Urteil des OLG Hamburg vom 22.04.2013
OLG Hamburg: bankrott, widerruf, auflage, nummer, einwirkung, haftpflichtversicherungsvertrag, fahren, abgrenzung, unternehmen, zukunft
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Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 2. Strafsenat, Beschluss vom 22.04.2013, 2 Ws
33/13
§ 56f StGB
Verfahrensgang
vorgehend LG Hamburg, 11. Januar 2013, Az: 607 StVK 825/12 - 090 Js 18/05
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts
Hamburg, Große Strafkammer 7 als Strafvollstreckungskammer, vom 11. Januar 2013
aufgehoben.
Die Bewährungszeit aus dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 19. Januar 2007
(Aktenzeichen 3090 Js 18/05 246 - 217/06) wird um zwei weitere Jahre und sechs Monate
verlängert.
Der Verurteilte wird für die weitere Dauer der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung
eines für seinen Wohnsitz zuständigen Bewährungshelfers unterstellt.
Im übrigen wird die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und insoweit notwendigen Auslagen des
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Verurteilten werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Hamburg (Aktenzeichen 246 - 217/06) erkannte am 19. Januar 2007,
rechtskräftig seit dem 5. März 2007, wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung
- gemeint: Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in vier Fällen - gegen den
Verurteilten auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr zehn Monate. Die Taten hatte
der Verurteilte vom 2. Oktober 2003 bis zum 5. Dezember 2003 begangen. Die
Bewährungszeit wurde auf fünf Jahre bestimmt. Der Aufsicht und Leitung eines
Bewährungshelfers wurde der Verurteilte nicht unterstellt.
Am 20. Juni 2008 wurde der Verurteilte rechtskräftig durch das Amtsgericht Schwetzingen
(Aktenzeichen: 1 Cs 508 Js 3728/08) wegen eines am 29. Oktober 2007 begangenen
vorsätzlichen Gebrauchs eines Fahrzeuges ohne Haftpflichtversicherungsvertrag in
Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen
verurteilt.
Am 5. Oktober 2011 verurteilte das Landgericht München I (Aktenzeichen: 1125 Ds 307 Js
44664/09) den Beschwerdeführer rechtskräftig wegen im Frühjahr 2009 begangener
vorsätzlicher Insolvenzverfahrensverschleppung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher
Verletzung der Buchführungspflicht in Tatmehrheit mit Bankrott zu einer Freiheitsstrafe
von neun Monaten.
Das Amtsgericht Augsburg (Aktenzeichen: 24 Ls 501 Js 117364/09) erkannte sodann
gegen den Beschwerdeführer am 3. Januar 2012 rechtskräftig wegen vorsätzlicher
Pflichtverletzung bei Zahlungsunfähigkeit in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Bankrott unter
Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Landgerichts München I vom 5. Oktober
2011 auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr drei Monaten.
Seit dem 3. September 2012 wird gegen den Verurteilten diese Gesamtfreiheitsstrafe in
der Justizvollzugsanstalt G. in Hamburg vollstreckt. Als Halbstrafentermin ist der 3. April
2013, als Zweidritteltermin ist der 18. Juni 2013 notiert. Strafende wird am 18. November
2013 sein. Seit dem 29. November 2012 erhält der Verurteilte Vollzugslockerungen ohne
Beanstandungen, diese insbesondere seit dem 22. Januar 2013 im Wege der täglichen
Abwesenheiten im Rahmen des Freiganges.
Nachdem der Verurteilte zuvor zum beabsichtigten Bewährungswiderruf angehört worden
war, hat die Große Strafkammer 7 als Strafvollstreckungskammer am 11. Januar 2013 die
durch das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 19. Januar 2007 bewilligte
Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen. Nach am 16. Januar 2013 zugestelltem
Beschluss hat der Verteidiger des Verurteilten am 23. Januar 2013 hiergegen sofortige
Beschwerde eingelegt.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg hat beantragt, auf die sofortige Beschwerde den
Beschluss des Landgerichts Hamburg aufzuheben, die Bewährungszeit um zwei Jahre
sechs Monate zu verlängern und den Verurteilten für die verbleibende Dauer der
Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers zu unterstellen.
II.
Die zulässige (§§ 453 Abs. 2 S. 3, 311 Abs. 2 StPO) sofortige Beschwerde des
Verurteilten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.
1. Zutreffend hat die Strafvollstreckungskammer zunächst die Widerrufsvoraussetzungen
des § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB angenommen:
a. Der Verurteilte ist in der Bewährungszeit erneut straffällig geworden. Aufgrund
der glaubhaften Geständnisse, die der Verurteilte im Beschwerdeverfahren
bekräftigt hat, steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass der Verurteilte in
der Zeit vom Spätsommer 2007 bis 11. Mai 2009 einen vorsätzlichen Gebrauch
eines Fahrzeuges ohne Haftpflichtversicherungsvertrag in Tateinheit mit Fahren
ohne Fahrerlaubnis (Amtsgericht Schwetzingen vom 20. Juni 2008 , Aktenzeichen:
1 Cs 508 Js 3728/08), vorsätzliche Insolvenzverfahrensverschleppung in
Tatmehrheit mit vorsätzlicher Verletzung der Buchführungspflicht in Tatmehrheit mit
Bankrott (Landgericht München I vom 5. Oktober 2011, Aktenzeichen: 1125 Ds 307
Js 44664/09) und eine vorsätzliche Pflichtverletzung bei Zahlungsunfähigkeit in
Tatmehrheit mit vorsätzlichem Bankrott (Amtsgericht Augsburg vom 3. Januar
2012, Aktenzeichen:24 Ls 501 Js 117364/09) schuldhaft begangen hat.
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b. Durch diese neuen Straftaten hat der Verurteilte gezeigt, dass die der
Strafaussetzungen zu Grunde gelegte Erwartung sich nicht erfüllt hat.
Die neuen Taten, die sich über rund zwei Jahre erstrecken, sind gewichtig und
überdies im Vergleich zur früheren Straffälligkeit des Verurteilten durchaus gleich
gelagert. Der Verurteilte hat diese neuen Straftaten überdies nur rund ein halbes
Jahr nach der bedingten Verurteilung durch das Amtsgericht Hamburg, der
umfangreiche Betrügereien und Urkundenfälschungen zu Grunde lagen,
begangen.
Neue Umstände, aufgrund derer trotz des Bewährungsversagens ausnahmsweise
eine günstige Prognose gestellt werden könnte, sind seit dem Ende der Taten im
Mai 2009 nicht entstanden. Soweit der Verurteilte offenbar seitdem keine neuen
Straftaten begangen hat, misst der Senat diesem Umstand angesichts der mit
insgesamt seit 1999 begangenen 35 Straftaten belegten kriminell verfestigten
Persönlichkeit keine die Prognose begünstigende Bedeutung zu: der Verurteilte
hatte sich auch schon in der Vergangenheit mehrere Jahre straffrei verhalten, ohne
sein offenbar eingeschliffenes kriminelles Verhaltensmuster abzulegen, wie die
kriminelle “ Firmenbestattung“ im Jahre 2009 nach der Betrugsserie im Jahre 2003
- unterbrochen von einem Straßenverkehrsdelikt im Jahre 2007- belegt.
2. Von dem wegen des Bewährungsversagens an sich verwirkten Widerruf der
Strafaussetzung wird hier aber abgesehen, da es zur Einwirkung auf den Verurteilten
ausreicht, ihn der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers zu unterstellen (§ 56 f
Abs. 2 S. 1 Nummer 1 StGB) und die Bewährungszeit um weitere zwei Jahre sechs
Monate zu verlängern (§ 56 f Abs. 2 S. 1 Nummer 2 StGB).
Bei der Bewertung, ob wegen begangener neuer Straftaten die Einwirkung des
Strafvollzuges unverzichtbar ist, orientiert sich das Widerrufsgericht grundsätzlich an der
durch das neu erkennende Gericht getroffenen Prognose, da dieses insbesondere
aufgrund des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks in der Regel
über überlegene Beurteilungsmöglichkeiten verfügt (vgl. Fischer, StGB, 60. Auflage, § 56 f
Rdn. 8b m.w.N.).
Vorliegend basiert die Prognoseentscheidung des Amtsgerichts Augsburg indes aus der
am 3. Januar 2012 durchgeführten Hauptverhandlung, liegt mithin mehr als ein Jahr
zurück. Bei einer zeitlich späteren Prüfung, ob von einem Widerruf nach § 56 f Abs. 2
StGB abgesehen werden kann, sind aber ggf. neue stabilisierende Umstände zu
berücksichtigen, anderenfalls etwa eine bereits begonnene soziale Integration nachhaltig
gefährdet würde (vergleiche OLG Düsseldorf Strafverteidiger 1991, Seite 29).
Hiervon ist vorliegend auszugehen. Seit der letzten Verurteilung des Beschwerdeführers
haben sich dessen Lebensverhältnisse verändert: Der Verurteilte hat die gegen ihn
aufgrund der Taten, die Anlass für die Prüfung eines Widerrufs der Bewährung sind,
festgesetzte Freiheitsstrafe von einem Jahr drei Monaten mehr als die Hälfte verbüßt.
Ausweislich der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt G. zur bedingten Entlassung
gemäß § 57 StGB befindet sich der Verurteilte, gegen den erstmalig Strafhaft vollzogen
wird, bereits im offenen Vollzug. Seit dem 22. Januar 2013 ist er – beanstandungsfrei -
Freigänger und geht täglich einer Vollzeitbeschäftigung für die HHR Hanseatische
Hotelreinigungsgesellschaft mbH mit einem monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von
1400 € nach. Während des Vollzuges wurde in Gesprächen mit der
Vollzugsabteilungsleitung die Delinquenzbearbeitung durchgeführt. Der Verurteilte
konnte hierbei ausweislich des Berichts - in Abgrenzung zu seiner Vergangenheit -
alternative Handlungsstrategien für die Zukunft benennen und hat erkannt, dass er
zukünftig keinerlei selbständige Tätigkeiten, die sein strafbares Verhalten in der
Vergangenheit begleitet hatten, mehr ausüben möchte. Seine Verbindlichkeiten in Höhe
von ca. 30.000 € will er mit Unterstützung der Schuldnerberatung bereinigen.
Angesichts dieser persönlichen Entwicklung im Strafvollzug und der seit 1. März 2012
bestehenden Festanstellung ist der Senat der Ansicht, dass die in der Bewährungszeit
begangenen Straftaten auch in der Zusammenschau nicht von solchem Gewicht sind,
dass das Ziel eines künftig straffreien Lebens nicht auch durch eine Verlängerung der
Bewährungszeit und - für den Verurteilten erstmalige - Unterstellung der Aufsicht und
Leitung eines Bewährungshelfers, der den Beschwerdeführer - etwa bei der notwendigen
Schuldenregulierung - helfend unterstützen kann, erreicht werden könnte.
3. Einer Verlängerung der Bewährungszeit steht vorliegend weder entgegen, dass die
Bewährungszeit bereits abgelaufen ist (vergleiche Hubrach in Leipziger Kommentar,
StGB, 12. Auflage, § 56 f Rdn. 41m.w.N.), noch dass mit der Verlängerung, die sich
rückwirkend unmittelbar an die gelaufene Bewährungszeit anschließt, die Höchstfrist von
fünf Jahren gemäß § 56 a Abs. 1 Satz 2 StGB überschritten wird. Denn gemäß § 56f Abs.
2 Satz 2 StGB beträgt die Höchstgrenze fünf Jahre zuzüglich der Hälfte der ersten Frist,
20
vorliegend mithin fünf Jahre zzgl. zwei Jahre sechs Monate (vergleiche Senat in NStZ-RR
1999, Seite 330 f.).
III.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO, wobei maßgeblich
war, dass vorrangiges Anliegen des Verurteilten ersichtlich die Aufhebung des Widerrufs
der Strafaussetzung zur Bewährung war.