Urteil des OLG Karlsruhe vom 09.02.2006

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OLG Karlsruhe Urteil vom 9.2.2006, 9 U 61/05
Gutachtervertrag: Schadensersatz wegen des unterlassenen Hinweises eines Bodengutachters auf die
Erforderlichkeit erneuter Hinzuziehung
Leitsätze
1. Hat ein Bodengutachter (Gründungsberater) in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass der
Baugrubenaushub geotechnisch betreut werden muss und gibt er später bei einem Ortstermin allgemein an, dass
bis zu einer bestimmten Schicht weiter auszuheben ist, hat er ausdrücklich darauf hinzuweisen, wenn danach
seine erneute Hinzuziehung erforderlich ist.
2. Der Bodengutachter kann sich auf ein dem klagenden Bauherrn zuzurechnendes Verschulden des Architekten
berufen, das sich daraus ergibt, dass dieser eine weitere geotechnische Beauftragung unterlassen hat.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 17.03.2005 abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 35.000,- EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit 21.10.2004 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte darüber hinaus verpflichtet ist, allen weiteren Schaden zu 1/3 zu ersetzen,
der der Klägerin im Zusammenhang mit den notwendigen Maßnahmen entsteht, um die im selbstständigen
Beweisverfahren vor dem Landgericht Freiburg Az. 1 OH ..... festgestellten Mängel und deren Ursache dauerhaft
und nach den anerkannten Regeln der Technik zu beseitigen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die
jeweilige Gegenpartei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren
Betrags abzuwenden, wenn nicht die Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Von den Kosten der ersten Instanz haben zu tragen: die Klägerin die außergerichtlichen Kosten des
Zweitbeklagten Erich Holzer, ferner 85 % der Gerichtskosten und 70 % der außergerichtlichen Kosten des
Beklagten Ziff. 1, der 15 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Gerichtskosten trägt. Im übrigen
behält jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten in erster Instanz auf sich.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 70 %, der Beklagte 30 % zu tragen.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Die Klägerin nimmt, nach rechtskräftiger Abweisung der gegen den beteiligten Statiker als Gesamtschuldner
gerichteten Klage, in zweiter Instanz mit vorliegender Zahlungs- und Feststellungsklage nur noch den
Erstbeklagten wegen der Schäden in Anspruch, die bei der Errichtung der Wohnanlage T. in L. an dem Haus
Nr. . infolge von Setzungen an Gebäudeteilen entstanden sind.
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Auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird Bezug genommen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da der geotechnische Bericht des Beklagten vom 14.01.1998
zutreffend gewesen sei, weitergehende Angaben zur Gründungstiefe nicht vertraglich geschuldet gewesen
seien und der Beklagte auch bei der Ortsbesichtigung am 19.03.1998 keine fehlerhaften Weisungen erteilt
habe.
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Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie ist der Ansicht, aus der dem geotechnischen Bericht
vorausgegangenen Aufgabenstellung habe der Beklagte entnehmen können, dass erwartet wurde, die
notwendige Tiefe der Gründung des Bauwerks zu ermitteln. Das Gutachten sei nach den Feststellungen des
Sachverständigen R. hinsichtlich der Angaben zur Bauwerksgründung unzureichend, da es keine Angaben zu
den schwierigen Gründungsverhältnissen im talseitigen Bereich des Hauses Nr. 1 enthalte. Bei dem Ortstermin
am 19.03.1998 habe der Beklagte die tatsächlichen Gründungsverhältnisse mit den in seinem Bericht
prognostizierten vergleichen und seine Gründungsempfehlung überprüfen sollen. Der Beklagte habe dort mit
seiner Empfehlung, das Fundament bis auf eine helle Lehmschicht zu gründen und deshalb mehr auszuheben,
Angaben ins Blaue hinein gemacht, ohne sich zuvor Kenntnisse über die Tiefenlage des tragfähigen
Baugrundes zu verschaffen, die problemlos durch ca. 2 Sondierbohrungen von der Baugrubensohle aus hätten
gewonnen werden können. Hätte der Beklagte auf die Notwendigkeit weiterer Sondierbohrungen hingewiesen,
wäre die Planung entsprechend geändert worden.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Freiburg vom 17.03.2005
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1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 116.940,06 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
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2. festzustellen, dass der Beklagte darüber hinaus verpflichtet ist, allen weiteren Schaden zu ersetzen, der der
Klägerin im Zusammenhang mit den notwendigen Maßnahmen entsteht, um die im selbstständigen
Beweisverfahren vor dem Landgericht Freiburg festgestellten Mängel und deren Ursache dauerhaft und nach
den anerkannten Regeln der Technik zu beseitigen.
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Der Beklagte beantragt,
10 die Berufung zurückzuweisen.
11 Der Beklagte macht geltend, die Ermittlung der erforderlichen Gründungstiefe sei nicht Gegenstand des
Gutachtensauftrags gewesen. Er habe entsprechend seinen vertraglichen Verpflichtungen zutreffend dargetan,
dass die Lasten über Streifenfundamente in die tragfähigen Tüllinger Süßwasserschichten abzutragen seien.
Da diese Schichten am 19.03.1998 unstreitig noch nicht erreicht waren und für die Beteiligten nicht zu
beurteilen war, in welcher Tiefe diese Schichten anstanden, habe er sie als helle Lehmschicht beschrieben.
12 Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akten ....Landgericht Freiburg waren beigezogen und
Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.
13 Die Klägerin hat dem umfassend mit Bauplanung und Bauleitung beauftragten Architekten bereits in erster
Instanz den Streit verkündet. Dieser ist auf Klägerseite dem Rechtsstreit beigetreten und inzwischen
verstorben.
II.
14 Die Berufung ist teilweise begründet. Die Klägerin kann den Beklagten aus positiver Vertragsverletzung auf
Schadensersatz in Anspruch nehmen.
15 Die Schadensersatzverpflichtung ergibt sich allerdings nicht aus Fehlern oder einer Unvollständigkeit des
geotechnischen Berichts des Beklagten. Entgegen der Auffassung der Klägerin war es nicht Aufgabe des
Beklagten, im Gutachten die notwendige Aushubtiefe für die Gründung des Bauwerks zu ermitteln. Der in dem
Angebot des Beklagten vom 03.12.1997 umschriebene Aufgabenkatalog enthält insoweit nur die „Festlegung
der Randbedingungen für die Bauwerksgründung und den Baugrubenaushub“. Dazu hat sich der Beklagte unter
Ziffer 4 und 7 seines Geotechnischen Berichts vom 09.12.1997 geäußert. Im übrigen hat der Beklagte unter
Ziffer 9 seines Berichts ausgeführt:
16 „Aufgrund der relativ schwierigen Situation an einem steil geneigten Hang müssen der Baugrubenaushub und
die Gründungsarbeiten geotechnisch betreut werden.“
17 Der Beklagte hat damit erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass die genaue Aushubtiefe erst im Zuge der
Aushubarbeiten an Ort und Stelle bestimmt werden kann. Der Vorwurf des Sachverständigen R. (Gutachten
vom 30.05.2003, S. 21), der Beklagte hätte in schriftlicher Form auf das Erfordernis einer intensiven Betreuung
der Gründungsarbeiten hinweisen müssen, ist deshalb unbegründet. Soweit der Sachverständige beanstandet
hat, dass der Beklagte keine Aufschlussuntersuchungen in dem erfahrungsgemäß gründungstechnisch
besonders kritischen talseitigen Bereich durchgeführt habe (GA S. 11), ist nicht ersichtlich, dass hierdurch ein
Mehr an Erkenntnis gewonnen worden wäre, als durch den am 19.03.1998 in Augenschein genommenen
Aushub erbracht wurde.
18 Die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme hat, dies räumt auch die Klägerin ein, nicht ergeben, dass
der Beklagte bei dem Ortstermin vom 19.03.1998, zu dem er unstreitig hinzugezogen wurde, um die
Gründungsverhältnisse in Augenschein zu nehmen, fehlerhafte Vorschläge gemacht, etwa den erforderlichen
weiteren Aushub auf 2,5 m begrenzt hat. Vielmehr hat der Beklagte vorgeschlagen, weiter auszuheben und
zwar bis zu den unstreitig tragfähigen Tüllinger Süßwasserschichten, die er als helle Lehmschicht bezeichnet
hat. Dabei hat er, wie er im Senatstermin unwidersprochen vorgetragen hat, auf die an der hinteren
Baugrubenwand erkennbaren Tüllinger Schichten hingewiesen, auf die man auch im vorderen Bereich stoßen
müsse.
19 Der Beklagte hat dennoch die ihm im Zusammenhang mit seiner konkludenten Beauftragung zur Begutachtung
der Gründungsverhältnisse am 19.03.1998 obliegenden Pflichten verletzt. Diese Pflichtverletzung sieht der
Senat darin, dass der Beklagte sich auf den nach Sachlage offensichtlich nicht eindeutigen und
unmissverständlichen Hinweis auf die zu erreichende Lehmschicht beschränkt und nicht von sich aus auf die
Erforderlichkeit seiner erneuten Hinzuziehung nach weiterem Aushub zur zweifelsfreien Beurteilung der dann
sichtbar gewordenen Schicht hingewiesen hat. Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin und ihr Architekt
auf einen solchen nachdrücklichen Hinweis des Beklagten diesen erneut hinzugezogen hätten mit der Folge,
dass dann dem Rat des Beklagten folgend tatsächlich bis zu den tragfähigen Tüllinger Schichten ausgehoben
und der spätere Schaden vermieden worden wäre.
20 Der Beklagte kann jedoch mit haftungsmindernder Wirkung die mitwirkende Verantwortung des umfassend mit
Planung und Bauleitung beauftragten Architekten der Klägerin einwenden. Dieser war im Verhältnis zum
Beklagten Erfüllungsgehilfe der Klägerin, weil er Tätigkeiten entfaltet hat, die zur Aufgabe der Klägerin
gehörten, nämlich Bauplanung und Koordinierung. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem der
Entscheidung des BGH vom 10.07.2003 (NJW-RR 2003, 1454) zugrunde liegenden Fall, in dem Fehler eines
Bodengutachtens vom Architekten nicht erkannt wurden und der Architekt insoweit nicht als Erfüllungsgehilfe
des Bauherrn anzusehen war.
21 Im hier zu entscheidenden Fall hatte dagegen die Klägerin durch den von ihr hinzugezogenen Architekten die -
unstreitig zutreffenden, jedoch mangels Festlegung der Gründungstiefe im Zuge des Aushubs noch zu
ergänzenden - Erkenntnisse des Gutachtens des Beklagten umzusetzen und die dort vorgeschlagenen
Maßnahmen zum Gegenstand der Ausführungsplanung zu machen. Dazu gehörte die Vergabe der nach dem
geotechnischen Bericht des Beklagten und ebenso nach Auffassung der im Rechtsstreit herangezogenen
Sachverständigen unbedingt erforderlichen geotechnischen Betreuung an den Beklagten oder einen anderen
Geotechniker. Soweit sich der Architekt stattdessen damit begnügte, den Beklagten zur Besichtigung der
Baugrube um 19.03.1998 hinzuzuziehen und nach weiteren Aushubarbeiten die Anweisung gab, die
Streifenfundamente sofort zu verfüllen, ohne den Beklagten zur nunmehr erreichten Gründungstiefe erneut zu
befragen, war seine Ausführungsplanung fehlerhaft, da sie die nach Sachlage gebotene Überprüfung der noch
nicht zuverlässig festgestellten Tragfähigkeit des Baugrundes unterließ. Die konkrete vor Ort vorhandene
Bodenqualität war maßgebend für die Bestimmung der Gründungstiefe und den Umfang des Aushubs. Die
Überprüfung der Baugrube - nach dem angeordneten weiteren Aushub - zur endgültigen Festlegung der
Gründungstiefe war damit noch Teil der Ausführungsplanung, nicht Teil der Bauaufsicht.
22 Im Hinblick auf die klare Aussage des Beklagten in seinem Bericht vom 19.03.1998 „aufgrund der relativ
schwierigen Situation an einem steil geneigten Hang müssen der Baugrubenaushub und die Gründungsarbeiten
geotechnisch betreut werden“ überwiegt nach der Auffassung des Senats das der Klägerin zuzurechnende
Mitverschulden ihres Architekten das mit einem 1/3 zu bewertende Verschulden des Beklagten. Der Architekt
hätte bereits nach Erhalt des Gutachtens darauf drängen müssen, eine geotechnische Betreuung der
Aushubarbeiten in Auftrag zu geben; darüber hinaus durfte er nicht die Verfüllung der Baugrube anordnen, ohne
den Beklagten zur erneuten Stellungnahme hinzuzuziehen, da er offensichtlich nicht die erforderlichen
Kenntnisse zur Beurteilung der Frage besaß, ob die im hinteren Teil der Baugrube erkennbaren Tüllinger
Süßwasserschichten nach dem angeordneten weiteren Aushub auch im vorderen Bereich erreicht waren.
23 Von dem der Höhe nach unstreitigen Schaden hat der Kläger danach 1/3, mithin 35.000,- EUR zu tragen.
24 Nicht begründet ist der als materieller Schadensersatzanspruch geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der
Kosten des selbständigen Beweisverfahrens. Nach herrschender Rechtsansicht gehören die Kosten des
selbständigen Beweisverfahrens zu den Kosten des Hauptsacheverfahrens, so dass sie von der
Kostenentscheidung des Hauptsacheverfahrens mitumfasst werden. Ein isolierter materiell-rechtlicher
Kostenerstattungsanspruch kann deshalb nur geltend gemacht werden, wenn es nicht zu einem
Hauptsacheprozess kommt (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl., Rdn. 136). Es fehlt deshalb das
Rechtsschutzbedürfnis für eine gesonderte Geltendmachung dieser Kosten im vorliegenden Rechtsstreit.
25 Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 92, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
26 Revisionszulassungsgründe liegen nicht vor.