Urteil des OLG Hamm vom 07.06.1999
OLG Hamm (kläger, unfall, vorsätzlich, versuch, beschädigung, fahrzeug, reparaturkosten, reifen, kollision, fahrbahn)
Oberlandesgericht Hamm, 6 U 177/98
Datum:
07.06.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 177/98
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 15 O 218/96
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 28. Mai 1998 verkündete Urteil
der 15. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsmittels.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschwer des Klägers: 12.944,69 DM.
Entscheidungsgründe:
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I.
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Der Kläger begehrt Schadensersatz aus Anlaß eines Verkehrsunfalles, der sich am 15.
April 1996 gegen 19:20 Uhr in E ereignete.
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Mit seinem BMW befuhr er die B 1, die im Bereich der Unfallstelle 3 Parallelfahrstreifen
aufweist, in westlicher Richtung. Aus der aus nördlicher Richtung auf die B 1
mündenden untergeordneten M-Straße bog der Beklagte zu 1) mit dem bei der
Beklagten zu 3) haftpflichtversicherten Pkw Ford Mondeo der Beklagten zu 2) auf die B
1 ein. Die vordere rechte Seite des BMW und die vordere linke Seite des Ford trafen
gegeneinander, wobei der BMW rechts hochgedrückt wurde.
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Der Kläger hat vorgetragen, er habe schon vor dem Unfall die rechte Spur der B 1
befahren, weil er ca. 150 m hinter der Unfallstelle die B 1 habe verlassen wollen.
Ereignet habe sich der Unfall im unmittelbaren Einmündungsbereich der M-Straße.
Trotz Vollbremsung habe er den Unfall nicht verhindern können. Ein Ausweichen nach
links sei ihm wegen dort befindlicher Fahrzeuge nicht möglich gewesen.
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Die Beklagten haben ausgeführt, als der Beklagte zu 1) auf die B 1 eingebogen sei, sei
die rechte Spur der B 1 frei gewesen. Der BMW des Klägers habe sich auf der mittleren
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Spur befunden. Kollidiert seien die Pkw, als der Ford sich auf der B 1 schon in
Geradeausfahrt befunden habe. Der Kläger habe den Unfall vorsätzlich herbeigeführt,
indem er nach rechts gelenkt habe. Daß er vorsätzlich gehandelt habe, müsse unter
anderem auch daraus gefolgert werden, daß der Kläger selbst sowie Personen in
seinem Umfeld auffällig häufig an Verkehrsunfällen beteiligt gewesen seien, bei denen
sich Hinweise auf Unfallmanipulation ergeben hätten.
In dem Rechtsstreit umgekehrten Rubrums (112 C 14400/96 AG Dortmund = 15 S
273/97 LG Dortmund) ist Beweis erhoben worden durch Einholung eines Gutachtens
des Sachverständigen S sowie Vernehmung des jetzigen Beklagten zu 1) und seines
Beifahrers H als Zeugen. Die Akte jenes Rechtsstreits hat das Landgericht in der
vorliegenden Sache zu Beweiszwecken verwertet und hat die Klage abgewiesen, weil
Unfallmanipulation des Klägers bewiesen sei.
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Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines
erstininstanzlichen Vorbringens.
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Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung.
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Der Senat hat den Kläger und den Beklagten zu 1) zur Sachaufklärung gehört, ferner
Beweis erhoben durch erneute Vernehmung des Zeugen H sowie Einholung eines
Gutachtens des Sachverständigen T. Wegen des Ergebnisses wird auf den hierüber
gefertigten Berichterstattervermerk und die von dem Sachverständigen überreichten
Unterlagen verwiesen.
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II.
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Die Berufung ist unbegründet.
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Ein Schadensersatzanspruch gem. §§ 823 BGB, 7, 18 StVG, 3 PflVG steht dem Kläger
nicht zu. Denn der Kläger hat den Verkehrsunfall vom 15. April 1996 unter Einwilligung
in die an seinem BMW dabei notwendigerweise eingetretene Rechtsgutsverletzung
vorsätzlich herbeigeführt.
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Es kann dahinstehen, inwieweit Schlußfolgerungen zum Nachteil des Klägers schon
daraus gezogen werden können, daß sich in der Verwandtschaft des mit dem Kläger
persönlich bekannten Kfz-Werkstattbetreibers A E die von den Beklagten dargelegten
zahlreichen Kfz-Unfälle ereignet haben. Es bedarf auch nicht der näheren Erörterung,
welche Bedeutung der Tatsache zukommt, daß der Vater des Klägers am 28. Januar
1996 in B mit dem BMW, den später der Kläger übernahm, auf einen Porsche 928 eines
Herrn T (Voreigentümerin D J) auffuhr und daß der Vater des Klägers am 15. Oktober
1996 mit einem BMW 740 i (ebenfalls Voreigentümerin D J) bei einem Auffahrunfall
geschädigt wurde, jedoch seine Schadensersatzansprüche in dem Rechtsstreit 15 O
19/97 LG Dortmund nicht weiterverfolgte, nachdem die gegnerische Kfz-
Haftpflichtversicherung einen Unfallmanipulationsvorwurf erhoben hatte. Denn schon
die Schadensfälle, von denen der Kläger allein im Jahre 1996 selbst betroffen war,
häufen sich in einer Weise, wie dies bei Unfallmanipulation typisch ist: Nachdem der
Kläger erst am 22. Februar 1996 Halter des BMW geworden war, machte er schon im
März 1996 Ansprüche wegen eines Einbruch-/Vandalismus-Schadens vom 17. März
1996 geltend. Am 2. April 1996 wurde der BMW bei einem Unfall in X beschädigt und
der Kläger erhielt von der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung 12.839,90 DM als
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Schadensersatz. Am 15. April 1996 kam es zu dem Unfall, der Gegenstand des
vorliegenden Rechtsstreits ist. Und am 26. August 1996 wurde der BMW erneut
beschädigt, und zwar als parkendes Fahrzeug, gegen das ein angemieteter Lkw fuhr (15
O 7/97 LG Dortmund).
Daß der Kläger am 15. April 1996 sein Fahrzeug vorsätzlich nach rechts gegen den
Pkw der Beklagten zu 2) gelenkt hat, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
fest. Unstreitig hat der Kläger den einbiegenden Pkw der Beklagten zu 2) rechtzeitig
gesehen. Typischerweise steuert ein Fahrzeugführer seinen Pkw von der Gefahr weg,
so daß zu erwarten gewesen wäre, daß der Kläger nach links ausgewichen wäre oder,
sofern ihm dies verkehrsbedingt nicht möglich war, geradeaus weitergefahren wäre. Der
Kläger hat aber, wie das Gutachten des Sachverständigen T ergeben hat, seinen Pkw
nach rechts auf den Pkw der Beklagten zu 2) zu gelenkt. Dabei hat er einen erheblich
stärkeren Lenkradeinschlag gewählt, als dies etwa bei einem Spurwechsel nach rechts
geschieht. Der Kläger hat das Lenkrad sogar um ca. 90° gedreht. Dies erschließt sich
aus folgendem:
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Unstreitig ist der BMW des Klägers bei dem Unfall rechts hochgedrückt worden. Der
vordere rechte Reifen des BMW hat unter anderem oberhalb des vorderen linken
Radausschnittes des Ford Spuren gezeichnet. Es ist zu einer Verhakung der beiden
Radfelgen gekommen. Das äußere Felgenhorn des Ford-Reifens ist in Richtung
Radmitte umgebogen worden. Ebenso ist das Felgenhorn des BMW-Reifens in
Richtung Radmitte gedrückt worden. Die Verformungen der Felgen führten bei beiden
Rädern zum Verlust des Reifendrucks.
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Diese Schäden können, so die Ausführungen des Sachverständigen T, nur erzeugt
worden sein, wenn sich die beiden Reifen und Felgen bei der Kollision in Längsrichtung
deutlich überdeckt haben. Nur bei einer deutlichen Überdeckung konnte es zu einer
Verhakung der Felgen kommen, wie sie das Schadensbild beweist. Erforderlich war
dazu zunächst einmal, daß sich der Ford, anders als von den Beklagten vorgetragen,
noch nicht wieder in Geradeausfahrt befand. Vielmehr muß der vordere Ford-Reifen
noch infolge Kurvenfahrt nach außen gestellt gewesen sein. Dies allein reicht aber bei
dem nach dem Gesamtschadensbild maximal 20° betragenden Kollisionswinkel der
Pkw noch nicht aus, um die erforderliche Überdeckung der Räder zu erreichen. Der
Sachverständige hat mit entsprechend ausgestellten Rädern eines Pkw Ford Mondeo
einen Crash-Versuch mit einer Geschwindigkeitsdifferenz von 32 km/h durchgeführt. Es
hat sich gezeigt, daß dabei das dem BMW des Klägers entsprechende Fahrzeug
ähnlich wie von den Parteien beschrieben etwas angehoben worden ist. Außerdem ist
ein ähnliches Gesamtschadensbild erreicht worden, wie es an den Pkw der Parteien
nach dem Unfall vom 15. April 1999 vorgefunden worden ist. Zu einer Beschädigung der
Felgen ist es bei dem Versuch jedoch nicht gekommen. Zur Überprüfung der Frage, ob
die Felgenbeschädigungen durch eine höhere Differenzgeschwindigkeit der Pkw erklärt
werden kann, hat der Sachverständige T einen zweiten Crash-Versuch mit 50 km/h
unternommen. Bei diesem Versuch traten aber ebenfalls keine Felgenbeschädigungen
ein. Hieraus ist zu folgern, daß die zur Felgenbeschädigung erforderliche
Radüberdeckung nur erreicht worden sein kann, wenn der Kläger vor der Kollision
durch eine Lenkbewegung nach rechts dafür gesorgt hat, daß das rechte Vorderrad des
BMW deutlich nach rechts ausgestellt war. Erforderlich war dazu nach den
Ausführungen des Sachverständigen T eine Lenkraddrehung von ca. 90°. Ein solcher
Lenkradeinschlag geht deutlich über das Maß hinaus, das etwa bei einem normalen
Spurwechsel erreicht wird.
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Der Senat folgt den plausiblen und durch die Ergebnisse gezielter
Versuchsanordnungen abgesicherten Ausführungen des Sachverständigen T. Danach
läßt sich der Unfall nur durch ein vorsätzliches unfallverursachendes Fahrmanöver des
Klägers erklären.
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Der Feststellung, daß der Kläger den Unfall vom 15. April 1996 vorsätzlich herbeigeführt
hat, steht nicht entgegen, daß der Kläger etwa mit eigenen wirtschaftlichen Nachteilen
hätte rechnen müssen. Vielmehr bot ihm seine Vorgehensweise konkrete Aussicht auf
Gewinn, worin letztlich das Motiv für die vorsätzliche Unfallverursachung liegt. Da sich
der Unfall im zeitlichen Zusammenhang mit dem Einbiegen des Beklagten zu 1) auf die
übergeordnete B 1 ereignete, war dem äußeren Geschehensablauf nach von alleinigem
Unfallverschulden des Beklagten zu 1) auszugehen, so daß der Kläger dem Grunde
nach vollen Schadensersatz erwarten konnte. Und weil der Kläger bei voller Haftung der
Beklagten Anspruch auf Ersatz von Reparaturkosten gehabt hätte, wie sie bei einer
ordnungsgemäßen Reparatur in einer Fachwerkstatt angefallen wären, die Reparatur
aber außerhalb einer solchen Fachwerkstatt wesentlich günstiger erreicht werden kann,
begründete das Unfallgeschehen konkrete Gewinnerwartung. Tatsächlich hat der
Kläger den Pkw auch nicht in einer Fachwerkstatt reparieren lassen, sondern er rechnet
auf Gutachtenbasis ab. Es kommt hinzu, daß der Kläger den Ersatz von
Reparaturkosten für Schäden verlangt, die nicht bei dem Unfall vom 15. April 1996
entstanden sein können sondern vorher bereits vorgelegen haben müssen. So stellt der
Kläger die Reparaturkosten für eine Beschädigung des Pkw-Unterbodens einschließlich
der Ölwanne in Rechnung. Diese Schäden können aber, wie der Sachverständige T
dargelegt hat, bei dem Unfall vom 15. April 1996, der sich auf ebener Fahrbahn ereignet
hat, nicht so eingetreten sein, auch wenn berücksichtigt wird, daß der BMW tiefergelegt
war, bei dem Unfall die Luft aus dem rechten Vorderreifen entwichen ist und der Zeuge
H, während sich der BMW nach der Kollision noch 10 bis 15 m weiter bewegt hat, ein
Funkensprühen aus dem Bereich des Motorblocks beobachtet hat. Nach den
Ausführungen des Sachverständigen läßt dieses Funkensprühen darauf schließen, daß
ein Teil oder eine Ecke der vorderen rechten BMW-Unterseite über den Asphalt
geschleift ist. Die auf den Schadensfotos zu erkennenden flächigen Schäden an der
Unterseite des BMW stammen daher jedoch nicht. Schließlich beweist das Öl, das nach
den Beobachtungen des Zeuge H auf der Fahrbahn gelegen hat, keine unfallbedingte
Beschädigung der Ölwanne. Die Ursache für diesen Austritt von Öl liegt vielmehr im
Bereich des Ölkühlers.
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Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 546 ZPO.
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