Urteil des OLG Hamm vom 21.09.2010
OLG Hamm (kürzung, höhe, essen, antragsteller, aussetzung, beschwerde, ehefrau, vergleich, unterhalt, umfang)
Oberlandesgericht Hamm, II-2 UF 76/10
Datum:
21.09.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
II-2 UF 76/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Essen-Steele, 14 F 451/09
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3) wird der Beschluss des
Amtsgerichts – Familiengericht – Essen-Steele vom 09. März 2010
abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Kürzung der laufenden Altersversorgung für den Antragsteller bei
der Deutschen Rentenversicherung Bund unter der Vers.-Nr.: ###
aufgrund der Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Urteil des
Amtsgerichts Essen-Steele vom 16. Juni 2008 unter dem Az.: 14 F
349/05 wird mit Wirkung ab dem 01. März 2010 in Höhe von monatlich
540,80 € ausgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens in der ersten und zweiten Instanz fallen
jeweils hälftig den Beteiligten zu 1) und 2) zur Last.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,00 €
festgesetzt.
Gründe:
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I.
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Durch Urteil des Amtsgerichts Essen-Steele vom 16.06.2008 unter dem Az.: 14 F 349/05
ist die Ehe zwischen den Beteiligten zu 1) und 2) geschieden worden.
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In diesem Zusammenhang ist der Versorgungsausgleich in der Weise geregelt worden,
dass vom Versicherungskonto des geschiedenen Ehemannes bei der DRV Bund, Vers.-
Nr.: ###, auf das Versicherungskonto für die geschiedene Ehefrau ebenfalls bei der
DRV Bund, Vers.-Nr.: ###1, Rentenanwartschaften mit Bezug auf das Ende der Ehezeit
am 31.08.2005 in Höhe von monatlich 585,26 € sowie in Höhe von monatlich weiteren
48,30 € übertragen worden sind. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs im
Übrigen ist dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten worden.
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Darüber hinaus hat sich der Beteiligte zu 1) im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens
vor dem Amtsgericht Essen-Steele am 16.06.2008 gegenüber der Beteiligten zu 2)
durch einen gerichtlichen Vergleich verpflichtet, an sie einen nachehelichen Unterhalt in
Höhe von monatlich 910,00 € zu zahlen.
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Seit dem 01.03.2010 bezieht der Antragsteller eine gesetzliche Altersrente von der
Beteiligten zu 3). Ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich würde sich diese
Rente auf monatlich brutto 1.567,11 € belaufen. Unter Berücksichtigung des
Versorgungsausgleichs würde sie monatlich brutto lediglich 1.026,31 € betragen. Die
Kürzung durch den Versorgungsausgleich beläuft sich auf monatlich 540,80 €.
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Auf Antrag des Antragstellers hat das Amtsgericht – Familiengericht – Essen-Steele im
angefochtenen Beschluss vom 09.03.2010
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"die Kürzung der ab März 2010 für den Antragsteller laufenden Altersversorgung bei der
DRV (Vers.-Nr.: ###) aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichts Essen-Steele vom
16.06.2008, Az.: 14 F 349/05, zum Versorgungsausgleich … im vollen Umfang
ausgesetzt".
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 3) vom 13.04.2010.
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In der Beschwerdebegründung beanstandet die Beschwerdeführerin den Tenor der
angefochtenen Entscheidung. Die konkrete Höhe des Anpassungsbetrages nach § 33
VersausglG gehe aus der Beschlussformel nicht hervor. Dieser Betrag sei in absoluten
Zahlen anzugeben.
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Die übrigen Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
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Der Antragsteller ist der Auffassung, es ergebe sich bereits aus der tenorierten
Formulierung "im vollen Umfang", dass die Kürzung der Rentenanwartschaften in Höhe
der maximalen Differenz, d. h. in Höhe von monatlich 540,80 €, ausgesetzt werde.
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Eine Äußerung der Beteiligten zu 2) ist nicht erfolgt.
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II.
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A. Da das Verfahren zeitlich nach dem 01.09.2009 eingeleitet worden ist, richtet es sich
gem. § 48 Abs. 1 VersausglG nach neuem Recht.
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B. Die Beschwerde der Beteiligten zu 3) vom 13.04.2010 ist gem. § 58 Abs. 1 FamFG
statthaft.
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Sie ist zulässig, insbesondere innerhalb der Beschwerdefrist nach § 63 Abs. 1 FamFG
eingelegt worden.
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In der Sache ist die Beschwerde begründet.
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1. Im Ergebnis ist die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts Essen-Steele nicht
zu beanstanden. Zu Recht geht das Amtsgericht davon aus, dass die Aussetzung der
Kürzung der Altersversorgung für den Antragsteller bei der Beteiligten zu 3) "im vollen
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Umfang", d. h. im maximal zulässigen Rahmen nach § 33 Abs. 3 VersAusglG zu
erfolgen hat. Die Voraussetzungen der § 33 f. VersAusglG liegen vor.
a) Der zugrundeliegende Antrag des Antragstellers vom 13.11.2009 ist am 26.11.2009
beim Amtsgericht Essen-Steele eingegangen. Gem. § 34 Abs. 3 VersAusglG ist unter
diesen Umständen eine Aussetzung der Kürzung mit Wirkung ab dem 01.03.2010
möglich.
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b) Die ausgleichsberechtigte geschiedene Ehefrau T1 bezieht eine laufende
Altersversorgung noch nicht. Sie wird voraussichtlich noch bis zum Jahr 2017
erwerbstätig sein.
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c) Ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich hätte die Beteiligte zu 2) gegen
den Antragsteller einen gesetzlichen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt in Höhe
von monatlich mindestens 540,80 €.
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Durch gerichtlichen Vergleich vom 16.06.2008 zwischen den Beteiligten zu 1) und 2) im
Rahmen ihres Ehescheidungsverfahrens vor dem Amtsgericht Essen-Steele unter dem
Az.: 14 F 349/05 ist ein Anspruch der geschiedenen Ehefrau gegen den geschiedenen
Ehemann auf nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 910,00 € vereinbart
worden. Dieser Vergleich bindet beide geschiedenen Ehegatten nach wie vor. Eine
Abänderung ist von keiner Seite beantragt worden.
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Die geschiedene Ehefrau ist wegen ihres eigenen vergleichsweise geringen
Einkommens aus Erwerbstätigkeit auf Unterhaltsleistungen seitens des Antragstellers
angewiesen.
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Dass der Antragsteller seine Unterhaltsverpflichtung in tenorierter Höhe bis in die
jüngste Vergangenheit regelmäßig erfüllt hat, hat er durch Vorlage seiner Kontoauszüge
für den Zeitraum zwischen Januar 2009 und Dezember 2009 belegt.
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d) Zutreffend weist das Amtsgericht darauf hin, dass die Kürzung der
Rentenanwartschaften des Antragstellers zum Ende der Ehezeit am 31.08.2005
mindestens 2 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV betragen hat (§
33 Abs. 2 VersAusglG).
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e) Der Versorgungsausgleich zwischen den Beteiligten zu 1) und 2) ist im Vorverfahren
unter dem Az: 14 F 349/05 nach altem Recht durchgeführt worden. Das Rentensplitting
nach § 1587 b Abs. 1 BGB a. F. ist unter Verrechnung der wechselseitigen gesetzlichen
Rentenanwartschaften im Wege einer einheitlichen Entscheidung erfolgt. Unter der
"Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte" für den Antragsteller mit Bezug auf seine
laufende Versorgung im Sinne von § 33 Abs. 3 VersorgAusglG ist daher der von der
Beschwerdeführerin ermittelte Bruttobetrag für seine Rentenkürzung zu verstehen.
Überschreitet der gesetzliche Unterhaltsanspruch diesen Betrag, ist die Aussetzung der
Kürzung gemäß § 33 Abs. 3 VersAusglG hierauf zu begrenzen.
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f) Schließlich sind Ermessensfehler des Amtsgerichts bei der Auswahl zwischen
mehreren Versorgungen nach § 33 Abs. 4 VersausglG nicht zu erkennen.
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Es wird nicht übersehen, dass der Antragsteller seit dem 01.03.2010 neben seiner
gesetzlichen Rente eine betriebliche Altersversorgung seitens der T AG in C
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(Firmenpension) bezieht.
Einerseits dürfte diese Zusatzversorgung wegen ihres privatrechtlichen Charakters
jedoch nicht zu den Anrechten im Sinne von § 32 VersorgAusglG gehören, welche der
Anpassung nach den §§ 33 f. VersorgAusglG unterliegen (vgl. Henrich-Hahne,
Familienrecht, 5. Auflage, § 32, Rdnr. 3; Borth, Versorgungsausgleich, 5. Auflage, Rdnr.
868). Insbesondere handelt es sich nicht um eine berufsständische Versorgung nach §
32 Ziff. 3 VersorgAusglG.
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Andererseits sind die Anwartschaften des Antragstellers auf seine betriebliche
Altersversorgung durch den Versorgungsausgleich bislang (noch) nicht gekürzt worden.
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Soweit § 3 b Abs. 1 Ziff. 1 VAHRG das Supersplitting zugelassen hat, ist der
diesbezügliche Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung der Begrenzung in Höhe
von 2 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV zu Lasten der gesetzlichen
Rentenanwartschaften des Antragstellers bei der Beteiligten zu 3) erfolgt. Im Übrigen ist
der Ausgleich der Anwartschaften des Antragstellers auf eine betriebliche
Altersversorgung dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nach den §§ 1587 f ff.
BGB a. F. vorbehalten worden. Dabei ist davon auszugehen, dass eine Verpflichtung
des Antragstellers zur Zahlung einer Ausgleichsrente an die Beteiligte zu 2) gem. §
1587 g Abs. 1 S. 2 BGB a. F. erst mit dem Eintritt der Beteiligten zu 2) in den Ruhestand,
d. h. voraussichtlich im Jahr 2017, eintreten wird.
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Gegenwärtig bewirkt der Versorgungsausgleichs daher eine Kürzung allein für die
Versorgung des Antragstellers bei der Beteiligten zu 3). Daher ist es im Rahmen des §
33 Abs. 4 VersAusglG angemessen, die Aussetzung der Kürzung ausschließlich auf
diesen Versorgungsträger zu beziehen.
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2. In Ergänzung zu den Erwägungen des Amtsgerichts und in Übereinstimmung mit der
Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin ist es allerdings geboten, im Rahmen der
Anpassung nach den §§ 33 f. VersorgAusglG den konkreten Betrag für die Aussetzung
der Kürzung zu titulieren (vgl. das Tenorierungsbeispiel bei Borth,
Versorgungsausgleich, 5. Auflage, Rdnr. 881).
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Diese Modifizierung dient nicht nur der Rechtsklarheit. Sie ermöglicht es den
Versorgungsträgern im Übrigen, bei zukünftigen Steigerungen oder Absenkungen der
laufenden Versorgungen auch die Beträge für die jeweilige Aussetzung der Kürzung
unter Wahrung der bisherigen Relationen neu zu berechnen.
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Insofern ist der Beschluss des Amtsgerichts Essen-Steele vom 09.03.2010 dahingehend
zu ergänzen, dass die Aussetzung der Kürzung in Höhe von monatlich 540,80 € erfolgt.
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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG.
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Sie berücksichtigt einerseits das beiderseitige Interesse der Beteiligten zu 1) und 2) am
Ausspruch der Aussetzung sowie das Obsiegen der Beteiligten zu 3) im Rahmen des
Beschwerdeverfahrens.
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Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG.
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