Urteil des OLG Hamburg vom 27.02.2013
OLG Hamburg: verschmutzung, einwirkung, konnossement, wasser, gleichwertigkeit, schiedsgericht, staub, verunreinigung, charterer, auflage
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Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 6. Zivilsenat, Beschluss vom 27.02.2013, 6 U
175/12
§ 328 BGB
Verfahrensgang
vorgehend LG Hamburg, 27. September 2012, Az: 403 HKO 12/12, Urteil
nachgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 29. April 2013, Az: 6 U 175/12,
Berufung zurückgewiesen
nachgehend BGH, 10. April 2014, Az: I ZR 100/13, Beschluss
Tenor
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung
gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 27.9.2012, Az.: 403 HKO 12/12, durch
einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel
offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche
Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Gründe
Das Landgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der von der Klägerin geltend
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gemachte Zahlungsanspruch vollumfänglich begründet ist, weil die Beklagte der dem
Grunde nach unstreitigen Forderung der Klägerin weder vertragliche (1.) noch deliktische
Ansprüche (2.) wegen der Kontamination der Rohre durch Bleierzschlamm
entgegenhalten kann und der klägerische Anspruch auch der Höhe nach begründet ist
(3.). Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat zunächst auf die
überzeugenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Die
Berufungsbegründung der Beklagten bietet keinen Anlass für eine andere Beurteilung der
Sach- und Rechtslage.
1. Der Beklagten steht gegen die Klägerin wegen der Kontamination der Rohre kein
vertraglicher Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu. Es fehlt insoweit an
dem dafür notwendigen Schuldverhältnis.
a) Zwischen der Klägerin und der Beklagten besteht kein Vertragsverhältnis. Der
Charterer des MS „.......... ist mit der Klägerin durch einen Umschlagsvertrag verbunden.
Die Beklagte ist nicht Partei dieses Vertrages und auch nicht nach § 328 BGB
forderungsberechtigt.
b) Eine Einbeziehung der Beklagten in den Schutzbereich des Umschlagsvertrages unter
Anwendung der Grundsätze eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte hat das
Landgericht zu Recht verneint. Hierbei kann dahinstehen, ob die von der Rechtsprechung
vorausgesetzte Leistungsnähe, das Schutzinteresse des Gläubigers sowie die
Erkennbarkeit auf Seiten der Klägerin vorlagen. Denn es fehlt bereits an der
Schutzbedürftigkeit der Beklagten, die eine Durchbrechung des aus der
Vertragsautonomie abgeleiteten Grundsatzes, dass Rechte und Pflichten eines Vertrages
nur die Vertragsparteien selbst treffen, zu ihren Gunsten rechtfertigen würde.
Wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, lagen der Entwicklung der Rechtsfigur des
Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte Gerechtigkeitserwägungen zugrunde. Ziel war es,
zugunsten eines mit einer vertraglichen Leistung bestimmungsmäßig in Berührung
kommenden Dritten die Unzulänglichkeiten eines deliktischen Anspruchs im Vergleich zu
einem vertraglichen auszugleichen. Damit gemeint sind im Kern die Nachteile, die ein
rein deliktisch Geschädigter im Verhältnis zu demjenigen hat, der durch seinen
Vertragspartner geschädigt worden ist. Diese bestehen etwa in der fehlenden
unbedingten Einstandspflicht für Erfüllungsgehilfen (im Vertragsverhältnis gilt § 278 BGB,
im Deliktsrecht ist eine Exkulpation nach § 831 BGB möglich), der Beweislast für das
Verschulden des Schädigers (nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB wird das Vertretenmüssen des
Schuldner vermutet) sowie die fehlende Erstattungsfähigkeit fahrlässig verursachter
originärer Vermögensschäden (§ 823 Abs. 1 BGB setzt die Verletzung eines absoluten
Rechtsguts, § 826 BGB den Vorsatz des Schädigers voraus) (MünchKommBGB/Gottwald,
6. Auflage 2012, § 328 BGB Rz 161). Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Dritte
demzufolge nicht schutzbedürftig, wenn ihm eigene vertragliche Ansprüche – gleich
gegen wen – zustehen, die denselben oder zumindest einen gleichwertigen Inhalt haben
wie diejenigen Ansprüche, die ihm über eine Einbeziehung in den Schutzbereich eines
Vertrages zukämen (BGHZ 133, 168,173f; BGH MDR 2011, 222).
So liegt der Fall hier: Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagten wegen der
Kontamination der Rohre Rechte aus dem Konnossement, sei es gegen den Charterer
des Schiffes, sei es gegen dessen Reeder, zustehen. Die Rechte aus dem Konnossement
sind auch inhaltsgleich mit denjenigen, welche die Beklagte gegen die Klägerin geltend
macht. Dass die Beklagte bei der gerichtlichen Durchsetzung ihres eigenen vertraglichen
Anspruches an die – möglicherweise für sie nachteiligen – Bedingungen des
Konnossements gebunden ist, vermag an der inhaltlichen Gleichwertigkeit zu dem gegen
die Klägerin erhobenen Schadensersatzanspruch nichts zu ändern. Beide Ansprüche
sind auf dasselbe Interesse gerichtet: den Ersatz der aus der Verunreinigung der Rohre
mit dem Bleierzschlamm entstandenen Kosten. Der Senat folgt dem Landgericht auch
darin, dass es der Gleichwertigkeit des eigenen Anspruchs der Beklagten nicht entgegen
steht, dass sie die Rechte aus dem Konnossement vor einem englischen Schiedsgericht
geltend machen müsste. Das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte
dient nicht dem Ausgleich von Risiken, die sich für den Dritten aus der Auswahl der
Person seines eigenen Vertragspartners oder der Ausgestaltung des Vertrages mit
diesem ergeben. So ist für die Schutzbedürftigkeit des Dritten etwa rechtlich unerheblich,
ob dessen Vertragspartner finanziell in der Lage ist, die gegen ihn bestehenden
Ansprüche zu erfüllen (BGH NJW 2004, 3630, 3632). Die inhaltliche Richtung eines
Anspruchs wird nicht dadurch berührt, dass er vor einem englischen Schiedsgericht
einzuklagen ist; es handelt sich dabei lediglich um die Art und Weise der prozessualen
Durchsetzung. Auch ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, warum ein vertraglicher
Anspruch der Beklagten allein deshalb, weil er möglicherweise englischem Recht
unterliegt, einem Anspruch nach deutschem Recht auf dasselbe Interesse nicht
gleichwertig gegenüberstehen soll.
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Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, das Landgericht sei zu
Unrecht davon ausgegangen, dass ausreichende eigene Rechte Dritter genügten, die
Schutzwirkungen eines Vertrages zu Gunsten dieses Dritten zu verneinen, obwohl der
BGH (BGHZ 70,327 (330)) inhaltsgleiche Ansprüche fordere. Denn wie dargelegt, hat die
Beklagte diese eigenen inhaltsgleichen vertraglichen Ansprüche, weshalb für die
Anwendung der Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte angesichts des
Anliegens der höchstrichterlichen Rechtsprechung, eine uferlose Ausdehnung des
Kreises der in den Schutzbereich eines Vertrages fallenden Personen zu vermeiden
(BGH, Urteil vom 15.2.1978, Az.: VIII ZR 47/77, BGHZ 70, 370, Rn. 11, zitiert nach juris),
kein Raum. Dass sie im Rahmen ihrer eigenen vertraglichen Ansprüche an die von ihr
selbst vereinbarten Bedingungen gebunden ist, hat auf die Beurteilung ihrer
Schutzbedürftigkeit im Verhältnis zur Klägerin keine Auswirkung.
2. Ein deliktischer Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin besteht ebenfalls nicht. Es
kann insoweit dahinstehen, ob die Rohre bei ihrer Löschung bereits im Eigentum der
Beklagten standen oder ob die Beklagte Inhaberin eines eigentumsähnlichen Rechtes an
diesen war. Denn der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass der Klägerin ein
fahrlässiges Verhalten nicht vorzuwerfen ist. Wie das Landgericht rechtsfehlerfrei
ausgeführt hat, hätte die Klägerin selbst dann nicht sorgfaltswidrig gehandelt, wenn sie,
was sie bestreitet, die im unteren Bereich der Luke 2 im Schlamm liegenden Rohre beim
Ausladen über die bereits gelöschten Rohre gehoben hätte, mit der Folge, dass der auf
den Rohren befindliche Schlamm auf die sauberen Rohre tropfte und sie dadurch
verschmutzte. Die Klägerin hätte auch in diesem Fall die im Verkehr erforderliche Sorgfalt
nicht außer Acht gelassen. Unstreitig wurde die Klägerin nicht darauf hingewiesen, dass
es sich bei dem die Rohre umgebenden Schlamm um hochgiftiges Bleierz handelte und
ohne nähere Prüfung war die Giftigkeit des Schlammes für sie auch nicht erkennbar. Zu
einer Prüfung auf etwaige Gefährlichkeit war die Klägerin aber nicht verpflichtet. Das
Löschen und (Zwischen)lagern von Gütern umfasst jedenfalls dann nicht die Pflicht, beim
Ausladen Verschmutzungen an den Gütern auf Gefährlichkeit hin zu untersuchen, wenn
weder entsprechende Hinweise von dem verunreinigten Gut selbst ausgehen noch von
anderen Ladungsbeteiligten gegeben werden.
Der von der Beklagten erhobene Einwand, auch im Falle der Verschmutzung der Rohre
mit harmlosem Erdschlamm wäre die Klägerin der Beklagten nach Deliktsrecht zur
Reinigung verpflichtet gewesen, sodass das Gleiche gelten müsse, wenn der Schlamm
hochgiftig sei, vermag nicht zu überzeugen. Dem Landgericht ist vielmehr in seiner
Einschätzung zu folgen, dass eine etwaige Verschmutzung der Rohre mit Erdschlamm
keine Eigentumsverletzung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB dargestellt hätte. Zwar kann
die Verschmutzung einer Sache den Grad einer Substanzverletzung erreichen, wie sie für
eine Eigentumsverletzung vorausgesetzt wird (Palandt-Sprau, 72. Auflage, § 823 BGB Rz
7), jedoch wäre diese Schwelle durch eine Verunreinigung der Rohre mit Erdschlamm
nicht überschritten worden. Denn auch ein hoher Verschmutzungsgrad führt nicht zu einer
Eigentumsverletzung, wenn weder eine Einwirkung auf die Sachsubstanz noch eine ihr
gleichstehende sonstige schädigende Einwirkung vorliegt (OLG Dresden, VersR 1999,
765). Für die Annahme einer derart starken Einwirkung bedarf es zumindest einer
Intensität der Verschmutzung in der Weise, dass eine Reinigung nicht nur geringen
Aufwand erfordert (OLG Dresden, a.a.O. – Beschmutzung eines KfZ mit stark
anhaftendem, schwer zu entfernendem Kalk). Bei einer Verschmutzung mit Erdschlamm
hätte es an einer derart starken Einwirkung gefehlt. Rohre zeichnen sich üblicherweise in
ihrer Substanz durch eine Robustheit aus, die verhindert, dass sie durch den Kontakt mit
Staub, Wasser oder Schlamm Schaden nehmen. Dem entsprechend wurden auch die
streitgegenständlichen Rohre unverpackt verschifft und gelagert (Anlage B 1, S. 3). Es
war damit zu rechnen, dass sie mit Staub oder Wasser in Berührung kommen könnten.
Angesichts dessen ist nicht davon auszugehen, dass eine Beschmutzung mit
Erdschlamm die Substanz der Rohre verletzt oder erheblich beeinträchtigt hätte. Vielmehr
ist mit der Klägerin anzunehmen, dass eine solche Verschmutzung mit Wasser leicht hätte
abgewaschen werden können.
3. Soweit die Beklagte hinsichtlich ihrer Einwände bezüglich der Forderungshöhe "zur
Vermeidung unnötigen Schreibwerks“ auf den erstinstanzlichen Vortrag sowie sämtliche
Beweisangebote verweiset, genügt sie den an die Begründung einer Berufung gestellten
Anforderungen nicht. Denn eine Berufungsbegründung muss im Einzelnen angeben, aus
welchen Gründen der Berufungskläger die tatsächliche und rechtliche Würdigung des
vorinstanzlichen Urteils in den angegebenen Punkten für unrichtig hält. Es reicht nicht
aus, lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (BGH NJW-RR 2002, 209,
210).
Die Beklagte hat Gelegenheit,
binnen zwei Wochen
nehmen.
Zur Vermeidung weiterer nicht unerheblicher Kosten wird empfohlen, die Berufung
zurückzunehmen.