Urteil des OLG Frankfurt vom 10.01.2007
OLG Frankfurt: beschreibende angabe, einstweilige verfügung, wortmarke, internet, rechtsverletzung, aufzählung, ware, eugh, anbau, herkunft
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Gericht:
OLG Frankfurt 6.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 W 248/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 4 MarkenG, § 14 Abs 2 Nr 2
MarkenG, § 14 Abs 5 MarkenG
(Markenverletzungsverfahren: Benutzung der mit der
Wortmarke „Bierbeisser“ zu verwechselnden Wortmarke
„Bierbeißer“ im Geschäftsverkehr)
Leitsatz
Zum markenrechtlichen Schutz der Wortmarke "Bierbeißer"
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert.
Dem Antragsgegner wird es im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung von
Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft
bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, untersagt, ohne
Zustimmung der Antragstellerin im geschäftlichen Verkehr die Marke „Bierbeißer“
gewerbsmäßig zu nutzen, und zwar weder werbemäßig, noch auf der Ware selbst.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
zurückgewiesen.
Die Kosten des Eilverfahrens einschließlich dieses Beschwerdeverfahrens haben
die Antragstellerin zu 1/3 und der Antragsgegner zu 2/3 zu tragen.
Wert für Anordnungs- und Beschwerdeverfahren: 20.000,-- EUR.
Gründe
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
Der auf Unterlassung gerichtete Verfügungsanspruch folgt aus §§ 4 Nr. 1, 14 Abs.
2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG.
Die Antragstellerin ist Inhaberin der für Wurstwaren eingetragenen Wortmarke
„BIERBEISSER“. Der Antragsgegner hat im Internet seine Produkte aus eigenem
Anbau und eigener Herstellung beworben, unter anderem „Hausmacher Wurst im
Darm: Blut-, Leber- und Bratwurst, Salami, Presskopf, Bierbeißer“. Er hat damit ein
mit der Wortmarke der Antragstellerin bis auf die Schreibweise identisches
Zeichen für eine Ware benutzt, die mit derjenigen identisch ist, für die die Marke
eingetragen ist.
Die Benutzung erfolgte kennzeichenmäßig und hat daher die Markenrechte der
Antragstellerin verletzt.
Eine kennzeichenmäßige Benutzung setzt voraus, dass die Verwendung des
Zeichens im Rahmen des Produktabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der
Waren eines Unternehmens von denen anderer dient (BGH, GRUR 2002, 812, 813
– Frühstücksdrink II; EuGH, WRP 2002, 1415, Tz. 51, 57 – Arsenal). Maßgeblich ist
die Verkehrsauffassung. Dabei legt die Rechtsprechung im Interesse eines
umfassenden Kennzeichenschutzes einen großzügigen Maßstab an. Es genügt die
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umfassenden Kennzeichenschutzes einen großzügigen Maßstab an. Es genügt die
objektive, nicht völlig fern liegende Möglichkeit, dass der Verkehr einen
Herkunftshinweis annimmt (EuGH a. a. O.; Ingerl-Rohnke, Markengesetz 2.
Auflage, § 14 Rn. 103). Dabei kann der Umstand, dass es sich bei der
angegriffenen Bezeichnung um eine beschreibende Angabe im Sinne einer
Bestimmungsangabe handelt, dem Verständnis als Hinweis auf die Herkunft aus
einem bestimmten Unternehmen entgegenstehen (BGH, GRUR 2002, 812, 813 -
Frühstücksdrink II; für den Fall der Abbildung der Ware auf der Verpackung: BGH,
WRP 2005, 610, 612 – Russisches Schaumgebäck).
Der Begriff „Bierbeißer“ hat keinen für eine Wurstware beschreibenden Charakter.
Er erlangt diesen beschreibenden Charakter auch nicht dadurch, dass er sich bei
der beanstandeten Verletzungshandlung, dem Internet-Auftritt des
Antragsgegners, als Teil einer Aufzählung zwischen rein beschreibenden Angaben
wie Blut- und Leberwurst befand. Es gibt keinen Erfahrungssatz dahingehend, dass
eine Aufzählung angebotener Produkte entweder nur aus beschreibenden
Angaben oder nur aus Markennamen besteht.
Obwohl es sich bei „Bierbeißer“ an sich um eine Fantasiebezeichnung handelt, ist
es denkbar, dass sie sich bei den angesprochenen Verkehrskreisen als
beschreibende Angabe für eine bestimmte Wurstsorte durchgesetzt hat, und
deshalb im Rahmen der Aufzählung auch nur als Umschreibung für eine solche
wahrgenommen wird, nicht aber als Hinweis auf eine bestimmte Herkunft. Hierfür
wäre der Antragsgegner darlegungs- und glaubhaftmachungspflichtig gewesen. Er
hat den beschreibenden Charakter der Bezeichnung jedoch nur behauptet, nicht
aber begründet.
Die Möglichkeit, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Bezeichnung
„Bierbeißer“ als Herkunftshinweis auffassen, wird auch nicht dadurch in der
erforderlichen, eine kennzeichenmäßige Benutzung ausschließenden Weise
ausgeschlossen, dass es in der Überschrift des Internet-Auftritts heißt „Unsere
Produkte aus eigenem Anbau und eigener Herstellung“. Es bedarf eines
erheblichen Maßes an Aufmerksamkeit, um hieraus auf die Verwendung der
Fantasiebezeichnung „Bierbeißer“ als Beschreibung für eine Wurtsorte zu
schließen. Mit Rücksicht darauf, dass in diesem Eilverfahren keine Anhaltspunkte
dafür glaubhaft gemacht wurden, dass sich der Begriff „Bierbeißer“ auch nur in
Teilen der angesprochenen Verkehrskreise als Beschreibung einer Wurtsorte
durchgesetzt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der
Durchschnittsverbraucher diesen Schluss zieht.
Unbegründet ist der Eilantrag, soweit er auf die Vernichtung der Waren und
Unterlagen gerichtet ist, die die Bezeichnung „Bierbeißer“ tragen bzw. auf die
Unkenntlichmachung dieser Bezeichnung, da hierin eine Vorwegnahme der
Hauptsache läge.
Unbegründet ist auch der Auskunftsanspruch, der im Wege der einstweiligen
Verfügung gemäß § 19 Abs. 3 MarkenG nur in Fällen offensichtlicher
Rechtsverletzung durchgesetzt werden kann. Es handelt sich um eine
Ausnahmeregelung, die den Grundsatz durchbricht, dass eine einstweilige
Verfügung die Hauptsache nicht vorwegnehmen darf. Offensichtlich ist eine
Rechtsverletzung nur dann, wenn eine andere Beurteilung kaum möglich ist. Da es
nicht ausgeschlossen erscheint, dass dem Antragsgegner in einem
Hauptsacheverfahren der Nachweis gelingen kann, dass die Bezeichnung
„Bierbeißer“ von einem hinreichend großen Teil der angesprochenen
Verkehrskreise als beschreibende Angabe verstanden wird und sich daher
jedenfalls die beanstandete Verwendung des Zeichens nicht als
kennzeichenmäßig herausstellt, fehlt es an der Offensichtlichkeit der
Rechtsverletzung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die vom Senat
vorgenommene Herabsetzung des Streitwerts trägt dem verhältnismäßig
geringen Angriffsfaktor der beanstandeten Verletzungshandlung Rechnung.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.