Urteil des OLG Hamm vom 06.01.2000
OLG Hamm: beweisverfahren, gefahr, anteil, aufteilung, pastor, handbuch, hersteller, bischof, datum
Oberlandesgericht Hamm, 19 W 149/99
Datum:
06.01.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 W 149/99
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 1 OH 8/94
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsstellerin
auferlegt.
Der Beschwerdewert wird auf bis zu 8000,- DM festgesetzt.
G r ü n d e
1
I.
2
Die Antragstellerin beantragte im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens gem.
§§ 485 ff. ZPO eine schriftliche Begutachtung über Farbabweichungen und
Entfärbungen von Betonwerksteinplatten. Die Antragsgegner sind die Hersteller und
Lieferanten des Farbstoffes. Die Kosten der Sanierungsmaßnahmen beliefen sich nach
den vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen auf 440.000,- DM. Durch
Beschluss vom 17.12.1996 hat das Landgericht den Gegenstandswert des
selbständigen Beweisverfahrens dementsprechend auf 440.000,- DM festgesetzt. Nach
Fristsetzung durch das Landgericht erhob die Antragstellerin Klage mit dem Antrag auf
Freistellung von Schadensersatzverpflichtungen gegenüber der Abnehmerin der
Betonwerksteinplatten in Höhe von 100.000,- DM (15 O 105/97 - LG Bochum). Die
Antragstellerin hatte sich zuvor mit ihrer Abnehmerin auf diesen Betrag geeinigt. In dem
vorgenannten Verfahren verlangte die Antragstellerin ferner Zahlung von 40.000,- DM.
Dabei handelte es sich im Wesentlichen um die Kosten des selbständigen
Beweisverfahrens sowie Regiekosten. Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom
16.12.1997 abgewiesen. Im Berufungsrechtszug beendeten die Parteien den
Rechtsstreit durch Prozessvergleich vom 26.2.1999 (19 U 44/98 – OLG Hamm). Die
Kosten des Rechtstreits beider Rechtszüge einschließlich des Vergleichs hatte die
Antragstellerin zu tragen. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht der
Antragstellerin auf Antrag der Antragsgegnerin nunmehr die Kosten des selbständigen
Beweisverfahrens auferlegt, soweit nicht darüber bereits entschieden sei.
3
II.
4
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gem. § 494a Abs.
2 S. 3 ZPO statthaft, fristgerecht eingelegt (§ 577 Abs. 2 ZPO) und auch im übrigen
zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
5
Gemäß § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO hat das Gericht dem Antragsteller auf Antrag des
Gegners die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen, wenn dieser
innerhalb der ihm nach § 494a Abs. 1 ZPO gesetzten Frist keine Klage erhoben hat.
Wird nur wegen eines Teils des im selbständigen Beweisverfahren verfolgten
Anspruchs Klage erhoben, werden die Folgen für die Kostenentscheidung nach § 494a
Abs. 2 ZPO kontrovers beurteilt.
6
Nach einer vielfach vertretenen Auffassung kann das Gericht im Rahmen des § 494a
Abs. 2 ZPO in entsprechender Anwendung des § 92 ZPO eine Teilkostenentscheidung
über die Kosten des nicht eingeklagten Teiles der vom Antragsteller behaupteten
Forderung treffen. Denn § 494a Abs. 2 ZPO bezweckt es auch, dem Antragsgegner die
Möglichkeit zu verschaffen, sich einen Kostentitel zu verschaffen, ohne auf einen
etwaigen Hauptsacheprozess und dessen Abschluss warten zu müssen (OLG
München, 19. Senat, OLGR 1992, 94; OLG München, 13. Senat, BauR 1997, 167; OLG
Koblenz, JurBüro 1997, 319 = NJW-RR 1998, 68, 69; OLG Düsseldorf, 7. Senat, NJW-
RR 1998, 210 = OLGR 1997, 279; LG Osnabrück, MDR 1992, 1052; Zöller-Herget, ZPO,
21. Aufl., § 494a Rn. 4a; Stein/ Jonas - Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 494a Rn. 17; Musielak-
Huber, ZPO, 1999, § 494a Rn. 5, Bischof, JurBüro 1992, 782; Kleine-Möller/ Merl/
Oelmaier, Handbuch des privaten Baurechts, 2. Aufl., § 17 Rn. 327).
7
Nach anderer Ansicht ist für eine Teilkostenentscheidung im selbständigen
Beweisverfahren kein Raum. Auch über die Kosten des nicht eingeklagten Teils der
Forderung sei im Hauptsacheverfahren in entsprechender Anwendung des § 96 ZPO
mitzuentscheiden. Hierfür werden in erster Linie Gründe der Prozessokönomie und
Praktikabilität angeführt: Alle Kosten könnten gemeinsam und abschließend tituliert
werden. Die andere Auffassung führe zu einer Gebührenmehrbelastung, weil dem
Antragsteller durch die Aufteilung des Streitwertes in einzelne Teilbeträge die
Gebührendegression nicht zugute komme. Ferner wird auf die Gefahr widersprüchlicher
Kostenentscheidungen hingewiesen, weil der Anteil des Streitwertes des
Hauptsacheverfahrens am (höheren) Gegenstandswert des Beweisverfahrens im
Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht stets endgültig feststehe (OLG Düsseldorf, 22.
Senat, BauR 1993, 370 und NJW-RR 1998, 358 = MDR 1997, 979 = BauR 1998, 367;
OLG München, 15. Senat, OLGR 1994, 212; im Ergebnis ebenso Werner/ Pastor, Der
Bauprozess, 9. Aufl., Rn. 133).
8
Der vorliegende Fall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass das
Hauptsacheverfahren – ohne Entscheidung über die Kosten des selbständigen
Beweisverfahrens - endgültig abgeschlossen ist. Eine grundsätzliche Entscheidung
zwischen den beiden unterschiedlichen Lösungswegen ist daher nicht veranlasst.
Jedenfalls in dieser Situation hält der Senat die zuerst genannte Auffassung, der auch
das Landgericht gefolgt ist, für zutreffend. Der Gesetzeswortlaut des § 494a Abs. 2 ZPO
untersagt eine Teilkostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren nicht. Der
Sinn und Zweck der Vorschrift spricht, wie oben ausgeführt worden ist, vielmehr für
dieses Verfahren. Ist das Hauptsacheverfahren abgeschlossen, rechtfertigen es Gründe
der Prozessokönomie und Praktikabilität nicht mehr, den Antragsgegner darauf zu
9
verweisen, dass dort über die gesamten Kosten des selbständigen Beweisverfahrens
hätte entschieden werden müsse, auch soweit es den nicht eingeklagten Teil des
Anspruchs betrifft. In dieser Lage besteht insbesondere auch die angeführte Gefahr
widersprüchlicher Kostenentscheidungen nicht mehr. Vielmehr würde eine
ungerechtfertigte Rechtsschutzlücke entstehen, wenn nunmehr eine (Teil-)
Kostenentscheidung auch im selbständigen Beweisverfahren unterbleibt. Der Umstand,
dass die Antragstellerin mit ihrer Endabnehmerin eine außergerichtliche Regelung zur
Reduzierung des Schadens getroffen hat, geht schließlich nicht zu Lasten der
Antragsgegner.
Vor diesem Hintergrund war die sofortige Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97
Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
10