Urteil des OLG Hamm vom 13.01.1993
OLG Hamm (geltendmachung des anspruchs, vvg, verjährung, versicherer, invalidität, anmeldung, dauer, bescheinigung, unfall, unfallversicherung)
Oberlandesgericht Hamm, 20 U 224/92
Datum:
13.01.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 U 224/92
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 2 O 132/92
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 07. Mai 1992 verkündete Urteil
der 2. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Mit der am 18.03.1992 beim Landgericht eingegangenen Klage nimmt die Klägerin die
Beklagte aus einer Unfallversicherung - vereinbart sind die AUB 61 - in Anspruch.
Aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 26.05.1986 begehrt sie eine
Invaliditätsentschädigung.
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Die Beklagte verweigert Versicherungsschutz. Sie beruft sich auf Verjährung sowie
Versäumung der Fristen des §8 II Abs. 1 S. 1 AUB. Hilfsweise bestreitet sie, daß
innerhalb eines Jahres vom. Unfalltag an gerechnet eine Invalidität bei der Klägerin
eingetreten ist.
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Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage mit der Begründung
abgewiesen, die Klägerin habe die Ausschlußfrist zur Geltendmachung der Invalidität
gemäß §8 II Abs. 1 AUB nicht gewahrt. Außerdem sei der Anspruch auch verjährt.
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Die hiergegen gerichtete zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Zu Recht
beruft die Beklagte sich auf eine Verjährung des geltend gemachten
Invaliditätsentschädigungsanspruchs.
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Gemäß §12 Abs. 1. S. 1 VVG beträgt die Verjährungsfrist zwei Jahre. Sie beginnt mit
dem Schluß des Jahres, in welchem die Leistung verlangt werden kann (§12 Abs. 1 S. 2
VVG).
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Hätte die Klägerin die mit dem Unfallereignis (26.05.1986) beginnende 15-Monats-Frist
zur Geltendmachung der Invalidität (§8 II Abs. 1 S. 1 AUB) voll ausgeschöpft, wäre die
Erklärung der Beklagten über ihre Leistungspflicht (§11 AUB) aller Voraussicht nach
erst im Jahre 1988 erfolgt. Danach wäre eine Verjährung des Entschädigungsanspruchs
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mit Ablauf des 31.12.1990 eingetreten.
Zu berücksichtigen ist allerdings eine Hemmung der Verjährung durch Geltendmachung
der Invalidität am 17.09.1990 (§12 Abs. 2 VVG). An diesem Tag übergab die Klägerin
dem Außendienstmitarbeiter ... der Beklagten eine Bescheinigung des ... vom
05.01.1987 (Bl. 117 d.A.), wodurch die Beklagte erfuhr, daß bei der Klägerin ein
dauernder Grad der Behinderung von 40 % seit 1986 besteht. Diese
Verjährungshemmung hat jedoch nur kurze Zeit bis zum Zugang des
Ablehnungsschreibens der Beklagten vom 09.10.1990 bei der Klägerin angedauert.
Zum Zeitpunkt der Klageeinreichung (18.03.1992) war Verjährung längst eingetreten.
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Zu einem anderen Ergebnis käme man nur dann, wenn durch die Unfall-
Schadenanzeige der Klägerin vom 28.07.1986 die Verjährung bereits gehemmt worden
wäre (§§12 Abs. 2 VVG, 205 BGB), bevor sie überhaupt zu laufen begonnen hat. Dies
würde voraussetzen, daß durch die Unfall-Schadenanzeige, i.S.v. §15 II Abs. 1 AUB 61,
eine Anmeldung auch des Invaliditätsentschädigungsanspruchs erfolgt ist. Anerkannt ist
zwar, daß der Versicherungsnehmer bei der Anmeldung seiner Ansprüche diese nicht
genau bezeichnen oder beziffern muß; vielmehr reicht es, wenn er sein Verlangen nach
Versicherungsschutz dem Grunde nach äußert (vgl. BGH VVGE §12 VVG Nr. 1 u.
VersR 1964, 477, 478, jeweils zum Begriff der Geltendmachung des Anspruchs auf die
Leistung i.S.d. §12 Abs. 3 S. 1 VVG). Bei einer Unfallversicherung besteht indes die
Besonderheit, daß der Versicherer mehrere Leistungen versprochen hat (vgl. §8 AUB
61: Todesfallentschädigung, Invaliditätsentschädigung, Tagegeld,
Krankenhaustagegeld, Genesungsgeld, Heilkosten, Übergangsentschädigung), für die
jeweils unterschiedliche Voraussetzungen gelten. Dies führt dazu, daß die
ordnungsgemäße Meldung eines Unfalls beim Vesicherer nicht ohne weiteres auch
bereits als verjährungshemmende Anmeldung (§12 Abs. 2 VVG) sämtlicher der in §8
AUB genannten Leistungsansprüche gewertet werden kann.
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Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des §12 Abs. 2 VVG (vgl. auch die
gleichlautende Regelung in §3 Nr. 3 S. 3 PflVG) ist es, den Versicherten vor allem für
den Fall einer sehr langen Dauer der Verhandlungen mit dem Versicherer vor den
Nachteilen der Verjährung zu schützen. Der Versicherte wird deshalb während der Zeit,
während derer die Reaktion des Versicherers auf die Anspruchsanmeldung noch in der
Schwebe ist, von dem Weiterlaufen einer die Durchsetzung seiner Ansprüche
gefährdenden Verjährung bewahrt (vgl. BGH VersR 1991, 878; 1978, 423, jeweils zu §3
Nr. 3 S. 3 PflVG).
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Ein derartiger Schwebezustand hinsichtlich einer Entscheidung des Versicherers kann
aber nur dann angenommen werden, wenn der Versicherer auch hinreichend deutlich
erkennen konnte, daß der Versicherte von ihm eine bindende Erklärung hinsichtlich
seines Begehrens auf Deckungsschutz erwartet.
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Nur dann ist er auch in der Lage, den Schwebezustand zu beenden.
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Bezogen auf den Invaliditätsentschädigungsanspruch aus einer Unfallversicherung
bedeutet dies, daß ein Versicherer über die allgemeine Unfallanzeige hinaus speziell
diesen Anspruch seinem Versicherer anmelden muß, wenn er die Anspruchsverjährung
gemäß §12 Abs. 2 VVG hemmen will. Dies mag allenfalls dann entbehrlich sein, wenn
der Versicherer aufgrund der ihm im Zusammenhang mit der Unfallmeldung
zugegangenen Unterlagen (Unfallanzeige, ärztliche Befunde etc.), insbesondere der Art
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der vom Versicherten erlitten Unfallverletzungen, erkennen kann und muß, daß der
Eintritt einer unfallbedingten Invalidität innerhalb eines Jahres vom Unfalltag an
gerechnet nicht zweifelhaft sein kann.
Im Streitfall läßt sich danach eine Anmeldung des Invaliditätsentschädigungsanspruchs
vor dem 17.09.1990 nicht feststellen.
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Der von der Klägerin ausgefüllten Unfall-Schadenanzeige vom 28.07.1986 (Bl. 107 f
d.A.), der die Ärztliche Bescheinigung des Chefarztes Dr. ... vom 28.07.1986 (Bl. 109
d.A.) bzgl. der voraussichtlichen Dauer des Krankenhausaufenthaltes der Klägerin und
der Diagnose beigefügt war, läßt sich weder die Behauptung eines Invaliditätseintrittes
noch die Geltendmachung eines entsprechenden Entschädigungsanspruches
entnehmen.
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Gleiches gilt für das Schreiben der Klägerin vom 12.09.1986 (Bl. 113 d.A.), in dem sie
der Beklagten eine ärztliche Bescheinigung des Chefarztes Dr. ... vom 05.09.1986 (Bl.
114 d.A.) hinsichtlich der tatsächlichen Dauer ihres stationären
Krankenhausaufenthaltes und der Diagnose übersandte. Dieses Schreiben erfolgte auf
Verlangen der Beklagten, die mit Schreiben vom 15.08.1986 eine Vorschußzahlunng in
Höhe von 1.800,- DM auf das Krankenhaustagegeld angekündigt und die Klägerin
gebeten hatte, ihr nach Abschluß des Krankenhausaufenthaltes eine Bescheinigung
des Krankenhauses zu übersenden, aus der die gesamte Dauer der unfallbedingten
stationären Behandlung sowie die Diagnose ersichtlich sei.
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Die Klägerin behauptet zwar, "im Rahmen der Anmeldung ihrer Ansprüche aus der
Unfallversicherung" der Beklagten auch eine gutachterliche Stellungnahme Dr. ... vom
10.12.1986 (Bl. 38 f d.A.), die unfallbedingte Dauerfolgen beschreibt, übersandt zu
haben. Die Beklagte bestreitet aber, ein derartiges Schriftstück erhalten zu haben.
Beweis für die Richtigkeit ihrer Behauptung hat die Klägerin nicht angetreten. Dies geht
zu ihren Lasten, da sie die Voraussetzungen einer Verjährungshemmung zu beweisen
hat.
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Unwidersprochen hat die Beklagte vorgetragen, daß sie von der Klägerin über den von
jener geführten Haftpflichtprozeß 8 O 467/86 LG Duisburg, in dem die Klägerin u.a. mit
der Behauptung, der Unfall habe gesundheitliche Dauerschäden hinterlassen,
Schadensersatz von der Unfallgegnerin (Fahrerin) und der Halterin des von der
Unfallgegnerin gesteuerten. Fahrzeuges sowie von deren Haftpflichtversicherer
verlangte, nicht informiert worden ist.
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Die Geltendmachung der Verjährungseinrede durch die Beklagte ist auch nicht
rechtsmißbräuchlich. Weder hat sie die Klägerin von der rechtzeitigen Erhebung der
Klage abgehalten, noch hat sie ihr Anlaß zu der Erwartung gegeben, die
Verjährungseinrede werde nicht geltend gemacht.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Beschwer der Klägerin beträgt 30.000,- DM.
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