Urteil des OLG Frankfurt vom 10.11.2005

OLG Frankfurt: allgemeine geschäftsbedingungen, treu und glauben, ware, agb, lieferung, rücksendung, disposition, produkt, versandhandel, unterlassen

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Gericht:
OLG Frankfurt 1.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 U 127/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 304 Nr 4 BGB, § 309 Nr 8
Buchst a BGB
(Inhaltskontrolle für Allgemeine Geschäftsbedingungen im
Online-Versandhandel)
Leitsatz
Zur Wirksamkeit von AGB, die von Internetverkäufern verwendet werden
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte, die über das Internet Elektronikprodukte verkauft,
auf Unterlassung der Verwendung von Klauseln in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen in Anspruch.
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthalten Klauseln über die
Lieferzeit, die Lieferung in Qualität und Preis gleichwertiger Produkte, die Anzeige
offensichtlicher Mängel und über Obliegenheiten des Kunden bei Rücksendung der
Ware. Auf Ziffern 4.1, 4.2, 5.1 und 11.5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
der Beklagten wird verwiesen ( Bl. 10, 11 d. A. ).
Das Landgericht hat der Beklagten durch Urteil vom 9. 3. 2005 die Verwendung
der Klauseln 4.1, 4.2., 5.1 Satz 2 und 11.5 untersagt und der Klage auf
Aufwendungsersatz stattgegeben. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden.
Auf das Urteil wird Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung wendet die Beklagte sich gegen die Verurteilung, die
Verwendung der Klauseln 4.1 Satz 2, 4.2 Satz 1, Alt. 1 und 11.5 betreffend die
Lieferzeit, die Lieferung in Qualität und Preis gleichwertiger Produkte und
Obliegenheiten des Kunden bei Rücksendung der Ware zu unterlassen.
Wegen der Klausel 5.1 Satz 2 hat die Beklagte die Berufung zurückgenommen.
Die Beklagte trägt vor:
In der Klausel 4.1 Satz 2 - die die Unverbindlichkeit von Lieferfristen regelt - werde
die Rechtslage zutreffend dargestellt, denn die in Bezug genommenen Lieferzeiten
aus dem elektronischen Katalog seien nur Teil einer invitatio ad offerendum. Diese
Lieferzeiten seien hinreichend bestimmt, denn der Kunde könne den Liefertermin
ab dem Abschluss des Vertrages durch Übersendung der Auftragsbestätigung
unter Hinzurechnung üblicher Postlaufzeiten errechnen.
Die Klausel 4.2 regele einen sachlich gerechtfertigten Rücktrittsvorbehalt, nicht
aber einen Änderungsvorbehalt. Die Lieferung eines gleichwertigen an Stelle des
bestellten Produkts enthalte einen neuen Antrag ( § 150 II BGB ), den der Kunde
nicht annehmen müsse. Der Verbraucher werde nicht unangemessen
benachteiligt, denn das ihr eingeräumte Lösungsrecht entspreche der Regelung in
§ 241 a BGB.
Die Klausel 11.5 halte einer Inhaltskontrolle stand, denn die Verpackung sei
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Die Klausel 11.5 halte einer Inhaltskontrolle stand, denn die Verpackung sei
Gegenstand des Kaufvertrages, weshalb auch eine entsprechende Rückgabepflicht
bestehe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 9. 3. 2005
teilweise abzuändern, soweit die Beklagte verurteilt worden ist,
1. die Verwendung folgender Klauseln zu unterlassen:
Angaben über die Lieferfristen sind unverbindlich, soweit nicht ausnahmsweise der
Liefertermin verbindlich und schriftlich zugesagt wurde ( Ziffer 4. 1 AGB ).
Sollte ein vom Kunden bestelltes Produkt wider Erwarten trotz rechtzeitiger
Disposition aus von der B AG nicht zu vertretenden Gründen nicht verfügbar sein,
ist die B AG berechtigt, anstatt des bestellten Produkts ein in Preis und Qualität
gleichwertiges Produkt zu liefern( Ziffer 4.2 AGB ).
Dem Kunden obliegt es, die Ware in der Originalverpackung samt Innenverpackung
und - soweit mitgeliefert - in einer Antistatikhülle zurückzusenden ( Ziffer 11.5
AGB).
2. der Klägerin die Befugnis zur Veröffentlichung dieser Klauseln zugesprochen
worden ist,
3. die Beklagte zur Zahlung von Aufwendungsersatz verurteilt worden ist.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt aus:
Die Klausel 4.1 benachteilige den Kunden, weil dieser wegen der Unverbindlichkeit
der Lieferzeit nicht wisse, wann er mit einer Lieferung rechnen könne.
Die Klausel 4.2 sei wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.
Der Kunde sei nach der Rechtslage nicht verpflichtet, sämtliche
Verpackungsmaterialien an die Beklagte zurückzusenden, um von seinem
Rücktrittsrecht Gebrauch zu machen, weshalb die Klausel 11.5 unwirksam sei.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Klausel 4.1 Satz 2 ist wegen Verstoßes gegen § 307 I Satz 1, II Ziffer 1 BGB
unwirksam. Sie bestimmt, dass Angaben über die Lieferfristen unverbindlich sind,
soweit nicht ausnahmsweise der Liefertermin verbindlich und schriftlich zugesagt
wurde. Aus dem Regelungszusammenhang mit Satz 1 folgt, dass dort in Bezug
genommene Lieferfristen aus dem elektronischen Katalog gemeint sind. Die
Klausel ist nur für Verträge relevant, die durch Bestellung des Kunden und
elektronische Zusendung einer Auftragsbestätigung zustande gekommen sind.
Wird der Vertrag nämlich durch Bestellung und Zusendung der Ware geschlossen,
ist die Bezugnahme auf Lieferzeiten überholt.
Die Klausel benachteiligt die Vertragspartner der Beklagten wider Treu und
Glauben unangemessen, denn die Lieferzeit wird für den Regelfall - ausgenommen
sind nur ausnahmsweise verbindlich und schriftlich zugesagte Liefertermine - offen
gehalten. Mangels Fälligkeit der Leistung werden die Kunden davon abgehalten,
Erfüllungs- oder Verzugsansprüche geltend zu machen, was auch einen Verstoß
gegen § 309 Nr. 8 a BGB begründet ( vgl. BGH WM 1984, 1317).
Der von der Klägerin beanstandete Teil der Klausel 4. 2 ist wegen Verstoßes gegen
§ 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Dieser Teil der Regelung in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Beklagten enthält einen Änderungsvorbehalt, nicht
einen § 308 Nr. 3, 8 BGB unterfallenden Rücktrittsvorbehalt. Dies folgt daraus,
dass die Beklagte sich in der Klausel 4. 2 Satz 1 ausdrücklich alternativ die
Lieferung eines in Qualität und Preis gleichwertigen Produkts oder den Rücktritt
vorbehält. Die angegriffene Klausel bezieht sich auf Verträge, die durch Bestellung
des Kunden und elektronische Zusendung einer Auftragsbestätigung zustande
kommen. In diesem Fall bezweckt der Änderungsvorbehalt, die Erfüllungswirkung
auch dann eintreten zu lassen, wenn eine andere als die geschuldete Leistung
bewirkt wird. Der Kunde hätte dann keine Sachmängelansprüche.
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Liegt die Annahme des Angebots des Kunden durch die Beklagte hingegen in der
Zusendung der Ware, enthält die Zusendung einer anderen als der bestellten
Ware einen neuen Antrag nach § 150 II BGB, dessen Annahme dem Kunden
freisteht. Nach § 308 Nr. 4 BGB hängt die Wirksamkeit eines Änderungsvorbehalts
in Allgemeinen Geschäftsbedingungen davon ab, ob die Änderung der Leistung
dem Kunden unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders zumutbar ist.
Änderungsgründe müssen schwerwiegend sein, um den Bindungsgrundsatz
verdrängen zu können ( vgl. BGH WM 1984, 314 ff, 315 ).
Der Änderungsanlass ist in der Klausel 4. 2 Satz 1 dahin eingeschränkt, dass die
Ware wider Erwarten trotz rechtzeitiger Disposition aus von der Beklagten nicht zu
vertretenden Gründen nicht verfügbar sei. Bei im Verbandsprozess maßgeblicher
kundenfeindlichster Auslegung erfasst die Klausel als Unterfall der
Leistungsstörung auch die Nichtverfügbarkeit infolge eines vorübergehenden
Leistungshindernisses. In nur zu einer Leistungsverzögerung führenden
Umständen liegt aber kein schwerwiegender Änderungsgrund ( vgl. BGH NJW 1983,
1320 ff, 1321; NJW 1985, 855 ff, 857; jeweils zu § 10 Nr. 3 AGB-G). Vielmehr weicht
ein solches einseitiges Änderungsrecht so weit von dem in § 276 I BGB geregelten
Beschaffungsrisiko und den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen
über die dem Schuldner bei der Beschaffung von Gattungsschulden
zuzumutenden Schwierigkeiten ab, dass sie durch ein anerkennenswertes
Interesse des Verwenders nicht mehr gedeckt ist ( BGH a. a. O.).
Überdies müssen die Gründe und der Umfang des Änderungsvorbehalts in der
AGB- Bestimmung genau angegeben werden, damit der Kunde beurteilen kann,
ob er eine Leistungsänderung unter Berücksichtigung der Interessen des
Verwenders hinzunehmen hat ( vgl. BGH a. a. O; WM 1985, 127 ff, 131; Erman/
Roloff, BGB, 11. Aufl., § 308 Rn. 34; Ulmer/ Brandner/ Hensen, AGB - Gesetz, 9.
Aufl., § 10 Nr. 4 Rn. 9 ). Diesen Anforderungen genügt der in der Klausel 4. 2 Satz
1 geregelte Änderungsvorbehalt nicht. Der Kunde kann angesichts der geringen
Konkretisierung des Regelungssachverhalts "wider Erwarten trotz rechtzeitiger
Disposition aus von der B AG nicht zu vertretenden Gründen“ kaum abschätzen,
wann und unter welchen Umständen er mit einer Abweichung von der
geschuldeten Leistung rechnen muss. Überdies folgt der Senat der Auffassung
des Landgerichts, dass Zumutbarkeit der Leistungsänderung für den Kunden zu
verneinen ist, weil dessen Interesse am Erhalt eines gerade seiner Bestellung
entsprechend optisch gestalteten und mit bestimmten technischen Möglichkeiten
ausgestatteten Produkts eines bestimmten Herstellers unberücksichtigt bleibt.
Dieses Interesse wird nicht durch das in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
der Beklagten geregelte Rückgaberecht geschützt, denn die Klausel 11.5, wonach
es dem Kunden obliegt, die Ware in der Originalverpackung samt Innenverpackung
zurückzusenden, ist wegen Verstoßes gegen das in § 307 I Satz 2 BGB geregelte
Transparenzgebot unwirksam.
Zwar gibt die Klausel insofern die Gesetzeslage wieder, als die Originalverpackung
nach dem über die Verweisung in § 357 I Satz 1 BGB anwendbaren § 346 I BGB zu
den empfangenen Leistungen gehört, die als Folge des Rücktritts
zurückzugewähren sind. Da § 346 I BGB Rückgewährpflichten regelt, ist es auch
unschädlich, dass eine Obliegenheit nach allgemeinem Sprachgebrauch als
Verpflichtung verstanden wird. Die Klausel steht aber unter der optisch
hervorgehobenen Überschrift "Rückgaberecht“ im Unterabschnitt 11.5. Es wird
nicht klar und durchschaubar gemacht, dass die wirksame Ausübung des
Rücktrittsrechts nicht davon abhängt, ob die Ware in der Originalverpackung an
den Verkäufer zurückgesandt wird, sondern für den Fall, dass die Verpackung nicht
herausgegeben werden kann, als Folge der Ausübung des Rücktrittsrechts nur eine
Verpflichtung zum Wertersatz besteht ( §§ 346 II, 357 III BGB ). Insbesondere steht
die Regelung in Ziffer 11.5 über die Modalitäten der Rücksendung der Ware nicht
im Bedeutungszusammenhang mit den im Abschnitt "Rückgaberecht“
vorangestellten Klauseln 11.2 - 11.4, in denen Rückgabefolgen angesprochen
werden. Die Rücksendung der Ware ist keine Folge der Ausübung des
Rücktrittsrechts, sondern das Rückgaberecht wird durch Rücksendung ausgeübt ( §
356 II BGB ). Auch einem Kunden, der den Klauseltext mit der gebotenen
Aufmerksamkeit liest, wird deshalb nicht deutlich, ob die unter Ziffer 11.5
geregelte Verpflichtung nach dem Gesamtzusammenhang, in dem sie steht, sein
Recht zur Rückgabe einschränkt.
Es besteht deshalb im Hinblick auf diese Unklarheit die Gefahr einer sachlichen
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Es besteht deshalb im Hinblick auf diese Unklarheit die Gefahr einer sachlichen
Benachteiligung.
Die Veröffentlichungsbefugnis hat ihre Grundlage in § 7 UKlaG.
Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nebst Verzinsung.
Insofern ist die auf Abweisung der Klage gerichtete Berufung entgegen § 520 III
Nrn. 2.- 4. ZPO nicht begründet worden. Der Begründungsmangel führt nicht zur
Unzulässigkeit der Berufung, sondern zur Unbegründetheit, denn ein insgesamt
begründeter Angriff gegen den Anspruch auf Unterlassung der Verwendung von
AGB- Klauseln würde auch die Abweisung der Klage auf Aufwendungsersatz für
eine Abmahnung tragen.
Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in §§ 92 II, 97 I, 516 III ZPO. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 711
ZPO, die über die Zulassung der Revision auf § 543 II ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.