Urteil des OLG Frankfurt vom 29.11.2006

OLG Frankfurt: treu und glauben, anzahlung, kaufpreis, agb, vergütung, transparenzgebot, grundstück, kaufvertrag, handschriftlich, anfechtung

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Gericht:
OLG Frankfurt 19.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
19 U 120/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 307 Abs 1 S 2 BGB, § 652
Abs 1 S 1 BGB
(Provisionsanspruch des Grundstücksmaklers:
Inhaltskontrolle der Übererlösklausel in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen eines Maklervertrags über den
Verkauf eines Hausgrundstücks auf Rentenbasis)
Leitsatz
In einem Maklervertrag über den Verkauf eines Hausgrundstücks auf Rentenbasis, der
als vom Makler anzubietenden Kaufpreis eine Anzahlung von 50.000 Euro und eine
monatliche Rentenzahlung von 5.650 Euro nennt, ist folgende Klausel wegen Verstoßes
gegen das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam: "Der Verkäufer
zahlt keine Maklercourtage. Dafür darf der Makler das Objekt mit einer Anzahlung von
Euro 88.000 anbieten. Die eventuell über Euro 50.000 liegende Anzahlung ist dann die
Maklercourtage und wird nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages gezahlt".
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 09.05.2006 verkündete Urteil der 1.
Zivilkammer des Landgerichts Limburg/Lahn abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin ist Immobilienmaklerin. Sie verlangt von der Beklagten die Zahlung
von Maklerprovision für die Vermittlung des Verkaufs des mit einem Wohnhaus
bebauten Grundstücks …Straße in O1.
Die Beklagte beauftragte die Klägerin unter dem 21./22.10.2003 mit dem
Nachweis von Kaufinteressenten bzw. der Vermittlung eines
Kaufvertragsabschlusses über das oben genannte Objekt. Die Beklagte war daran
interessiert, vom Käufer den Kaufpreis im Wege lebenslang monatlich zu
beziehender Rentenzahlungen zuzüglich einer sofort fälligen Anzahlung zu
erhalten.
Demgemäß wurde im Maklervertrag für die Preisgestaltung des Kaufvertrages eine
Anzahlung von 50.000,-- EUR und eine monatliche Rentenzahlung von 5.650,--
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Anzahlung von 50.000,-- EUR und eine monatliche Rentenzahlung von 5.650,--
EUR vorgesehen. Nr. 9 des Maklervertrages regelt die Frage der vom Verkäufer an
den Makler zu zahlenden Vergütung. Die Klausel lautet: „Der Verkäufer zahlt keine
Maklercourtage. Dafür darf der Makler das Objekt mit einer Anzahlung von EUR
80.000,-- anbieten. Die eventuell über EUR 50.000,-- liegende Anzahlung ist dann
die Maklercourtage und wird nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages
gezahlt“. Die in diese Klausel handschriftlich eingetragenen Euro-Beträge
stammen vom Ehemann der Beklagten, dem diese Beträge von einem Mitarbeiter
der Klägerin auf Anfrage mitgeteilt worden waren.
Auf Vermittlung der Klägerin verkaufte die Beklagte das Grundstück gemäß
notarieller Urkunde des Notars A vom 18.06.2004 zu einem Kaufpreis, der sich aus
einer Anzahlung von 100.000,-- EUR und Rentenzahlungen von monatlich 5.330,--
EUR zusammensetzt. Die Klägerin verlangt unter Bezugnahme auf Nr. 9 des
Maklervertrages eine Vergütung von 30.000,-- EUR.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 30.000,-- EUR nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 02.07.2004 zu
zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, der Zeuge Z1 habe im Rahmen der Verhandlungen zum
Abschluss des Maklervertrages immer wieder darauf hingewiesen, dass sie – die
Beklagte – keinerlei Courtage zu zahlen habe. Diese sei allein vom Käufer zu
tragen. Mit Schriftsatz vom 17.05.2005 hat die Beklagte die Anfechtung des
Maklervertrages erklärt, da sie durch die entsprechenden Äußerungen des Zeugen
arglistig getäuscht worden sei.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Z1. Wegen
des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom
20.03.2006 Bezug genommen (Bl. 95 – 104 d.A.). Das Landgericht hat der Klage
durch am 09.05.2006 verkündetes Urteil stattgegeben (Bl. 129 – 137 d.A.). Gegen
das ihr am 12.05.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.06.2006 Berufung
eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
bis zum 14.08.2006 am 10.08.2006 begründet.
Die Beklagte macht mit der Berufung geltend, die Klausel Nr. 9 des
Maklervertrages sei unwirksam, weil sie gegen das Transparenzgebot verstoße.
Der Text sei widersprüchlich, zumindest aber unklar. Die Übererlösklausel gemäß
Nr. 9 des Vertrages sei auch nach § 138 BGB sittenwidrig, da es sich um ein
erheblich überhöhtes Entgelt handele, indem der Makler den Übererlös vollständig
für sich abschöpfe. Daraus ergebe sich ein auffälliges Missverhältnis zur Leistung
des Maklers. Auch sei die Beweiswürdigung des Landgerichts fehlerhaft.
Die Beklagte beantragt,
das am 09.05.2006 verkündete Urteil des Landgerichts Limburg abzuändern
und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil, insbesondere die Wirksamkeit der
Vergütungsvereinbarung.
II.
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten
keine Vergütung für ihre Maklertätigkeit beanspruchen. Denn die Regelung in Nr. 9
des Maklervertrages über die vom Verkäufer zu beanspruchende Vergütung ist
unwirksam. Sie benachteiligt die Beklagte entgegen den Geboten von Treu und
Glauben unangemessen, weil sie nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 BGB).
Nr. 9 des Maklervertrages ist eine von der Klägerin gestellte Vertragsbedingung.
Es lässt den AGB-Charakter dieser Vertragsbestimmung unberührt, dass der
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Es lässt den AGB-Charakter dieser Vertragsbestimmung unberührt, dass der
Ehemann der Beklagten in die Leerräume der Klausel handschriftlich die Euro-
Beträge „80.000,--„ und „50.000,--„ eintrug. Nur dann, wenn Ergänzungen, die
den wesentlichen Inhalt der Klausel festlegen, vom Vertragspartner des
Verwenders des Formulars nach seiner freien Entscheidung ausgefüllt werden,
ohne dass vom Verwender vorformulierte Entscheidungsvorschläge hinzugefügt
wurden, stellt dieser Formularteil in der Regel keine AGB dar. Anders verhält es
sich jedoch, wenn der Verwender dem Vertragspartner den Inhalt der von diesem
vorzunehmenden Ergänzung mitteilt und somit einseitig von seiner
Gestaltungsmacht Gebrauch macht (BGH NJW 1998, 1066, 1067 m.w.N.). So liegt
es hier. Die handschriftlichen Eintragungen entsprechen den Angaben, die ein
Mitarbeiter der Klägerin fernmündlich dem Ehemann der Beklagten gemacht hat.
An der wirksamen Einbeziehung der Klausel, die Bestandteil des von beiden
Parteien unterzeichneten schriftlichen Maklervertrages ist, bestehen keine
Bedenken. Es ist ohne Belang, dass – wie die Beklagte geltend macht – bereits vor
Abschluss des schriftlichen Vertrages ein mündlicher Vertrag zwischen den
Parteien ohne eine entsprechende Regelung zu Stande gekommen ist. Der später
abgeschlossene schriftliche Vertrag ändert und modifiziert den Inhalt der
mündlichen Vereinbarungen und ist entsprechend dem Willen der Parteien die
maßgebliche Grundlage zur Bestimmung des Vertragsinhaltes.
Nr. 9 des Vertrages ist wegen mangelnder Transparenz als eine unangemessene
Benachteiligung der Beklagten im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB anzusehen.
Das Transparenzgebot verpflichtet den Klauselverwender, die Rechte und Pflichten
seines Vertragspartners in den AGB möglichst klar und durchschaubar
darzustellen. Dabei gebieten Treu und Glauben auch, dass die Klausel
wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den
Umständen gefordert werden kann (BGH NJW 2001, 2014, 2016 m.w.N.). Diesen
Anforderungen wird die Klausel nicht gerecht.
Nr. 9 der AGB legt auch für den aufmerksamen und sorgfältigen Kunden das
Verständnis einer typischen Mehrerlösklausel nahe, wonach der Makler (nur) dann,
eine Maklercourtage vom Verkäufer erhält, wenn der Verkauf zu einem echten
Mehrerlös führt, indem der sich aus Anzahlung und monatlichen Rentenzahlungen
zusammengesetzte Gesamtkaufpreis eine höhere Anzahlung (bei
gleichbleibendem Rentenanteil) als im Maklervertrag angenommen ergibt. Für eine
dahingehende Auslegung spricht, dass nach S. 1 der Klausel der Verkäufer keine
Maklercourtage zahlt, und dass der Makler nach S. 2 der Klausel das Objekt nur
mit einer höheren Anzahlung anbieten darf, von einer Veränderung des
Rentenanteils des Kaufpreises jedoch nicht die Rede ist. Hingegen soll nach S. 3
der Klausel Nr. 9 eine Maklercourtage vom Verkäufer bereits dann zu zahlen sein,
wenn (allein) die Anzahlung des Käufers den im Maklervertrag vorgesehenen
Betrag übersteigt. Deshalb lässt S. 3 der Klausel Nr. 9 die Auslegung zu, dass eine
Erhöhung der Anzahlung im Kaufvertrag einen Courtageanspruch des Maklers
gegen den Verkäufer selbst dann begründet, wenn die höhere Anzahlung des
Käufers mit einer Verringerung des Rentenanteils „erkauft“ wird und der durch den
Verkauf erzielte Gesamtkaufpreis – bestehend aus Anzahlung und Rentenanteil –
geringer ist als nach dem Maklervertrag vorgesehen. Die Auslegung der Klausel,
die für den Makler einen Courtageanspruch gegen den Verkäufer sogar dann
ergibt, wenn der aus dem Verkauf erlangte Kaufpreisanspruch bei Erhöhung der
Anzahlung und Verringerung des Rentenanteils einen Mindererlös ergibt, ist
maßgeblich. Denn die kundenfreundlichste Auslegung im Sinne des § 305 c Abs. 2
BGB erfordert auch im Individualprozess die Prüfung, ob die Klausel bei
kundenfeindlichster Auslegung unwirksam ist (Palandt/Heinrichs, 65. Aufl., BGB §
305 c Rdnr. 20 m.w.N.). Diese Auslegung ergibt die Verletzung des
Transparenzgebotes, weil die Klausel für den Maklerkunden das erhebliche
wirtschaftliche Risiko verschleiert, selbst bei einem Mindererlös aus dem Verkauf
allein wegen einer höheren Anzahlung Maklercourtage in Höhe der Differenz zu der
im Maklervertrag vorgesehenen Anzahlung zu schulden.
Die Klausel Nr. 9 des Maklervertrages ist aber nicht nur hinsichtlich der
Voraussetzungen, bei deren Vorliegen ein Courtageanspruch des Maklers gegen
den Verkäufer entsteht, sondern auch hinsichtlich der Höhe der Courtage
intransparent. Denn der Anspruch des Maklers wird der Höhe nach nicht auf die
Differenz beschränkt, die sich aus den in Nr. 9 der AGB genannten Beträgen einer
Anzahlung ergibt. S. 3 der Klausel Nr. 9 lässt vielmehr die Auslegung zu, dass für
die Höhe der Courtage der über 50.000,-- EUR hinaus gehende Mehrbetrag einer
Anzahlung in beliebiger Höhe maßgeblich ist. Hierdurch wird für den Maklerkunden
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Anzahlung in beliebiger Höhe maßgeblich ist. Hierdurch wird für den Maklerkunden
der wirtschaftliche Nachteil verschleiert, der sich daraus ergibt, dass der Makler bei
einem Verkauf des Grundstücks mit einer noch höheren Anzahlung als 80.000,--
EUR jeden Mehrbetrag ohne Begrenzung nach oben als Courtage beanspruchen
kann.
Die Klausel Nr. 9 des Maklervertrages stellt sich auch nicht unter Berücksichtigung
der den Vertragsschluss begleitenden Umstände (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB) als
wirksam dar. Wie die Beweisaufnahme vor dem Landgericht ergeben hat, wurden
die sich aus der Klausel ergebenden Risiken nicht offen gelegt. Vielmehr hat der
bei der Klägerin angestellte Zeuge Z1 ausgesagt, dass er in dem
Vertragsgespräch mit der Beklagten und deren Ehemann angesprochen habe,
dass der Verkäufer üblicherweise keine Courtage zahle, sondern eine sogenannte
Mehrerlösklausel wie in Nr. 9 des Maklervertrages vereinbart werde, und dass der
über 50.000,-- EUR hinaus gehende Anzahlungsbetrag dann die Courtage sein
solle.
Die danach bei den Vertragsverhandlungen abgegebenen Erklärungen des
Zeugen beseitigen die Intransparenz der Klausel Nr. 9 des Maklervertrages nicht,
sondern entsprechen ihr.
Wegen der Unwirksamkeit der Klausel in Nr. 9 des Maklervertrages steht der
Klägerin danach der Klageanspruch nicht zu. Er kann auch nicht auf die nach § 306
Abs. 2 geltende gesetzliche Vorschrift des § 652 Abs. 1 BGB i.V.m. § 653 Abs. 1
BGB gestützt werden. Da bei den Vertragsgesprächen zwischen den Parteien
unstreitig die Rede davon war, dass die Klägerin Maklercourtage vom Käufer erhält,
war die dem Makler von der Verkäuferin übertragene Leistung nicht nur gegen eine
Vergütung zu erwarten.
Die Klage ist auch dann nicht begründet, wenn man die Klausel Nr. 9 des
Maklervertrages zu Gunsten der Beklagten im Sinne einer echten Mehrerlösklausel
dahin auslegt, dass die Klägerin von der Beklagten (nur) dann Courtage
beanspruchen kann, wenn bei dem Verkauf als Kaufpreis bei unveränderter Höhe
des Rentenanteils eine höhere Anzahlung vereinbart wird, und wenn man die
Klausel mit diesem Inhalt als wirksam ansieht. Denn diese Voraussetzungen liegen
nicht vor, da in dem Kaufvertrag Rentenzahlungen in Höhe von 5.330,-- EUR
monatlich an Stelle – wie im Maklervertrag vorgesehen – 5.650,-- EUR monatlich
vereinbart wurden.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen, da die Klage im Ergebnis
keinen Erfolg hat (§ 91 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidungen über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die
Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche
Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht. Das gilt
auch mit Rücksicht darauf, dass die Geschäftstätigkeit der Klägerin unter
Verwendung der als unwirksam erachteten Klausel auch außerhalb des Bezirks des
Oberlandesgerichts Frankfurt/Main stattfindet. Es ist nicht ersichtlich, dass es sich
bei der Klausel um eine typische Vereinbarung handelt, die Makler dann
verwenden, wenn der Kaufpreis für eine Grundstück sich aus Anzahlung und
Rentenzahlungen zusammensetzen soll.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.