Urteil des OLG Hamm vom 09.11.1999
OLG Hamm: ampel, kreuzung, sachschaden, abbiegen, führer, ordnungswidrigkeit, fahrverbot, beschränkung, psychologe, sachbeschädigung
Oberlandesgericht Hamm, 2 Ss OWi 1065/99
Datum:
09.11.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ss OWi 1065/99
Vorinstanz:
Amtsgericht Bochum, 78 OWi 53 Js 504/99 (86/99)
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird - unter Verwerfung der wei-tergehenden
Rechtsbeschwerde - im Rechtsfolgenausspruch dahin geändert, dass
die Anordnung des Fahrverbots ent-fällt. Die Kosten des Rechtsmittels
trägt der Betroffene, jedoch wird die Gebühr um 2/3 ermäßigt; in diesem
Umfang hat die Staatskasse die dem Betroffenen in der
Rechtsmittelinstanz entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
G r ü n d e :
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Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen durch das angefochtene Urteil wegen "einer
fahrlässigen Ordnungswidrigkeit nach §§ 1 Abs. 2, 37 Abs. 2, 49 Abs. 1 Ziffer 1 und Abs.
3 Ziffer 2 StVO" eine Geldbuße von 500,- DM verhängt und ihm zugleich ein Fahrverbot
für die Dauer eines Monats erteilt.
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Dazu hat das Amtsgericht folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:
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"Am 31.10.1998 befuhr der Betroffene gegen 18.20 Uhr als Führer des Pkw VW,
amtliches Kennzeichen, die V-straße in C in nördlicher Richtung und näherte sich dem
Kreuzungsbereich V-straße/L-Platz/T-ring. Der Betroffene wollte nach links auf den T-
ring abbiegen und ordnete sich deshalb auf einer der beiden Linksabbiegerspuren ein.
Da die Ampel Rotlicht zeigte, hielt der Betroffene an der Haltelinie an.
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Rechts neben ihm befand sich ebenfalls auf einer Linksabbiegerspur eine andere
Fahrzeugführerin. Als diese anfuhr und unter Verstoß gegen die vorgegebene
Fahrtrichtung nach rechts abbog, fuhr der Betroffene ebenfalls an, um nach links auf den
T-ring abzubiegen, wobei er davon ausging, daß die Ampel nunmehr auf Grünlicht
umgesprungen war. Tatsächlich zeigte sie aber noch Rotlicht.
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Im Kreuzungsbereich kam es dann zur Kollision des Fahrzeugs des Betroffenen mit dem
der Zeugin L1, die vom L-Platz aus kommend nach links in die V-straße abbiegen wollte
und deren Ampel Grünlicht zeigte. An beiden Fahrzeugen entstand erheblicher
Sachschaden.
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...
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Den Verstoß beging der Betroffene nicht wissentlich, sondern infolge mangelnder
Sorgfalt, also fahrlässig."
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Zu den Vorbelastungen des Betroffenen hat das Amtsgericht folgendes festgestellt:
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"Am 14.07.1995 überschritt er als Führer des Pkw in I die zulässige
Höchstgeschwindigkeit um 21 km/h. Es wurde eine Geldbuße in Höhe von 100,00 DM
verhängt. Die Entscheidung ist seit dem 05.10.1995 rechtskräftig.
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Am 21.12.1996 befolgte der Betroffene nicht das Rotlicht an einer Lichtzeichenanlage in
X1 an der Kreuzung H-straße/S-straße/X2-straße, wobei es infolge dieses Fahrens zu
einem Unfall mit Sachschaden kam. Gegen den Betroffenen wurde eine Geldbuße in
Höhe von 250,00 DM verhängt. Die Entscheidung ist seit dem 21.02.1997 rechtskräftig.
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Schließlich ist gegen den Betroffenen wegen Überschreitung des vorgeschriebenen
ASU-Termins um mehr als acht Monate eine Geldbuße in Höhe von 80,00 DM verhängt
worden, wobei diese Entscheidung seit dem 06.04.1998 unanfechtbar ist."
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Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt
und form- und fristgerecht mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet.
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Die ausdrücklich vorgenommene Beschränkung des Rechtsmittels auf den
Rechtsfolgenausspruch ist wirksam, da den Urteilsgründen hinreichend deutlich
entnommen werden kann, dass der Betroffene - zu Recht - wegen fahrlässigen
Nichtbeachtens des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage mit Sachbeschädigung schuldig
gesprochen worden ist.
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Das Rechtsmittel, mit dem der Betroffene die Herabsetzung der Geldbuße auf nicht
mehr als 200,- DM sowie den Wegfall des angeordneten Fahrverbots erstrebt, hat
weitgehend Erfolg.
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Die Rechtsbeschwerde war jedoch zu verwerfen, soweit der Betroffene zu einer
Geldbuße von 500,- DM verurteilt worden ist, da die Nachprüfung des Urteils insoweit
keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat. Das
Amtsgericht hat ausgehend von der Regelgeldbuße von 400,- DM nach Nr. 34.2.1 der
Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV im Hinblick auf die verwertbaren Voreintragungen eine
Erhöhung vorgenommen (§ 1 Abs. 2 S. 2 BKatV), die im Übrigen auch im Hinblick auf
die offensichtlich guten finanziellen Verhältnisse des Betroffenen
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- er ist als Psychologe im Angestelltenverhältnis an einer Klinik in I beschäftigt und
betreibt darüber hinaus eine eigene Praxis - nicht zu beanstanden ist.
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Die Anordnung eines Fahrverbots begegnet jedoch rechtlichen Bedenken, da nicht
angenommen werden kann, dass der Betroffene die Ordnungswidrigkeit unter grober
oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers i.S.d. § 25
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Abs. 1 S. 1 StVG begangen hat.
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Da die Ampel nach den Urteilsfeststellungen bereits längere Zeit Rotlicht zeigte, als der
Betroffene in die Kreuzung einfuhr, liegen zwar den äußeren Gegebenheiten nach die
Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 4 BKatV vor, doch führt dies nicht ohne weiteres zur
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Annahme eines Regelfalles (vgl. OLG Hamm,
ZfS 1995, 152; OLG Düsseldorf, NZV 1994, 161; DAR 1993, 272). Zwar indiziert die
Erfüllung eines ein Regelfahrverbot vorsehenden Tatbestandes der
Bußgeldkatalogverordnung grundsätzlich das Vorliegen eines groben Verstoßes i.S.v. §
25 Abs. 1 S. 1 StVG, für den es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme
eines Fahrverbotes bedarf (vgl. BGHSt 38, 125, 134; 38, 231, 235), jedoch dürfen die
konkreten Umstände des Einzelfalles in objektiver und subjektiver Hinsicht nicht
unberücksichtigt bleiben (BVerfG DAR 1996, 196; BGHSt 38, 125).
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Nach den Feststellungen hielt der Betroffene zunächst ordnungsgemäß vor der Rotlicht
zeigenden Signalanlage an und fuhr aufgrund eines Wahrnehmungsfehlers in die
Kreuzung ein, als die neben ihm ebenfalls auf einer Linksabbiegerspur haltende
Kraftfahrzeugführerin anfuhr. Der Verstoß beruhte somit auf einem sogenannten
"Mitzieheffekt". Unter diesen Umständen stellt
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sich der festgestellte Rotlichtverstoß nicht als Regelfall eines groben Pflichtenverstoßes
dar (vgl. Senatsbeschlüsse
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vom 11. August 1998 in 2 Ss OWi 727/98 = VRS 96, 64, vom
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27. September 1995 in 2 Ss OWi 998/95 = DAR 1995, 501 sowie vom
25
5. Mai 1994 in 2 Ss OWi 414/94 = NZV 1995, 82 m.w.N.). Auch der Umstand, dass es
durch das Verhalten des Betroffenen zu einem Schaden gekommen ist, führt zu keinem
anderen Ergebnis. Anknüpfungspunkt für die vom Verordnungsgeber gewollte schärfere
Ahndung des Rotlichtverstoßes nach Nr. 34.2 der Anlage zu § 1 Abs. 1 der BKatV ist
das grob pflichtwidrige, abstrakt und ggf. konkret den Querverkehr gefährdende
Verhalten des Verkehrsteilnehmers. Fehlt es aber, wie hier, an dem von der
Bußgeldkatalogverordnung vorausgesetzten Handlungsunwert der groben
Pflichtwidrigkeit, ist der Regeltatbestand auch dann nicht erfüllt, wenn es zu einem
Schaden kommt (vgl. auch OLG Hamburg
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VM 1995, 35).
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Trotz bestehender Voreintragungen, insbesondere einer wegen Rotlichtverstoßes mit
Sachschaden, ist das Verhalten des Betroffenen hier auch noch nicht als beharrlicher
Verstoß i.S.d.
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§ 25 Abs. 1 S. 1 StVG einzuordnen. Dagegen spricht nicht nur die verhältnismäßig
lange Zeit von fast zwei Jahren, die seit dem einschlägigen Rotlichtverstoß vergangen
war (vgl. Beschluss des hiesigen 1. Senats für Bußgeldsachen vom 16. März 1995 in 1
Ss OWi 174/95 bei Burhoff, DAR 1996, 386), sondern auch das Fehlen der subjektiven
Voraussetzungen einer beharrlichen Pflichtverletzung. Wiederholung allein beweist
noch nicht Beharrlichkeit, da nach allgemeiner Meinung der subjektive Tatbestand ein
Handeln des Täters erfordert, das auf einem Mangel an rechtstreuer Gesinnung beruht
(vgl. auch OLG Braunschweig DAR 1999, 273, 274; Jagusch/Hentschel,
Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., § 25 StVG Rdnr. 15 m.w.N.). Ebenso wie die grobe
Pflichtverletzung, bei der es sich um einen Verkehrsverstoß von besonderem Gewicht
handeln muss, der abstrakt oder konkret besonders gefährlich ist, muss auch bei dem
beharrlichen Pflichtverstoß eine gemeinschaftsschädliche Grundhaltung des
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Betroffenen vorliegen (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Juni 1999 in 2 Ss OWi 509/99;
OLG Braunschweig a.a.O.). Entsprechend der Rechtsprechung zum "Mitzieheffekt"
hinsichtlich der groben Pflichtwidrigkeit i.S.d. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG sind diese
subjektiven Besonderheiten eines sog. "Augenblicksversagens" auch bezüglich der
Beharrlichkeit zu berücksichtigen. Unter Abwägung der Umstände des vorliegenden
Falles kann daher noch nicht von einer beharrlichen Pflichtverletzung ausgegangen
werden.
Dies schließt andererseits jedoch nicht aus, dass eine Vielzahl auch leichter
fahrlässiger Verstöße zu einer beharrlichen Verletzung der Pflichten eines
Kraftfahrzeugführers i.S.d. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG und damit zur Annahme einer
gemeinschaftsschädlichen Grundhaltung führen kann, was hier jedoch angesichts der
Art, der Anzahl und des zeitlichen Abstands der bislang geahndeten Verstöße noch
nicht der Fall ist.
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Da nicht zu erwarten ist, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere bedeutsame
Feststellungen zum Vorliegen einer groben oder beharrlichen Pflichtwidrigkeit getroffen
werden können, hat der Senat von einer Zurückverweisung der Sache abgesehen und
von der Möglichkeit des § 79 Abs. 6 OWiG Gebrauch gemacht, in der Sache selbst zu
entscheiden.
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Unter Verwerfung der weitergehenden Rechtsbeschwerde war das angefochtene Urteil
daher im Rechtsfolgenausspruch insoweit aufzuheben und abzuändern, als das
angeordnete Fahrverbot entfällt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.
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