Urteil des OLG Hamm vom 02.07.2002
OLG Hamm: gesellschafterversammlung, gesetzliche vertretung, subjektives recht, pfleger, eingriff, beschwerdebefugnis, anfechtung, umwandlung, verfügung, handelsregister
Oberlandesgericht Hamm, 15 W 162/02
Datum:
02.07.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 162/02
Vorinstanz:
Landgericht Hagen, 3 T 105/02
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird
auf 5.112,92 Euro(= 10.000,00 DM) festgesetzt.
G r ü n d e :
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I.
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In einer am 23. und 24. Februar 2000 durchgeführten außerordentlichen
Hauptversammlung wurde die formwechselnde Umwandlung der Firma H
Aktiengesellschaft in eine Kommanditgesellschaft unter der Firma H AG & Co. KG
(Beteiligte zu 1)) beschlossen. Die Umwandlung wurde am 28. März 2000 in das
Handelsregister des Amtsgerichts Iserlohn eingetragen. Alle im Zeitpunkt dieser
Eintragung vorhandenen Aktionäre der früheren H AG wurden damit zu Kommanditisten
der H AG & Co. KG. Zur Vorbereitung der formwechselnden Umwandlung waren die
Aktionäre der H AG in drei öffentlichen Aufrufen gebeten worden, sich bei der
Gesellschaft zu melden. Die Aktionäre, die sich auf die Aufrufe hin meldeten, sowie
diejenigen Aktionäre, die sich zur Hauptversammlung am 23./24. Februar 2000
anmeldeten, wurden im Umwandlungsbeschluss und der Handelsregisteranmeldung
namentlich bezeichnet, während die übrigen Aktionäre, deren Namen sich nicht
aufklären ließen, mit den Nummern der von ihnen gehaltenen Aktienurkunden
bezeichnet wurden.
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Die Beteiligte zu 1) hatte mit Schriftsatz vom 14. März 2001 beantragt, für die
unbekannten Aktionäre einen Pfleger zur Wahrnehmung ihrer Interessen zu bestellen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die unbekannten Gesellschafter ihre
Gesellschaftsrechte, insbesondere das Recht zur Entnahme von Gewinnen, nicht
ausüben könnten. Zudem sei beabsichtigt, das Handelsregister zu berichtigen,
nachdem zwischenzeitlich eine Vielzahl bekannter Gesellschafter gegen Annahme des
Barabfindungsgebots oder durch Wahrnehmung von Kündigungsrechten aus der
Gesellschaft ausgeschieden seien. Es sei nicht auszuschließen, dass das
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Registergericht die Handelsregisteranmeldung, mit welcher die Berichtigung
herbeigeführt werden solle, nur dann akzeptiere, wenn sämtliche Kommanditisten die
Anmeldung unterzeichnet hätten.
Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 8. Mai 2001 für die unbekannten
Kommanditisten der Beteiligten zu 1) eine Pflegschaft gemäß § 1913 BGB eingeleitet,
und zwar mit dem Wirkungskreis der Wahrnehmung und Ausübung der den
unbekannten Kommanditisten zustehenden Rechte, und den Beteiligten zu 2) zum
Pfleger bestellt.
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Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten zu 3) bis 5), bei denen es sich um
Kommanditisten der Beteiligten zu 1) handelt, mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2001
"Erinnerung" eingelegt. Zur Begründung haben sie ausgeführt, dass der angegebene
Anlass für die Pflegerbestellung entfallen sei, da das Amtsgericht - Handelsregister - die
Auffassung vertrete, dass die Anmeldung durch die unbekannten Kommanditisten nicht
erforderlich sei und dementsprechend bereits Eintragungen vorgenommen habe. Zudem
gehe der im Beschluss des Amtsgerichts bestimmte Wirkungskreis der Pflegschaft über
das geltend gemachte Bedürfnis bei Handelsregisteranmeldungen hinaus und
ermögliche jedenfalls in der Interpretation durch die Beteiligten zu 1) und 2) auch die
Vertretung der unbekannten Kommanditisten in der Gesellschafterversammlung. Dabei
greife die Pflegerbestellung in die Mehrheitsverhältnisse der
Gesellschafterversammlung der Beteiligten zu 1) ein, zumal der Beteiligte zu 2) als
ständiger Rechtsberater der Mehrheitskommanditistin der Beteiligten zu 1) ungeeignet
sei, in der Gesellschafterversammlung die Interessen der unbekannten Kommanditisten
mitzuvertreten. In der Gesellschafterversammlung vom 27. Juni 2001 habe er bereits
permanent gegen das Vertretungsverbot nach § 181 BGB verstoßen - etwa im Hinblick
auf Gesellschafterbeschlüsse zur Entlastung der persönlich haftenden Gesellschafterin
und zu Änderungen des Gesellschaftsvertrages -, indem er gleichzeitig für die von ihm
vertretenen Kommanditisten und für die vom ihm ebenfalls vertretene
Mehrheitskommanditistin sowie für die persönlich haftende Gesellschafterin der
Beteiligten zu 1) abgestimmt habe. Wären die von dem Beteiligten zu 2) vertretenen
Stimmen nicht mitgezählt worden, so hätte sich jeweils eine Mehrheit gegen die
Änderung des Gesellschaftsvertrages und gegen die Entlastung ergeben.
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Nachdem der Rechtspfleger des Amtsgerichts die Erinnerung dem Landgericht als
Beschwerde vorgelegt hat und das Landgericht auf Bedenken gegen die
Beschwerdeberechtigung hingewiesen hat, haben die Beteiligten zu 3) bis 5) mit
Schriftsatz vom 5. März 2002 klargestellt, dass sie ihre Beschwer nicht darauf stützen
würden, dass der Pfleger zur Abgabe von Handelsregisteranmeldungen im Namen der
unbekannten Kommanditisten ermächtigt worden sei, sondern darauf, das ihm auch die
Befugnis eingeräumt worden sei, in Gesellschafterversammlungen der Beteiligten zu 1)
das Stimmrecht im Namen der unbekannten Kommanditisten auszuüben. Das
Amtsgericht habe den Beteiligten zu 2) bewusst und gewollt als Pfleger eingesetzt, um
die Stimmrechtsverhältnisse in der Gesellschafterversammlung zu Gunsten der
Mehrheitskommanditistin zu manipulieren.
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Das Landgericht hat die Beschwerde mit Beschluss vom 13. März 2002 als unzulässig
verworfen, da nach Auffassung der Kammer die Beschwerdeführer nicht zum Kreis der
beschwerdeberechtigten Personen gehören.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die mit Schriftsatz ihrer
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Verfahrensbevollmächtigten vom 28. März 2002 bei dem Landgericht eingelegte weitere
Beschwerde der Beteiligten zu 3) bis 5). Die Beteiligten zu 1) und 2) sind dem
Rechtsmittel entgegen getreten.
II.
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Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 27 Abs. 1, 29 FGG statthaft sowie
form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 3) bis 5)
folgt daraus, dass ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist. Die Statthaftigkeit der
weiteren Beschwerde ergibt sich aus dem Grundsatz, dass die Verwerfung der
Erstbeschwerde als unzulässig mit der weiteren Beschwerde anfechtbar ist
(Keidel/Kahl, FG, 14. Aufl., § 27 Rdnr. 7).
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In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts
nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG). Zutreffend ist das
Landgericht davon ausgegangen, dass die gemäß § 11 Abs. 1 RpflG als Beschwerde zu
behandelnden Erinnerung mangels Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführer
unzulässig sei.
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Das Landgericht hat dazu ausgeführt, dass hinsichtlich der Anordnung einer Pflegschaft
nach § 1913 BGB nur derjenige gemäß § 20 Abs. 1 FGG beschwerdeberechtigt sei, der
behaupte, der unbekannte Beteiligte zu sein. Diese Voraussetzung liege bei den
Beschwerdeführern nicht vor. Soweit sich der Angriff nicht gegen die Pflegerbestellung,
sondern gegen die dem Beteiligten zu 2) übertragenen Aufgabenkreise richte, führe dies
zu keiner anderen rechtlichen Wertung, weil derjenige, der kein rechtliches Interesse an
der Anfechtung der Bestellung eines Pflegers habe, nicht die dem Pfleger übertragenen
Aufgabenkreise anfechten könne. Die Frage, ob der Beteiligte zu 2) bei der Ausübung
seines Stimmrechts durch die Mehrheitsgesellschafter beeinflusst worden sei, könne für
das Beschwerdeverfahren dahinstehen, weil mit der Beschwerde lediglich der
Beschluss des Amtsgerichts vom 8. Mai 2001 angegriffen werde, der zwar die
Einrichtung der Pflegschaft und die Übertragung der Aufgabenkreise beinhalte, jedoch
in keinerlei Hinsicht eine Genehmigung oder sonstige Entscheidung, die das Verhalten
des Beteiligten zu 2) betreffe.
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Diese Begründung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
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Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Landgerichts, dass die Beschwerdebefugnis nach
§ 20 Abs. 1 FGG zu beurteilen ist. Hingegen erfasst die spezielle Regelung der
Beschwerdeberechtigung in § 57 Abs. 1 Nr. 3 FGG die vorliegende Fallgestaltung nicht.
Nach dieser Vorschrift ist die Beschwerdebefugnis schon bei einem rechtlichen
Interesse gegeben. Diese Bestimmung kommt jedoch ihrem Wortlaut entsprechend nur
zur Anwendung, wenn Gegenstand der Anfechtung eine Verfügung ist, durch die ein
Antrag auf Einleitung der Pflegschaft abgelehnt oder eine Pflegschaft aufgehoben wird,
nicht jedoch, wenn es - wie vorliegend - um die Anfechtung der Anordnung einer
Pflegschaft geht (vgl. Keidel/Engelhardt, a.a.O., § 57 Rdnr. 14 m.w.N.).
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Eine Beschwerdeberechtigung nach § 20 Abs. 1 FGG setzt voraus, dass der Betroffene
durch die angefochtene Verfügung in seinem subjektiven Recht negativ betroffen ist.
Erforderlich ist insoweit ein unmittelbarer, nachteiliger Eingriff in ein dem
Beschwerdeführer zustehendes Recht. Hingegen reicht es nicht, dass die Verfügung auf
seine rechtlichen Beziehungen von Einfluss ist, mittelbar auf sie einwirkt, oder sich auf
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seine wirtschaftliche Lage auswirkt (vgl. Keidel/Kahl, a.a.O., § 20 Rdnr. 12 m.w.N.).
Demgemäß steht das Recht bei einer gegen die Anordnung einer Pflegschaft
gerichteten Beschwerde jedem zu, der für sich in Anspruch nimmt, der Beteiligte zu sein,
dessen gesetzliche Vertretung dem Pfleger übertragen worden ist (vgl.
Staudinger/Bienwald, BGB, 13. Aufl., § 1913 Rdnr. 15; Schwab in Münchener
Kommentar, 4. Aufl., § 1913 Rdnr. 20; Erman/Holzhauer, BGB, 10. Aufl., § 1913 Rdnr.
18). Das sind hier die unbekannten Kommanditisten der Beteiligten zu 1). Zu ihnen
gehören die Beschwerdeführer nicht. Bei ihnen handelt es sich vielmehr um dritte
Personen. Dritten steht jedoch grundsätzlich kein Beschwerderecht gegen die
Anordnung einer Abwesenheitspflegschaft zu (vgl. Dickescheid in RGRK, 12. Aufl.,
§ 1913 Rdnr. 13).
Von diesem Grundsatz ist im vorliegenden Fall nicht abzuweichen. Denn es fehlt an
einem unmittelbaren Eingriff in ein subjektives Recht der Beschwerdeführer. Zunächst
haben sie als Kommanditisten kein Recht darauf, dass die den unbekannten
Kommanditisten zustehenden Befugnisse überhaupt nicht oder nicht durch einen
Pfleger wahrgenommen werden. Ein unmittelbarer Eingriff des angefochtenen
amtsgerichtlichen Beschlusses in subjektive Rechte lässt sich auch nicht mit Erfolg auf
die Begründung stützen, dass die Mehrheitsverhältnisse in der
Gesellschafterversammlung der Beteiligten zu 1) aufgrund einseitiger
Interessenwahrnehmung des Beteiligten zu 2) zugunsten der Mehrheitskommanditistin
verschoben worden seien. Der angefochtene amtsgerichtliche Beschluss ermächtigt
den Beteiligten zu 2) nur zur Fürsorge im Interesse der unbekannten Kommanditisten;
seine Befugnisse beschränken sich auf die Ausübung der Rechte, die den unbekannten
Kommanditisten selbst zustehen würden. Daraus ergibt sich kein unmittelbarer Eingriff
in Rechte anderer Kommanditisten. Dies ist auch nicht anders zu beurteilen, wenn der
Beteiligte zu 2) aufgrund einer Interessenkollision ungeeignet ist, Rechte der
unbekannten Kommanditisten in der Gesellschafterversammlung wahrzunehmen. Die
Bestellung eines ungeeigneten Abwesenheitspflegers als solche begründet keinen
Eingriff in Rechte der Beschwerdeführer. Sofern deren Rechte durch das Verhalten des
Beteiligten zu 2) in der Gesellschafterversammlung verletzt worden sein sollten, lässt
sich dem angefochtenen amtsgerichtlichen Beschluss keine Genehmigung oder
sonstige Entscheidung zu der Frage entnehmen, wie sich der Beteiligte zu 2) in der
Gesellschafterversammlung zu verhalten hat und wann er gff. an der Ausübung des
Stimmrechts gehindert ist. Ob ausnahmsweise dann – wie die Beschwerdeführer
meinen - eine andere Beurteilung geboten sein kann, wenn ein kollusives
Zusammenwirken zwischen dem Rechtspfleger und dem Abwesenheitspfleger im Sinne
einer bewussten Verschiebung von Mehrheitsverhältnissen vorliegen würde, kann dahin
stehen. Das Landgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen. Dies war wegen der
Pauschalität der darauf abzielenden Behauptungen auch nicht geboten. Auch lässt sich
entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer dem Umstand, dass der Rechtspfleger
die Erinnerung nicht zum Anlass genommen hat, die Pflegerbestellung aufzuheben,
nicht das Ziel einer Manipulierung der Mehrheitsverhältnisse entnehmen.
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Schließlich sieht der Senat auch unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen
Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) keinen Anlass zu einer anderen
Entscheidung. Sollten sich Rechtsverletzungen der Beschwerdeführer aus dem
Verhalten des Beteiligten zu 2) in der Gesellschafterversammlung ergeben haben, so
sind sie weder rechtlos gestellt noch wird ihnen eine wirksame gerichtliche Kontrolle in
unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Sie
sind vielmehr darauf zu verweisen, mit prozessualen Mitteln die ihrer Ansicht nach
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unwirksamen Beschlüsse der Hauptversammlung einer rechtlichen Überprüfung
zuzuführen und zudem Schadensersatz- oder sonstige Ansprüche geltend zu machen.
Die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Verfahren der
weiteren Beschwerde ergibt sich aus §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO. Dabei ist der
Senat der landgerichtlichen Wertfestsetzung gefolgt, gegen die Einwendungen nicht
erhoben worden sind.
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