Urteil des OLG Hamm vom 17.12.2004

OLG Hamm: unternehmen, zeitliche kongruenz, sittenwidrigkeit, hausrat, sozialhilfe, zwangsvollstreckung, abänderungsklage, abrede, rückabtretung, vereitelung

Oberlandesgericht Hamm, 9 U 30/03
Datum:
17.12.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 30/03
Vorinstanz:
Landgericht Hagen, 2 O 117/00
Schlagworte:
Aktivlegitimation, Sozialhilfe, Unterhaltsgläubiger,
Vollstreckungstitel, sittenwidrige Vereitelung, Vollstreckungszugriff,
Schaden
Normen:
§§ 249, 826, 830 Abs. 2 BGB, 3 AufG, 2, 91 Abs. 4 BGB n.F.
Leitsätze:
1.
Die Überleitung von Ansprüchen gegen Schuldner des hilfsbedürftigen
Unterhaltsgläubigers auf den Sozialhilfeträger schließt die
Geltendmachung eigener Schadensersatzansprüche des
Unterhaltsgläubigers und Sozialhilfeempfängers gegen den Schädiger
nicht aus.
2.
Die Beteiligung an einer sittenwidrigen Vereitelung titulierter
Unterhaltsansprüche von Seiten des Titelschuldners führt zur Haftung
aus § 826 BGB; spielt der Titelschuldner sein Erwerbsgeschäft und
Vermögen planmäßig in die Hände seines mit den Umständen
vertrauten Lebenspartners, um der Unterhaltsberechtigten
(geschiedenen Ehefrau) den Vollstreckungszugriff zu vereiteln,
begründet das - jenseits eines möglichen
Gläubigeranfechtungstatbestandes - den Vorwurf der sittenwidrigen
Schädigung nach § 826 BGB.
3.
Der Schadensersatzanspruch kann der Höhe nach auf den Wert des
Vermögens, das dem Vollstreckungszugriff unterlegen hätte, beschränkt
sein, wenn der Schuldner gerade dieses Vermögen hätte liquidieren
müssen, um die Titelansprüche erfüllen zu können.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird – unter Zurückweisung ihres
weitergehenden Rechtsmittels – das am 4. September 2002 verkündete
Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hagen abgeändert.
Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin 97.145,46 € nebst 4 %
Zinsen seit dem 24. März 2000 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin und
die Beklagte jeweils zur Hälfte
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung
i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der
jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor in derselben Höhe Sicherheit
leistet.
Gründe:
1
A.
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Die Klägerin ist Inhaberin mehrerer titulierter Ansprüche gegen ihren früheren Ehemann
C, namentlich auf Zahlung von Unterhalt, Zugewinn- und vertraglichem
Vermögensausgleich sowie Erstattung von Verfahrenskosten aus verschiedenen
Rechtsstreiten. Nachdem sie durch Zwangsvollstreckung in das Grundeigentum des
Schuldners in 1998 nur 50.555,64 DM beitreiben konnte, beliefen sich ihre Forderungen
bei Beginn des vorliegenden Rechtsstreits noch auf eine Gesamthöhe von 237.260,00
DM. Sie nimmt die Beklagte, die jetzige Ehefrau des Schuldners, mit dem Vorwurf der
Beteiligung an dessen vorsätzlicher, sittenwidriger Vollstreckungsvereitelung auf
Schadensersatz in Höhe ihres Forderungsausfalls in Anspruch. Diesen Vorwurf stützt
sie darauf, dass der Schuldner der Beklagten persönliche Wertgegenstände sowie
Hausrat übertrug und ihr Mietzinsansprüche abtrat, vor allem aber darauf, dass er seine
als selbständiger Unternehmer betriebene Gebäudereinigungsfirma sowie jegliche
Erwerbstätigkeit ersatzlos aufgab, während die Beklagte parallel dazu ein eigenes
derartiges Unternehmen aufbaute, was nach den hier gewählten Modalitäten faktisch –
so meint die Klägerin – einer unentgeltlichen Übertragung des Betriebs gleichkomme,
mit dem Ziel, den Schuldner zu Lasten ihrer Befriedigungsmöglichkeiten gänzlich
vermögenslos zu stellen.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten
Instanz wird auf das angefochtene Urteil, mit dem das Landgericht der Klage
vollumfänglich stattgegeben hat, Bezug genommen.
4
Mit der Berufung begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
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I. Sie meint, die Klägerin sei für die Schadensersatzklage nicht aktivlegitimiert, denn die
Rückübertragung der Unterhaltsansprüche durch den Sozialhilfeträger für die Zeit ab
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dem 1.6.1998 sei ohne ausdrückliche Kostenübernahmeerklärung wegen
Nichtbeachtung von § 91 IV S. 2 BSHG n. F. gemäß dem Beschluss des OLG Hamm v.
23.9.97, 7 WF 379/97 nicht wirksam.
II.
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a) Die Schadensersatzklage wegen Vollstreckungsvereitelung unterliege hinsichtlich
der Positionen, die keine Unterhaltsforderungen der Klägerin beinhalten, schon deshalb
der Abweisung, weil die Rechtsprechung des BGH zu § 826 BGB bei
Unterhaltspflichtverletzung insoweit nicht anwendbar sei. Die Beklagte bestreitet
weiterhin, dass der Ehemann sich durch eine Reihe planmäßiger, in sich
zusammenhängender Maßnahmen seines gesamten greifbaren Vermögens entäußert
und ihr als einer in den Plan eingeweihten Dritten mit dem Ziel zugewendet habe, den
Zugriff der Klägerin aufgrund deren Unterhaltsforderungen zu vereiteln und jene so der
Sozialhilfe zu überantworten. Die vom Landgericht hierfür herangezogenen Indizien
trügen dessen anderslautende Feststellung nicht:
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1. Die Klägerin sei aufgrund ihres – z. T. gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten G,
ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter – schon seit 1996 gehaltenen
Immobilienvermögens nicht mittellos i. S. d. Sozialhilferechts. Darüber hinaus sei sie
durch das eheähnliche Zusammenleben mit dem ausreichend leistungsfähigen Zeugen
G versorgt.
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2. Da die Aufgabe des Reinigungsunternehmens durch den Schuldner auf dessen –
vom Landgericht fehlerhaft übergangener – Erkrankung beruht habe, könne die von §
826 BGB vorausgesetzte "Art und Weise des Vorgehens" nicht vorliegen. Der –
angebliche – Versuch, speziell Unterhaltsforderungen der Klägerin zu beeinträchtigen,
begründe keine besonderen Umstände i. S. d. Rechtsprechung.
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3. Die Beklagte habe weder die gesamten Vermögensverhältnisse des Schuldners noch
die Einzelheiten der Scheidungsvereinbarung vom 19.12.1994 gekannt. Gerade ihre
vom Landgericht dafür herangezogene Anhörung rechtfertige dessen anderslautende
Feststellung nicht. Der Schenkungsvertrag vom 21.2.1997 sei auf Rechtsrat des
beurkundenden Notars ( zur Vermeidung eines sittenwidrigen Geliebtentestaments ) so
geschlossen worden und habe nur der Absicherung der seinerzeit mit dem Schuldner
noch nicht verheirateten Beklagten gedient; Zeugnis Dieter C. Die Klägerin würde durch
eine Vollstreckungszugriff auf den übertragenen Hausrat keinen Erlös erzielt haben,
während andererseits die Neuanschaffungskosten für Hausrat in keiner Relation zum
Wertverlust auch nur kurzfristig gebrauchten Hausrates stünden.
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4. Auch weitere vom Landgericht herangezogene Indizien trügen dessen
Schlussfolgerung auf ihre Schädigungsabsicht gegenüber der Klägerin nicht. So sei die
Einstellung des Gewerbes des Schuldners nicht erst parallel zur Vorlage des
Sachverständigengutachtens E zum Unternehmenswert im
Scheidungsverbundverfahren – am 19.12.1997 nach Beweisbeschluss vom 16.9.97 –
erfolgt, sondern nach schon Ende 1996 begonnener Abwicklung bereits zum 31.3.1997.
Zu diesem Termin habe nämlich auch bereits der Schuldner seinen Mitarbeitern
gekündigt gehabt. Da nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils die
Beklagte mit ihrem Unternehmen bereits in 1996 beträchtliche, ihren Lebensunterhalt
sichernde Gewinne erzielt habe, könne die Schädigung der Klägerin nicht das Ziel ihrer
Umsatzsteigerung durch Werbung der vormaligen Kunden des Schuldners und
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Neueinstellung eines Teils der von jenem entlassenen Mitarbeiter gewesen sein. Erst
recht lasse sich diesem ökonomischen Verhalten keine planmäßige Teilnahme an einer
unerlaubten Handlung ihres Lebensgefährten zwecks Vermögensverschiebung zum
Nachteil der Klägerin und eigenem finanziellen Vorteil entnehmen.
b) Ebenso sei die Folgerung des Landgerichts, der Schuldner habe seinen
Gewerbebetrieb nur pro forma aufgegeben, aus den S. 13 ff des angefochtenen Urteils
herangezogenen Indizien nicht gerechtfertigt:
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1. Die Neueinstellung von fünf durch den Schuldner gekündigten Mitarbeitern seines
alten Betriebs durch die Beklagte ( bei schließlich insgesamt 24 Mitarbeitern ) sei vor
dem Hintergrund ihrer Umsatzausweitung und des Wettbewerbsdrucks allein
ökonomisch verständlich, ebenso die Fortsetzung des alten Telefon- und
Telefaxanschlusses sowie die Beibehaltung des alten Konzessionsträgers und
Steuerberaters und der Geschäftsräume. Die Geschäftsbriefbögen seien dagegen nicht
mit dem alten Firmenlogo versehen gewesen.
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2. Die Gewinnung alter Kunden des Schuldners für das Unternehmen der Beklagten
beruhe nicht auf einer Betriebsübernahme, nicht einmal auf einem
Informationsvorsprung, sondern auf eigener konkurrenzfähiger Bewerbung um diese
Kunden im harten Wettbewerb nur aufgrund der für diese unterbreiteten günstigeren
Konditionen. Dies ergebe sich auch aus der Aussage des Zeugen T.
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III.
16
Der Unterhaltsanspruch der Klägerin sei wegen des eheähnlichen Zusammenlebens
mit dem Zeugen G verwirkt. Dies sei Gegenstand der vom Schuldner erhobenen
Vollstreckungsgegenklage ( 12 UF 159/01 ), hinsichtlich derer das Vorbringen der
Berufungsbegründung vom 2.11.2002 in Bezug genommen werde. Die Beklagte könne
angesichts des 1996 gemeinsam mit G erworbenen und bewohnten Immobilienbesitzes
der Klägerin dieser nicht in weiterem Umfang für angeblichen Schaden verantwortlich
sein als der angebliche Haupttäter /Schuldner selbst.
17
IV.
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a) Das angefochtene Urteil verkenne, dass der Ehemann nicht gleichzeitig
Zugewinnausgleich, der den Wert seines zur Erfüllung des Anspruchs notwendig zu
veräußernden Unternehmens einbezieht, und Unterhalt auf der Grundlage seiner
Leistungsfähigkeit aus den Erträgen eben dieses Unternehmens schulden könne. Der
von der Klägerin erstrittene Zugewinnausgleichstitel sei daher materiell unrichtig; ein
Zugewinnausgleichsanspruch habe nicht bestanden. Der falsche Titel könne entgegen
der Auffassung des Landgerichts keinen Schadensersatzanspruch gegen sie, Beklagte
als Ehefrau des Schuldners begründen.
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b) 1. Selbst wenn die der Beklagten und dem Schuldner vorgeworfenen schädigenden
Übertragungshandlungen unterblieben wären, hätte die Klägerin ihre Forderungen
gegen den Schuldner nicht, jedenfalls nicht über die Gesamtsumme von 186.545 DM
– dem nach dem Sachverständigengutachten E dem Schuldner verbleibenden
Verkaufserlös aus der fiktiven Veräußerung seines Unternehmens – hinaus,
durchsetzen können. Der Schuldner würde auch dann die Verbindlichkeiten, die nicht
auf der Unterhalts- und der Zugewinnausgleichsverpflichtung beruhen, nicht erfüllt
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haben. Die Verbindlichkeiten aus Zugewinnausgleich, Unterhalt und Restabfindung
wären allenfalls in Gesamthöhe der vorgenannten 186.545 DM ( abzgl. zwischenzeitlich
erhaltener 30.100 € ) zu befriedigen gewesen. Nach der Scheidungsfolgenvereinbarung
vom 19.12.1994 sei ein Zugewinnausgleichsanspruch bei gleichzeitigem
Unterhaltsanspruch der Klägerin ausgeschlossen, denn die Einnahmen des Schuldners
aus dem ihm ungeschmälert verbleibenden Unternehmen seien zur Grundlage seiner
unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit gemacht worden. Der zur Befriedigung einer
Zugewinnausgleichsforderung notwendige Verkauf des Unternehmens hätte dem
Schuldner die Basis für die Erzielung des mit monatlich 5.000 DM netto angenommenen
Einkommens genommen.
2. Im Übrigen habe das Landgericht hinsichtlich der angeblich vereitelten
Unterhaltsansprüche fehlerhaft übergangen, dass der Schuldner auch ohne die
vermeintlich schädigenden Übertragungen sein Reinigungsunternehmen aus
gesundheitlichen Gründen in jedem Fall hätte aufgeben müssen. Dessen dauerhafte
Erwerbsunfähigkeit ob der sich zunehmend verschlimmernden Erkrankung des
gesamten Haltungs- und Bewegungsapparates, wie schon erstinstanzlich durch
Sachverständigengutachten und Zeugnis des Orthopäden Z1 unter Beweis gestellt,
habe dem Ehemann eine auch nur geringste Arbeitsbelastung verboten. Bei fiktiver
Fortsetzung seiner unternehmerischen Tätigkeit würde der Schuldner aufgrund seiner
gesundheitlichen Beeinträchtigungen jedenfalls einen weiteren kaufmännischen
Mitarbeiter mit Kosten von 80.000 DM jährlich eingestellt haben müssen. Das danach
allenfalls verbleibende Bruttoeinkommen von jährlich 60.000 DM hätte die
Unterhaltslast von monatlich 2.000 DM bzw. 2.450 DM nicht gerechtfertigt. Noch
weniger hätten die für die Zeit von November 1997 bis März 2.000 mit der Klage geltend
gemachten Rückstände i. H. v. 237.261,99 DM daraus und aus dem der Beklagten
übertragenen, für die Vollstreckung wertlosen Hausrat befriedigt werden können.
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c) Schließlich habe das Landgericht auch bei der Prüfung der Schadenshöhe den
Vortrag der Beklagten hinsichtlich der fehlenden Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin
nicht beachtet. Der angeblichen Unterhaltsbedürftigkeit stünden zurechenbare Einkünfte
aus der Versorgung des Zeugen G – so schon das Urteil des 12. Familiensenats des
OLG Hamm vom 17.11.1999 mit fiktiven 300 DM monatlich – sowie erzielbare Zinsen
aus dem Zugewinnausgleich und der Abfindung des Hausmiteigentums entgegen.
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Die Beklagte beantragt,
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abändernd die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Erledigung des Rechtsstreits festzustellen in Höhe eines gezahlten Betrages
von 25.564 € zzgl. 4 % Zinsen seit dem 7. August 1998 und soweit ab November
2000 mehr als monatlich 548,00 € sowie für die Zeit ab 1. Mai 2004 mehr als
278,00 € geltend gemacht worden sind,
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und im Übrigen die Berufung zurückzuweisen.
27
I. Den Erledigungserklärungen liegt folgendes Geschehen zugrunde: a) Der Schuldner
hatte seinen Scheidungsanwalt wegen schuldhaft misslungener Abwehr des
Zugewinnausgleichsanspruchs im Scheidungsverbundverfahren später auf
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Schadensersatz in Anspruch genommen; auf den insoweit durch Prozessvergleich vom
18.12.2002 titulierten Freistellungsanspruch in Höhe von 50.000 DM ( = 25.564 € ) zzgl.
Zinsen hatte die Klägerin zugegriffen und aus der Vollstreckung bzw. der Freigabe
dieses dem Schuldner erwachsenen Freistellungsanspruchs insgesamt 30.100,71 €
erlangt.
b) Auf die Vollstreckungsgegenklage des Schuldners hat der 12. Familiensenat des
OLG Hamm mit rechtskräftigem Urteil vom 17. September 2004 – 12 UF 159/01 – den
Unterhaltstitel der Klägerin teilweise abgeändert und deren Unterhaltsanspruch auf
monatlich 548 € ab dem 1. November 2000 und weiter auf 278 € monatlich ab dem 1.
Mai 2004 gekürzt.
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II. Im Übrigen verteidigt die Klägerin das landgerichtliche Urteil und hält an ihrem
erstinstanzlichen Vorbringen fest.
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a) Hinsichtlich der behaupteten planmäßigen Verschiebung des Schuldnervermögens
auf die Beklagte stützt sie sich auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 17.11.99
des hiesigen 12. Familiensenats, mit dem die erste Abänderungsklage des Schuldners
bezüglich seiner Unterhaltsverpflichtung ( 5 F 253/97 AG Lüdenscheid = 12 UF 156/98
OLG Hamm ) mit eben der Begründung, dass er sich durch mutwillige Überleitung
seines Reinigungsbetriebs vorwerfbar gezielt leistungsunfähig gemacht habe,
abgewiesen blieb.
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Auch der Schenkungsvertrag vom 23.9.97 zwischen dem Schuldner und der Beklagten,
die keinerlei Sicherungsbedürfnisse gehabt habe, sei nur durch die Absicht der
Vertragspartner, Vollstreckungsmaßnahmen seitens der Klägerin zu vereiteln, motiviert.
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b ) Die Vermögensverschiebungen seien ursächlich für ihren Schaden. Der Schuldner
hätte sein Reinigungsunternehmen nicht verkaufen müssen, um den
Unterhaltsanspruch der Klägerin erfüllen zu können.
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c) Zur Anspruchshöhe: Sie, die Klägerin, habe ihren Anspruch auf nachehelichen
Unterhalt nicht verwirkt. Der Vorwurf der Berufung, sie habe wahrheitswidrig ihr
Immobilienvermögen verschwiegen, gehe fehl, weil sie ihren 1/4-Miteigentumsanteil an
dem mit 510 TDM voll finanzierten Haus F-Straße in I dem Sozialamt mitgeteilt habe,
diese Umstände auch unterhaltsrechtlich nicht relevant seien.
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Der Zeuge G habe in dem unterhaltsrechtlichen Abänderungsverfahren bei seiner
Vernehmung vor dem 12. FS am 24.3.04 wahrheitsgemäß bestätigt, dass er erst seit
Ende Oktober 1998 mit der Klägerin in eheähnlicher Gemeinschaft zusammenwohne.
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Die ihr zugerechneten Einkünfte von 300 DM aus der Versorgung Flataus seien im
( ersten ) familiengerichtlichen Abänderungsverfahren zutreffend auf ihren
Unterhaltsanspruch nicht angerechnet, weil dieser Anspruch hilfsweise mit dem
weiteren auf Altersvorsorgeunterhalt aufgefüllt worden sei.
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Zinsen aus Zugewinnausgleich und Immobilienvermögensausgleich seien mangels
Zahlung der Grundbeträge nicht erzielt, im Übrigen nach der
Scheidungsfolgenvereinbarung vom 19.12.1994 auch nicht auf den Unterhaltsanspruch
anzurechnen.
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Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
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Die Akten des Rechtstreite 12 UF 159/01; 12 UF 156/98; 12 UF 395/96 jeweils OLG
Hamm sind zur Ergänzung des Parteivorbringens Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen.
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B.
40
Die Berufung der Beklagten bleibt erfolglos, soweit sie ihre Schadensersatzpflicht dem
Grunde nach in Abrede stellt ( I. ); sie ist jedoch mit dem Angriff gegen die
Anspruchshöhe teilweise begründet und führt zur Klageabweisung soweit die Klägerin
Schadensersatz über den Wert des vom Schuldner weggegebenen Vermögens hinaus
verlangt ( II. ).
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I.
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a) Zu Unrecht stellt die Beklagte die Anspruchsberechtigung der Klägerin mit dem
Einwand der Unwirksamkeit der mit dem Sozialhilfeträger vereinbarten Rückabtretung
unter Berufung auf den Beschluss des hiesigen 7. Familiensenats, Az. 7 WF 379/97,
veröffentlicht in FamRZ 1998, 174, in Abrede. § 91 BSHG ist vorliegend nicht
einschlägig. Die Klägerin macht nicht Unterhaltsansprüche geltend, die allein nach der
genannten Vorschrift auf den Sozialhilfeträger hätten übergegangen sein können,
sondern Schadensersatzansprüche, für deren gesetzlichen Übergang § 116 SGB X die
Rechtsgrundlage wäre. Insoweit bestehende Bedenken gegen den Anspruchsübergang
im Hinblick auf die erforderliche qualitative und zeitliche Kongruenz zwischen dem
zugefügten generellen Vermögensschaden und der Hilfe zum geleisteten
Lebensunterhalt können dahinstehen, weil sich die Anspruchsberechtigung der Klägerin
selbst bei unwirksamer Rückabtretung jedenfalls aus dem Grundsatz des Nachrangs
der Sozialhilfe ergäbe, dem in Verbindung mit dem Zusammenspiel des § 116 SGB X
mit § 2 BSHG die Ermächtigung des Geschädigten zu entnehmen ist, nach dem
Rechtsübergang auf den Sozialhilfeträger zur Vermeidung der Hilfsbedürftigkeit die
Ersatzleistung im eigenen Namen vom Schädiger einzufordern; so BGH NJW 1996,
726. Im vorliegenden Fall war zwar die Hilfsbedürftigkeit der Klägerin bereits
eingetreten, der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe gebietet es jedoch auch hier,
den Geschädigten seinen Ersatzanspruch im eigenen Namen verfolgen zu lassen mit
der Möglichkeit des Ausgleichs der Rückgewähr evtl. zuviel bezogener Sozialhilfe im
Innenverhältnis zum Sozialhilfeträger.
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Darüber hinaus ist die mit dem Sozialamt vereinbarte Inkassozession vom 30.10.00
ergänzend dahin auszulegen, dass sie auch vormals auf den Sozialhilfeträger
übergeleitete oder gesetzlich übergegangene Schadensersatzansprüche mit umfasst.
Sie ist selbst dann ohne ausdrückliche Vereinbarung der Übernahme der
Prozesskosten durch den Sozialhilfeträger wirksam ist. Den zu § 91 BSHG ergangenen
Beschluss des hiesigen 7. Familiensenats hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom
22.9.99 in NJW 2000, 812/3 ausdrücklich verworfen und erkannt, die Verpflichtung des
Leistungsträgers ( zur Kostenübernahme ) ergebe sich als Folge der Rückabtretung
unmittelbar aus der analog anwendbaren Regelung des Bundessozialhilfegesetzes und
brauche deshalb in der Abtretungsvereinbarung nicht mehr wiederholt zu werden.
Soweit § 116 SGB X in Frage steht, wäre die genannte BGH-Entscheidung darauf zu
übertragen und ergäbe sich die Verpflichtung zur Kostenübernahme auch hier
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unmittelbar aus der analogen Anwendung von § 91 IV BSHG.
b) Gesetzliche Grundlage des Schadensersatzanspruchs der Klägerin ist § 826 BGB
Die dafür erforderlichen Umstände in der schädigenden Handlung, die den Vorwurf der
Sittenwidrigkeit begründen, hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt.
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1. Bei dieser Bewertung der Schädigungshandlung ist nicht allein auf die Beklagte
abzustellen, sondern es genügt – was die Berufung in ihrer Argumentation wiederholt
verkennt – eine die vorsätzlich sittenwidrige Schädigung bewirkende Handlung in der
Person des Ehemannes/Schuldners, an der die Beklagte sich nur ihrerseits vorsätzlich
beteiligt hat i. S. v. § 830 II BGB, z. B. durch Beihilfe; vgl. schon BGH vom 3.2.1954 in
LM Nr. 2 zu § 826 (Ge) BGB. Insoweit ist es seit dem Urteil des Reichsgerichts vom
19.9.1910 ( RGZ 74, 224 ) gefestigte, zuletzt durch BGH NJW 2000,3138 bestätigte,
höchstrichterliche Rechtsprechung, dass allein der anfechtungsrechtlich relevante
Vorsatz des Schuldners, durch sein Verhalten seine Gläubiger zu benachteiligen und
die Kenntnis des anderen Teils davon noch nicht ausreichen, eine
Schadensersatzpflicht nach § 826 BGB auszulösen. Nur auf diese Weise
gekennzeichnete Sachverhalte werden durch § 3 AnfG abschließend mit der für diesen
Tatbestand ausschließlich gewollten Rechtsfolge der Anfechtbarkeit erfasst; RG a. a. O..
Um darüber hinaus § 826 BGB zur Anwendung kommen zu lassen, bedarf es des
Hinzutretens weiterer, den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründender Umstände, die
hier vorliegen. 2. Allerdings trägt der noch vom Reichsgericht a.a.O. herangezogene
Gesichtspunkt, dass der Schuldner speziell Unterhaltsansprüche vereitelt hat, die sich
auf eine nachwirkende familienrechtliche Bindung zum Gläubiger gründen, den Vorwurf
der Sittenwidrigkeit nicht ( so BGH vom 2.7.1958 in WM 58, 1278 und vom 26.1.1973 in
NJW 1973, 513 ), die dazu erforderliche besondere Verwerflichkeit muss vielmehr in der
Art und Weise des Vorgehens und in der Folge völliger Erwerbs- und
Vermögenslosigkeit des Schuldners begründet sein; BGH, Urteil vom 3.2.1954 (a. a. O.).
3. Die danach – neben der genannten Folge – maßgeblichen, in der Art und Weise des
Vorgehens liegenden Umstände sieht die höchstrichterliche Rechtsprechung, der auch
das OLG Oldenburg in seinem Urteil vom 12.3.1996, Az. 9 U 94/95, folgt, seit der
Reichsgerichtsentscheidung von 1910 a. a. O. darin, dass "der Unterhaltsschuldner
durch eine Reihe planmäßiger, in sich zusammenhängender Maßnahmen seine
Erwerbstätigkeit aufgibt, sich seines gesamten greifbaren Vermögens entäußert und es
einem mit dem Sachverhalt vertrauten Dritten zuwendet, um auf diesem Weg der
(geschiedenen) Ehefrau den Zugriff wegen ihres Unterhaltsanspruchs zu vereiteln";
BGH NJW 1973, 513 m. w. N.
46
4. Ein planmäßiges Vorgehen dieser Art ist im vorliegenden Fall gegeben: 4.1 Die
zusammenhängende Reihe der – mit der Beklagten koordinierten – Maßnahmen des
Schuldners begann mit der Anmeldung des Reinigungsbetriebs der Beklagten am
22.1.1996, dessen Umsatzerlöse von 81.508 DM in diesem Jahr ( Bl.247 Anlagenband )
über 371.696,00 DM in 1997 ( Bl. 66 GA ) auf 522.689 DM in 1998
( Bl.256 Anlagenband ) kletterten, während der Umsatz des Schuldners von 453.588 DM
in 1995 ( Bl.62 Anlagenband ) über 333.195,00 DM in 1996 ( Bl. 66 GA ) auf 61.396 DM
während der ersten drei Monate in 1997 (Bl. 185 GA) bis zur Geschäftsaufgabe sank.
Der Schuldner ließ so seinen Betrieb nach und nach zum Erliegen kommen, während
die Beklagte von ihm entlassene Mitarbeiter übernahm sowie Kunden, bei denen sich
zwar mit einem Angebot bewerben musste, einen maßgeblichen Wettbewerbsvorteil
aber allein dadurch hatte, dass sie Zugang zu den Vertragspreisen ihres Vorgängers,
des Schuldners, hatte, von diesem als "Nachfolgeunternehmen" vorgeschlagen wurde (
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Aussage des Zeugen T ) und die Aufträge mit übernommenen Mitarbeitern
(einschließlich zunächst des Schuldners) ausführen konnte, die die Gegebenheiten bei
dem Kunden schon kannten. 4.2 Dass dies nicht nur parallele Ereignisse waren, wie sie
als Zuwachs jedes beliebigen Konkurrenten bei Ausscheiden eines Marktteilnehmers
zu erwarten sind, belegt neben den umgekehrt proportionalen Umsatzerlösen beider
Unternehmen plastisch der Umstand, dass die Beklagte "ihren" Betrieb unter der
Geschäftsadresse des Schuldnerunternehmens, mit deren Telefon- und Faxnummer,
dessen Firmenlogo auf dem Briefkopf und demselben Konzessionsträger führte. Das
Vorliegen einer faktischen Betriebsübertragung haben auch schon das landgerichtliche
Urteil und bereits das – vorgetragene – Urteil des 12. Familiensenats vom 17.11.99 in
dem ersten Abänderungsrechtsstreit 12 UF 156/98 gegenüber dem Schuldner
festgestellt. Dem schließt sich der Senat an. Die Beklagte hat nichts Durchgreifendes
dagegen setzen können. 4.3 Dass – entgegen der Annahme des Landgerichts, die die
Berufung als ungenau rügt – die Einstellung des Gewerbebetriebes durch den
Schuldner nicht erst parallel zur Vorlage des Sachverständigengutachtens Deitmer im
Scheidungsverfahren, sondern schon ca. sechs Monate vorher erfolgt ist, ist
unerheblich. Die Klage auf Zugewinnausgleich war im Verbundverfahren schon vorher
anhängig, weshalb der Schuldner bereits Anfang 1997 mit einer entsprechenden
Zahlungspflicht über den vereinbarten Unterhalt und sonstigen Vermögensausgleich
hinaus rechnen musste. 4.4 Weitere erhebliche, von der Berufung nicht einmal mehr
bestrittene "Maßnahmen" liegen darin, dass der Schuldner – ohne Entgelt – in dem
Betrieb seiner nunmehrigen Ehefrau sowohl mit Hilfsdiensten als auch mit
Leitungsfunktionen mitarbeitet, wie es aus den Aussagen der Zeugen C und besonders
Undine Richter deutlich wird. Für die Zeugin war er der "Chef". 4.5 In den Gesamtplan,
sich zu Lasten der Ansprüche der Klägerin völlig vermögenslos zu machen, fügen sich
weitere Vermögensübertragungen des Schuldners nahtlos ein. Unter dem 21.2.1997
erfolgt die notarielle Schenkung von Hausrat, Schmuck und Wertgegenständen an die
Beklagte, die mit deren angeblichem Sicherungsbedürfnis nicht nachvollziehbar zu
erklären ist. Zum einen nennt die Vertragsurkunde nicht das Motiv der Sicherung,
sondern der Belohnung für haushälterische Dienste, die im Rahmen einer bestehenden
Lebens- und Unterhaltsgemeinschaft insbesondere bei bestehender Absicht der
Eheschließung herkömmlicherweise nicht gesondert entlohnt zu werden pflegen. Vor
allem aber gab der formale Eigentumserwerb der Beklagten keine Sicherung, weil sie
die Gegenstände nicht ohne Zustimmung des Schenkers veräußern durfte und bei
Beendigung der Lebensgemeinschaft zurück übertragen musste. Gerade die
dahingehende Klausel in § 3 des Schenkungsvertrags zeigt, dass es dem Schuldner nur
darum ging, bestimmte Vermögensgegenstände dem Vollstreckungszugriff der Klägerin
zu entziehen, sich aber deren Nutzen und Verfügbarkeit zu erhalten. Dass die Liste der
Schenkungsobjekte auch angeblich wertlosen und für eine Vollstreckung
uninteressanten Hausrat enthält, steht diesem Gesamtbild nicht entgegen. Hier mag
übergroße Angst vor der Gläubigerin oder Verschleierungsabsicht wirksam geworden
sein; eine "leihweise" Schenkung solcher geringwertiger Güter an die Beklagte machte
aber jedenfalls auch für deren vorgegebene Entlohnung oder Sicherung keinen Sinn.
Seiner letzten nennenswerten Vermögensgegenstände hat sich der Schuldner
– nachdem sein Grundeigentum über Wert belastet war und Bank- und
Versicherungsguthaben, die nach der Scheidungsvereinbarung zugunsten der Klägerin
bei Rechtskraft der Scheidung hätten ausgeglichen werden müssen, von ihm
anderweitig verbraucht waren – dann begeben, indem er die Ansprüche auf
Mieteinnahmen aus seinem Hauseigentum der Beklagten am 15.4.1998 abtrat.
5. Das Ergebnis der völligen Erwerbs- und Vermögenslosigkeit des Schuldners aus der
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Gesamtheit seiner Maßnahmen liegt auf der Hand und wird von der Beklagten auch
nicht in Abrede gestellt. Es hat die vom Schuldner gewollte Folge, dass die Klägerin für
ihre titulierten Ansprüche beim Schuldner keine Befriedigung finden kann. Der vom
Landgericht für die Begründung der Sittenwidrigkeit mit herangezogene Umstand, dass
die Klägerin so der Sozialhilfe anheim fiel, ist für das Eingreifen von § 826 BGB
unerheblich. Auf die dagegen von der Berufung mit der Behauptung, die Klägerin habe
die Sozialhilfeleistungen durch Verschweigen von Immobilienbesitz und
Unterhaltsgemeinschaft mit G erschlichen, geführten Angriffe kommt es deshalb nicht
an.
6. Die Bewertung des Verhaltens des Schuldners als sittenwidrig hält gegenüber dem
Einwand der Beklagten, jener habe triftige gesundheitliche Gründe für die Aufgabe
seines Gebäudereinigungsunternehmens gehabt, aus zwei Gründen stand:
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6.1 Der – zwar durch die Tatsache der Zuerkennung einer EU-Rente erhärtete –
Einwand ist gleichwohl selbst ohne zeugenschaftliche Vernehmung des behandelnden
Orthopäden Z1 und Einholung des schon erstinstanzlich beantragten
Sachverständigengutachtens nicht stichhaltig, weil der angebliche degenerative
"Verschleiß des gesamten Halte- und Bewegungsapparates" (Bl. 173 GA) den
Schuldner nicht hindern konnte, in der von der Zeugin S und auch dem Zeugen M. C
geschilderten Weise in dem Betrieb der Beklagten mitzuarbeiten. Dann hätte er den
Betrieb auch selbst fortführen können, denn als Chef hätte er überwiegend
Leitungsfunktionen zu erfüllen gehabt, die eine nennenswerte körperliche Belastung
nicht verursachten. Beschränkte körperliche Hilfstätigkeiten konnte er offenbar auch im
Betrieb der Beklagten – wie von dieser Bl. 82 R GA eingeräumt und von den
vorgenannten Zeugen beobachtet – ausführen. Mehr brauchte es nicht.
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6.2 Selbst wenn man der Beklagten darin folgt, der Schuldner hätte seinen Betrieb aus
zwingenden gesundheitlichen Gründen aufgegeben, begründet schon der Umstand,
dass er dies – zu Gunsten seiner neuen Lebensgefährtin – tat, ohne einen marktgerecht
zu erzielenden, erheblichen Kaufpreis zu erlösen, im Zusammenhang aller vom
Schuldner und der Beklagten getroffenen Maßnahmen hinlänglich den Vorwurf
sittenwidrigen Verhaltens zu Lasten der Klägerin. Ein gesundheitlich begründetes,
zusätzliches Motiv entlastet den Schuldner nicht von dem Tadel, sich durch die Art und
Weise der Betriebsaufgabe, nämlich ohne den Versuch einen beachtlichen
Verkaufserlös für den von dem Sachverständigen Deitmer mit 260.000 DM geschätzten
Unternehmenswert ( Bl. 205 GA ) zu erzielen, zu Lasten der Klägerin arm und
erwerbslos gemacht zu haben. Die Verlagerung des Sittenwidrigkeitsurteils
schwergewichtig auf den Vorwurf, das Unternehmen ohne Verkaufserlös aufgegeben zu
haben, bleibt ohne Einfluss auf die Bemessung des ohnehin nur begrenzt zu
ersetzenden Schadens, wie unten II. b) zu zeigen sein wird.
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7. Die Vertrautheit der Beklagten mit den die Sittenwidrigkeit begründenden Umständen
im Handeln des Schuldners drängt sich schon aus der persönlichen Verbundenheit zu
ihm und der notwendigen teilweisen Teilnahme an den Maßnahmen, namentlich in
Form ihrer Gewerbeanmeldung auf. Überdies hat sie bei ihrer Anhörung vor der
Kammer (Bl. 83 GA) eingeräumt, von ihrem Mann bzw. damaligen Lebensgefährten
jedenfalls im Groben über dessen ehevertraglichen Vereinbarungen mit der Klägerin
informiert worden zu sein. Dass sie dies durch die Lebensgemeinschaft mit dem
Schuldner in einer Wohnung "unweigerlich mitbekommen hat" – so ihre Einlassung –
rechtfertigt den Schluss, dass sie über alle diesbezüglichen Pläne des Schuldners
52
informiert war, zumal ihr nicht entgangen sein konnte, dass auf diese Weise der
Unterhalt für ihre neue Ehe sichergestellt wurde.
II. Der Schaden der Klägerin besteht darin, dass sie ihre titulierten Forderungen gegen
den Schuldner nicht vollstrecken kann.
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a) Insoweit kann die Beklagte mit all ihren Einwänden gegen das Bestehen der
rechtskräftig titulierten Ansprüche der Klägerin gegen den Schuldner nicht durchdringen.
Zwar besteht insofern keine formelle Rechtskraftwirkung aus jenen Titeln im Verhältnis
zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits. Es besteht jedoch hier ebenso
wie bei der Gläubigeranfechtung ein Gleichlauf der Einwendungsbefugnisse von
Anfechtungsgegner und Schuldner. Die Konstellation der Parteien und ihrer rechtlichen
Interessen im Schadensersatzprozess des Gläubigers gegen den Empfänger
übertragener Vermögensteile wegen Vereitelung seiner Vollstreckungsmöglichkeiten
beim Schuldner ist der des Anfechtungsgläubigers, der wegen der
Vermögensübertragung den Anspruch aus § 11 AnfG auf Duldung der
Zwangsvollstreckung verfolgt, im hier maßgeblichen Kern gleichartig. Nachdem der
Anspruch des Gläubigers gegenüber dem Schuldner rechtskräftig zuerkannt bzw. durch
Vergleich oder notarielle Urkunde tituliert ist, stellt er eine Rechtsposition dar, die
insoweit auch gegenüber Dritten geschützt ist. Im Anfechtungsprozess kann aber der
Anfechtungsgegner gegen den Anspruch des Gläubigers nur die Einwendungen
geltend machen, die der Schuldner selbst noch vorbringen kann, vgl. BGH NJW 1999,
641 für den Fall der Titulierung durch Prozessvergleich. Eine nachträgliche
Veränderung der tatsächlichen Voraussetzungen auch durch Urteil titulierter Ansprüche
kann dementsprechend der Anfechtungsgegner oder Gegner eines gleichartigen
Schadensersatzanspruchs nur insoweit geltend machen, wie der Schuldner selbst damit
im Wege einer Abänderungsklage gehört würde. Im vorliegenden Fall sind indes gerade
die hier von der Beklagten vorgebrachten Einwendungen gegen das Bestehen der
titulierten Unterhaltsansprüche der Klägerin schon zweimal Gegenstand einer
Abänderungsklage des Schuldners gewesen und zuletzt mit dem Berufungsurteil vom
17.9.2004 im Verfahren 12 UF 159/01 OLG Hamm beschieden worden. Der danach
verbliebene Umfang der Titulierung bestimmt zunächst auch den
Schadensersatzanspruch der Klägerin aus dem Verlust ihrer Vollstreckungsmöglichkeit.
Die übrigen, ihrem Schadensersatzanspruch zugrundegelegten Ansprüche gegen den
Schuldner sind ohnehin aufgrund der insoweit bestehenden Rechtskraft der Titel der
Geltendmachung jedweder Einwendung des Schuldners entzogen. Das gilt hier
namentlich für die Angriffe der Beklagten gegen den im Scheidungsverbundurteil der
Klägerin zugesprochenen Anspruch auf Zugewinnausgleich, der den Hauptanteil ihrer
Schadensersatzforderung ausfüllt. Das Scheidungsverbundurteil mag womöglich in
diesem Punkt unrichtig sein, weil es der Klägerin einen aus dem Vermögen des
Reinigungsbetriebs des Ehemannes resultierenden Zugewinnausgleich zuerkennt,
obwohl das – ungeschmälerte – Nettoeinkommen aus der selbständigen Tätigkeit in
diesem Betrieb in der notariellen Scheidungsvereinbarung vom 19.12.1994
ausdrücklich zur Grundlage für die Bemessung der von der Klägerin seither reklamierten
Unterhaltsansprüche gemacht und nur die Verteilung des übrigen Vermögens geregelt
worden ist. Ob in der zweifachen Teilhabe der Klägerin an dem Unternehmenswert,
nämlich sowohl unterhaltsrechtlich durch die Vereinbarung vom 19.12.1994 als auch
güterrechtlich durch das Scheidungsverbundurteil, ein Verstoß gegen den vom BGH
vertretenen familienrechtlichen Grundsatz, dass ein güterrechtlicher Ausgleich nicht
stattzufinden hat, soweit eine Vermögensposition bereits auf andere Weise, z. B.
unterhaltsrechtlich ausgeglichen wird ( so zuletzt BGH NJW 2004, 2675 für den Fall
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einer in die Unterhaltsberechnung einbezogenen Arbeitnehmerabfindung ) liegt, kann
aber dahinstehen. Die Familiengerichte haben der Klägerin sowohl Zugewinn als auch
– davon unbeeinflussten – Unterhalt rechtskräftig zuerkannt, so dass die Beklagte
derartige Einwendungen gegen die titulierten Ansprüche nicht mehr erheben kann.
b) Im Ergebnis richtig ist dagegen die Auffassung der Beklagten, der
Schadensersatzanspruch der Klägerin sei durch den Betrag des Unternehmenswertes
von ( lt. Gutachten E Bl. 205 GA ) 186.545 DM begrenzt, den der Schuldner bei einer
Veräußerung seines Betriebes nach Steuern hätte erzielen können, weil der Klägerin
allenfalls dieser Wert für eine Zwangsvollstreckung hätte dienen können. Hierzu ist
jedoch noch der Wert der unter dem 21.2.1997 der Beklagten geschenkten
Gegenstände, soweit sie beim Schuldner pfändbar waren, zu addieren. Der Senat
schätzt gemäß § 287 ZPO den Gesamtwert des so der Beklagten überlassenen
Vermögens des Schuldners auf der Basis der – von den Parteien nicht angegriffenen –
Unternehmensbewertung durch den Gutachter E und unter Berücksichtigung des
erfahrungsgemäß geringen Vollstreckungserlöses der für die am 21.2.1997
übertragenen, z. T. nicht einmal pfändbaren Gegenstände auf 190.000 DM, das sind der
Klägerin noch zuerkannten 97.145,46 €. Die Beschränkung des Schadensersatzes auf
den Wert des übertragenen Vermögens ist zunächst dann geboten, wenn man die
Sittenwidrigkeit des Vorgehens des Schuldners allein darin erblicken könnte, dass er
( neben der Sachschenkung vom 21.2.1997 ) sein Unternehmen ohne Erzielung des
marktgerechten Kaufpreises aufgegeben hat, ihm also zugestanden würde, dass er den
Betrieb in jedem Fall aus gesundheitlichen Gründen hätte aufgeben müssen.
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Aber auch wenn man das Vorgehen des Schuldners als Gesamtheit würdigen muss und
die Sittenwidrigkeit der Schädigung in der – mangels ausreichender gesundheitlicher
Gründe – vorwerfbaren Einstellung jeglicher Gewinnerzielung aus seinem Betrieb zu
Gunsten der daran mitwirkenden Beklagten sieht, ergibt sich wegen der Besonderheit
des vorliegenden Falles nichts anderes. Zwar wäre die Klägerin gemäß § 249 BGB im
Ansatz so zu stellen, als erzielte der Schuldner aus dem weiterhin selbst betriebenen
Unternehmen das zur Bedienung ihrer Unterhaltsansprüche ausreichende Einkommen.
So hat der Bundesgerichtshof bereits in seiner ersten einschlägigen Entscheidung vom
3.2.1954 ( LM Nr. 2 zu § 826 (Ge) BGB ) grundsätzlich festgestellt, dass die Haftung des
an der sittenwidrigen Schädigung Mitwirkenden nicht auf das mit der Tat übernommene
Vermögen beschränkt, er vielmehr verpflichtet ist, den Unterhaltsberechtigten in der
Weise zu entschädigen, dass er ihm Unterhalt im Umfange der Unterhaltspflicht des
Schuldners fortgewährt. Dass vorliegend neben Unterhaltsansprüchen noch weitere
Ansprüche im Raum stehen, ist für die auf diese Weise begründete Substitutionspflicht
des Schädigers an sich unerheblich; die haftungsausfüllende Kausalität ist prinzipiell in
gleicher Weise gegeben.
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Der vorliegende Fall weist jedoch die Besonderheit auf, dass der Schuldner allein zur
Befriedigung des Zugewinnausgleichsanspruchs die Hälfte des Wertes seines
Unternehmens und zur Befriedigung aller fälligen Ansprüche das ganze Unternehmen
hätte liquidieren müssen. Das ergibt sich daraus, dass trotz der Erlöse der Klägerin aus
der Vollstreckung in den Grundbesitz ( 1998 über die Commerzbank ) ihre
Gesamtforderung einschließlich der rückständigen Unterhaltsbeträge bei
Klageerhebung den Wert des Reinigungsbetriebes überstieg, der Schuldner aber sonst
kein ausreichendes Vermögen mehr hatte. ( Zu dem zusätzlich noch zu seinem
Vermögen zu rechnenden, ohnehin erst später realisierten Schadensersatzanspruch
des Schuldners gegen seinen früheren Prozessbevollmächtigten im Wert von
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30.100,71 € nachstehend unter c).) Durch einen Zugriff der Klägerin auf sein restliches
Vermögen wäre ihm die Grundlage seiner Einkommenserzielung durch Erwerbsarbeit
im eigenen Unternehmen so in jedem Fall entzogen worden. Die Klägerin hätte nach
der entgeltlichen Veräußerung des Reinigungsbetriebs – sei es durch den Schuldners
selbst, sei es im Wege einer Vollstreckung – in jedem Fall ihre weiteren
Vollstreckungsmöglichkeiten verloren, da sie den Schuldner nicht zu einer anderen
Erwerbsarbeit zwingen konnte. Deshalb führt ohne Bemühen des vom
Bundesgerichtshof verworfenen Gesichtspunktes der Vermögensübernahme allein die
Kausalitätsprüfung wiederum zu einer Beschränkung der Haftung der Beklagten im
wesentlichen auf den Wert des vom Schuldner aufgegebenen Reinigungsbetriebs, zu
dem der Wert der 1997 geschenkten Gegenstände, auf die die Klägerin sonst gleichfalls
hätte zugreifen können, tritt.
c) Für die vorstehende Betrachtung ist der weitere Vermögensgegenstand, den der
Schuldner in Form seines Schadensersatzanspruchs gegen seinen früheren
Prozessbevollmächtigten hatte und für den die Klägerin aus ihrem Zugriff auf den im
Prozessvergleich des Schuldners mit jenem vereinbarten Freistellungsanspruch
30.100,71 € erlöst hat, im Ergebnis unbeachtlich. Dieser Erlös mindert ihren von der
Beklagten zu verantwortenden Schaden – und damit den Klageanspruch – nicht, weil er
der bei dem Schuldner zu liquidierenden Haftungsmasse zusätzlich hinzuzurechnen ist.
Der erst im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits realisierte Schadensersatz-
/Freistellungsanspruch gegen jenen Prozessbevollmächtigten stand der Klägerin
unabhängig von den streitgegenständlichen Schädigungshandlungen nach § 826 BGB
für ihre Vollstreckung zur Verfügung, ohne dass sich durch dessen Verwertung ihre bis
dahin fällige Gesamtforderung gegen den Schuldner unter den zuerkannten, aus der
Summe der sittenwidrig von diesem aufgegebenen Vermögenswerte gebildeten Betrag
von 97.145,48 € verringert.
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In Höhe des zwischenzeitlich beigetriebenen Betrags von 30.100,71 € ist aber entgegen
der Auffassung der Klägerin der Rechtstreit nicht in der Hauptsache erledigt worden.
Unabhängig davon, welche Zahlungen der Titelschuldner noch an die Klägerin leistete
oder bei diesem beigetrieben werden konnten, war die Haftung der Beklagten von
Anfang an auf die durch das Kausalitätserfordernis gezogene Grenze von 97.145,48 €
beschränkt. Diese wird durch die Beitreibung der 30.100,71 € nicht mehr gesenkt.
59
d) In Höhe des den Betrag von 97.145,48 € übersteigenden Hauptantrags war die Klage
somit abzuweisen.
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e) Der Zinsanspruch auf die zuerkannte Hauptforderung folgt aus § 291 BGB. Seit
Rechtshängigkeit war ein Anspruch gegen den Ehemann der Beklagten immer in Höhe
von mindestens 97.145,48 € fällig.
61
III.
62
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.
63
Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.
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Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 II ZPO
liegen nicht vor.
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