Urteil des OLG Frankfurt vom 20.03.2003

OLG Frankfurt: unterhaltsrente, urlaub, haushalt, eltern, verfügung, telefon, ausbildung, benzin, form, abgrenzung

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Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 W 473/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1612 Abs 1 S 1 BGB, § 64
Abs 3 EStG
(Kindergeld: Anforderungen an die Gewährung einer zum
Bezug berechtigenden Unterhaltsrente)
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 3.000,-- EUR.
Gründe
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind geschiedene Eheleute und Eltern der Betroffenen,
die in einem eigenen Haushalt lebt. Die Betroffene erhielt von dem Antragsgegner
in der Zeit von Januar 1996 bis Juli 1997 monatliche Unterhaltszahlungen in Höhe
von 835,-- DM und seit Aufnahme einer Ausbildung ab dem August 1997 laufende
monatliche Unterhaltszahlungen in Höhe von 400,-- DM. Die Antragstellerin
wendete für die Betroffene nach ihren eigenen Angaben im Jahr 1999 500,-- DM für
Urlaub, 600,-- DM für Autoreparaturen, 250,-- DM für eine Arztrechnung, 232,95
DM für Möbel, Krankenkassenbeiträge ab September 1999 in Höhe von 78,62 DM
und in bar für die Monate Februar, März und April je 100,-- DM auf. Des weiteren
macht sie geltend, ihrer Tochter monatlich ca. 30,-- DM für Benzin zuzuwenden
und diese bei ihren wöchentlichen Besuchen zu verköstigen und ihr das Telefon zur
Verfügung zu stellen. Auch in der Zeit vor 1999 habe die Summe der jährlich von
ihr für die Betroffene erbrachten Leistungen über dem von dem Antragsgegner
gezahlten Jahresunterhalt gelegen.
Die Antragstellerin beantragte, sie ab dem 01. Januar 1999 zur
Kindergeldberechtigten zu bestimmen und für die Zeit vom 01. Januar 1996 bis
zum 31. Dezember 1998 festzustellen, dass die Zahlung des Kindergeldes an sie
zu Recht erfolgt sei.
Das Amtsgericht bestimmte mit Beschluss vom 22. Juli 2002 den Antragsgegner
zum Kindergeldberechtigten.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin wies das Landgericht mit
dem angefochtenen Beschluss zurück und führte zur Begründung aus, die von der
Antragstellerin in Ansatz gebrachten Sachleistungen sowie die einmaligen
Zuzahlungen für Urlaub, Autoreparaturen, Arztrechnungen und Möbel sowie
gelegentlichen Barschenkungen könnten nicht berücksichtigt werden, da es auf die
Höhe der gezahlten Unterhaltsrente ankomme und der Antragsgegner insoweit
jedenfalls die höchste Unterhaltsrente an die Betroffene zahle.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der weiteren Beschwerde und macht
insbesondere geltend, da nach § 1612 BGB die Eltern des volljährigen Kindes
bestimmen könnten, in welcher Art der Unterhalt gewährt werden solle, seien auch
Sachleistungen und sonstige Zuwendungen zu berücksichtigen und das Kindergeld
demjenigen zuzubilligen, der insgesamt die höheren Leistungen erbringe.
Die zulässige weitere Beschwerde der Antragstellerin führt in der Sache nicht zum
Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts
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Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts
beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 Abs. 1 ZPO).
Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass die Antragstellerin im
vormundschaftsgerichtlichen Verfahren nicht zur Kindergeldberechtigten bestimmt
werden kann, da sie die materiellen Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 EstG in ihrer
Person nicht vorliegen.
Ist das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen, so erhält
gemäß § 64 Abs. 3 Satz 1 EStG derjenige das Kindergeld, der dem Kind eine
Unterhaltsrente zahlt. Zahlen mehrere Berechtigte dem Kind Unterhaltsrenten, so
erhält das Kindergeld derjenige, der dem Kind die höchste Unterhaltsrente zahlt (§
64 Abs. 3 Satz 2 EStG).
Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 64 Abs. 3 EStG hängt die
Kindergeldberechtigung bei fehlender Haushaltszugehörigkeit des Kindes somit
allein von der Höhe der gezahlten Unterhaltsrente ab. Hierunter ist Barunterhalt in
Form einer laufend wiederkehrenden und gleichmäßigen Geldleistung zu verstehen
(vgl. FG Münster EFG 2002, 417 m.w.N.; Schmidt, EstG, 21. Aufl., § 64 Rn. 6). Dabei
handelt es sich um Unterhalt in Gestalt einer Geldrente im Sinne des § 1612 Abs.
1 Satz 1 BGB, die regelmäßig monatlich im voraus in bestimmter Höhe gezahlt
wird (vgl. Blümich/Heuermann, EStG, § 64 Rn. 57; Kirchhof/Jachmann, EstG, 2.
Aufl., § 64 Rn. 6 m.w.N.).
Danach scheidet die Berücksichtigung von Sach- oder Betreuungsleistungen für
die Bestimmung der Kindergeldberechtigung nach § 64 Abs. 3 EStG aus. Des
weiteren erfüllen einmalige oder gelegentliche auch höhere Zuwendungen nicht
die Voraussetzungen einer Geldrente, da diese begrifflich gerade regelmäßige
Zahlungen in bestimmter Höhe erfordert (vgl. Kirchhof/Jachmann, a.a.O., § 64 Rn.
6; Littmann/Bitz/Bust, a.a.O., § 64 Rn. 151). Deshalb haben die Vorinstanzen
zutreffend die unregelmäßig aus konkreten Anlässen heraus erbrachten
Leistungen der Antragstellerin für Urlaub, Autoreparaturen, Arztrechnungen und
Möbel sowie vereinzelte Barzuwendungen von 100,-- DM nicht als Unterhaltsrente
im Sinne des § 64 Abs. 3 EstG gewertet.
Ob die regelmäßig von der Antragstellerin erbrachten Zahlungen auf einen
Bausparvertrag und an die Krankenkasse ab September 1999 als Unterhaltsrente
zu werten sind, obwohl sie von der Antragstellerin gerade nicht an die Betroffene
als Unterhaltsberechtigte selbst erbracht wurden, kann für den vorliegenden Fall
dahinstehen, da diese regelmäßigen Zahlungen der Höhe nach jedenfalls deutlich
hinter der von dem Antragsgegner laufend gezahlten monatlichen Unterhaltsrente
zurückbleiben.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann die Kindergeldberechtigung
nicht von einem Vergleich der Höhe der Summen aller Geld-, Sach- und sonstigen
Zuwendungen an das Kind abhängig gemacht werden. Eine derartige Lösung ist im
Hinblick auf die Schwierigkeit der Abgrenzung, ob einzelne Zuwendungen als
übliche Schenkungen an das Kind oder als Regel- oder Sonderunterhaltsleistungen
einzustufen wären, nicht praktikabel und würde je nach Wahl des maßgeblichen
Beurteilungszeitraumes zu einem ständigen Wechsel der Kindergeldberechtigung
führen. Sie ist des weiteren mit dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, das in §
64 Abs. 3 EstG allein auf die Höhe der gezahlten Unterhaltsrenten abstellt, nicht
vereinbar.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 30 Abs. 2 KostO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.