Urteil des OLG Karlsruhe vom 20.09.2004
OLG Karlsruhe: einstweilige verfügung, erlass, elterliche sorge, ausstellung, erfüllung, umdeutung, unterhaltsklage, gebühr, leistungsverfügung, gerichtsbarkeit
OLG Karlsruhe Beschluß vom 20.9.2004, 16 WF 124/04
Gemeinsames Sorgerecht: Unzulässige einstweilige Verfügung auf alleinige Sorgerechtsausübung zwecks Beantragung eines
Kinderausweises
Leitsätze
Weigert sich ein Elternteil, bei der Ausstellung eines Kinderausweises mitzuwirken, kann gem. § 1628 BGB dem anderen Elternteil das
entsprechende Recht zur alleinigen Ausübung übertragen werden. Eine Eilentscheidung ist unter den Voraussetzungen des § 621g ZPO möglich.
Eine einstweilige Verfügung ist unzulässig; der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kann nicht in einen solchen auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung umgedeutet werden.
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mannheim vom 24. August 2004 wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 500 EUR
Gründe
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Die Mutter möchte erreichen, dass der Vater bei dem Antrag mitwirkt, dass für die gemeinsame Tochter V. ein Kinderausweis ausgestellt wird. Die
Eltern üben die elterliche Sorge gemeinschaftlich aus. Die Mutter hat bei dem Amtsgericht Mannheim eine einstweilige Verfügung beantragt mit
folgendem Antrag:
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1. Dem Antragsgegner wird unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 5.000,00 EUR aufgegeben, seine Unterschrift auf dem
Antrag auf Ausstellung eines Kinderausweises für seine Tochter V. K., geb. am ... 1993, zu leisten.
...
3
Außerdem hat sie beantragt,
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ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
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Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss sowohl den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als auch das
Prozesskostenhilfegesuch zurückgewiesen.
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Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Mutter bleibt ohne Erfolg.
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1. Wenn die Mutter erreichen will, dass die Ausstellung eines Kinderausweises für die gemeinsame Tochter nicht an der fehlenden Mitwirkung
des Vaters scheitert, kann sie unter Berufung auf § 1628 BGB beantragen, ihr das Recht, einen Kinderausweis zu beantragen, zur alleinigen
Ausübung zu übertragen. Über diesen Antrag entscheidet im Verfahren nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit (FGG) das Familiengericht (§ 23 b Abs. 1 Nr. 2 GVG, § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 64 Abs. 3 FGG i.V.m. § 621 a ZPO). Eine
Eilentscheidung des Familiengerichts ist möglich, wenn die Voraussetzungen des § 621 g ZPO vorliegen. Dazu gehört insbesondere, dass ein
sogenanntes Hauptsacheverfahren anhängig ist; eine isolierte einstweilige Anordnung sieht das Gesetz nicht vor.
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Die von der Mutter beantragte einstweilige Verfügung war unzulässig, weil das Verfahren nach den §§ 935 ff. ZPO keine Parallele in dem
Verfahren nach dem FGG hat, insbesondere das FGG eine isolierte einstweilige Anordnung nicht kennt. Das Amtsgericht hat deshalb den Antrag
auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht als unzulässig zurückgewiesen und die für das Verfahren beantragte Prozesskostenhilfe
versagt.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im selbständigen Verfügungsverfahren nach §§ 935 ff. ZPO kann nicht in den Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung umgedeutet werden, weil, wie erwähnt, eine einstweilige Anordnung nicht isoliert ergehen kann, sondern
nur im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens. Das eingeleitete isolierte Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kann auch nicht in
einen Hauptsacheantrag umgedeutet werden, da es sich um wesensverschiedene Verfahrensarten und Streitgegenstände handelt.
Streitgegenstand der einstweiligen Verfügung ist nicht der Anspruch selbst, sondern die Notwendigkeit der einstweiligen Sicherung bzw. - bei der
Leistungsverfügung - der einstweiligen Erfüllung, so dass Anträge in diesem Verfahren nicht zur Anhängigkeit des Anspruchs selbst führen (vgl.
zur Umdeutung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Unterhaltsverfügung in eine Unterhaltsklage und einen Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung verneinend auch OLG Köln, Beschluss vom 10. Dezember 1998 - 14 WF 179/98 - FamRZ 1999, 661). Die
Antragstellerin hatte vielmehr ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzunehmen und einen Antrag nach § 1628 BGB bzw.
ein Prozesskostenhilfegesuch dafür neu einzureichen. Das Amtsgericht hat deshalb auch zu Recht den dann tatsächlich eingereichten Antrag
nach § 1628 BGB - zunächst - nicht zu Kenntnis genommen und der gegen die Zurückweisung der ursprünglich gestellten Anträge eingelegten
sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
10 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, soweit die Mutter die Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung erfolglos angefochten hat. Soweit ihre Beschwerde gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe erfolglos war, ist gem. § 127 Abs. 4
ZPO eine Kostenentscheidung nicht erforderlich. Die für die erfolglose Beschwerde vorgesehene Gebühr von 50 EUR (KV-GKG-Nr. 1811) wird
auch ohne Kostenentscheidung erhoben.