Urteil des OLG Frankfurt vom 29.01.2008

OLG Frankfurt: zuwendung, wirtschaftliches interesse, bestätigung, subvention, widerruf, auflage, gesellschafter, abgabe, bürge, bestandteil

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Gericht:
OLG Frankfurt 5.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U 146/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 765 BGB, § 133 BGB, § 157
BGB, § 305c BGB, § 5 AGBG
Auslegung einer Haftungserklärung der Hausbank für die
Durchleitung einer Subvention aus öffentlichen Mitteln im
Rahmen der von ihr übernommenen Gesamtfinanzierung
eines Investitionsvorhabens
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden
Rechtsmittels das Urteil der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 6. September 2006 teilweise abgeändert und zur
Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, wie eine
Gesamtschuldnerin neben der G GmbH i. L. in O1 an die Klägerin 516.360,46 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der
Europäischen Zentralbank aus 395.484,27 € seit dem 14. April 2005 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils
beizutreibenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin, Körperschaft des öffentlichen Rechts, nimmt die beklagte Bank als
Gesamtschuldner neben der G GmbH i. L. (künftig G1 genannt) auf Rückzahlung
hinsichtlich einer an die G1 geleisteten Subvention in Anspruch.
Die Klägerin hatte der G1 mit Zuwendungsbescheid vom 9. Juni 1999 (Blatt 21 bis
29 d. A.), auf den wie auf sämtliche weiteren nachfolgend bezeichneten Unterlagen
verwiesen wird, für ein von dieser geplantes Vorhaben eine Subvention in Höhe
von 773.500 DM (395.484,27 €) gewährt. Die Bewilligung der Zuwendung beruhte
u. a. auf der Bestätigung der Rechtsvorgängerin der Beklagten (künftig: Beklagte)
vom 4. Mai 1999 (Bl. 30, 31 d. A.), die Gesamtfinanzierung des Vorhabens sei
sicher gestellt. Der Zuwendungsbescheid an die G1 war in Ziffer 2.3.8 mit der
Auflage erteilt, dass die Gesellschafter der Zuwendungsempfängerin, alternativ
eine Bank, die gesamtschuldnerische Haftung für die unter Ziffer 8 der
Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung
(ANBest-P) aufgeführten Erstattungs- und Verzinsungsansprüche gemäß einem
beiliegenden Formular übernehmen.
Die Beklagte unterzeichnete am 15.06.1999 die mit “Haftungserklärung der
Hausbank“ überschriebene Erklärung (Bl. 32 d. A.) mit dem Zusatz
“Für den o. a. Zuschussbetrag übernehmen wir die gesamtschuldnerische Haftung
für die unter Punkt 8 der Allgemeinen Nebenbestimmungen für
Zuwendungen….(AnBest-P) - Bestandteil des Zuwendungsbescheides an die o. a.
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Zuwendungen….(AnBest-P) - Bestandteil des Zuwendungsbescheides an die o. a.
Firma aufgeführten Erstattungs- und Verzinsungsansprüche der "Klägerin",
insoweit als die Gesamtfinanzierung von uns als gesichert zugesagt worden ist.
Wir verpflichten uns, unverzüglich die "Klägerin" über jegliche im Zusammenhang
mit der Finanzierung des Investitionsvorhabens auftretende Änderungen zu
informieren.
Die Haftungserklärung gilt ab Bekanntgabe des Zuwendungsbescheides an o. g.
Unternehmen während der gesamten Zweckbindefristen.”
Mit zwischenzeitlich bestandskräftigem Widerrufs- und Leistungsbescheid vom
25.11.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11.03.2003 (Bl. 35 bis
43 d. A.) widerrief die Klägerin den Zuwendungsbescheid gegenüber der G1, weil
diese die Auflagen nicht eingehalten habe.
Mit der Klage hat sie von der Beklagten Zahlung in Höhe von 516.360,46 €
(Hauptforderung zuzüglich kapitalisierter Zinsen bis 31.10.2004) nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit
Rechtshängigkeit verlangt.
Die Beklagte hat Klageabweisung begehrt und eingewandt, die Haftungserklärung
greife schon nicht ein, weil die Zuwendung nicht wegen nicht gesicherter
Gesamtfinanzierung widerrufen worden sei, auch die Zinsforderung sei
unbegründet.
Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands sowie
der vor dem Landgericht gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der
angefochtenen Entscheidung (Bl. 152 bis 159 d. A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage – die Hauptforderung unter dem rechtlichen
Gesichtspunkt der Bürgschaft – für begründet gehalten, ihr auch wegen der
Zinsforderung vollumfänglich stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen
ausgeführt, der durch Auslegung zu ermittelnde Umfang der Haftung der
Beklagten sei nicht dahin eingeschränkt, es solle nur gehaftet werden, wenn der
Zuwendungsbescheid wegen Scheiterns der Gesamtfinanzierung aufgehoben
würde, denn entscheidend sei der Hinweis in der Haftungserklärung auf die unter
Punkt 8 der ANBest-P aufgeführten Erstattungs- und Verzinsungsansprüche, wo
beispielhaft aber ausschließlich in der Sphäre des Subventionsempfängers
liegende Widerrufsgründe aufgeführt seien. Die Unklarheitenregelung des § 5
AGBG greife nicht ein, weil nach Auslegung keine Unklarheiten beständen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der
Klage erstrebt und unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Vorbringens materiellrechtliche Fehler bei Anwendung der §§ 133, 157 BGB, 5
AGBG a. F. rügt. Das gefundene Auslegungsergebnis berücksichtige Sinn und
Zweck der Haftungserklärung nicht hinreichend; die Auslegung sei teilweise auch
überraschend, wenn das Verständnis der Beklagten nicht allein richtig sei, sei von
zwei vertretbaren Auslegungsansätzen auszugehen, Zweifel gingen hiernach zu
Lasten der Klägerin; hinsichtlich des kapitalisierten Zinsanspruches liege ein
Verstoß gegen das Zinseszinsverbot vor.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom
06.09.2006 – 3-09 O 57/05 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens.
Wegen des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die
Schriftsätze der Beklagten vom 20.10.2006 (Bl. 182 bis 191 d. A.) sowie vom
9.02.2007 (Bl. 218 bis 220 d. A.) und der Klägerin vom 22.01.2007 (Bl. 204 bis 210
d. A.) Bezug genommen.
Nach der mündlichen Verhandlung haben die Parteien Schriftsätze vom
12.12.2007 (Bl. 226 bis 227 d. A.) und 19.12.2007 (BL. 228 d. A.) eingereicht.
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II. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und gerechtfertigt worden und
auch sonst zulässig.
Das Rechtsmittel ist in nur geringem Umfang begründet, das angefochtene Urteil
beruht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO) lediglich insoweit, als
der Klägerin aus dem Betrag der kapitalisierten Zinsen Verzugszinsen zuerkannt
worden sind. Im Übrigen beruht die angefochtene Entscheidung weder zum
Nachteil der Beklagten auf einem Rechtsfehler, noch rechtfertigen die zugrunde zu
legenden Tatsachen eine abweichende Entscheidung, denn die Klage ist
überwiegend begründet.
Der Anspruch der Klägerin folgt hinsichtlich der Hauptforderung und der
kapitalisierten Zinsen aus § 765 Abs. 1, Abs. 2 BGB. Der Vertrag der Parteien ist
Bürgschaftsvertrag, gesicherte Forderung ist ein Rückforderungsanspruch der
Klägerin gegen den Hauptschuldner G1, wegen Einzelheiten der Begründung
insoweit wird auf den Beschluss des Senats im Beschwerdeverfahren (5 W 6/06)
vom 7. März 2006 (Bl. 127 bis 135 d. A.) Bezug genommen. Dies nimmt die
Berufung der Beklagten auch hin. Da der Bürge eine von der Hauptschuld
verschiedene, einseitig übernommene Leistungspflicht zu erfüllen hat und nach
Leistung die Hauptforderung auf ihn übergeht (§ 774 Abs. 1 Satz 1 BGB), sind
Hauptschuldner und (selbstschuldnerischer) Bürge nicht Gesamtschuldner (vgl.
Palandt/Sprau, BGB, 67. Aufl., Einf. v. § 765, Rz. 1, § 773, Rz. 2), was im Tenor
dahin richtig zu stellen war, dass die Beklagte neben der G1 ”wie” ein
Gesamtschuldner haftet.
Im Ergebnis dahinstehen kann die Frage, ob wegen des Dauerschuldcharakters
des Bürgschaftsvertrages (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 314 Rz. 2, 5; BGH,
Urteil vom 10. Juni 1985 – III ZR 63/84, NJW 1986, 252, Juris-Rz. 26) angesichts des
Vertragsschlusses im Jahre 1999, der Inanspruchnahme der Beklagten mit
Schreiben vom 14.06.2004 (Bl. 55, 56 d. A.) gemäß Art. 229 § 5 Satz 1, 2 EGBGB
das Schuldverhältnis nach altem oder ab 1. Januar 2003 nach neuem Schuldrecht
zu beurteilen ist, weil die einschlägigen Vorschriften entweder unverändert
geblieben (§§ 765, 133, 156 BGB) oder - § 5 AGBG einerseits, § 305c Abs. 2 BGB n.
F. andererseits - gleichlautend geregelt sind.
Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Voraussetzungen für ihre
Inanspruchnahme sämtlich erfüllt.
Der gesicherte Anspruch der Klägerin gegen die G1 ist zur Entstehung gelangt,
nachdem, was die Berufung gleichfalls nicht in Zweifel zieht, der Widerruf der
Zuwendung gegenüber G1 bestandskräftig und diese zur Rückzahlung der
Subvention nebst kapitalisierter Zinsen in Höhe von 120.876,19 € - die
Berechtigung der Erstattungszinsen ist nach Rechtsgrundlage und Höhe zwischen
den Parteien nicht im Streit – verpflichtet ist.
Die Verpflichtung der Beklagten deckt den hier gegebenen Fall des Widerrufs der
Zuwendung durch die Klägerin aus vom Zuwendungsempfänger zu vertretenen
Gründen, die Beklagte ist nicht berechtigt, der Klägerin entgegen zu halten, der
Sicherungsfall sei nicht eingetreten, weil der Widerruf nicht auf eine fehlende
Sicherung der Gesamtfinanzierung gestützt worden sei.
Denn die Auslegung (§§ 133, 157 BGB) der Haftungserklärung vom 15.06.1999
ergibt, dass die Beklagte für jeden Fall des Widerrufs und nicht nur dann haften
soll, wenn, was hier nicht vorliegt, die Zuwendung wegen nicht gesicherter
Gesamtfinanzierung widerrufen worden wäre.
Die ”Haftungserklärung der Hausbank“ ist unstreitig – wie die tatsächliche
Feststellung in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils mit der
Wirkung des § 314 ZPO (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. § 314, Rz. 1)
bezeugt - auf einem von der Klägerin vorformuliertem Formular abgegeben
worden. Unter diesen Umständen ist analog § 305c Abs. 2 BGB (§ 5 AGBGB)
grundsätzlich darauf abzustellen, wie der Erklärende das Formular verstehen
durfte (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 1997 – I ZR 40/95, NJW 1997, 3087, Juris-Rz. 28;
Palandt/Heinrichs/Ellenberger, a.a.O, § 133, Rz. 10). Ausgangspunkt der Auslegung
ist der Wortlaut der Erklärung (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2001 – VI ZR 12/00,
NJW 2001, 2535, Juris-Rz. 13). Nach dem Wortlaut der Haftungserklärung ist die
Haftung ”für die unter Punkt 8 der Allgemeinen Nebenbestimmungen für
Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) – Bestandteil des
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Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) – Bestandteil des
Zuwendungsbescheides vom 09.06.1999 an die o. a. Firma - … aufgeführten
Erstattungs- und Verzinsungsansprüche …“ übernommen. Diese Erklärung
korreliert mit der Regelung der Auflage in Ziffer 2.3.8 im Zuwendungsbescheid.
Dort wird die Zuwendung an die Auflage geknüpft, dass die Gesellschafter des
Empfängers die gesamtschuldnerische Haftung für die unter Ziffer 8 aufgeführten
Erstattungs- und Verzinsungsansprüche übernehmen, ”alternativ kann diese
Haftung durch eine Bank gemäß dem beiliegenden Formular übernommen
werden.”. Punkt 8 der Nebenbestimmungen ordnet unter 8.1 die Erstattung der
Zuwendung insbesondere in den unter 8.1.1 bis 8.1.3 genannten Fällen an, von
denen nur Punkt 8.1.3 von einer Änderung der Finanzierung nach Nr. 2
(Ermäßigung der Gesamtausgaben, Erhöhung der oder Hinzutreten neuer
Deckungsmittel) spricht, während Punkt 8.1.1. die Erwirkung der Zuwendung durch
unrichtige/-vollständige Angaben und Punkt 8.1.2 die Verwendung der Zuwendung
nicht oder nicht mehr für den vorgesehenen Zweck betrifft, also beides Gründe in
der Person des Zuwendungsempfängers, die mit einer fehlenden Sicherung der
Gesamtfinanzierung nicht in Zusammenhang stehen.
Die unter 2.3.8 des Zuwendungsbescheids verlangte Übernahme der
gesamtschuldnerischen Haftung der Gesellschafter erfasst nach der
offensichtlichen Interessenlage der Klägerin jeden Widerrufsfall. Für die alternative
Haftungsübernahme einer Bank gilt das dann für die Beklagte erkennbar ebenfalls.
Zwar wendet sich der Zuwendungsbescheid nicht an die Beklagte, sondern ihre
Kreditnehmerin, die G1. Nach der Lebenserfahrung dürfte davon auszugehen sein,
dass der Beklagten bei Abgabe der Haftungserklärung der Zuwendungsbescheid
vorgelegen haben muss, weil die Haftungserklärung bezüglich Punkt 8 der ANBest-
P auf ihn verweist und ihn in der Erklärung noch an einer weiteren Stelle mit der
Wendung erwähnt, die Haftung gelte ab Bekanntgabe des Zuwendungsbescheides
an das o. g. Unternehmen während der gesamten Zweckbindefristen.
Ob der Zuwendungsbescheid der Beklagten bei Abgabe der Haftungserklärung
vorlag, ist auf entsprechende Anfrage des Senats im Termin zur mündlichen
Verhandlung in den nachgelassenen Schriftsätzen der Klägerin vom 12.12.2007
und der Beklagten vom 19.12.2007 als letztlich ungeklärt bezeichnet worden.
Dahinstehen kann, ob in der Stellungnahme der Beklagten ein zulässiges
Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) zu sehen ist, weil der wann auch
immer eingetretene Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Zuwendungsbescheids, die
die Beklagte nicht in Abrede stellt, Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung, sie
also gehalten war, insoweit Erkundigungen anzustellen (vgl.
Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 28 .Aufl., § 138, Rz. 20 m. w. N.), und insoweit
zweifelhaft erscheint, ob die Erfolglosigkeit dieses Bemühens mit dem lapidaren
Hinweis auf die gründliche Durchforstung der Akten dargetan ist.
Auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Zuwendungsbescheides kommt es
jedoch nicht entscheidungserheblich an, weshalb die Wiedereröffnung der
mündlichen Verhandlung (§§ 296a, 156 ZPO) nicht geboten war. Denn der Wortlaut
der Haftungserklärung bezieht den des Zuwendungsbescheides unter Punkt 8 der
ANBest-P ausdrücklich mit ein. Damit war für die Beklagte erkennbar, dass die
Empfängerin ihrer Erklärung – die Klägerin - die Haftungserklärung vor dem
Hintergrund und mit dem Inhalt des Zuwendungsbescheides verstehen würde.
Unter Berücksichtigung des Zuwendungsbescheides ist aber – wie ausgeführt -
jeder Fall des Widerrufs von der Bürgschaft der Beklagten umfasst.
Dass dies von der Beklagten nicht erkannt worden sein mag, ist unerheblich. Wenn
die Beklagte eine Erklärung mit einem auf dem Zuwendungsbescheid
aufbauenden Inhalt und Verständnis nicht abgeben wollte, könnte ihr
möglicherweise ein Recht zur Anfechtung ihrer Erklärung wegen Irrtums gemäß §
119 Abs. 1. Fall BGB zugestanden haben. Das kann gleichfalls auf sich beruhen,
weil die Beklagte eine Anfechtung nicht erklärt hat und weiter offenbleiben kann,
ob sie durchgreifen könnte, nachdem die Anfechtungsfrist (§ 121 Abs. 1 BGB) im
Hinblick darauf längst abgelaufen sein dürfte, dass der beiderseitige Standpunkt
der Parteien hinsichtlich der Auslegung der Erklärung und damit der etwaige
Anfechtungsgrund der Beklagten seit Jahren bekannt ist, eine Anfechtung also
nicht mehr unverzüglich erklärt wäre.
Eine Auslegung der Haftungserklärung dahin, dass die Haftung nicht für jeden Fall
des Widerrufs der Zuwendung eintreten soll, sondern nur dann, wenn der Widerruf
der Zuwendung darauf beruht, dass die Erklärung der Beklagten in der ”Erklärung
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der Zuwendung darauf beruht, dass die Erklärung der Beklagten in der ”Erklärung
der Hausbank” (Bl. 30, 31 d. A.) über die Sicherstellung der Finanzierung sich als
unzutreffend herausstellt, kommt hingegen nicht in Betracht.
Der mit ”insoweit ...” eingeleitete Nebensatz in Satz 1 der Erklärung ist bei der
vom Landgericht vorgenommenen zutreffenden Auslegung nicht lediglich als
unnötiger Hinweis auf den der Beklagten bekannten Anlass der
Haftungsübernahme zu verstehen. Mit dem Grundsatz, dass einer möglichen
Auslegung der Vorzug zu geben ist, bei welcher einer Vertragsnorm eine
tatsächliche Bedeutung zukommt, wenn sich diese Regelung ansonsten als ganz
oder teilweise sinnlos erweisen würde (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2005 – II ZR
194/03, NJW 2005, 2618, Juris-Rz. 21), steht das Auslegungsergebnis des
Landgerichts nicht in Widerspruch. Denn es weist zutreffend darauf hin, dass auch
mit seinem Verständnis der Erklärung der Satzteil sinnvoll, weil eine aus Sicht der
Beklagten gebotene Klarstellung des Umfangs der Haftungsübernahme
darstellend, ist. Zu Recht weist das Landgericht auch darauf hin, dass mit der von
der Beklagten vorgezogenen Auslegung nicht zu erklären ist, weshalb nach
Abgabe der vom 04.05.1999 datierenden Bestätigung - die dargestellte
Finanzierung in ihrem Haus genehmigt zu haben, die Gesamtfinanzierung sei
unter Einbeziehung des beantragten Zuschusses sicher gestellt – und nach
Erteilung des Zuwendungsbescheides von der Beklagten die Haftung dafür
übernommen worden sein soll, dass die Gesamtfinanzierung ”von uns als
gesichert zugesagt worden ist.“. Denn für Richtigkeit ihrer in der Bestätigung vom
04.05.1999 gemachten Angaben hatte die Beklagte schon aufgrund der
Bestätigung als solcher unter dem Gesichtspunkt eines selbständigen
Garantieversprechens einzustehen, der nachfolgenden Bürgschaftsübernahme
bedurfte es für diese Haftung nicht. Für ein Verständnis von Satz 1 der
Haftungserklärung im Sinne einer eingeschränkten Haftung der Beklagten spricht
weiter nicht die im folgenden Satz geregelte Verpflichtung der Beklagten, die
Klägerin über jegliche im Zusammenhang mit der Finanzierung des
Investitionsvorhabens auftretende Änderung zu informieren. Der damit
hergestellte Zusammenhang zwischen der Haftung der Beklagten und dem
Erstattungsanspruch beschränkt nicht die Bürgschaftsverpflichtung, sondern legt
der Beklagten weitergehende Informationspflichten zu Gunsten der Klägerin auf.
Entsprechendes gilt für Satz 3 der Hafterklärung, der die Dauer der Haftung
während der gesamten Zweckbindungsfristen anordnet. Diese Regelung streitet
nicht für die Ansicht der Beklagten, da sie sich nicht zu den Widerrufsgründen
verhält, sie ist für die Auslegungsfrage unergiebig.
Letztlich spricht auch die Interessenlage der Parteien für eine Haftung der
Beklagten in jedem Widerrufsfall. Die Beklagte steht der Gesamtfinanzierung näher
als die Klägerin, denn sie hat die Finanzierung genehmigt und hierbei die
Gewährung der Zuwendung an die G1 sogar zur Voraussetzung ihrer
Darlehenszusage gemacht. Das Interesse der Klägerin zielte auf die Ausschaltung
des Risikos mangelnder Leistungsfähigkeit der G1, das der Entscheidung als
eingetreten zugrunde gelegt werden kann, hinsichtlich etwaiger Erstattungs- und
Verzinsungsansprüche dadurch, dass ihr neben der G1 auch deren Hausbank
haften sollte. Der Beklagten ging es darum, das Kreditgeschäft mit der G1
abzuschließen, sie hatte deshalb ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der
Gewährung der Zuwendung durch die Klägerin, von der sie die Darlehenszusage
gegenüber der G1 abhängig gemacht hatte. Die Übernahme der umfassenden
Haftung der Beklagten gegenüber der Klägerin für den Rückforderungsfall trägt
dem Rechnung und stellt einen angemessen Interessenausgleich dar. Denn bei
der Bewertung der beiderseitigen Interessen kann nicht etwa einseitig darauf
abgestellt werden, was für den Bürgen das Günstigste wäre, nämlich eine
Gestaltung der Bürgschaft, bei der das Risiko seiner Inanspruchnahme möglichst
eingeschränkt ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2001 – IX ZR 273/98, NJW 2001,
1859, Juris-Rz. 27). Der Bürge steht typischerweise für das Risiko der Insolvenz des
Hauptschuldners ein und muss die Auswirkungen rechtlich zulässiger und üblicher
Reaktionen des Gläubigers – der hiesigen Klägerin – im Rechtsverkehr mit dem
Hauptschuldner – G1 – regelmäßig hinnehmen (vgl. BGH a. a. O., Juris-Rz. 33).
Störungen in der Rechtsbeziehung zwischen Klägerin und der G1 waren für die
Beklagte naheliegend, aber gerade nicht unter dem Aspekt zu erwarten, dass die
von ihr abgegebene Bestätigung der Sicherung der Gesamtfinanzierung sich als
unrichtig herausstellen würde, sondern vielmehr im Hinblick auf die in Ziffer 8
ANBest-P genannten Fälle, in denen die Klägerin zum Widerruf des
Zuwendungsbescheides berechtigt sein sollte.
Zinsen in gesetzlicher Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, wie
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Zinsen in gesetzlicher Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, wie
zuerkannt, hat die Klägerin auf die Hauptforderung unter dem Gesichtspunkt des
Verzuges der Beklagten mit Rechtshängigkeit von den Parteien unangegriffen
jedenfalls ab dem Folgetag der Zustellung der Anspruchsbegründung am 13. April
2005 zu beanspruchen. Das gilt aber nicht hinsichtlich der kapitalisierten Zinsen.
Von Zinsen sind grundsätzlich weder Verzugs- noch – wie das Landgericht gemeint
hat - Prozesszinsen zu entrichten (§§ 289, 291 Satz 2 BGB). Auch kapitalisierte,
der Hauptforderung zugeschlagene Zinsen bleiben materiell Zinsen und werden
aufgrund der Kapitalisierung nicht einmal zur Hauptforderung im prozessualen
Sinn (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 28. Aufl, § 4, Rz. 8, 9). Einen ersatzfähigen
konkreten Verzugsschaden hinsichtlich der kapitalisierten Zinsen (§ 289 Satz 2
BGB) hat die Klägerin aber nicht dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, weil
die Klägerin lediglich hinsichtlich einer verhältnismäßig geringfügigen
Zinszuvielforderung, die Mehrkosten nicht verursacht hat, die Beklagte hingegen
im Übrigen unterlegen ist.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO
nicht vorliegen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.