Urteil des OLG Frankfurt vom 10.03.2006
OLG Frankfurt: entschädigung, unterpächter, pachtvertrag, kündigung, absicht, grundstück, quelle, zivilprozessrecht, verjährungsfrist, zustellung
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Gericht:
OLG Frankfurt 24.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 U 175/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 548 BGB, § 11 BKleingG, § 1
Abs 1 BKleingG, § 1 Abs 1
BKleingG, § 9 BKleingG
Entschädigungsansprüche in entsprechender Anwendung
des Bundeskleingartengesetzes bei Kündigung des
Pachtvertrages eines nicht erwerbsmäßigen gärtnerisch
genutzten, keinem Wohngrundstück zugeordneten
Gartengrundstückes.
Leitsatz
Die zum Entschädigungsanspruch nach § 11 BKleingG entwickelten Regeln können
entsprechend gelten, wenn ein zur kleingärtnerischen Nutzung verpachtetes Gelände
die tatsächlichen Anforderungen an einen Kleingarten i. S. d. § 1 BKleingG nicht in jeder
Hinsicht erfüllt.
Gründe
1. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten verpachtete dem Kläger ein in fünf
unterverpachtete Parzellen aufgeteiltes Kleingartengelände; zwischen den Parteien
ist unstreitig, dass dieses Gelände die tatsächlichen Anforderungen an einen
Kleingarten i.S.d. § 1 BKleingG nicht erfüllt. Nachdem die Beklagten den
Pachtvertrag unter Hinweis auf ihre Absicht, das Gartengelände für eigene Zwecke
zu nutzen, gekündigt hatten, gab der Kläger das Grundstück zum 31.12.2003 an
die Beklagten heraus. Er macht nunmehr Entschädigungsansprüche wegen
verbliebener Anlagen und Anpflanzungen geltend.
Das Landgericht hat dem Kläger dem Grunde nach Entschädigung zugebilligt,
seine Ansprüche aber der Höhe nach gekürzt. Wegen der von ihm gefundenen
Gründe sowie der getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil vom
27.07.2005 verwiesen.
Mit der Berufung tragen die Beklagten vor, der Klageanspruch sei – nach
Einreichung der Klage am 31.12.2004 und Zustellung am 01.02.2005 – verjährt.
Der Kläger sei nicht aktiv legitimiert. Dessen ungeachtet seien der Höhe nach
weitere Abstriche von der Klageforderung zu machen als das Landgericht sie
berücksichtigt habe.
Die Beklagten beantragen, unter Abänderung des am 27.07.2005 verkündeten
Urteils des Landgerichts Darmstadt die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des zweitinstanzlichen Parteivorbringens im Einzelnen wird auf die vor dem
Berufungsgericht gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
2. Die Berufung ist nur in begrenztem Maße begründet.
a) Wie das Landgericht zutreffend festgehalten hat, schulden die Beklagten dem
Kläger dem Grunde nach Schadensersatz wegen der verbliebenen Anpflanzungen
und zugelassenen Anlagen. So ergibt es sich aus § 13 Abs. 2 des
„Generalpachtvertrages“ vom 14./01.07.1988 mit seiner – § 1 dieses Vertrages –
Rechtsfolgenverweisung auf § 11 BKleingG. Die Entschädigungsverpflichtung
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Rechtsfolgenverweisung auf § 11 BKleingG. Die Entschädigungsverpflichtung
besteht – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht im Verhältnis der
Unterpächter des Klägers zu den Beklagten, vielmehr unmittelbar im Verhältnis
der Parteien des Rechtsstreits. Denn diese sind die Parteien des Pachtvertrages,
und die im Vertrag bezeichneten wechselseitigen Rechte und Pflichten treffen die
Vertragsparteien; die Unterpächter sind nur mittelbar begünstigt (§ 13 Abs. 4 des
„Generalpachtvertrages“).
b) Der Höhe nach sind von der vom Landgericht auf der Grundlage des vom Kläger
eingeholten Sachverständigengutachtens zugesprochenen Entschädigung i.H.v.
4.449,08 € weitere Abstriche mit der Folge zu machen, dass der Kläger nur
3.481,96 € beanspruchen kann.
Diese Abstriche betreffen zunächst den Wert der zum Zeitpunkt der Begutachtung
auf Parzelle 108 noch vorhandenen Pflanzen, 473,00 €. Wie die Beklagten nämlich
unbestritten vorgetragen haben, hat der Unterpächter dieser Parzelle die Pflanzen
bei Räumung des Teilgrundstücks mitgenommen.
Nichts beanspruchen kann der Kläger auch wegen des auf dieser Parzelle
errichteten Zauns; unbestritten haben die Beklagten selbst diesen Zaun bezahlt.
Sein Wert beläuft sich allerdings nicht auf 305,70 €, sondern nur auf 152,64 €
(Teilgutachten „Parzelle 108“, S. 5, 3.5).
Kein Teil der entschädigungspflichtigen Anlagen ist der mit einem Wert von 342,20
€ in die – insoweit vom Landgericht mitgetragene – Berechnung des Klägers
eingegangene Schuppen auf Parzelle 108. Die Entschädigungspflicht aus § 13 Abs.
2 des „Generalpachtvertrages“ reicht, was „Bauten und Anlagen“ angeht, nur
soweit, wie es sich um „zugelassene „Bauten und Anlagen“ handelt; die Regelung
knüpft folgerichtig an die in § 10 des Vertrages umschriebene Zustimmungspflicht
der Verpächterseite an.
„Zugelassen“ war die Errichtung des Schuppens aber nicht. Soweit der Kläger
darauf hinweist – Schriftsatz vom 07.04.2005 – , „sämtliche übrigen Aufbauten ...
(seien) ... mit Zustimmung des Klägers sowie des ehemaligen Eigentümers
erstellt“, ergreift dies den streitigen Schuppen nicht. Denn dieser wurde erst nach
Übertragung des Grundstückes an die Beklagten errichtet. Diese hätten also
gefragt werden müssen, und das war unstreitig nicht der Fall.
c) Der sachlich begründete Klageanspruch ist nicht verjährt. Obwohl das
Pachtgrundstück kein Kleingartengrundstück i.S.d. § 1 BKleingG darstellt, ist es in
seinen für den Charakter des Entschädigungsanspruchs maßgeblichen
Eigenschaften einem Kleingartengrundstück vergleichbar, und folgerichtig haben
die Parteien des „Generalpachtvertrages“ die Kündigungsfolgen in den
wesentlichen Zügen den für Kleingärten geltenden Entschädigungsregeln des § 11
BKleingG unterworfen. Dies hat zur Folge, dass der Anspruch auf Zahlung der
Kündigungsentschädigung der Regelverjährung unterliegt; entgegen der
Auffassung der Beklagten greift die kurze Verjährung des § 548 BGB nicht.
Der originäre Anspruch des § 11 BKleingG steht in seinem rechtlichen Charakter
dem öffentlichrechtlichen Enteignungsentschädigungsanspruch so nahe, dass im
Interesse einer gleichen Behandlung gleichartiger Rechtsbeziehungen die
Anwendung der für Ansprüche auf Entschädigung aus Enteignung geltenden
(regelmäßigen) Verjährungsfrist gerechtfertigt ist (BGHZ 151, 71). Denn einige der
zentralen Kündigungsregelungen des BKleingG (§ 9) knüpfen an Gründe des
Gemeinwohls an. Die Rechtsklarheit fordert, für alle Fälle des § 11 BKleingG und
damit für alle Fälle des § 9 BKleingG dieselben Verjährungsregeln gelten zu lassen
(BGH a.a.O.). Diese Grundsätze gelten auch für die Abwicklung des hier streitigen
Pachtverhältnisses ungeachtet dessen, dass § 11 BKleingG nicht unmittelbar,
sondern wegen der bloßen Ähnlichkeit des hier vorliegenden Pachtverhältnisses zu
einem Pachtverhältnis i.S.d. BKleingG entsprechend § 11 BKleingG abzuwickeln ist.
Die auf die Nutzung des Grundstückes bezogenen Verhältnisse sind exakt die in §
1 Abs. 1 Ziffer 1 BKleingG angesprochenen Verhältnisse einer nicht
erwerbsmäßigen gärtnerischen Nutzung eines kleinen, keinem Wohngrundstück
zugeordneten Gartengrundstückes. Ganz dementsprechend war auf den Parzellen
auch alles das vorzufinden, was in Kleingärten vorzufinden ist; die vom Kläger mit
der Wertfeststellung betraute Gutachterin bezeichnete die Grundstücke deshalb
auch ohne Weiteres durchweg als „Kleingärten“.
Es sind allein außerhalb der „entschädigungspflichtigen“ Parzellen liegende
Gründe, die eine unmittelbare Anwendung der Vorschriften des BKleingG
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Gründe, die eine unmittelbare Anwendung der Vorschriften des BKleingG
ausschlossen, nämlich das Fehlen von gemeinschaftlichen Einrichtungen i.S.d. § 1
Abs. 1 Ziffer 2 BKleingG. Den Charakter des Entschädigungsanspruchs, seinen
Gegenstand und die dem Entschädigungsanspruch zu Grunde liegenden
Interessen der Beteiligten berührt dieser Aspekt aber nicht. Das Berufungsgericht
erachtet es deshalb für geboten, die § 11 BKleingG entwickelten
Verjährungsgrundsätze auch hier geltend zu lassen. Andernfalls würden – sogar –
entgegen dem im Pachtvertrag geäußerten Parteiwillen im Wesentlichen
gleichartige Rechtsbeziehungen gänzlich abweichenden Verjährungsregeln
unterworfen; dies wäre mit dem – schon angesprochenen – Grundsatz der
Rechtsklarheit nicht zu vereinbaren.
3. Das Berufungsgericht erachtet die gesetzlichen Voraussetzungen einer
Zulassung der Revision für nicht gegeben.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.