Urteil des OLG Frankfurt vom 09.08.2000
OLG Frankfurt: persönliche freiheit, untersuchungshaft, verdacht, beschränkung, vollzug, begriff, aussageverweigerung, arbeitsrecht, verhaftung, verfügung
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Gericht:
OLG Frankfurt 2.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 Ws 102/00
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 70 Abs 1 S 2 StPO, § 70 Abs
2 StPO, § 161a Abs 2 StPO, §
310 Abs 1 StPO
(Weitere Beschwerde gegen Ordnungshaft und gegen
Erzwingungshaft)
Tenor
Die weitere Beschwerde wird als unzulässig verworfen, soweit sie die Auferlegung
der Ordnungshaft betrifft.
Soweit sich die weitere Beschwerde gegen die Anordnung der Haft von bis zu
sechs Monaten zur Erzwingung des Zeugnisses richtet, wird sie als unbegründet
verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Zeuge zu tragen.
Gründe
Am 16.1.2000 wurde anläßlich der Festnahme des Beschuldigten ... festgestellt,
daß dieser im Besitz eines ... Reisepasses und eines Presseausweises auf den
Namen ... war. Der sichergestellte Reisepaß war lediglich hinsichtlich des darin
enthaltenen Verlängerungsstempels gefälscht, ansonsten aber echt. Weitere
Ermittlungsergebnisse erhärteten den Verdacht des BKA gemäß dessen
schriftlicher Bewertung vom 7.3.2000, daß der Reisepaß dem Beschuldigten
überlassen wurde, entweder durch ... selbst oder durch dritte Personen.
Im Rahmen seiner zeugenschaftlichen Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft
Frankfurt am Main am 10.3.2000, bei der er anwaltlich vertreten war, verweigerte
... auf die Fragen, wann er den Paß beantragt und erhalten habe sowie wann und
wofür er diesen zuletzt benutzt habe, ohne Nennen eines Grundes die Aussage.
Daraufhin setzte die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main
durch Bescheid vom 10.3.2000 gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,--
DM fest. Seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung wies das Landgericht
Frankfurt am Main durch Beschluß vom 20.4.2000 zurück.
Am 16.5.2000 sollte ... im Beistand seiner Anwältin erneut bei der
Staatsanwaltschaft als Zeuge vernommen werden. Auf die Frage, in welchem
Zeitraum er den Reisepaß beantragt und erhalten habe, erklärte er, diese und
sämtliche weitere Fragen unter Berufung auf § 55 StPO nicht beantworten zu
wollen. Daraufhin beantragte die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt
am Main, gegen den Zeugen wegen unberechtigter Verweigerung der Aussage
fünf Tage Ordnungshaft zu verhängen und zur Erzwingung des Zeugnisses Haft
von sechs Monaten anzuordnen.
Das Amtsgericht Frankfurt am Main wies den Antrag durch Beschluß vom 2.6.2000
zurück. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin hob das Landgericht
Frankfurt am Main durch Beschluß vom 4.7.2000 den Beschluß des Amtsgerichts
auf und ordnete gegen den Zeugen wegen unberechtigter Aussageverweigerung
am 16.5.2000 vor der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main fünf Tage
Ordnungshaft und zur Erzwingung des Zeugnisses Haft von bis zu sechs Monaten
an. Hiergegen richtet sich die am 25.7.2000 eingegangene weitere Beschwerde
des Zeugen vom gleichen Tage. Die weitere Beschwerde ist unzulässig, soweit sie
sich gegen die Anordnung von Ordnungshaft richtet (§ 310 Abs. 1, 2 StPO).
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sich gegen die Anordnung von Ordnungshaft richtet (§ 310 Abs. 1, 2 StPO).
Ersatzordnungshaft kann nicht unter den Begriff der Verhaftung im Sinne des §
310 Abs. 1 StPO eingeordnet werden. Denn sie wird nur für den Fall festgesetzt,
daß das an sich zunächst zu verhängende Ordnungsgeld nicht beigetrieben
werden kann. Sie ist somit ein bloßer Annex der eigentlich das Ordnungsgeld
betreffenden Entscheidung (vgl. BGH, NJW 1989, 2703; 1998, 462; OLG Frankfurt
a.M., Beschluß vom 18.8.1999 - 2 Ws 99/99 -). Die weitere Beschwerde des
Zeugen ist dagegen zulässig, soweit sie sich gegen die Anordnung von
Erzwingungshaft gemäß den §§ 70 Abs. 2, 161 a Abs. 2 StPO richtet.
Erzwingungshaft ist ebenso wie Untersuchungshaft eine gesetzlich zugelassene
Beschränkung des durch die Art. 2 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 1 GG verbürgten
Freiheitsrechte des Betroffenen. In ihrer Eingriffsintensität ist sie dem Vollzug von
Untersuchungshaft vergleichbar. Vorschriften, die das gerichtliche Verfahren einer
Freiheitsbeschränkung regeln, müssen so ausgelegt werden, daß das Ergebnis der
Auslegung der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf persönliche Freiheit
Rechnung trägt; dies spricht für die Beschwerdefähigkeit eines bis zur Dauer von
sechs Monaten zulässigen Freiheitsentzuges (vgl. BGH, NJW 1989, 2702 ff; OLG
Frankfurt a.M., a.a.O., m.w.N.).
Die danach insoweit zulässige weitere Beschwerde hat aber in der Sache keinen
Erfolg. Der Zeuge war zur Verweigerung der Auskunft auf die oben genannten
Frage, in welchem Zeitraum er den ... Reisepaß beantragt und erhalten habe, nicht
berechtigt; ebenso war er nicht berechtigt, die Beantwortung sämtlicher weiterer
Fragen, die gegebenenfalls noch gestellt würden, zu verweigern. Denn es ist nicht
ersichtlich, daß ihm oder einem Angehörigen gemäß § 52 Abs. 1 StPO die
Beantwortung die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer
Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden (§ 55 Abs. 1 StPO). Zwar bestand und
besteht der Verdacht, daß gegebenenfalls der Zeuge ... selbst die betreffenden
Unterlagen dem Beschuldigten ... zur Verfügung gestellt hat, um diesen vor
Verfolgung zu schützen. Daraus ergibt sich aber kein umfassendes
Zeugnisverweigerungsrecht, sondern nur ein Auskunftsverweigerungsrecht
bezüglich bestimmter, die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StPO jeweils
erfüllender Fragen.
Die Entscheidung über die Verfolgungsgefahr im Sinne des § 55 Abs. 1 StPO trifft
nicht der Zeuge selbst, da es sich um eine Rechtsfrage handelt. Eine schuldhafte
Verletzung der gesetzlichen Zeugnisverweigerungspflicht liegt schon deshalb vor,
weil das Landgericht Frankfurt am Main bereits bei vergleichbarer Sachlage durch
Beschluß vom 20.4.2000 die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen ihn
bestätigt hatte. Für eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Der Zeuge hat die Kosten seines ohne Erfolg
eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 1 StPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.