Urteil des OLG Frankfurt vom 05.03.2008
OLG Frankfurt: wohl des kindes, elterliche sorge, anhörung, entzug, zukunft, verfügung, stadt, dokumentation, sorgerecht, missbrauch
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Gericht:
OLG Frankfurt 4.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 UF 95/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1666 BGB, § 1684 Abs 3
BGB
Umgangsverfahren: teilweiser Sorgerechtsentzug zur
Durchsetzung des Umgangsrechts
Leitsatz
Zur Durchsetzung eines Umgangsrechts kommt als familiengerichtliche Maßnahme
gemäß § 1666 BGB auch ein teilweiser Sorgerechtsentzug im Hinblick auf die Regelung
der Umgangskontakte und die Einsetzung eines Umgangspflegers in Betracht, wenn
andere geeignete, mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen und das Wohl des Kindes
ansonsten erheblich gefährdet wäre.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen
Gerichtskosten für die Beschwerde werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen
Kosten des Antragsstellers für das Beschwerdeverfahren sind ihm von der
Antragsgegnerin zu erstatten
Der Beschwerdewert wird auf 3.000 € festgesetzt
Gründe
Die Parteien streiten um das Umgangsrecht des Vaters mit den gemeinsamen
Kindern, den am …2000 geborenen Zwillingen A und B. Mit der vorliegenden
Beschwerde wendet sich die Antragsgegnerin gegen den Beschluss des
Amtsgerichts - Familiengericht - Wetzlar, mit dem dieses der Kindesmutter für
beide Kinder die elterliche Sorge insoweit entzogen hat, als die Regelung der
Umgangskontakte der Kinder zum Vater betroffen ist, und mit dem das
Amtsgericht eine Umgangspflegschaft des Jugendamts der Stadt O1 eingerichtet
hat.
Wegen des dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts wird auf die
umfangreichen Ausführungen im angefochtenen Beschluss, dort zu Ziff. I.
verwiesen. Auch im Hinblick auf die Begründung des teilweisen
Sorgerechtsentzugs und der Einrichtung einer Umgangspflegschaft wird auf die
ausführliche Begründung des angegriffenen Beschlusses, dort zu Ziff. II verwiesen.
Die Antragsgegnerin trägt im Beschwerdeverfahren vor, verfahrensrechtlich sei es
nicht zulässig gewesen, im Rahmen eines Umgangsverfahrens einen teilweisen
Sorgerechtsentzug durchzuführen. Zudem habe es das Amtsgericht versäumt,
überhaupt eine Umgangsregelung zu treffen. Des Weiteren sei auch der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit nicht berücksichtigt worden, da die Antragsgegnerin
immer kooperativ gewesen sei und einem betreuten Umgang des Vaters mit den
Kindern zugestimmt habe. Sie sei nach wie vor davon überzeugt, dass es einen
sexuellen Missbrauch gegeben hat. Schließlich sei der Grundsatz des rechtlichen
Gehörs verletzt worden, da über die Frage des teilweisen Sorgerechtsentzuges
nicht mündlich verhandelt worden sei.
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragsgegnerin das Ziel, dass der Beschluss des
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Mit der Beschwerde verfolgt die Antragsgegnerin das Ziel, dass der Beschluss des
Amtsgerichts - Familiengericht - Wetzlar vom 25.05.2007 aufgehoben wird.
Der Antragsteller tritt diesem Antrag im Beschwerdeverfahren entgegen.
Die Beschwerde ist gem. § 621 e Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässig und
insbesondere fristgerecht gem. § 621 e Abs. 3 i. V. m. § 517 ZPO eingelegt
worden.
Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Senat schließt sich der
überzeugenden und ausführlichen Begründung des amtsgerichtlichen Beschlusses
in vollem Umfang an. Um zu verhindern, dass die Kindesmutter durch ihre
Verweigerungshaltung den Kontakt der beiden Kinder der Parteien A und B zum
Vater dauerhaft beeinträchtigt oder gar verhindert und somit das geistige und
seelische Wohl der gemeinsamen Kinder der Parteien gefährdet, war gem. § 1666
BGB eine familiengerichtliche Maßnahme in der Weise zu treffen, wie sie das
Amtsgericht angeordnet hat. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist trotz des
erheblichen Eingriffs in das Sorgerecht der Mutter gewahrt.
Was zunächst den Einwand im Beschwerdeverfahren angeht, es sei gegen den
Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen worden, indem ohne eine weitere
mündliche Verhandlung der teilweise Sorgerechtsentzug ausgesprochen worden
sei, so kann dieser Einwand dahingestellt bleiben, denn jedenfalls ist das rechtliche
Gehör in der Beschwerdeinstanz durch die ausführliche Anhörung der Parteien im
Termin vom 01.02.2008 nachgeholt worden.
Im Hinblick auf den weiteren Einwand der Antragsgegnerin, im Rahmen eines
Umgangsverfahrens hätte das Amtsgericht nicht auch über einen teilweisen
Sorgerechtsentzug beschließen dürfen, vermag dieser Einwand den Senat nicht zu
überzeugen. Vielmehr ist ein teilweiser Sorgerechtsentzug im Rahmen eines
Umgangsverfahrens gem. § 1684 BGB als zulässig anzusehen (OLG Frankfurt am
Main, FamRZ 2002, 1585 ff.; Palandt/Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch, 67.
Aufl. München 2008, § 1684 Rz. 41). Nach einer Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 30.08.2005 (NJW-RR 2006, S. 1 f.) kann als Mittel
zur Durchsetzung eines Umgangsrechts auch die familiengerichtliche Maßnahme
des teilweisen Sorgerechtsentzugs zum Einsatz gebracht werden. Dies folge aus §
52 a Abs. 3 Satz 2 FGG, nach dem das Gericht im Rahmen eines
Vermittlungstermins darauf hinzuweisen hat, dass die Vereitelung oder
Erschwerung eines Umgangs seitens des sorgeberechtigten Elternteils auch zu
einer Einschränkung oder einem Entzug der elterlichen Sorge nach Maßgabe des §
1666 führen könne. Auch unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes
gem. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz sei die Auffassung nicht zu beanstanden, mit der
teilweisen Sorgerechtsentziehung zur Durchsetzung des Umgangsrechts werde
kein neuer Verfahrensgegenstand neben dem zu verhandelnden Umgangsrechts
eingeführt, sondern lediglich das Umgangsrecht abgesichert.
Damit stellt sich der teilweise Entzug des Sorgerechts im Hinblick auf die
Umgangskontakte der Kinder zum Vater sowie die Einrichtung einer
Umgangspflegschaft durch das Jugendamt als eine zulässige und zur
Durchsetzung des Umgangsrechts angezeigte und erforderliche
familiengerichtliche Maßnahme gem. § 1684 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 1666 BGB dar.
Die vom Amtsgericht getroffene Maßnahme verstößt auch nicht gegen den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der im Rahmen einer Entscheidung nach §
1666 BGB in besonderer Weise zu berücksichtigen ist (Palandt/Diederichsen,
a.a.O., § 1666 Rdz. 31). Wenn die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren
vortragen lässt, der teilweise Entzug des Sorgerechts im Hinblick auf die
Herstellung der Umgangskontakte zwischen den gemeinsamen Kindern der
Parteien und dem Vater stelle nicht das mildeste Mittel zur Erzielung von
Umgangskontakten dar, vielmehr hätte ein milderes Mittel darin bestanden, einen
betreuten Umgang zwischen den Kindern und dem Vater anzuordnen, womit die
Antragsgegnerin einverstanden gewesen wäre, so kann der Antragsgegnerin hierin
nicht gefolgt werden. Zwar ist der Antragsgegnerin dahingehend Recht zu geben,
dass der teilweise Sorgerechtsentzug einen starken Eingriff in das
Personensorgerecht der Antragsgegnerin darstellt; jedoch kam vorliegend ein
milderes Mittel nicht in Betracht. Insbesondere stellt ein betreuter Umgang
zwischen den Kindern und dem Vater kein geeignetes Mittel zur Wiederherstellung
der Umgangskontakte dar:
Nach der zutreffenden Auffassung des Amtsgerichts, zu dem es nach
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Nach der zutreffenden Auffassung des Amtsgerichts, zu dem es nach
umfangreichen Ermittlungen und auf der Grundlage eines fundierten
Sachverständigengutachtens gelangt ist, kommt im Hinblick auf den Umgang
zwischen dem Vater und den beiden Kindern A und B zumindest auf Dauer ein
betreuter Umgang nicht in Betracht. Die Sachverständige hatte im schriftlichen
Gutachten zum Ausdruck gebracht, aufgrund der guten Beziehung zwischen den
Kindern und ihrem Vater sei es noch nicht einmal notwendig, dass zur Anbahnung
von Umgangskontakten zunächst einige wenige betreute Umgangskontakte
erfolgen. In der mündlichen Erörterung ihres Gutachtens hat die Sachverständige
sodann ausgeführt, dass, aufgrund der Verweigerungshaltung der Kindesmutter
und um den Kindern einen möglichst reibungsfreien Umgang mit dem Vater zu
ermöglichen, einige wenige Umgangsanbahnungskontakte, die möglicherweise
auch von einem Mitarbeiter des Jugendamts begleitet werden, stattfinden könnten.
Auf Dauer sei jedoch kein Anlass dafür gegeben, den Umgang des Vaters mit den
Kindern auf einen betreuten Umgang einzuschränken. Die Kindesmutter hat
hiergegen immer wieder schriftsätzlich und auch zuletzt in der Anhörung vor der
vorbereitenden Einzelrichterin des Senats zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht
bereit sei, auch nicht in Zukunft, einem unbetreuten Umgang ihrer beiden Kinder
mit dem Vater zuzustimmen. Durch diese strikte Verweigerungshaltung zeigt sie
gerade keine Kooperation im Hinblick auf eine Anbahnung eines unbetreuten
Umgangs der Kinder mit dem Vater. Allein die immer wieder hervorgehobene
Kooperationsbereitschaft mit dem Ziel der Anbahnung von betreuten
Umgangskontakten reicht also nicht aus, weil betreute Umgangskontakte
zwischen den Kindern und dem Vater naturgemäß kein geeignetes Mittel zur
Durchsetzung eines freien Umgangkontakts sein können, wenn sie von vornherein
nicht in unbetreute Kontakte münden sollen. Der Senat hat sich in der Anhörung
der Kinder durch die vorbereitende Einzelrichterin in überzeugender Weise selbst
ein Bild davon machen können, dass beide Kinder, A und B, Umgangskontakte mit
ihrem Vater wünschen, diesen besuchen und auch dort übernachten wollen. Um
einen freien Umgang der Kinder mit dem Vater in absehbarer Zeit herzustellen,
war somit der Entzug des Sorgerechts im Hinblick auf die Umgangskontakte eine
geeignete und verhältnismäßige und letztlich auch die einzige Maßnahme, die das
Amtsgericht treffen konnte. Ein milderes Mittel stand nicht zur Verfügung.
Insbesondere wäre die schlichte Festsetzung eines Umgangsrechts des Vaters mit
den Kindern und die anschließende Durchsetzung dieses Umgangsrechts mit Hilfe
der Androhung und Festsetzung von Zwangsgeldern eine kaum geeignete und für
das Wohl der Kinder viel weniger förderliche Maßnahme gewesen als die
Einrichtung der Umgangspflegschaft. Dass die Einrichtung der
Umgangspflegschaft eine geeignete Maßnahme zur verantwortungsbewussten
Förderung der Umgangskontakte zwischen dem Vater und den Kindern ist, zeigt
sich schon darin, dass nach den Berichten des Jugendamts der Stadt O1 unter
fachkundiger und professioneller Hilfe eine vorsichtige und schrittweise
Umgangsanbahnung geplant ist. Es sollen vorbereitende und begleitende
Elterngespräche geführt und zunächst sogar eine betreute Umgangsregelung
vorgeschaltet werden.
Nachdem sich der Vater in der mündlichen Anhörung bereit erklärt hat, in Zukunft
wieder an diesen Maßnahmen und Gesprächen teilzunehmen, ist auch unter
diesem Gesichtspunkt die eingeleitete Umgangspflegschaft als die einzige
geeignete Maßnahme anzusehen, um den Kindern auf Dauer einen
unbeschwerten Umgang mit ihrem Vater in kindeswohlverträglicher Weise zu
ermöglichen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 131 Abs. 3 KostO, 13 a Abs. 1 Satz 2
FGG. Die Wertfestsetzung ergeht gem. § 30 Abs. 2 KostO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.