Urteil des OLG Hamburg vom 21.08.2013

OLG Hamburg: Zwangsgeld wegen Verletzung der Betriebspflicht des Mieters (Apotheke)

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Zwangsgeld wegen Verletzung der Betriebspflicht des Mieters (Apotheke)
1. Eine Betriebspflicht des Mieters - hier : Apotheke - ist nach § 888 Abs.1 ZPO zu vollstrecken.
2. Hängt die Betriebsaufnahme von einer behördlichen Erlaubnis ab, muss der Mieter darlegen, dass die
Erlaubnis unzweifelhaft nicht zu erlangen ist.
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 8. Zivilsenat, Beschluss vom 21.08.2013, 8 W 72/13
§ 888 Abs 1 ZPO
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom
05.06.2013, Aktenzeichen 333 O 100/12, wird zurückgewiesen.
2. Die Schuldnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von 5.032,72
Euro zu tragen.
Gründe
I.
Die Gläubigerin ist Eigentümerin des Gebäudes in der in Hamburg-Rahlstedt. Die Schuldnerin ist seit dem
01.12.2008 Mieterin der darin befindlichen Apothekenräumlichkeiten zzgl. Arzneikeller. Gemäß § 2 des
Mietvertrages ist die Schuldnerin verpflichtet, in diesen Räumlichkeiten eine Apotheke zu betreiben. Das
Mietverhältnis kann ausweislich § 4 Nr. 2 des Mietvertrages frühestens zum 30. November 2018 gekündigt
werden. Die Schuldnerin stellte den Betrieb der Apotheke zum 01.02.2012 ein.
Die Schuldnerin wurde mit am 10.01.2013 verkündeten - rechtkräftigen - Urteil des Landgerichts Hamburg –
333 O 100/12 – u.a. dazu verurteilt, die Apotheke in der 22143 Hamburg zu betreiben.
Die Schuldnerin nahm den Betrieb der Apotheke in der Folge nicht auf.
Auf Antrag der Gläubigerin setzte das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 05.06.2013 gegen die
Schuldnerin ein Zwangsgeld in Höhe von € 300,00,-, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben
werden kann, eine Zwangshaft von 3 Tagen fest, um sie zur Vornahme der titulierten Handlung anzuhalten.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Schuldnerin, welche sie am 24.06.2013 vor dem
Landgericht Hamburg erhoben hat. Das Landgericht Hamburg hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie
dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 793, 567 ff. ZPO zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht
erhoben.
In der Sache ist sie jedoch unbegründet.
1. Die allgemeinen Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin liegen vor. Der
angefochtene Beschluss des Landgerichts Hamburg ist ein wirksamer Vollstreckungstitel, § 794 Abs. 1 Nr. 3
ZPO. Er ist der Schuldnerin am 11.06.2013 wirksam zugestellt worden.
Auch ist das Landgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen des § 888 Abs. 1
ZPO vorliegen.
Die von der Schuldnerin zu erzwingende Handlung, der Betrieb einer Apotheke in einem gemieteten
Gewerberaum, ist eine unvertretbare Handlung, die nach § 888 Abs. 1 ZPO zu vollstrecken ist. Das
Beschwerdegericht schließt sich der Auffassung an, es handele sich bei der Betriebspflicht um einen
Leistungsanspruch auf Erlangung einer nicht vertretbaren Handlung, die nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist
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(OLG Hamburg, B. v. 06.01.2003, 4 W 1/03, WuM 2003, 641).
Eine Vollstreckung scheidet vorliegend auch nicht deshalb aus, weil die Erbringung der Leistung nicht
ausschließlich von dem Willen der Schuldnerin abhängt.
Zwar gilt § 888 Abs. 1 ZPO nach seinem Wortlaut für alle unvertretbaren Handlungen, soweit diese
ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängen. Eine Zwangsvollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO
ist jedoch trotz dieses Wortlautes nicht immer schon dann ausgeschlossen, wenn die Mitwirkung eines
Dritten erforderlich ist. Vielmehr ist die in § 888 Abs. 1 ZPO enthaltene Ausnahmeregelung restriktiv
dahingehend auszulegen, dass eine Zwangsvollstreckung nur dann ausscheidet, wenn es dem Schuldner
eindeutig unmöglich ist, die Mitwirkung oder die Zustimmung des Dritten zu erlangen (vgl. BGH, NJW-RR
2009, 443, 444; Grunsky, JuS 1973, 553, 555; MüKo ZPO/ Gruber, § 888, Rn. 13; Zöller/Stöber, 29. Auflage,
§ 888, Rn. 2). Die Feststellung dieser Unmöglichkeit setzt dabei voraus, dass der Vollstreckungsschuldner
alles in seiner Macht Stehende getan hat, um die Mitwirkung oder die Zustimmung des Dritten zu erlangen
und dass er seine darauf gerichteten Bemühungen im Einzelnen dargelegt hat (vgl. BGH, aaO; MüKo
ZPO/Gruber, aaO, § 888, Rn. 15). Diese restriktive Auslegung der Ausnahme in § 888 Abs. 1 ZPO ist
sachlich durch den Grundsatz gerechtfertigt, dass jedes Leistungsurteil vollstreckbar sein muss. Würde es
aber für eine Vollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO auf den alleinigen Erfüllungswillen des Schuldners
ankommen, hätte diese Regelung praktisch keinen Anwendungsbereich mehr. Denn der Schuldner muss sich
in den meisten dem § 888 Abs. 1 ZPO unterfallenden typischen Fällen dritter Hilfspersonen zur Erfüllung
seiner Verbindlichkeiten bedienen. Vielmehr soll die in § 888 Abs. 1 ZPO erwähnte Ausnahme der Sicherung
dienen, dass von dem Schuldner nicht etwas ihm Unmögliches verlangt wird. Dem Schuldner wird durch
diese restriktive Auslegung auch nichts Unzumutbares aufgebürdet. Denn es ist folgerichtig, dass er
angehalten wird, dem rechtskräftigen Vollstreckungstitel nachzukommen.
Vorliegend ist zwar davon auszugehen, dass die Betriebsaufnahme durch die Schuldnerin von der Mitwirkung
Dritter abhängig ist. Denn die Apotheke kann und darf seitens der Schuldnerin nur betrieben werden, wenn
eine entsprechende behördliche Erlaubnis vorliegt. Ob dies der Fall ist, ist im Hinblick auf § 3 Nr. 4 ApoG
zumindest zweifelhaft, denn hiernach erlischt eine bereits erteilte Erlaubnis von Gesetzes wegen, wenn diese
länger als ein Jahr nicht ausgeübt und eine entsprechende Fristverlängerung nicht beantragt wurde. Die
Schuldnerin hat die ihr erteilte Erlaubnis für die genannten Räumlichkeiten länger als ein Jahr nicht ausgeübt,
denn sie hat von ihr seit der Einstellung des Betriebes am 01.02.2012 keinen Gebrauch mehr gemacht. Zu
einer etwaig von der Schuldnerin beantragten Fristverlängerung haben die Parteien nichts vorgetragen.
Gleichwohl hat die Schuldnerin nicht dargelegt, dass eine behördliche Erlaubniserteilung für sie unzweifelhaft
nicht zu erlangen ist. Eigene Bemühungen, eine Erlaubnis bei der entsprechenden Behörde zu erlangen, hat
die Schuldnerin nicht vorgetragen. Vielmehr beruft Sie sich darauf, dass eine Erlaubniserteilung von
vornherein ausgeschlossen sei. Mangels Darlegung evidenter Versagensgründe kann das Beschwerdegericht
aber darin keine Rechtfertigung für den von ihr unterlassenen Versuch eine Betriebserlaubnis zu erhalten
erblicken.
So behauptet die Schuldnerin zwar, sie könne die gemieteten Apothekenbetriebsräume nicht in einen den
gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Zustand bringen (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 ApoG), weil sie keine
Finanzierungszusage für notwendige Investitionen in Höhe von ca. € 200.000,- erhalten werde. Sie hat jedoch
nicht konkret dargelegt, woraus sich ein solcher Investitionsbedarf im Einzelnen ergibt. Die Höhe beruht auf
einer bloßen Schätzung, ohne dass vorgetragen wird, in welchem Zustand sich die Räumlichkeiten befinden
und welche konkreten Maßnahmen ihrer Ansicht nach notwendig sind, um die Räumlichkeiten einem
ordnungsgemäßen Apothekenbetrieb zugänglich zu machen.
Auch die von der Schuldnerin vorgetragenen Zweifel an der Erlaubniserteilung im Hinblick auf die von ihr in
der Vergangenheit erwirtschafteten Verluste stellen keinen offensichtlichen Versagensgrund dar. Die von der
Schuldnerin in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, es könnte ihr an der nach § 2 Abs. 1 Nr. 4
ApoG erforderlichen persönlichen Zuverlässigkeit für den Betrieb einer Apotheke fehlen, ist nicht schlüssig.
Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass sich eine persönliche Unzuverlässigkeit im Sinne des ApoG auch
aufgrund der konkreten finanziellen Verhältnisse ergeben kann. Eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit
der Schuldnerin ergibt sich aber aus ihrem Vortrag nicht. Die Behauptung, der weitere Betrieb der Apotheke
könne in Zukunft zu einer Insolvenz der Schuldnerin führen, weil sie die erwirtschafteten Verluste nicht
dauerhaft aus ihrem Privatvermögen ausgleichen könne, ist nicht hinreichend substantiiert.
2. Das Zwangsgeld erscheint dem Beschwerdegericht auch der Höhe nach angemessen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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4. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil es an den Voraussetzungen hierfür mangelt.
5. Der Streitwert entspricht dem Wert der Betriebspflicht. Diesen setzt das Beschwerdegericht mit 20 % des
Jahresentgelts an.