Urteil des OLG Frankfurt vom 18.01.2007

OLG Frankfurt: wiederaufnahme des verfahrens, körperverletzung, begriff, anfechtbarkeit, freiheitsberaubung, quelle, zivilprozessrecht, nötigung, vergewaltigung, befangenheit

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Gericht:
OLG Frankfurt 2.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 Ws 2/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 28 Abs 2 S 2 StPO, § 359
StPO, §§ 359ff StPO
(Richterablehnung im Wiederaufnahmeverfahren:
Anfechtbarkeit der Zurückweisung des
Ablehnungsantrags)
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig
verworfen. 2
Gründe
Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 15.
Juni 2004 (331 Js 27.058/03 – 15 KLs) wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit
Körperverletzung in drei Fällen, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit
Freiheitsberaubung, sowie wegen Nötigung und wegen Körperverletzung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Das Urteil
wurde nach Verwerfung seiner Revision am 20. Januar 2005 rechtskräftig.
Er betreibt ein Wiederaufnahmeverfahren in dieser Sache, das bei dem
Landgericht Kassel anhängig ist.
Nachdem die Wiederaufnahmekammer die Zeugin Z1, zu deren Nachteil die
ersten vier der abgeurteilten Taten begangen wurden und gegen deren
Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit sich das Wiederaufnahmeverfahren vor allem
richtet, durch einen beauftragten Richter, Richter am LG Dr. ..., am 21.09.2006
vernommen hatte, lehnte der Verurteilte diesen und den Vorsitzenden der
Kammer, Vorsitzenden Richter am LG ..., durch Schriftsatz, datiert auf den
19.10.2005 (gemeint wohl: 19.10.2006), eingegangen am 20.10.2006, wegen
Besorgnis der Befangenheit ab.
Durch den angefochtenen Beschluss vom 21. November 2006 wies die Kammer –
ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter – den Ablehnungsantrag als unbegründet
zurück. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des
Verurteilten.
Eine Entscheidung der Kammer über den Wiederaufnahmeantrag ist noch nicht
ergangen.
Das Rechtsmittel hat aber keinen Erfolg, da es gemäß § 28 Abs. 2 S. 2 StPO
unzulässig ist.
Die sofortige Beschwerde kann nicht auf § 372 StPO gestützt werden, denn dies
kommt nur für Entscheidungen nach §§ 368 Abs. 1, 370 Abs. 1 und 2 und 360 Abs.
2 StPO in Betracht (vergl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 372, RNr. 1; KK-
Schmidt, StPO, 5. Aufl., § 372, RNr. 1, jew. m. w. Nachw.).
Insofern richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsmittels im Verfahren über die
Richterablehnung ausschließlich nach § 28 StPO.
In entsprechender Anwendung von § 28 Abs. 2 S. 2 StPO ist die einen
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In entsprechender Anwendung von § 28 Abs. 2 S. 2 StPO ist die einen
Ablehnungsantrag zurückweisende Entscheidung auch im Verfahren über die
Wiederaufnahme nur zusammen mit der Endentscheidung anfechtbar.
Unmittelbar betrifft § 28 Abs. 2 S. 2 StPO nur den erkennenden Richter, d. h.,
einen Richter, der berufen ist, an einer Hauptverhandlung mitzuwirken (z. Begriff:
vergl. Siolek in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 28, RNr. 12). In der
Rechtsprechung wird der Begriff des erkennenden Richters unterschiedlich weit
gefasst. Teilweise wird er auch in direkter Anwendung auf in
Strafvollstreckungskammern tätige Richter erstreckt (so Siolek-LR a.a.O., RNr. 16;
i. E. auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.07. 2004, NStZ 2005, 296, jew. m. w.
Nachw.), ebenso wie teils auch auf in anderen Verfahrensarten tätige Richter
(vergl. Siolek-LR a.a.O. RNr. 20 – 26, m. w. Nachw.), teilweise wird hier § 28 Abs. 2
S. 2 StPO nur entsprechend angewandt (OLG Düsseldorf, 1. Sen., Beschl. v.
01.10.86, NStE Nr. 1 zu § 28 StPO; OLG Koblenz, Beschl. v. 11.02.86 – 2 Vollz (Ws)
3/86 –, so auch OLG Frankfurt in st. RSpr., z. B. Beschl. v. 21.06.05 – 2 Ws 90/05 –
[jeweils zu StVK]; OLG Koblenz, Beschl. v. 11.03.92, NStE Nr. 3 zu § 28 StPO [zum
Verfahren über die Wiederaufnahme]), teilweise wird eine entsprechende
Anwendung des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO auch bei enger Fassung des Begriffs des
erkennenden Richters gänzlich abgelehnt (OLG Nürnberg, Beschl. v. 24.06.88,
NStE Nr. 2 zu § 28 StPO [zur StVK]; OLG Düsseldorf, 3. Sen., Beschl. v. 21.11.94,
NStE Nr. 5 zu § 28 StPO [zur Wiederaufnahmekammer]).
Der Senat hält auch für das Verfahren über die Wiederaufnahme an der
entsprechenden Anwendung von § 28 Abs. 2 S. 2 StPO fest.
Die Prozesslage im Verfahren über die Wiederaufnahme entspricht sowohl der, für
die, als Ausnahme zu § 304 StPO, § 305 StPO geschaffen wurde (dessen
Anwendbarkeit im Verfahren über die Wiederaufnahme auch OLG Düsseldorf, 3.
Sen. a.a.O. bejaht), als auch der Regelung des § 372 StPO, nach der – außer
Haftentscheidungen – nur das Verfahren abschließende Entscheidungen
anfechtbar sind.
Wie die Regelung des § 305 StPO Verfahrensverzögerungen verhindern soll (vergl.
Meyer-Goßner, a.a.O., § 305, RNr. 1), wenn Entscheidungen der erkennenden
Gerichte sowohl auf Beschwerde als auch auf das Rechtsmittel gegen das Urteil
überprüft werden müssten, wird durch die eingeschränkte Anfechtungsmöglichkeit
nach § 372 StPO (vergl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 372 RNr. 1 + 2; KK-Schmidt,
a.a.O., § 372 RNr. 1 – 5) ebenfalls eine Verzögerung bei vergleichbarer Prozesslage
vermieden, ohne dass dadurch dem Beschwerdeführer sein Rügerecht, das er
weiterhin mit der Anfechtung der Endentscheidung geltend machen kann,
beschnitten würde.
Dass gemäß § 372 S. 2 StPO der Staatsanwaltschaft die sofortige Beschwerde
gegen die Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der
Hauptverhandlung versagt ist, führt nicht zu einer anderen Beurteilung (so aber
OLG Düsseldorf, 3. Sen. a.a.O.). Zum einen ist eine solche Konsequenz auch
andernorts, z. B. in §§ 55 Abs. 2 JGG, 28 Abs. 2 S. 2 StPO (vergl. OLG Köln, Beschl.
v. 19.03.76, – Ss 118/76 –; OLG Hamm, Beschl. v. 27.04.89, – 3 Ws 255/89 –) im
Gesetz angelegt, zum anderen ist diese Fallgestaltung vorliegend nicht
entscheidungserheblich.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.