Urteil des OLG Hamm vom 29.12.2006
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Oberlandesgericht Hamm, 2 Ss OWi 797/06
Datum:
29.12.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ss OWi 797/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Bochum, 92 OWi 51 Js 105/06 OWi - 243/06 -
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden
Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch
über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht
Bochum zurückgewiesen.
G r ü n d e :
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I.
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Das Amtsgericht Bochum hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung
der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach den §§ 41 Abs. 2, 49 StVO i.V.m. § 24
StVG eine Geldbuße in Höhe von 150,- € festgesetzt und außerdem ein Fahrverbot von
einem Monat verhängt.
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Dazu hat das Amtsgericht u.a. folgende Feststellungen getroffen:
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"Der Betroffene befuhr am 03.09.2005 um 0.43 Uhr die Bundesautobahn A ## in
Fahrtrichtung F zwischen Kilometer #,# und #,#. Obwohl in diesem Bereich die
zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h beschränkt ist, stellte der Zeuge
Polizeikommissar N gemeinsam mit seinem Kollegen, dem Fahrzeugführer
Polizeikommissar E bei einer von ihnen mittels Nachfahren mit dem
Polizeifahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen: ### — #### durchgeführten
Geschwindigkeitskontrolle fest, dass der Betroffene mit erheblich überhöhter
Geschwindigkeit, nämlich nach Abzug eines Toleranzwertes von 15 % zum
Ausgleich von Messungenauigkeiten und Fehlerquellen, mit 153 km/h fuhr.
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Die Zeugen fuhren bei der Kontrolle über eine Messstrecke von einem Kilometer,
die sie anhand der in regelmäßigen Abständen aufgestellten Leitpfosten festlegen
konnten, in einem gleichbleibenden Abstand von 80 m zum voraus-fahrenden PKW
des Betroffenen hinter diesem Fahrzeug her. Der Tachometer des
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Funkstreifenwagens, der im jährlichen Abstand justiert wird und im vorliegenden
Fall bis zum 30.05.2006 justiert war, zeigte auf der gesamten Messstrecke eine
Geschwindigkeit von 180 Kilometern an. Nach Abzug eines Toleranzwertes von 15
% (gleich 27 km/h) errechneten die Zeugen eine Geschwindigkeit von 153 km/h für
das vorausfahrende Fahrzeug des Betroffenen, so dass sich eine
Geschwindigkeitsüberschreitung von 53 km/h ergibt.
Diese Feststellungen beruhen auf der durchgeführten Beweisaufnahme.
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Der Betroffene hat sich zur Sache nicht eingelassen."
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Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die
Verletzung formellen und - unter näherer Begründung - materiellen Rechts.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil wegen nicht
ausreichender tatsächlicher Feststellungen aufzuheben.
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II.
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Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache - zumindest vorläufigen -
Erfolg.
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Die tatsächlichen amtsgerichtlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des
Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung bislang nicht.
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Das Amtsgericht hat die von der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Feststellung
einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren zur Nachtzeit außerhalb
geschlossener Ortschaften entwickelten Grundsätze, denen sich die Bußgeldsenate des
Oberlandesgerichts Hamm angeschlossen haben, nicht ausreichend berücksichtigt. Das
angefochtene Urteil stellt insoweit allein die Länge der Messstrecke, den Abstand zum
vorausfahrenden Fahrzeug, die Justierung des Tachometers und die Höhe des
Sicherheitsabschlages fest. Diese Ausführungen beinhalten zwar eine ausreichende
Begründung für eine Geschwindigkeitsüberschreitung mittels justiertem Tachometer bei
Tage. Den weitergehenden Anforderungen für eine Messung zur Nachtzeit genügen
diese Feststellungen aber nicht. Bei den in der Regel schlechten Sichtverhältnissen zur
Nachtzeit bedarf es nämlich grundsätzlich näherer Angaben dazu, wie die
Beleuchtungsverhältnisse waren, ob der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug
durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Sichtquellen
aufgehellt war und damit ausreichend sicher erfasst und geschätzt werden konnte und
ob für die Schätzung des gleichbleibenden Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug
ausreichende und trotz der Dunkelheit zu erkennende Orientierungspunkte vorhanden
waren. Auch sind Ausführungen dazu erforderlich, ob die Umrisse des vorausfahrenden
Fahrzeugs und nicht nur dessen Rücklichter erkennbar waren (vgl. dazu Beschluss des
erkennenden Senats vom 13. März 2003 in 2 Ss OWi 201/03 m.w.N.).
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Vorstehende Grundsätze hat der Tatrichter vorliegend nicht beachtet. Seine
Feststellungen enthalten keinerlei Angaben zu den Beleuchtungsverhältnissen auf der
BAB A ## in Fahrtrichtung F zwischen Kilometer #,# und #,#. Den Urteilsgründen ist
nicht zu entnehmen, ob die Strecke zwischen dem von den Polizeibeamten geführten
Fahrzeug und dem des Betroffenen durch Scheinwerfer oder sonstige Lichtquellen
aufgehellt war.
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Da das Urteil ausreichende Feststellungen zu den Umständen der von den Zeugen
durchgeführten Geschwindigkeitsmessung vermissen lässt, ist nicht nachprüfbar, ob der
Tatrichter den Beweiswert des Geschwindigkeitsvergleichs durch Nachfahren
rechtsfehlerfrei bejaht und möglichen Fehlerquellen durch einen entsprechenden Abzug
eines Toleranzwertes genügend Rechnung getragen hat. Ein solcher Rechtsfehler führt
nur ausnahmsweise dann nicht zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung,
wenn die vom Amtsgericht festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung auf einem -
uneingeschränkten und glaubhaften - Geständnis des Betroffenen beruht. Ein solches
liegt hier aber nicht vor, vielmehr hat der Betroffene sich nicht
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zur Sache eingelassen (vgl. hierzu Beschluss des erkennenden Senats vom
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6. September 2005 in 2 Ss OWi 512/05 m.w.N.).
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Nach alledem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Bochum zurückzuverweisen.
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