Urteil des OLG Frankfurt vom 31.03.2003

OLG Frankfurt: wirtschaftliche einheit, darlehensvertrag, geschäft, kreditgeber, widerrufsrecht, kapitalanlage, rückzahlung, fristbeginn, koch, kaufvertrag

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Gericht:
OLG Frankfurt 9.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 W 3/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 2 VerbrKrG, § 9 Abs 2
VerbrKrG
(Finanzierter Immobilienerwerb: Keine wirtschaftliche
Einheit von Realkreditvertrag und Immobilienkaufvertrag)
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am
Main vom 31. Oktober 2002 - Az. 2/14 O 242/02 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die Klägerin wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe.
Am 9.5.1997 wurde die Klägerin zu Hause unaufgefordert von Herrn S. besucht,
der sich Zutritt zu ihrer Wohnung mit der Behauptung verschaffte, sie habe in
einem Preisausschreiben gewonnen und er wolle ihr den Gewinn überbringen. In
der Wohnung bot Herr S. der Klägerin dann den fremdfinanzierten Erwerb einer
Eigentumswohnung mit Mietgarantie als Kapitalanlage an. Am 13.5.1997 kam es
zum Abschluss des notariellen Kaufvertrags, am 14.5.1997 legte Herr S. der
Klägerin in ihrer Wohnung einen Darlehensvertrag mit der Beklagten über
206.000,- DM zu einem anfänglichen effektiven Jahreszins von 7,13 % vor. Das
Darlehen wurde u.a. durch eine Grundschuld an der Eigentumswohnung
abgesichert und sollte durch monatliche Ratenzahlung getilgt werden. Die Klägerin
unterschrieb den Vertrag (Bl. 54) und eine gesonderte Belehrung über ihr
Widerrufsrecht nach dem Haustürwiderrufsgesetz (Bl. 213).
In den Jahren 1997 - 2001 zahlte die Klägerin auf das Darlehen insgesamt
26.299,97 € an die Beklagte.
Am 7.5.2002 widerrief die Klägerin den Darlehensvertrag.
Mit der am 4.7.2002 unbedingt eingereichten, der Beklagten aber bislang noch
nicht zugestellten Klage begehrt die Klägerin Rückzahlung der bisher geleisteten
Raten und Feststellung, dass der Beklagten eine Vorfälligkeitsentschädigung nicht
zusteht. Zudem hat die Klägerin Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt (Bl.
198).
Mit Beschluss vom 31.10.2002 (Bl. 203) hat das Landgericht den Antrag auf
Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der Klage
zurückgewiesen. Gegen diesen ihr am 8.11.2002 zugestellten Beschluss richtet
sich ihre am 13.11.2002 bei Gericht eingegangene Beschwerde, der das
Landgericht mit Beschluss vom 18.12.2002 nicht abgeholfen hat.
Das Rechtsmittel ist zulässig. Es ist - unabhängig von seiner Bezeichnung als
Beschwerde - als sofortige Beschwerde gemäß §§ 127 II 2, 567 I Nr. 1 ZPO
statthaft und innerhalb der Monatsfrist des § 127 II 3 ZPO eingelegt.
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In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Der Klägerin kann
Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden, weil die von ihr beabsichtigte
Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat(§ 114 ZPO).
Die Klägerin kann Rückzahlung der auf das Darlehen geleisteten Raten nicht
verlangen. Ein dahin gehender Anspruch steht ihr nicht unter dem Gesichtspunkt
der Rückgewähr erbrachter Leistungen aus § 3 HTWG zu, da sie den
Darlehensvertrag nicht wirksam angefochten hat. Ihre am 7.5.2002 abgegebene
Widerrufserklärung erfolgte zu spät. Die einwöchige Frist zum Widerruf (§ 1 I HTWG)
begann mit der Aushändigung der Belehrung über das Widerrufsrecht am
14.5.1997 und lief am 21.5.1997 ab.
Die der Klägerin erteilte Widerrufsbelehrung war wirksam.
Bedenken an der Unwirksamkeit der Belehrung folgen nicht daraus, dass in dieser
als Fristbeginn die "Abgabe dieser Erklärung" genannt ist. Mit dieser Formulierung
wird der gesetzliche Fristbeginn, der auf die Abgabe der Erklärung durch den
Kunden, frühestens aber die Aushändigung der Belehrung abstellt, hinreichend
deutlich.
Bedenken an der Wirksamkeit der Belehrung ergeben sich auch nicht daraus, dass
sie keinen Zusatz nach § 9 II 2 VerbrKrG enthielt. Nach dieser Vorschrift muss eine
Belehrung den Hinweis enthalten, dass im Fall des Widerrufs des Kreditvertrags
auch der verbundene Kaufvertrag nicht wirksam zustande kommt. Eines solchen
Hinweises bedurfte es nach § 3 II 2 VerbrKrG vorliegend nicht, weil der zwischen
den Parteien zustande gekommene Kreditvertrag von der Sicherung durch ein
Grundpfandrecht abhängig gemacht und zu für grundpfandrechtlich abgesicherte
Kredite üblichen Bedingungen gewährt wurde. Auf solche Kredite findet § 9
VerbrKrG auch dann keine Anwendung, wenn der Kredit durch die Grundschuld
nicht voll werthaltig abgesichert ist (BGH WM 2003, 61, 63 und 64, 66; BGH WM
2002, 2409, 2410; BGH WM 2002, 1181, 1183; BGH NJW 2001, 509; Edelmann BKR
2002, 80, 83; Felke MDR 2002, 226, 227; Koch WM 2002, 1593; Rohe BKR 2002,
575, 577; Schleicher BKR 2002, 609, 612; Ulmer ZIP 2002, 1080, 1083).
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist eine Ausnahme von dem Anwendungsverbot
des § 3 II 2 VerbrKrG nicht geboten. Zwar wird in der neueren Literatur (Hoffmann,
ZIP 2002, 1066, 1070; Rörig, MDR 2002, 894, 895) und in der untergerichtlichen
Rechtsprechung (LG Bremen WM 2002, 1450, 1455; LG Bremen BKR 2002, 952,
953) eine solche teleologische Reduktion von § 3 II 2 VerbrKrG vertreten und zur
Begründung ausgeführt, der Ausschluss der Grundsätze über das verbundene
Geschäft beruhe allein darauf, dass ein Widerruf des Realkredits im
Verbraucherkreditgesetz nicht vorgesehen sei und sich die Frage des verbundenen
Geschäfts deswegen für den Gesetzgeber gar nicht gestellt habe; diese sei erst
durch die von der Rechtsprechung vorgenommene Anwendung des
Widerrufsrechts nach dem HTWG auf Kreditverträge entstanden.
Diese Auffassung verkennt jedoch, dass einer solchen Einschränkung des
Anwendungsbereichs von § 3 II VerbrKrG nicht nur der eindeutige Wortlaut der
Norm entgegen steht, sondern auch der Wille des Gesetzgebers, der Realkredite
zunächst völlig aus dem Anwendungsbereich des VerbrKrG herausnehmen wollte,
dann aber lediglich die Vorschriften des VerbrKrG ausgenommen hat, die für
Realkredite nicht passend erschienen. Dazu hat er ausdrücklich den
Einwendungsdurchgriff und die Widerrufserstreckung gerechnet. Hat der
Gesetzgeber damit also wesentliche Folgen des verbundenen Geschäfts für nicht
anwendbar gehalten, können nicht andere Folgen (hier die Verknüpfung der beiden
verbundenen Geschäfte) gegen den Wort-laut des Gesetzes für anwendbar
gehalten werden (Knott WM 2003, 49, 52).
Die Frage, ob eine analoge Anwendung des § 9 II VerbrKrG möglich ist (so Tonner
BKR 2002, 856; Koch WM 2002, 1593; a.A. Freckmann BKR 2003, 30, 31), kann
dahin stehen, weil jedenfalls die Voraussetzungen für ein verbundenes Geschäft
nicht vorliegen. Beim finanzierten Immobilienerwerb ist nach der Rechtsprechung
des BGH grundsätzlich keine wirtschaftliche Einheit von Kaufvertrag und
Darlehensvertrag anzunehmen, weil auch der rechtsunkundige und unerfahrene
Laie merkt, dass Kreditgeber und Verkäufer verschiedene Personen sind (BGH NJW
2000, 3065; Becher, BKR 2002, 931). Der bloße Umstand, dass der Zweck des
Darlehens in der Finanzierung des Immobilienerwerbs liegt, führt nicht zu einer
Verflechtung im Sinne wirtschaftlicher Einheit. Erforderlich dazu sind vielmehr
weitere Umstände, etwa das Überschreiten der Rolle des Finanzierers durch den
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weitere Umstände, etwa das Überschreiten der Rolle des Finanzierers durch den
Kreditgeber (BGH a.a.O.; BGH NJW 1996, 3414 und 3416 "Securenta-
Entscheidungen III und IV"). Solche Umstände nicht schon darin begründet, dass
die Immobilienerwerb und Finanzierungsvertrag durch einen Strukturvertrieb
vermittelt wurden. Entgegen der Ansicht der Klägerin (die sich auf die
Entscheidungen des OLG Karlsruhe BKR 2003, 26,27 und OLG Oldenburg, BKR
2003, 28, 29 stützen kann) folgt aus den Securenta-Entscheidungen des BGH
nichts anderes. Dort lag ein verbundenes Geschäft nicht wegen der Verwendung
des Darlehens für die Kapitalanlage und dem gleichzeitigen Abschluss der beiden
Verträge vor, sondern wegen der engen persönlichen und sachlichen Verflechtung
von Bank und Anlagegesellschaft (der Gründungsgesellschafter der
Fondsgesellschaft war Alleingesellschafter und Generalbevollmächtigter der Bank
sowie Vorstand der der mit der Abwicklung betrauten Treuhandgesellschaft und
hatte das Gesamtkonzept unter Beteiligung der Bank entwickelt). Die bloße
Vermittlung von Darlehens- und Anlagevertrag mit nicht nur rechtlich, sondern
auch tatsächlich unterschiedlichen Vertragspartnern ist jedenfalls dann, wenn die
Bank ihre Rolle als Kreditgeber nicht überschreitet, für die Annahme eines
verbundenen Geschäfts nicht ausreichend (Freckmann BKR 2003, 30, 31).
Die Kosten des Rechtsmittels hat die Klägerin zu tragen, da es ohne Erfolg
geblieben ist (§ 97 I ZPO)
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 574 II ZPO, da die Frage einer
Anwendung des § 3 II 2 VerbrKrG auf den Realkredit bislang nicht höchstrichterlich
entschieden ist und die vorliegende Entscheidung von denen der OLG Karlsruhe
und Oldenburg abweicht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.