufer bereits ein zweiter Reparaturversuch nicht zugemutet werden kann, wenn bereits der erste mit unzureichenden Mitteln ausgeführt
wurde (vgl. Reinking/Eggert a.a.O. Rn. 280 m.w.N.). Es kann dahinstehen, ob dieser strengen Auffassung zu folgen ist. In jedem Falle kann der
Beklagten jedoch - entsprechend der Regel des § 440 Satz 2 BGB - nach einem erfolglosen zweiten Versuch nicht zugebilligt werden, durch
Anerbieten einer erneuten Nachbesserung den Rücktritt des Klägers vom Vertrag zu vermeiden.
22 3. Hinsichtlich des Annahmeverzuges wird auf Ziffer II. des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
23 4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 91 a Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich des erledigten Teils in Höhe von weiteren 205,35 EUR
entsprechend der von dem Kläger seit der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht in Anspruch genommenen Gebrauchsvorteile (1.459
km) im Wert von insgesamt 205,35 EUR entsprach es billigem Ermessen, die Kosten ebenfalls der Beklagten aufzuerlegen, da die Klage vor der
weiteren Inanspruchnahme des Fahrzeugs auch insoweit zulässig und begründet war.
24 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543
Abs. 2 ZPO bestehen nicht.