Urteil des OLG Hamm vom 21.06.1999
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Oberlandesgericht Hamm, 2 Ss 553/99
Datum:
21.06.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ss 553/99
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 23 Ns 28 Ds 56 Js 1446/98 II 11/99
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu
getroffenen Feststellungen aufgehoben. In diesem Umfang wird die
Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts
Bochum zurück-verwiesen.
G r ü n d e :
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I.
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Der Angeklagte ist vom Amtsgericht Recklinghausen mit Urteil vom 11. Dezember 1998
wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne
Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr verurteilt worden. Die
gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat er in der Berufungsverhandlung auf den
Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil
die Berufung als unbegründet verworfen.
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Dem Urteil liegen folgende Feststellungen zugrunde:
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"Am 11.07.1998 hatte der Angeklagte Urlaub aus Strafverbüßung. Obwohl er nach wie
vor nicht im Besitz der Fahrerlaubnis war, was ihm auch bekannt war, befuhr er mit dem
Pkw amtliches Kennzeichen: x öffentliche Straßen in L und I, obwohl er absolut
fahruntüchtig war. Zunächst befuhr der Angeklagte mit dem vorgenannten Pkw die X-
Allee in L in ostwärtiger Richtung. Als er merkte, daß er von einem Polizeifahrzeug
verfolgt wurde und mittels eingeschaltetem Blaulicht zum Anhalten bewegt werden
sollte, beschleunigte der Angeklagte sein Fahrzeug bis auf ca. 160 km/h. Er fuhr sodann
über die S-Straße bis ins I Stadtgebiet und sodann dort auf der G-straße in südlicher
Richtung. An der Einmündung X1-straße verlor er, nachdem er mehrfach das Rotlicht
von Verkehrszeichenanlagen überfahren hatte, die Gewalt über das Fahrzeug und
prallte in einen Baustellenzaun. Dort konnte er festgenommen werden. Die dem
Angeklagten um 23:55 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration
von 2,08 ‰."
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Im Rahmen der Strafzumessung hat die Strafkammer das Vorliegen einer verminderten
Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ausgeschlossen und zur Begründung
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folgendes ausgeführt:
"Der Angeklagte, der seit langer Zeit einen erheblichen Alkoholmißbrauch betreibt, ist in
hohem Maße Alkohol gewöhnt. Dies verdeutlicht auch die erste Untersuchung vor
Entnahme der Blutprobe am 11.07.1998. Der behandelnde Arzt hat dem Angeklagten
trotz deutlicher Alkoholisierung ein klares Bewußtsein und eine deutliche Sprache
attestiert."
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Gegen diese Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, in der er mit
näheren Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als unbegründet zu
verwerfen.
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II.
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Die Revision ist zulässig und hat auch in der Sache zumindest vorläufig Erfolg. Sie führt
auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch mit den
insoweit zugrundeliegenden Feststellungen.
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1.
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Die auf die Sachrüge von Amts wegen vorzunehmende Überprüfung, ob die
Strafkammer zu Recht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den
Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist (vgl. BGH St 27, 70 [72]; Kleinknecht/Meyer-
Goßner, StPO, 44. Aufl., § 318 Rdnr. 16), ergibt, daß die recht knappen Feststellungen
des erstinstanzlichen Urteils zur Tat eine - noch - hinreichende Grundlage für die
Nachprüfung für die Rechtsfolgenentscheidung bieten. Zwar enthält das
amtsgerichtliche Urteil lediglich Angaben zum Zeitpunkt der Entnahme der Blutprobe
und läßt Angaben zum Tatzeitpunkt vermissen. Dem Gesamtzusammenhang der
Urteilsgründe läßt sich aber noch mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, daß der
Angeklagte in alkoholbedingt absolut fahruntüchtigen Zustand, nämlich mit einer nach
der Tat festgestellten Blutalkoholkonzentration in Höhe von 2,08 ‰ im Straßenverkehr
ein Kraftfahrzeug geführt hat. Auch die in den Urteilsfeststellungen fehlenden Angaben
zu den Umständen der Alkoholaufnahme hindern bei einer Verurteilung wegen einer
Trunkenheitsfahrt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. OLG Hamm
NStZ 1998, 334) - insoweit entgegen der Auffassung des Bayrischen Obersten
Landesgerichts (NZV 1997, 244) - eine wirksame Beschränkung der Berufung auf den
Rechtsfolgenausspruch nicht.
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2.
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Die damit auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Überprüfung läßt einen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Die Strafkammer hat zwar die
Frage einer verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB, die bei einer
Blutalkoholkonzentration von Werten ab 2 ‰ stets zu erörtern ist (vgl. BGH NStZ 1997,
383; OLG Hamm NZV 1998, 510; Tröndle in Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl., § 20 Rdnr.
9 a), geprüft, hat ihr Vorliegen jedoch mit unzureichender Begründung abgelehnt. Die
Höhe der Tatzeitblutalkoholkonzentration hat auch bei Berücksichtigung der neuen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage alkoholbedingter Beeinträchtigung
der Schuldfähigkeit nach wie vor insofern Bedeutung, als sie Aufschluß über die Stärke
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der alkoholischen Beeinflussung gibt und in diesem Sinne ein zwar nicht alleingültiges
aber immerhin gewichtiges Beweis-
anzeichen neben anderen ist (vgl. BGH StV 1998, 257).
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Feststellungen zum Tatzeitpunkt, zum Trinkende und zur Frage der Rückrechnung der
Blutalkoholkonzentration, also die für die Frage des Vorliegens des § 21 StGB
mitentscheidende Tatzeitblutalkoholkonzentration enthält das angefochtene Urteil nicht.
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Auch für die Bewertung des im ärztlichen Bericht zur Entnahme der Blutprobe
niedergelegten Eindrucks, den der die Blutprobe entnehmende Arzt vom Angeklagten
hatte und den die Strafkammer zur Begründung des Ausschlusses einer verminderten
Schuldfähigkeit verwertet hat, ist es von Bedeutung, wieviel Zeit zwischen der Tat und
der später erfolgten Blutentnahme verstrichen ist.
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Da nicht auszuschließen ist, daß das Urteil auf dem dargestellten Mangel beruht (§ 337
Abs. 1 StPO), war es aufzuheben und die Sache an eine andere kleine Strafkammer des
Landgerichts Bochum zurückzuverweisen (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO).
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