Urteil des OLG Frankfurt vom 17.01.2001
OLG Frankfurt: arglistige täuschung, anfechtung, versicherungsnehmer, berufsunfähigkeit, laie, versicherer, zusatzversicherung, hausarzt, agent, tinnitus
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Gericht:
OLG Frankfurt 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 4/00
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 123 Abs 1 BGB, § 142 BGB, §
22 VVG
(Lebensversicherung mit
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Täuschungsabsicht
bei wissentlicher Falschbeantwortung der Fragen nach
Vorerkrankungen)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 26. November 1999 verkündete Urteil der
1. Zivilkammer des Landgerichtes Wiesbaden – AZ 1 O 56/99 – wird
zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt es nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 11.000,00 DM abzuwenden, wenn nicht die
Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger ist mit 89.945,84 DM beschwert.
Auf diesen Betrag wird der Streitwert für beide Instanzen festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass seine bei der Beklagten abgeschlossene
Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht durch eine
Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erloschen ist.
Der nunmehr 50 Jahre alte Kläger litt unter arterieller Hypertonie,
Hyperlipoproteinämie, Fettleber, Hörstürzen und Tinnitus. Wegen der Einzelheiten
der erfolgten ärztlichen Behandlungen wird auf die Schreiben seines Hausarztes
Dr. ... vom 10.10.1997 (Bl. 56 f. d. A.) und 31.08.1998 (Bl. 21 f. d. A.), den
Befundbericht des St. J-Krankenhauses, ... vom 25.10.1992 (Bl. 23 d. A.) sowie
vom 05.01.1993 (Bl. 25 d. A.) verwiesen.
Am 19.01.1993 suchte der für die Beklagte tätige Versicherungsagent ... den
Kläger auf. Er legte dem Kläger einen Antrag auf Abschluss einer
Kapitalversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Bl. 11 d. A.) vor
und ließ ihn unterschreiben. Das Formular füllte der Versicherungsagent ... zu
einem streitigen Zeitpunkt aus. Die Frage nach ärztlichen Untersuchungen und
Behandlungen in den letzten fünf Jahren ist verneint worden. Zu der Frage nach
Krankheiten und Gebrechen in den letzten 10 Jahren ist vermerkt "Unfall
Sprunggelenk Fuß rechts gebrochen, operativ behoben 1986 – Verletzung
ausgeheilt". Auf einem gesonderten Blatt, das der Kläger ebenfalls unterschrieben
hat, ist festgehalten, dass Leistungen infolge dieser Vorverletzung aus dem
Zusatztarif B vom Vertrag ausgeschlossen bleiben sollen. Dementsprechend
stellte die Beklagte dem Kläger am 29.01.1993 einen Versicherungsschein (Bl. 35
d. A.) aus, der einen Haftungsausschluss wegen der Unfallfolgen aus der
Verletzung des rechten Fußes aus dem Jahre 1986 vorsieht. Der Vertrag lautete
auf eine Versicherungssumme von DM 71.000,00 und hat sich zwischenzeitlich auf
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auf eine Versicherungssumme von DM 71.000,00 und hat sich zwischenzeitlich auf
DM 97.096,00 erhöht. Die zuletzt fälligen Versicherungsprämien beliefen sich auf
DM 365,15 monatlich. Wegen der vereinbarten Bedingungen für die
Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung wird auf Bl. 52 f. d. A. verwiesen.
Nachdem der Kläger in den Jahren 1996/1997 Ansprüche wegen Berufsunfähigkeit
angemeldet und die Beklagte bei behandelnden Ärzten nachgefragt hatte, focht
sie mit Schreiben vom 05.11.1998 den Versicherungsvertrag wegen arglistiger
Täuschung an, da der Kläger Vorerkrankungen verschwiegen habe.
Der Kläger hat behauptet, der Versicherungsagent ... habe ihm angegeben, bei
der neuartig von der Beklagten aufgelegten Versicherung sei bis zu einer
Versicherungssumme von DM 100.000,00 eine Gesundheitsprüfung ohne Angaben
von Gründen entbehrlich. Da der Versicherungsagent ... bei der Besprechung
einen Versicherungsantrag nicht habe finden können, habe man sich über
Krankheiten unterhalten und er habe ausführlich über seine Erkrankungen
berichtet. Wegen der von ihm u. a. angegebenen Fußverletzung habe der
Versicherungsagent ... einen Ausschluss aufgenommen. Wegen der ihm
ausdrücklich mitgeteilten weiteren Erkrankungen habe dieser jedoch erklärt,
Vorerkrankungen seien wegen der Neuartigkeit des Angebots nicht anzugeben
und die Beklagte werde ohnehin u. U. bei Ärzten Auskünfte einholen. Gegen Ende
des Gespräches habe der Versicherungsagent ... dann nochmals in seine
Unterlagen geschaut und schließlich ein Formular zum Abschluss eines
Lebensversicherungsvertrages gefunden, sich von dem Kläger unterschreiben
lassen und mit dem Bemerken, er werde es ausfüllen, blanko mitgenommen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die Anfechtung des Lebensversicherungsvertrages Nr.
09720733 zur Kunden-Nr. 46444343 vom 05.11.1997 unwirksam ist und der
Lebensversicherungsvertrag zu den Bedingungen der Versicherungspolice weiter
fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich darauf berufen, der Kläger habe die Erkrankungen, die für seine
behauptete jetzige Berufsunfähigkeit kausal seien, arglistig verschwiegen.
Die Klage, für deren Erhebung die Beklagte dem Kläger eine Fristverlängerung bis
zum 31.03.1999 gewährt hatte, ist am 26.03.1999 bei Gericht eingegangen und
nach Eingang des unter dem 12.04.1999 angeforderten Kostenvorschusses am
30.04.1999 der Beklagten am 19.05.1999 zugestellt worden.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Ehefrau
des Klägers und des Versicherungsagenten ... über die Umstände des
Vertragsschlusses. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Sitzungsniederschrift vom 29. Oktober 1999 (Bl. 70 ff. d.A.) verwiesen. Sodann hat
das Landgericht die Klage durch das angefochtene Urteil abgewiesen. Der Kläger
habe nicht nachweisen können, dass der Versicherungsagent ... ihm erklärt habe,
auf Vorerkrankungen käme es nicht an und dass dieser Angaben des Klägers über
seine Vorerkrankungen nicht aufgenommen habe.
Gegen diese ihm am 6.12.1999 zugestellte Entscheidung wendet sich der Kläger
mit seiner am 6.1.2000 bei Gericht eingegangenen und nach Fristverlängerung bis
zum 7.3.200 an diesem Tag begründeten Berufung, mit der er seinen
erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt. Er macht geltend, das Landgericht habe
die Beweislast verkannt. Selbst wenn er die in dem Versicherungsantrag gestellten
Gesundheitsfragen unvollständig beantwortet hätte, würde daraus noch nicht
folgen, dass er in Täuschungsabsicht gehandelt habe. Er habe als Laie keinesfalls
damit rechnen müssen, dass die bei ihm vorhandenen Krankheiten zu einer
vorzeitigen Berufsunfähigkeit führen würden. Bei seiner Beweiswürdigung habe das
Landgericht das erhebliche Eigeninteresse des Versicherungsagenten ...
unberücksichtigt gelassen, dem es zudem an einer konkreten Erinnerung gefehlt
habe. Der Versicherungsagent ... habe auch bei Verhandlungen mit dem Bruder
des Klägers – entsprechend dessen eidesstattlicher Versicherung vom 19.12.1999
(Bl. 169 d. A.) – es bei Abschluss eines Versicherungsvertrages abgelehnt, nähere
Auskünfte zu Krankheiten etc. entgegen zu nehmen. Er habe dem Bruder des
Klägers vielmehr erklärt, dies sei nicht nötig, weil sich in dessen noch nicht allzu
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Klägers vielmehr erklärt, dies sei nicht nötig, weil sich in dessen noch nicht allzu
weit fortgeschrittenen Alter mit Sicherheit noch keine für die Versicherung
relevanten Vorfällen ergeben hätten und der Versicherungsträger keine
dahingehenden Einkünfte einholen würde. Darüber hinaus habe der
Versicherungsagent ... dem Bruder des Klägers vorgeschlagen, die
Versicherungsanträge blanko zu unterschreiben, damit er diese im Büro fertig
ausfüllen könne (Beweis: Zeugnis des Bruders).
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und nach dem erstinstanzlichen
Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und deren Beweiswürdigung. Auch
der versicherungsrechtliche Laie erkenne die von dem Kläger nicht mitgeteilten
Vorerkrankungen Bluthochdruck und Hörsturz als bedeutsam und charakterisiere
sie folglich als relevante Vorerkrankungen. Da der Kläger nur widersprüchlich und
unlogisch vorgetragen habe, die Beklagte über den Versicherungsagenten ...
mündlich über die Vorerkrankungen unterrichtet zu haben, treffe ihn weiterhin die
Beweislast.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf
den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zwar an sich statthaft und zulässig, hat in der Sache
selbst jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen,
da das Vertragsverhältnis der Parteien durch die von der Beklagten
ausgesprochene Anfechtung erloschen ist.
Allerdings verfügt der Kläger über das für die erhobene Feststellungsklage nach §
256 ZPO erforderliche besondere Interesse. Aus der begehrten Feststellung des
Fortbestandes des Versicherungsvertrages ergeben sich nämlich u.a. auch
Ansprüche, die der Kläger mangels Fälligkeit und Bezifferbarkeit derzeit noch nicht
im Wege einer Leistungsklage verfolgen kann.
Weiterhin ist auch die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG durch rechtzeitiges Einreichen
der Klageschrift gewahrt (§ 270 Abs. 3 ZPO), da die Zustellung "demnächst"
erfolgte. Zu berücksichtigen wären allein solche Verzögerungen, die von dem
Kläger oder seinem Bevollmächtigten zu vertreten sind. Diese haben jedoch auf
die am 12.04.1999 abgesandte Kostenvorschussanforderung bereits am
30.04.1999 Zahlung geleistet. Die eingetretene Verzögerung um weniger als 18
Tage ist unschädlich (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 59. Aufl., Rn. 26
zu § 270 ZPO unter dem Stichwort "Verzögerungsdauer").
Gleichwohl ist der Klage kein Erfolg beschieden, weil das Vertragsverhältnis durch
die von der Beklagten wirksam ausgesprochene Anfechtung als von Anfang an
nichtig anzusehen ist (§§ 22 VVG, 123,142 BGB). Die Beklagte war zur Anfechtung
berechtigt, weil sie durch eine von dem Kläger begangene arglistige Täuschung zu
dem Vertragsschluß bestimmt worden war.
Das Landgericht hat mit guten Gründen dargelegt, dass viel dafür spricht, dass der
Kläger nach den Bekundungen des als Zeugen vernommenen
Versicherungsagenten ... und entgegen den Angaben seiner Ehefrau bei der
Antragstellung unzutreffende Angaben gemacht hat. Dieses Beweisergebnis
könnte möglicherweise durch die erstmals in II. Instanz vorgebrachte und unter
Beweis gestellte Behauptung des Klägers erschüttert werden, der
Versicherungsagent ... habe auch bei seinem Bruder Gesundheitsangaben nicht
zutreffend aufnehmen wollen. Letztlich kann jedoch dahin gestellt bleiben, ob der
Kläger seine Vorerkrankungen gegenüber dem Versicherungsagenten ...
angegeben hat oder nicht.
Zwar gilt grundsätzlich der Versicherungsagent als "Auge und Ohr" des
Versicherers und dieser muß sich alles als ihm bekannt gewordene
entgegenhalten lassen, was auch seinem Versicherungsagenten bekannt
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entgegenhalten lassen, was auch seinem Versicherungsagenten bekannt
geworden ist. Richtige Angaben gegenüber dem Versicherungsagenten, die nicht
an den Versicherer weitergegeben werden, können deshalb schon begrifflich keine
arglistige Täuschung sein (vgl. Römer-Langheid, VVG, Randnummer 16 zu § 22
VVG). Hiervon besteht allerdings für den Fall eine Ausnahme, dass der
Versicherungsagent und der Versicherungsnehmer kollusiv zusammen gearbeitet
haben (vgl. BGH NJW 93,2807; OLG Köln R + S 83, 172; 91,320; OLG Hamm R + S
93, 442, Römer-Langheid a.a.O.; Prölss in Prölss-Martin, VVG, 26. Auflage,
Randnummer 10 zu § 22 VVG). Hierfür genügt es, dass der Versicherungsnehmer
es billigend in Kauf genommen hat, dass der Versicherer nicht zutreffend
unterrichtet werden würde. Sogar wenn der Agent erklärt, ihm mitgeteilte
Umstände bräuchten nicht angezeigt zu werden und der Versicherungsnehmer
daher weiß, dass der Versicherer von den Umständen nichts erfährt, so schließt
dies die Arglist des Versicherungsnehmers bei eindeutigen Fragen nicht notwendig
aus. Bedingung ist allerdings, dass der Agent den Vertrag durch unrichtige
Hinweise "unter Dach und Fach" bringen wollte (vgl. OLG Frankfurt VersR 62, 821;
84 1061). Im vorliegenden Fall sind zu Lasten des Klägers die Voraussetzungen
eines kollusiven Vorgehens zu bejahen.
Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, dass die Aussage seiner
Ehefrau zutrifft und er von seinen Vorerkrankungen berichtet hat, so war ihm doch
zur Überzeugung des Senates die Relevanz der Vorerkrankungen für den
Vertragsschluß bewußt und hat er gleichwohl erkannt und gebilligt, dass der
Versicherungsagent ... diese Vorerkrankungen der Beklagten pflichtwidrig nicht
mitteilen werde.
Der Kläger hat mit Arglist gehandelt, weil ihm bewusst war, dass die Beklagte
seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts nicht oder nur zu anderen
Konditionen angenommen hätte (vgl. Römer/Langheid, a.a.O., Rn. 6). Aus einer
wissentlichen Falschbeantwortung allein lässt sich der Schluss auf eine
Täuschungsabsicht zwar noch nicht ziehen. Allerdings sind Art, Schwere und
Zweckrichtung der Falschangaben Indizien und ist es Sache des
Versicherungsnehmers, ggf. substantiiert plausibel zu machen, warum und wie es
zu falschen Angaben gekommen ist (vgl. Römer/Langheid a.a.O.; Prölss in
Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., Rn. 5 zu § 22 VVG). In der Rechtsprechung ist
medikamentös behandelter Bluthochdruck (OLG Saarbrücken VersR 96, 488;
anderer Auffassung OLG Koblenz VersR 95, 689) und Hörsturz (OLG Köln r+s 96,
509) als so schwerwiegende Vorerkrankungen angesehen worden, dass deren
Verschweigen auf Arglist hindeutet. Die bei dem Kläger bestehenden
Vorerkrankungen waren jedenfalls so umfangreich und schwerwiegend, dass der
Schluss gerechtfertigt ist, dass er ihre Bedeutung für den abzuschließenden
Versicherungsvertrag erkennen konnte und erkannt hat. Er befand sich in
ständiger ärztlicher Behandlung. Wegen des Bluthochdrucks suchte er zwischen
ein- bis zehnmal im Vierteljahr seinen Hausarzt auf, wegen der
Hyperlipoproteinämie und Fettleber kam es zu 1/4-jährlichen Hausarztbesuchen
seit 1984. Wegen Hörsturz und Tinnitus ließ er sich von seinem Hausarzt im Jahre
1992 zehnmal betreuen. Die Erkrankungen waren dem Kläger aktuell bewusst. Aus
den vorgelegten Behandlungsunterlagen ergibt sich nämlich, dass er noch zu
Beginn des Monats, in dem er den Versicherungsantrag stellte, einen Tinnitusanfall
erlitten und sich deswegen ins Krankenhaus zu einer Dopplersonografie begeben
hatte. Noch am Tage vor dem Besuch des Versicherungsagenten ließ er eine
Laborkontrolle durchführen. Die Bedeutung der Erkrankungen lässt sich zudem
daran ablesen, dass der Kläger mehrfach mehrtägig arbeitsunfähig wurde, zuletzt
am 13.05.1991 für 10 Tage. Darüber hinaus musste er sich wegen des Hörsturzes
noch im Oktober 1992 stationär im Krankenhaus aufnehmen lassen. Diese
Aufnahme erfolgte, wie sein Hausarzt festgehalten hatte, über vier Tage. Der
Befundbericht der inneren Abteilung des St. J Krankenhauses spricht zwar nur von
einer stationären Behandlung am 20.10.1992, berichtet jedoch auch von einer
anschließenden Verlegung auf die HNO-ärztliche Belegabteilung des
Krankenhauses.
Der Kläger kann dem Vorwurf der Arglist nicht entgegensetzen, er habe wegen
falscher Unterrichtung durch den Versicherungsagenten ... die Notwendigkeit zur
Angabe der Vorerkrankungen nicht erkannt. Sein Vortrag in der Klageschrift, der
Agent ... habe ihm mitgeteilt, Vorerkrankungen seien wegen der Neuartigkeit des
Angebots nicht anzugeben und die Beklagte werde ohnehin bei Ärzten Auskünfte
einholen, ist, wie die Beklagte zu Recht beanstandet, nicht nachzuvollziehen: Wenn
die Beklagte keine Fragen zu Vorerkrankungen an den Versicherungsnehmer hat,
warum sollte sie dann bei Ärzten Einkünfte einholen? Darüber hinaus hat die
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warum sollte sie dann bei Ärzten Einkünfte einholen? Darüber hinaus hat die
Ehefrau des Klägers in ihrer Zeugenaussage dessen Angaben nicht in dieser Form
bestätigt. Die Zeugin hat vielmehr bekundet, der Versicherungsagent ... habe die
Auskunft gegeben, dass die Versicherung bei ihrem neuen Angebot bis zu einem
bestimmten Versicherungsbetrag nicht mehr nachfragen würde, es sehe aber
ganz gut aus, wenn er ein paar Krankheiten angebe. Damit aber ist gerade nicht
gesagt, dass die Krankheiten nicht wesentlich sind, sondern dass die Versicherung
von sich aus nicht nachprüft und dass sie noch mehr in Sicherheit gewogen wird,
wenn einige unverfängliche Krankheiten angezeigt werden.
Wesentlich ist nun, dass der Kläger wegen seiner ausgeheilten Fußverletzung und
zudem noch auf einem gesonderten Blatt ausdrücklich unterschrieben hat, dass
Leistungen infolge dieser Vorerkrankung vom Vertrag ausgeschlossen bleiben.
Auch als versicherungsrechtlicher Laie konnte er aus diesem Vorgang ohne
weiteres erkennen, dass Vorerkrankungen eine ganz wesentliche Bedeutung für
den Vertragsabschluss haben. Wenn er aber als Vorerkrankung nur eine bereits
neun Jahre zurückliegende und folgenlos ausgeheilte Erkrankung angibt, nicht aber
erhebliche aktuelle Beschwerden, so ist dies nur damit zu erklären, dass er
befürchtete, den Vertrag sonst nicht bzw. nur mit weiteren Risikoausschlüssen
abschließen zu können.
Bereits durch den Umstand, dass die weiteren Vorerkrankungen nicht ebenso wie
die Fußverletzung in einer besonderen Erklärung aufgenommen worden sind, ist
dem Kläger verdeutlich worden, dass der Versicherungsagent ... diese als
wesentlich erkannten Umstände der Beklagten verschweigen würde. Dies ist sogar
nach der bereits zitierten Aussage der Ehefrau des Klägers ausdrücklich
angesprochen worden. Hat der Versicherungsagent ... nämlich angegeben, die
Versicherung werde bei dem neuen Angebot bis zu einem bestimmten Betrag
nicht mehr nachfragen oder Untersuchungen anstellen und es sehe aber ganz gut
aus, wenn ein paar Krankheiten angegeben werden, so verfolgten der Kläger und
der Versicherungsagent ... erkennbar mit der Angabe der Fußverletzung im besten
Einvernehmen miteinander gerade Zweck, die Aufdeckung der anderen
Vorerkrankungen zu verhindern. Beide haben in diesem Fall kollusiv zum Nachteil
der Beklagten zusammengewirkt und diese arglistig getäuscht.
Die erfolgte Falschangabe ist schließlich ursächlich für den Vertragsschluss in der
erfolgten Form gewesen. Der Zeuge ... hat bestätigt, dass es nach seiner
Erfahrung mit der Beklagten bei Mitteilung der Vorerkrankungen es zumindest zu
Risikoausschlüssen gekommen wäre. Es besteht kein Anlass, hieran zu zweifeln.
Da die Klage mithin zu Recht abgewiesen worden ist, ist die Berufung mit der
Kostenfolge aus § 97 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nummer 10,
711 ZPO.
Der Wert der Beschwer ergibt sich aus dem nach § 3 ZPO geschätzten Interesse
des Klägers an der begehrten Feststellung. Hierfür hat der Senat mit einem 20 %-
igen Abschlag im Hinblick auf die Feststellung entsprechend § 9 ZPO den 3 ½-
fachen Jahresbetrag der zu leistenden Versicherungsprämien angesetzt. Der
Umstand, dass der Kläger behauptet, Berufsunfähigkeit sei bereits eingetreten,
führt zu keinem höheren Interesse, da die von der Klägerin für diesen Fall zu
erbringende Leistung allein in einer Beitragsbefreiung besteht.
Dementsprechend ist der Streitwert für beide Instanzen auf den gleichen Wert
festzusetzen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.