Urteil des OLG Frankfurt vom 10.07.2009

OLG Frankfurt: treu und glauben, verwirkung, rückbau, terrasse, wohnung, gaststätte, verzicht, nutzungsänderung, echtheit, zukunft

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Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 W 243/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 242 BGB, § 1004 Abs 1 BGB,
§ 14 WoEigG, § 15 Abs 3
WoEigG, § 22 Abs 1 WoEigG
Verwirkung von Ansprüchen des Wohnungseigentümers
wegen baulicher Veränderungen
Leitsatz
Eine Verwirkung von Ansprüchen eines Wohnungseigentümers wegen rechtswidriger
baulicher Veränderungen und rechtswidriger Nutzung des Gemeinschaftseigentums
setzt voraus, dass zu dem Zeitablauf ohne Geltendmachung der Ansprüche
(Zeitmoment) besondere Umstände hinzutreten, die das verspätete Geltendmachen
als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen (Umstandsmoment).
Erforderlich ist insoweit, dass sich der Verpflichtete auf Grund des gesamten Verhaltens
des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dieser werde in
Zukunft das Recht nicht mehr geltend machen. Davon ist nicht auszugehen, wenn
berechtigte Wohnungseigentümer in Verhandlungen über eine Neuordnung des
Gemeinschaftsverhältnisses diese Ansprüche als Verhandlungsmasse einbringen und
der verpflichtete Wohnungseigentümer in diese Verhandlungen einlässt, ohne aber die
verlangten Gegenleistungen zu erbringen.
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren
Beschwerde. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 35.000,00 €
festgesetzt.
Gründe
Die Antragsteller nehmen den Antragsgegner auf Beseitigung baulicher
Veränderungen sowie auf Nutzungsuntersagung in Anspruch. Antragsteller und
Antragsgegner sind Verwandte und bilden gemeinsam die
Eigentümergemeinschaft X in O1. Bei der Liegenschaft handelt es sich um ein
Grundstück, das mit einem Wohn- und Geschäftshaus (Gaststätte) bebaut
ist.Ursprünglich gehörte das Grundstück den Eltern der Antragstellerin zu 1) und
des Antragsgegners. Im Jahre 1994 wurde es in Wohnungseigentum geteilt. Die
Wohnung Nr. 1 wurde an den Antragsgegner und die Wohnung Nr. 3 an die
Antragstellerin zu 1) übertragen. Die Wohnung Nr. 2 verblieb den Eltern bzw. -
nach dem Tod des Vaters - der Mutter. Im Jahr 1996 wurde die Wohnung Nr. 1
nochmals aufgeteilt, daraus die Wohnung Nr. 4 gebildet und diese ebenfalls dem
Antragsgegner zugewiesen. Schließlich übertrug die Mutter ihren Anteil an dem
Grundstück inklusive der Wohnung Nr. 2 an die Antragstellerin zu 1), die wiederum
in 2002 bzw. 2004 jeweils einen hälftigen Anteil an den Wohnungen Nr. 2 und 3 an
ihren Sohn, den Antragsteller zu 2), übertrug.
Bereits im Jahre 1998 hatte der Antragsgegner die zu seinem Sondereigentum
gehörende Dachterrasse mit einem Pultdach versehen. Dabei ließ er auch den zu
der Wohnung Nr. 2 gehörenden und an seine Fläche anschließenden Terrassenteil
mit einem Pultdach versehen, mit der Folge, dass die zur Wohnung Nr. 2
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mit einem Pultdach versehen, mit der Folge, dass die zur Wohnung Nr. 2
gehörende Dachterrasse nicht mehr existiert. Ab 1999 verbreiterte er sodann
auch die zum Gemeinschaftseigentum gehörende ebenerdige Terrasse um etwa 1
Meter, um diese für die von ihm geführte Gaststätte nutzen zu können.
Spätestens im Jahre 2000 ging er zudem dazu über, einen Teil des
Gemeinschaftseigentums als Pferdekoppel zu nutzen. Förmliche
Beschlussfassungen oder Vereinbarungen der Eigentümergemeinschaft, die diese
Maßnahmen genehmigt hätten, existieren nicht.
In der Zwischenzeit kam es zwischen den Beteiligten mehrfach zu Streitigkeiten,
die in Verfahren nach dem WEG mündeten (3 II 1/04, 3 II 22/05 und 3 II 29/04 AG
Lampertheim), jedoch keine der hier streitgegenständlichen Gestaltungs- oder
Nutzungsänderungen betrafen.
Die Antragsteller haben erstinstanzlich vorgetragen, dass der Antragsgegner
eigenmächtig gehandelt habe und deshalb zum Rückbau bzw. zur Unterlassung
verpflichtet sei. In der Vergangenheit sei er mehrfach, wenngleich erfolglos, zum
Rückbau aufgefordert worden.
Die Antragsteller haben beantragt,
den Antragsgegner zu verurteilen, das von ihm über der ehemaligen
Kegelbahn des Gebäudes X, O1 errichtete Pultdach vor der südlichen Front der
Wohnungseigentumseinheit Nr. 2 bis zu 5,50 Meter zu entfernen und die
ursprüngliche Terrasse wieder herzustellen;
den Antragsgegner zu verurteilen, die von ihm auf dem Gemeinschaftseigentum
des Anwesens X, O1, entlang dem X an der Front der Gaststätte errichtete
Terrasse bis zur Grenze des ihm als Eigentümer der Wohnungseigentumseinheit
Nr. 1 gemäß der Teilungserklärung vom 09.11.1993 zugeteilten
Sondernutzungsrechts zu entfernen;
dem Antragsgegner zu untersagen, das Gemeinschaftseigentum der
Wohnungseigentümergemeinschaft X in O1 unter Ausschluss der Antragsteller als
Pferdekoppel zu nutzen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Er hat behauptet, dass bezüglich der ersten beiden Maßnahmen Einverständnis
bestanden habe. Insoweit hat er die Auffassung vertreten, dass ihn aufgrund
erteilter Zustimmung eine Verpflichtung zum Rückbau ebenso wenig treffe wie
eine Unterlassung der Nutzung des Grundstücks als Pferdekoppel. In der
Wohnungseigentümerversammlung vom 20.09.2004 sei die Errichtung des
Pultdachs bestätigt worden. In dieser Wohnungseigentümerversammlung sei auch
die Vergrößerung der Terrasse gebilligt worden. Im Übrigen habe es keiner
Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer bedurft, da diese nicht über das in
§ 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt seien.Mit Beschluss vom
28.06.2006 (Bl. 57-62 d. A.) hat das Amtsgericht die Anträge zurückgewiesen und
zur Begründung ausgeführt, dass die Ansprüche der Antragsteller verwirkt seien.
Nachdem erst im Jahre 2005 Rückbau verlangt und mithin der Zustand über 6 bis
7 Jahre geduldet worden sei, liege das erforderliche Zeitmoment vor. Auch das
Umstandsmoment sei gegeben, weil das Verhalten der Antragsteller aus Sicht des
Antragsgegners den Schluss zugelassen habe, dass Rückbau und Unterlassung
nicht begehrt würden. Angesichts der Vielzahl der -teils aus nichtigen Anlässen -
geführten Verfahren hätte es nahe gelegen, auch die nunmehr
streitgegenständlichen Ansprüche zeitnah gerichtlich durchzusetzen.
Gegen diesen den Antragstellern am 04.07.2006 zugestellten Beschluss richtet
sich ihre bei Gericht am 17.07.2006 eingegangene sofortige Beschwerde.Die
Antragsteller haben zur Begründung vorgetragen, dass der Rückbau bereits
Anfang 2002 verlangt worden sei. Allerdings sei damals erklärt worden, dass auf
den Rückbau verzichtet und die Terrasse in das Sondereigentum des
Antragsgegners überführt werden könne, wenn im Gegenzug die in seinem
Sondereigentum gelegene Garage in das Sondereigentum der Antragsteller
überginge. Weiter sei in entsprechenden Verhandlungen vor dem Notar D darüber
gesprochen worden, die Miteigentumsanteile und Sondernutzungsrechte so zu
ordnen, dass jede Partei auf ihrem Grundstücksteil nach Belieben schalten und
walten könne. Überdies habe auch die - zwischenzeitlich verstorbene - Mutter der
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walten könne. Überdies habe auch die - zwischenzeitlich verstorbene - Mutter der
Antragstellerin zu 1) und des Antragsgegners immer wieder deutlich gemacht,
dass sie sich mit dem vom Antragsgegner widerrechtlich geschaffenen Zustand
nicht abfinden werde, wie sich nicht zuletzt aus ihrer eidesstattlichen Versicherung
vom 17.06.2006 ergebe (Bl. 93 d. A.).Auch aus verschiedenen anwaltlichen und
notariellen Schreiben, insbesondere vom 13.02.2003 (Bl. 48 d. A.), 28.02.2003 (Bl.
97 d. A.) und 13.06.2003 (Bl. 94 d. A.) gehe eindeutig hervor, dass die vom
Antragsgegner vorgenommenen Änderungen ein Thema zwischen den Parteien
gewesen und von den Antragstellern in die Verhandlungen um eine anderweitige
Zuordnung der Miteigentumsanteile und des Sondereigentums eingebracht
worden seien. Überdies sei die Neuzuordnung der Garage und der Dachterrasse
auch Gegenstand einer vom Antragsgegner selbst mit Schreiben vom 03.12.2003
einberufenen Eigentümerversammlung gewesen (Bl. 102 d. A.). Vor allem aber
gehe aus dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 20.09.2004 (Bl. 105 ff.
d. A.) und aus einem Schreiben des Antragstellers zu 2) an den Verwalter vom
12.05.2005 (Bl. 108 d. A.) hervor, dass die Antragsteller weiterhin und bereits vor
Einleitung des hiesigen Verfahrens ihre Rechte verfolgt hätten. Auch sei der
Antragsgegner selbst nicht von einem Verzicht der Antragsteller auf ihre Rechte
ausgegangen, da er sich sonst nicht auf Verhandlungen eingelassen habe. Nach
alledem könne von Verwirkung nicht ausgegangen werden.
Die Antragsteller haben beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts Lampertheim vom 28.06.2006 aufzuheben
und den Antragsgegner entsprechend den erstinstanzlichen Anträgen der
Antragsteller zu verurteilen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss und führt ergänzend
aus, dass die Antragsteller zu verstehen gegeben hätten, mit den durchgeführten
Baumaßnahmen, wenn auch unter Gegenleistungen, einverstanden zu sein; damit
hätten sie die Genehmigung der streitgegenständlichen Baumaßnahmen erklärt.
Es sei auch unzutreffend, dass bereits Anfang 2002 der Rückbau verlangt worden
sei. Soweit es die Mutter der Antragstellerin zu 1) und des Antragsgegners
betreffe, habe diese keineswegs geäußert, mit dem Bauzustand nicht
einverstanden zu sein, sondern lediglich zum Ausdruck gebracht, sich an den
Kosten der Maßnahme nicht beteiligen zu wollen. Im Zeitpunkt der eidesstattlichen
Versicherung, deren Echtheit der Antragsgegner bestreitet, sei die frühere
Miteigentümerin nahezu blind und ihre geistige Verfassung eingeschränkt
gewesen.An einer Verwirkung ändere auch der Umstand nichts, dass in der
Eigentümerversammlung vom September 2004 überraschend die
Rückgängigmachung der Maßnahmen verlangt worden sei, da diese bereits zu
jenem Zeitpunkt 4 bis 6 Jahre zurückgelegen hätten und somit auch das
Zeitmoment erfüllt sei.
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller hatte Erfolg. Das Landgericht hat mit
Beschluss vom 30.05.2007 (Bl. 167-173 d. A.) den amtgerichtlichen Beschluss
abgeändert und den Antragsgegner zum Rückbau verpflichtet bzw. ihm die
Nutzung des Gemeinschaftseigentums als Pferdekoppel untersagt.
Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, den Antragstellern stehe ein
Anspruch auf Beseitigung der baulichen Veränderungen und auf Unterlassung der
Nutzungsänderung gemäß §§ 13 ff., 22 WEG, §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB zu, da diese
Maßnahmen vom Antragsgegner eigenmächtig getroffen worden seien. Die
Geltendmachung dieser Ansprüche sei auch nicht verwirkt. Es fehle sowohl an dem
Zeit- als auch an dem Umstandsmoment. Für das Zeitmoment sei nicht erst auf
die Einleitung des Verfahrens im November 2005 abzustellen, sondern spätestens
auf die Eigentümerversammlung vom 20. September 2004, im Rahmen derer die
Antragsteller vom Antragsgegner unter TOP 22 die Änderung des Daches über der
ehemaligen Kegelbahn, unter TOP 23 die Verkleinerung der Terrasse und unter
TOP 27 die Änderung der Nutzung des Gemeinschaftseigentums als Pferdekoppel,
verlangt haben. Ein zeitlicher Rahmen von 4 Jahren (bezüglich der Pferdekoppel)
bzw. 5 Jahren (bezüglich der Gaststättenterrasse) und von 6 Jahren (bezüglich des
Pultdachs) sei jedoch zu kurz, um hier von Verwirkung ausgehen zu können.Nach
den Umständen des Einzelfalls sei im Rahmen der Abwägung zunächst zu
berücksichtigen, dass es sich bei den baulichen Veränderungen und der
Nutzungsänderung sowohl isoliert als auch in ihrer Gesamtheit um gravierende
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Nutzungsänderung sowohl isoliert als auch in ihrer Gesamtheit um gravierende
Eingriffe handele, die an sich eine rasche Reaktion der betroffenen Miteigentümer
erwarten ließen und grundsätzlich dazu angetan sind, die nach § 242 BGB
maßgebliche Zeitdauer zu verkürzen. Umgekehrt sei aber ebenso zu gewärtigen,
dass der Antragsgegner nicht schutzwürdig sei, weil er gerade aufgrund der
erheblichen Intensität seines Eingriffs verständiger Weise nicht habe davon
ausgehen können, die Antragsteller würden dies dauerhaft hinnehmen.
Zugleich fehle es am Umstandsmoment. Einen stillschweigenden oder gar
ausdrücklichen Verzicht der Antragsteller auf ihre Unterlassungsansprüche hat die
Kammer nicht angenommen. Der Antragsgegner habe selbst vorgetragen, dass
die Antragsteller anlässlich der zahlreichen Verhandlungen und Korrespondenzen
auf ihre Rechte „unter Gegenleistungen" verzichtet hätten. Dies impliziere
zwangsläufig, dass sie ihre Rechte ausgeübt hätten, um sie überhaupt als
Verhandlungsposition einsetzen zu können. Da die Gegenleistungen letztlich aber
nicht erfüllt wurden bzw. die Verhandlungen ergebnislos verlaufen seien, lägen die
Voraussetzungen eines - wie auch immer gearteten - Verzichts nicht vor.
Das vom Amtsgericht angeführte Argument, angesichts der zahlreichen WEG-
Verfahren hätte eine frühere Geltendmachung der streitgegenständlichen
Ansprüche nahegelegen, weshalb an der Ernsthaftigkeit des Begehrens zu zweifeln
und der Antragsgegner schutzwürdig sei, könne deshalb nicht überzeugen, weil
sämtliche Verfahren in den Jahren 2004 und 2005 anhängig wurden und damit aus
einer Zeit stammten, in der sich die Antragsteller im Rahmen der
Eigentümerversammlung vom September 2004 ohnehin anschickten, ihre
Ansprüche gegenüber dem Antragsgegner - wenn auch noch außergerichtlich -
anzumelden.
Die Kammer gehe davon aus, dass eine Verwirkung bereits schon aufgrund des
Zeitmoments nicht in Betracht gezogen werden könne, wobei hierbei nicht der
eidesstattlichen Versicherung tragende Bedeutung für die Entscheidung
zukomme, sondern die Forderung der Antragsteller auf Beseitigung/Änderung der
unberechtigt geschaffenen Verhältnisse in der Eigentümerversammlung im
September 2004 grundlegend sei. Deshalb sehe die Kammer keine Veranlassung
weitere Beweiserhebung vorzunehmen hinsichtlich der in der Beschwerdeinstanz
vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der zwischenzeitlich verstorbenen
Mutter der Antragstellerin zu 1) und des Antragsgegners, der Frau A, vom
17.06.2006, die inhaltlich wiedergibt, dass weder mit der Errichtung des
Pultdaches, noch mit der Verbreiterung der Terrasse oder der Nutzung des
Grundstücks als Pferdekoppel Einvernehmen hergestellt worden sei.
Gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten laut Empfangsbekenntnis am
06.06.2007 zugestellten landgerichtlichen Beschluss hat der Antragsgegner mit
am 19.06.2007 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz weitere Beschwerde
eingelegt und die Aufhebung sowie Antragszurückweisung beantragt. Der
Antragsgegner rügt, dass das Landgericht hinsichtlich des für die Verwirkung
erforderlichen Zeitmoments alle drei Maßnahmen des Antragsgegners in ihrer
Intensität gleich gewertet habe und damit widersprüchlich argumentiert habe. Das
Landgericht habe im Rahmen des Umstandsmoments verkannt, dass der Verzicht
der Antragsteller auf den Rückbau des Pultdachs nicht von einer Gegenleistung
abhängig gemacht worden sei. Als erstmals 2003 eine entsprechende Forderung
erhoben worden sei, habe bereits Verwirkung vorgelegen. Trotz der für die
Antragsteller leicht wahrnehmbaren Baumaßnahmen seien Widerstände dagegen -
ihr Vorliegen unterstellt - nie konsequent verfolgt worden. Das Landgericht habe
weiter bei seiner Ablehnung der Argumentation des Amtsrichters nicht
berücksichtigt, dass zwar die angeführten gerichtlichen Verfahren in 2004 bzw.
2005 anhängig wurden, diesen aber außergerichtliche Streitigkeiten
vorausgegangen seien, in denen die Antragsteller ebenfalls die hier
streitgegenständlichen Ansprüche nicht verfolgt hätten. Schließlich habe das
Landgericht ohne die vom Antragsgegner angebotenen Beweise, insbesondere zur
bestrittenen Echtheit der eidesstattlichen Versicherung vom 17.06.2006 zu
erheben, dieser uneingeschränkt Glauben geschenkt.
Die Antragsteller sind der weiteren Beschwerde entgegengetreten und haben die
angefochtene Entscheidung verteidigt. Sie verweisen darauf, dass für die
Feststellung eines treuwidrigen Verhaltens ihrerseits deshalb besondere Maßstäbe
anzulegen seien, weil der Antragsgegner vorsätzlich und rechtswidrig in ihr
Eigentum eingegriffen habe. Deshalb habe die Kammer zu Recht einen Zeitablauf
von sechs Jahren nicht als ausreichend zur Erfüllung des Zeitmoments angesehen.
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von sechs Jahren nicht als ausreichend zur Erfüllung des Zeitmoments angesehen.
Da dem Antragsgegner bewusst gewesen sei, dass die übrigen
Wohnungseigentümer mit seiner eigenmächtigen Vorgehensweise nicht
einverstanden waren, habe er das Verlangen von "Gegenleistungen" in den
Verhandlungen der Beteiligten nicht zurückgewiesen, sondern sich auf die
Verhandlungen eingelassen.
Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, insbesondere
form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg, da die
Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht,
worauf sich die Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren beschränkt (§§ 43
WEG a. F., 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).
Zunächst sind die Vorinstanzen stillschweigend zu Recht davon ausgegangen,
dass sowohl die Beseitigung der Dachterrasse und Ersetzung durch ein Pultdach
als auch die Erweiterung der Terrasse an der Frontseite über das dem
Antragsgegner zustehende Sondernutzungsrecht hinaus bauliche Veränderungen
im Sinn des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG darstellen. Dass diese Baumaßnahmen über
die ordnungsgemäße Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums
hinausgehen, §§ 22 Abs.1 Satz 1, 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2 WEG, liegt auf der Hand.
Ebenfalls zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Zustimmung
der Antragsteller auch nicht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG entbehrlich ist. Nach §
22 Abs. 1 Satz 2 WEG in Verbindung mit § 14 WEG hat ein Wohnungseigentümer
eine bauliche Veränderung hinzunehmen, durch die ihm kein Nachteil erwächst,
der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß
hinausgeht. Unter einem Nachteil in diesem Sinn ist jede nicht ganz unerhebliche
Beeinträchtigung zu verstehen. Nur konkrete und objektive Beeinträchtigungen
gelten als solcher Nachteil, der auch in der nachteiligen Veränderung des
ästhetischen Gesamteindrucks des gemeinschaftlichen Eigentums gesehen
werden kann. Entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein
Wohnungseigentümer in entsprechender Lage verständlicherweise beeinträchtigt
fühlen kann (BGH NJW 1992, 978, 979; Senat st. Rspr. z. B. Beschluss v.
03.12.2007- 20 W 57/05-). Das Rechtsbeschwerdegericht kann die tatsächliche
Würdigung gemäß den §§ 43 Abs. 1 WEG a. F., 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 559 Abs. 2
ZPO nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur darauf überprüfen, ob ihr
Ergebnis auf einem Rechtsfehler beruht (Senat, st. Rspr., z.B. Beschluss vom
16.03.2004, 20 W 348/02, m. w. H.). Auch wenn die Vorinstanzen, soweit den Akten
zu entnehmen ist, weder die Grundakten beigezogen haben, um Einblick in den
Teilungsplan zu nehmen, noch Lichtbilder vorgelegt worden sind, aus denen sich
die streitgegenständlichen Maßnahmen ergeben, lässt sich der Umfang der
Beeinträchtigung der Antragsteller bereits aus der Beschreibung der
Baumaßnahmen in den Schriftsätzen der Antragsteller, der der Antragsgegner
nicht entgegengetreten ist, mit ausreichender Deutlichkeit erkennen.
Es stellt ohne jeden Zweifel einen das Maß des § 14 Nr. 1 WEG überschreitenden
Nachteil dar, wenn für die Antragsteller die Nutzung einer Dachterrasse gänzlich
entfällt, weil an ihrer Stelle ein Pultdach errichtet wird. Als Beeinträchtigung, die
nicht hingenommen werden muss, genügt aber auch die Gefahr einer intensiveren
Nutzung wie im Fall der Vergrößerung der Terrasse, die für den Betrieb der
Gaststätte des Antragsgegners genutzt wird (BayObLG NJW-RR 1992, 272; KG NJW-
RR 1997, 587; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten: WEG, 8. Aufl., § 22, Rdnr. 98;
Bärmann/Pick/Merle: WEG, 9. Aufl., § 22 Rdnr. 147, 148).Schließlich können die
Antragsteller hinsichtlich des gemeinschaftlichen Eigentums, zu dem unstreitig
auch die von dem Antragsgegner als Pferdekoppel genutzten Flächen gehören,
einen Gebrauch verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen
und soweit sich die Regelung daraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit
der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht, § 14 Abs. 3 WEG.
Dagegen verstößt jedenfalls eine Nutzung, wie die vom Antragsgegner
vorgenommene als Pferdekoppel, durch die eine Nutzung seitens der Antragsteller
in anderer Form ausgeschlossen wird. Vereinbarungen oder Beschlussfassungen
hinsichtlich der von ihm praktizierten Nutzung hat der Antragsgegner selbst nicht
vorgetragen.
Dass den Antragstellern deshalb ein Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB i. V. m.
§§ 15 Abs. 3, 22 Abs. 1 BGB auf Beseitigung der baulichen Veränderungen und auf
Unterlassung der Nutzungsänderung, wie von den Vorinstanzen angenommen,
zusteht, wird mit der weiteren Beschwerde auch nicht im Einzelnen angegriffen,
sondern geltend gemacht, dass dieser Anspruch entgegen der Auffassung des
Landgerichts verwirkt sei. Das Landgericht hat aber zur Recht die
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Landgerichts verwirkt sei. Das Landgericht hat aber zur Recht die
Voraussetzungen für eine Verwirkung des Unterlassungs- bzw.
Beseitigungsanspruchs nicht als gegeben erachtet. Voraussetzung einer
Verwirkung ist, dass seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, längere
Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die
verspätete Geltendmachung des Rechts als gegen Treu und Glauben verstoßend
erscheinen lassen (Umstandsmoment). Erforderlich ist insoweit, dass sich der
Verpflichtete auf Grund des gesamten Verhaltens des Berechtigten darauf
einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dieser werde in Zukunft das Recht
nicht mehr geltend machen (Oberlandesgericht Düsseldorf NZM 2000, 866;
BayObLG NZM 2002, 128; Palandt/Bassenge: WEG, 68. Aufl., § 22, Rdnr. 35;
Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten: WEG, 8. Aufl., § 22, Rdnr. 175).Ausgehend
davon, dass die Antragsteller jedenfalls in der Wohnungseigentümerversammlung
vom 20.09.2004 die hier streitgegenständlichen Ansprüche geltend gemacht
haben und die älteste bauliche Veränderung, nämlich die Errichtung des Pultdachs
an Stelle der Dachterrasse 1998 vorgenommen wurde, wären für das Zeitmoment
insoweit sechs Jahre, hinsichtlich der 1999 vorgenommenen Terrassenerweiterung
fünf Jahre und für die Nutzung als Pferdekoppel ab 2000 vier Jahre zu
berücksichtigen. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob diese Zeiträume auch
unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Schwere der Eingriffe in das
Eigentum der Antragsteller geeignet wären, den Erfordernissen des Zeitmoments
zu genügen, da die Rechtsprechung bisher ganz überwiegend nur das
Verstreichenlassen wesentlich längerer Zeiträume zum Anlass für die Prüfung
einer Verwirkung genommen hat (vgl. Zitate bei Oberlandesgericht Düsseldorf,
aaO., Niedenführ, aaO.). Denn dem Landgericht ist jedenfalls darin zu folgen, dass
es am Umstandsmoment fehlt. Der Antragsgegner verkennt, dass die dazu
notwendigen besonderen Umstände über das bloße Verstreichenlassen von Zeit
ohne Anspruchsgeltendmachung hinausgehen müssen, da die bloße Untätigkeit
bereits vom Zeitmoment erfasst ist. Die sonstigen besonderen Umstände, auf die
sich der Antragsgegner dafür beruft, dass sie ein Vertrauen des Antragsgegners
gerechtfertigt hätten, dass in Zukunft keine Ansprüche geltend gemacht würden,
sind nicht eindeutig. Auch wenn die Antragsteller die hier streitgegenständlichen
Ansprüche im Gegensatz zu anderen nicht gerichtlich geltend gemacht haben -
worauf der Amtsrichter die Annahme einer Verwirkung gestützt hat -, ergibt sich
aus der im Erstbeschwerdeverfahren vorgelegten Korrespondenz, dass die
Antragsteller diese Ansprüche in den seit 2003 geführten Verhandlungen über eine
Neuordnung des Gemeinschaftsverhältnisses als "Verhandlungsmasse" betrachtet
haben. Daraus ergibt sich, dass die Antragsteller jedenfalls nicht davon
ausgegangen sind, sie hätten keine Ansprüche, die sie zum Verlangen von
Gegenleistungen legitimieren würden, worauf das Landgericht zu Recht abgestellt
hat. Ebenfalls zu Recht haben die Antragsteller darauf verwiesen, dass eine
Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben eine
Schutzwürdigkeit des Verpflichteten voraussetzt. Der Antragsgegner hat aber
keine Umstände dargetan, die erkennen ließen, dass er sich, nachdem er die
baulichen Veränderungen bzw. die Nutzungsänderung einmal vorgenommen
hatte, darauf eingerichtet hätte, dass es auf Dauer dabei verbleibt. Im Gegenteil
belegt sein Eingehen auf die Verhandlungen über eine Neuregelung des
Gemeinschaftsverhältnisse unter Einschluss auch der hier streitgegenständlichen
Punkte "Pultdach" und "Sondernutzungsrechte bzgl. Freiflächen", wie sie sich aus
der Korrespondenz der Antragsteller mit dem Notar B ergibt, dass der
Antragsgegner nicht davon ausgegangen ist, insoweit sei schon durch Verzicht der
Antragsteller eine verbindliche Regelung erfolgt, zumal er die verlangten
Gegenleistungen nicht erbracht hat. Dies wird auch durch das Verlangen des
Antragsgegners auf Einberufung einer Wohnungseigentümerversammlung mit
Schreiben vom 03.12.2003 (Bl. 102, 103 d. A.) belegt, das u. a. die Neuaufteilung
der Freiflächen und die Neuzuordnung der Dachterrasse zum Gegenstand hatte.
Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht deshalb die Voraussetzungen einer
Verwirkung der streitgegenständlichen Ansprüche nicht als erfüllt erachtet und
zwar ohne sich dabei auf die eidesstattliche Versicherung vom 17.06.2006 zu
stützen, wie im letzten Absatz auf Seite 6 des angefochtenen Beschlusses
ausdrücklich ausgeführt wird. Deshalb kann die Rüge, das Landgericht habe der
eidesstattlichen Versicherung uneingeschränkt Glauben geschenkt, ohne die zum
Bestreiten ihre Echtheit bzw. Wirksamkeit angebotenen Beweise zu erheben, der
weiteren Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Entscheidung des
Landgerichts nicht auf der Würdigung der eidesstattlichen Versicherung beruht.
Es entspricht billigem Ermessen, dass der Antragsgegner die Gerichtskosten
seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels der sofortigen Beschwerde zu tragen
seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels der sofortigen Beschwerde zu tragen
hat, § 47 Satz 1 WEG a. F..Im Hinblick auf die unterschiedlichen Entscheidungen
der Vorinstanzen war die Erstattung außergerichtlicher Kosten dagegen nicht
anzuordnen, § 47 Satz 2 WEG a. F..Den Wert des Verfahrens der weiteren
Beschwerde hat der Senat in Anlehnung an die unbeanstandet gebliebene
Schätzung des Landgerichts festgesetzt (§ 48 Abs. 3 WEG a. F.).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.