Urteil des OLG Frankfurt vom 11.03.2010

OLG Frankfurt: gegenleistung, schutz der gläubiger, provision, unentgeltlichkeit, zuwendung, einlage, auszahlung, anleger, begriff, anfechtung

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Gericht:
OLG Frankfurt 16.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
16 U 180/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 134 Abs 1 InsO, § 143 InsO
Anfechtung auf Scheingewinnen beruhender
Vermittlerprovision
Leitsatz
Die Zahlung einer Vermittlungsprovision ist als unentgeltliche Leistung nach § 134
Absatz 1 InsO anfechtbar, soweit sie auf Scheingewinnen besteht, die den vermittelten
Anlegern gutgeschrieben worden sind.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main
vom 4. September 2009, Az. 2-27 O 461/08, abgeändert.
Die Klage wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 1. Juli 2005 eröffneten
Insolvenzverfahren über das Vermögen der A … GmbH Gesellschaft für die
Durchführung und Vermittlung von Vermögensanlagen (im Folgenden:
Schuldnerin).
Die Schuldnerin bot mit dem 1992 eingeführten B …. (B) ihren Kunden die
Möglichkeit an, am Erfolg oder Nichterfolg von Optionsgeschäften teilzunehmen,
die sie im eigenen Namen auf Rechnung der Anlegergemeinschaft durchführte.
Bereits zwischen 1992 und 1997 erlitt die Schuldnerin bei den Termingeschäften
hohe Verluste, die sie den Anlegern gegenüber durch manipulierte Buchungen und
fingierte Gewinnzuweisungen verschwieg. In der Folge baute sie ein
Schneeballsystem auf, bei dem sie die Einlagen von Neukunden dazu verwandte,
Auszahlungen an Altkunden sowie Zahlungen für die laufenden Geschäfts- und
Betriebskosten der Schuldnerin und ihrer Vertriebspartner vorzunehmen.
Der Beklagte war seit den 90er Jahren Vermittler von Kapitalanlagen für die
Schuldnerin. Nach § 6 Ziff. 6.1 des mit der Schuldnerin am 1. November 2002
geschlossenen neuen Vertriebsvertrags sollte er von jedem Abschluss das vom
Kunden erhobene Agio abzüglich 1 % für Vertriebsbetreuung als
Abschlussprovision und nach Ziff. 6.2 als Folgeprovision für jede
Abrechnungsperiode (Handelsmonat) 0,30 % des arithmetischen Mittelwerts der
Einlage der von ihm betreuten Kunden zu Beginn der Abrechnungsperiode und der
Einlage zu Beginn der folgenden Abrechnungsperiode erhalten. Die dem Beklagten
vergüteten Folgeprovisionen berechnete die Schuldnerin unter Berücksichtigung
von Scheingewinnen, die sie den einzelnen von dem Beklagten betreuten Kunden
zugewiesen hatte.
Der Kläger macht gegen den Beklagten einen Rückzahlungsanspruch aus §§ 143,
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Der Kläger macht gegen den Beklagten einen Rückzahlungsanspruch aus §§ 143,
134 InsO nach Anfechtung der innerhalb von vier Jahren vor Eröffnung des
Insolvenzverfahrens gezahlten Folgeprovisionen geltend, soweit sie unter
Berücksichtigung des durch die Zuschreibung von Scheingewinnen aufgeblähten
Beteiligungswerts der von dem Beklagten betreuten Kunden am B ermittelt
worden sind.
Er hat die Auffassung vertreten, dass es sich insoweit um unentgeltliche
Leistungen der Schuldnerin gehandelt habe.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl.
300 bis 302 d. A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die
Vertragsparteien hätten eine bestimmte Provision dafür vereinbart, dass die von
dem Beklagten betreuten Kunden ihre Einlage bei der Schuldnerin belassen. Die
Handhabung des Vertrags habe seinen Regelungen entsprochen. Damit sei die
Provisionszahlung entsprechend der Vereinbarung und damit weder
rechtsgrundlos noch unentgeltlich erfolgt. Der Schuldnerin sei die Betreuung der
Kunden und das Halten der Gelder eine höhere Provision wert gewesen. Insofern
bestünde ein Leistungsbestimmungsrecht der Vertragsparteien, das nicht
nachträglich einer Wirtschaftlichkeitskontrolle zugeführt werden könne. Zudem
fehle es am subjektiven Tatbestand der Unentgeltlichkeit, da die Schuldnerin
weder ihre Vertriebsagenten habe fördern noch aus sonstigen Gründen Zahlungen
ohne Rechtsgrund habe leisten wollen. Die ausbedungenen Provisionen seien als
reguläre Gegenleistung behandelt worden.
Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 302 bis 303 d. A.) wird
verwiesen.
Gegen dieses ihm am 16. September 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger mit
einem am 28. September 2009 bei Gericht eingegangenen anwaltlichen
Schriftsatz Berufung eingelegt, die er mit einem am 2. November 2009
eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Der Kläger rügt, dass das Landgericht den Begriff der unentgeltlichen Leistung im
Sinne des § 134 Abs. 1 InsO verkannt habe. Nach den vertraglichen
Vereinbarungen zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten stünde diesem ein
Folgeprovisionsanspruch lediglich aus dem tatsächlichen Wert der Anlage der von
ihm betreuten Kunden am B zu. Damit hätten die Parteien im Rahmen des ihnen
zustehenden Bewertungsspielraums festgelegt, wann die Gegenleistung den Wert
der Leistung der Schuldnerin erreiche. Die Schuldnerin habe, um den Betrug nicht
aufdecken zu müssen, bewusst mehr an den Beklagten gezahlt als vertraglich
geschuldet. Dieser Mehrzahlung stünde keine Gegenleistung des Beklagten
gegenüber; sie sei damit sowohl rechtsgrundlos als auch unentgeltlich erfolgt.Der
Anteil der Folgeprovision, der zur Verdeckung des Betrugssystems an den
Beklagten gezahlt worden sei, stünde nicht in rechtlicher Abhängigkeit zu der
erbrachten Gegenleistung; mögliche wirtschaftliche Vorteile könnten die
Entgeltlichkeit der Zuwendung nicht begründen. Zudem stellte die Erfüllung einer
eigenen, rechtsbeständigen, infolge einer entgeltlichen Gegenleistung
begründeten Verbindlichkeit eine entgeltliche Verfügung dar, weil der Schuldner
damit von der getilgten Schuld frei würde. Ginge die Leistung des Schuldners über
eine bestehende Verbindlichkeit hinaus, läge eine objektiv teilweise entgeltliche
und teilweise unentgeltliche Leistung vor. Die bewusste Mehrzuwendung
entspräche dem Akt der Freigiebigkeit; ihr stünde keine Gegenleistung des
Beklagten gegenüber.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4. September 2009
abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 36.940,49 € sowie 1.771,19
US-$ jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszins seit dem 1. Juli 2005 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
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Die Zahlung der Folgeprovision sei bereits nicht ohne Rechtsgrund erfolgt, da die
Schuldnerin verpflichtet gewesen sei, die Provision in Höhe der Ist-Provision zu
leisten; zudem könne allein aus der Rechtsgrundlosigkeit nicht auf die
Unentgeltlichkeit nach § 134 InsO geschlossen werden. Im Weiteren komme es
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darauf an, ob der
des Geschäfts die Freigiebigkeit gewesen sei; das sei vorliegend aber nicht der Fall
gewesen. Vielmehr habe die Schuldnerin gezahlt, weil sie auf die Leistungen des
Beklagten aus ihrer allgemeinen Geschäftstätigkeit heraus angewiesen gewesen
sei.
Ein Anfechtungsanspruch scheitere auch daran, dass sich Leistung und
Gegenleistung objektiv entsprächen. Der der Vermittlungs- und
Betreuungsleistung könne entgegen der Auffassung des Klägers nicht durch den
Inhalt der - - Vertriebsvereinbarung bestimmt werden. Es komme
vielmehr darauf an, ob die tatsächlich ausbezahlten Provisionen im ausgewogenen
Verhältnis zu den geleisteten Vermittlerleistungen stünden. Dazu habe der Kläger
nichts Gegenteiliges vorgetragen.
Selbst wenn man die Auffassung vertreten sollte, dass sich die Leistungen objektiv
nicht entsprochen hätten, käme nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
zur gemischten Schenkung eine Leistung als teilweise unentgeltlich nur in
Betracht, wenn die Parteien den ihnen zustehenden Ermessensspielraum für das
Vorliegen eines angemessenen Verhältnisses zwischen Leistung und
Gegenleistung überschritten hätten. Diesen Spielraum habe die Schuldnerin bei
der Bewertung der Vermittlungs- und Betreuungsleistungen des Beklagten genutzt
und eingehalten.
Im Übrigen bestreitet der Beklagte nach wie vor die Berechnung des geltend
gemachten Anspruchs, die er mangels Unterlagen nicht überprüfen könne, und
wendet den Wegfall der Bereicherung ein.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Auf die zulässige Berufung des Klägers war das erstinstanzliche Urteil abzuändern.
Gemäß § 304 Abs. 1 ZPO macht der Senat angesichts mangelnder
Entscheidungsreife hinsichtlich der Höhe des Anspruchs von der Befugnis
Gebrauch, vorab über den Grund des Anspruchs zu entscheiden.
Der Kläger hat gegen den Beklagten nach §§ 143 Abs. 1, 134 Abs. 1 InsO einen
Anspruch auf Rückzahlung von Folgeprovisionen, soweit ihnen der um
Scheingewinne aufgeblähte Beteiligungswert der von dem Beklagten betreuten
Kunden am B zugrunde gelegt worden ist. Insoweit liegt entgegen der Auffassung
des Landgerichts eine anfechtbare unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO
vor.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Leistung des
Schuldners unentgeltlich, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine
Gegenleistung des Empfänger gegenübersteht, die dem aufgegebenen
Vermögenswert entspricht (vgl. BGH, ZIP 2008, 1292 m.w.N.) bzw. wenn der
Empfänger und Anfechtungsgegner für die Leistung vereinbarungsgemäß keine
ausgleichende Gegenleistung zu erbringen hat (vgl. Kreft, InsO, 5. A. § 134 Rn. 7;
Uhlenbruck / Hirte, InsO, 12. A., § 134 Rn. 20).
Soweit die Schuldnerin dem Beklagten die auf Scheingewinnen beruhenden
Provisionsanteile gezahlt hat, liegt bereits keine Gegenleistung des Beklagten für
diese Leistungen vor.
Zwar bestimmt sich die Frage, ob der Leistung eine Gegenleistung
gegenübersteht, grundsätzlich nach dem objektiven Verhältnis der
ausgetauschten Werte (BGH a.a.O., BGHZ 113, 98). Ob eine Leistung aber
als Gegenleistung angesehen werden kann, kann nur aufgrund des den
Leistungen zugrunde liegenden Vertrags beurteilt werden. Die Voraussetzungen
der Unentgeltlichkeit lassen sich nämlich nicht ohne Berücksichtigung der mit dem
Anfechtungsgegner getroffenen Abreden feststellen; vielmehr ist grundsätzlich
auch das Kausalverhältnis für die Frage der Unentgeltlichkeit heranzuziehen (so
die Formulierung des Bundesgerichtshofs „nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts“,
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die Formulierung des Bundesgerichtshofs „nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts“,
BGH, ZIP 2008, 1292; Jaeger/Henckel, InsO, § 134 Rn. 3, 9; Uhlenbruck/ Hirte,
a.a.O. Rn. 22; Kreft, a.a.O., Rn. 10; MünchKomm/Kirchhof, InsO, 2. A., § 134 Rn.
19).
Vorliegend haben die Vertragsparteien unter Ziff. 6.2 ihrer Vertriebsvereinbarung
vom 1. November 2002 vereinbart, dass der Beklagte als Folgeprovision für die
Betreuung der Kunden für jede Handelsperiode (Handelsmonat) 0,30 % des
arithmetischen Mittelwerts der Einlage der von ihm betreuten Kunden zu Beginn
der Abrechnungsperiode und der Einlage zu Beginn der folgenden
Abrechnungsperiode erhält. Damit schuldete die Schuldnerin nach dem objektiven
Erklärungswert dieser Vereinbarung eine allein nach dem Wert der
Kundeneinlagen berechnete Provision, so dass sich nach dem Vertrag die
Gegenleistung des Beklagten nur auf diesen Teil der Provision bezog.
Der davon abweichenden Auffassung des Beklagten, wonach die von der
Schuldnerin vorgegebene Kontenentwicklung Teil der Vergütungsvereinbarung
geworden sein soll, vermag der Senat nicht zu folgen. Selbst wenn der mit dem
Beklagten am 1. November 2002 neu vereinbarte - herabgesetzte - Provisionssatz
die bisherige, von der Schuldnerin vorgegebene Kontenentwicklung berücksichtigt
haben sollte, folgt daraus nicht, dass sich die Parteien darauf geeinigt hätten, der
Berechnung der Provision ein fiktive, nicht den tatsächlichen Gegebenheiten
entsprechende Kontenentwicklung zugrunde zu legen. Dabei ist auch unerheblich,
dass allein die Schuldnerin über die genauen Daten, die in Verbindung mit dem
Provisionssatz die Höhe der Provision bestimmten, verfügte und dass sie diese
Kontendaten dem Beklagten zwecks Rechnungsstellung mitteilte. Der Beklagte will
daraus schließen - so versteht der Senat seinen Vortrag -, dass die Schuldnerin
ihm auf der Grundlage der Vertriebsvereinbarung als Rahmenvereinbarung unter
Angabe der Kontenentwicklung angeboten habe, eine Provision auf der Basis der
von ihr vorgegebenen Kontenentwicklung gutzuschreiben, und er - der Beklagte -
habe dieses Angebot jeweils angenommen. Dieser Betrachtungsweise steht
jedoch entgegen, dass die Übermittlung der Kontendaten an den Beklagten
lediglich zu dem Zweck der Abwicklung des Vertrags erfolgte, da der Beklagte
ohne diese Daten seine Rechnungen nicht hätte erstellen können. Dass damit ein
rechtsgeschäftlicher Wille der Parteien auf Abschluss einer über den
Vertriebsvertrag hinausgehenden Provisionsvereinbarung verbunden gewesen
wäre, ist nicht ersichtlich.
Zudem hat sich der Bundesgerichtshof bereits in seinem die Auszahlung von
Scheingewinnen betreffenden Grundsatzurteil (BGHZ 113, 98 ff.) mit der Frage
beschäftigt, ob man den auf die Auszahlung von tatsächlich erzielten Gewinnen
gerichteten objektiven Erklärungswert einer in der Übermittlung von
Kontoauszügen und in den entsprechenden Zahlungen liegenden Willenserklärung
des Gemeinschuldners und die damit korrespondierende Vorstellung des Anlegers
für die Beurteilung der Entgeltlichkeit für maßgeblich halten könne. Diese Frage
hat der Bundesgerichtshof verneint (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 11 ff.): der von den
tatsächlichen Gegebenheiten und dem wirklichen Willen des Gemeinschuldners
abweichende objektive Erklärungswert seines Handelns könne für die Frage der
Entgeltlichkeit einer von ihm erbrachten Leistung im Anfechtungsrecht nicht allein
ausschlaggebend sein. Dementsprechend kann auch vorliegend nicht maßgebend
sein, dass die Schuldnerin durch die Übermittlung der - auch auf Scheingewinnen
beruhenden - Kontendaten und durch die anschließenden entsprechenden
Zahlungen einen objektiven Sachverhalt vorgetäuscht hat, der nicht mit den
tatsächlichen Gegebenheiten und ihrem tatsächlichen Willen in Übereinstimmung
stand.
Entscheidend ist und bleibt danach für die Frage des Vorliegens einer
Gegenleistung die vertragliche Grundlage der Vertriebsvereinbarung. Danach hat
der Beklagte die Gegenleistung aber vereinbarungsgemäß nur auf den Teil der
Provision geleistet, der den Kontenentwicklungen entsprach. Soweit
er darüber hinausgehende Provisionszahlungen erhalten hat, hat er für diese
überschießenden Leistungen unter Berücksichtigung der vertraglichen
Vereinbarungen keine Gegenleistung erbracht. Die Schuldnerin hat insoweit
freigiebig gehandelt.
Diese Sicht wird dadurch gestützt, dass die Schuldnerin zugleich rechtsgrundlos
nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB geleistet hat. Es kann offen bleiben, ob eine
Rechtsgrundlosigkeit nach Bereicherungsrecht in jedem Fall einer Unentgeltlichkeit
nach Anfechtungsrecht gleichsteht, wie der Kläger der Entscheidung des
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nach Anfechtungsrecht gleichsteht, wie der Kläger der Entscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 25. Juni 2009 (IX ZR 157/08 = GWR 2009, 255) zur
Auszahlung von Scheingewinnen an Anleger entnehmen will, in der der
Bundesgerichtshof eine solche Gleichsetzung am Rande vorgenommen hat (vgl.
Rz. 10), ohne sich allerdings näher damit zu beschäftigen. Unabhängig davon ist
nämlich anerkannt, dass der Begriff der unentgeltlichen Leistung zum Schutz der
Gläubiger eine weite Auslegung erfordert (BGHZ 113, 98, Rz. 12); der Schuldner
soll nicht zu Lasten der Gläubiger freigiebig sein können. Daraus folgt nach
Auffassung des Senats, dass der Schuldner, der eine Nichtschuld in Kenntnis ihres
Nichtbestehens erfüllt, unentgeltlich leistet (Smid/Zeuner, InsO, 2. A., § 134 Rn.
19; Jaeger/Henckel, a.a.O. Rn. 13; vgl. auch BGHZ 71, 61, wonach eine Zuwendung
nur dann unentgeltlich ist, wenn der Gemeinschuldner zu der Leistung verpflichtet
war).
Unerheblich ist, ob die Gegenleistung des Beklagten den vollen, tatsächlich
gezahlten Provisionsbetrag objektiv wert gewesen wäre. Abgesehen davon, dass
die Vertragsparteien den Betreuungsleistungen des Beklagten durch die Bindung
der Folgeprovision an den jeweiligen Bestand der Anlage einen flexiblen Wert
beigemessen haben, muss sich der Beklagte an dem geschlossenen Vertrag
festhalten lassen. Die durch den Vertrag vorgegebene synallagmatische
Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung kann nicht weiter reichen, als es der
Vertrag selbst vorsieht. Insofern liegt aber - im Gegensatz zu einer gemischten
Schenkung - kein Sachverhalt vor, in dem Leistungen und
Gegenleistungen erbracht wurden, bei denen sich die Frage der objektiven
Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung sowie der anschließenden
Berücksichtigung eines möglichen Bewertungsspielraums der Vertragspartner
stellt; vielmehr hat hier eine Partei bewusst mehr geleistet, als sie auf vertraglicher
Grundlage schuldete. Diese Freigiebigkeit kann aber nicht dadurch ausgeglichen
werden, dass die über-obligationsmäßige Leistung als objektiv angemessen
bewertet oder in einen Bewertungsspielraum eingebettet wird, der den Rahmen
des Vertrags verlässt. Dies macht auch deutlich, dass es nicht um eine
nachträgliche Wirtschaftlichkeitskontrolle eines vertragsgemäß erfüllten Vertrags
geht, sondern um die Problematik, ob sich ein Schuldner auf Kosten seiner
Gläubiger über seine vertraglichen Verpflichtungen hinaus freigiebig zeigen darf.
Weiterhin liegt auch nicht deshalb eine Entgeltlichkeit vor, weil sich die
Folgeprovisionen als nachträgliche Vergütung für zuvor unentgeltlich geleistete
Dienste im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses darstellen würden.
Zwar kann sich bei einer nachträglichen Vergütung für zuvor unentgeltlich
geleistete Dienste die Frage stellen, ob es sich um eine unentgeltliche oder
entgeltliche Zuwendung handelt, wobei in Literatur und Rechtsprechung
angenommen wird, dass bei länger andauernden Dienstleistungen der Wille der
Parteien eher darauf gerichtet sein wird, dass die Zuwendung als nachträgliches
Entgelt gezahlt wird (vgl. die Nachweise bei Jaeger/Henckel, a.a.O., Rn. 21).
Vorliegend handelt es sich aber nicht um einen Fall, in dem bei bewusst als
unentgeltlich geleisteten Diensten die Parteien eine nachträgliche Zuwendung als
Entgelt betrachten; vielmehr hat der Beklagte seine Dienste als entgeltliche
Leistung im Vertrauen auf die Redlichkeit seines Vertragspartners erbracht, und
die Schuldnerin hat nicht eine überhöhte Provision gezahlt, um nachträglich
unentgeltliche Dienste zu vergüten, sondern um den Beklagten „bei Laune“ zu
halten und auf diesem Weg das von ihr errichtete Schneeballsystem aufrecht
erhalten zu können. Ein solches wirtschaftliches Motiv und Interesse der
Schuldnerin steht in keiner rechtlichen Abhängigkeit zu den Gegenleistungen des
Beklagten und vermag eine Entgeltlichkeit nicht zu begründen (vgl. BGHZ 113, 98
Rz. 15).
Der Senat übersieht nicht, dass der Beklagte seine Gegenleistung im Vertrauen
darauf erbracht hat, dass sich die Provisionszahlungen ihrerseits als
vertragsgemäße Leistungen darstellen.
Zwar kann davon ausgegangen werden, dass die auf Scheingewinnen beruhenden
Provisionszahlungen nicht als unentgeltliche Leistungen anzusehen wären, wenn
die Schuldnerin sich vertragsgerecht verhalten und die auf den Konten der Anleger
ausgewiesenen Gewinne tatsächlich erzielt hätte. Allerdings vermag die einseitige
subjektive Annahme des Beklagten, die Schuldnerin sei nach dem Vertrag
verfahren, eine Entgeltlichkeit der Zuwendung unter Anfechtungsgesichtspunkten
nicht zu begründen. Dies hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich für den
getäuschten Anleger entschieden (vgl. bereits BGHZ 113, 98 Rz. 10), und für den
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getäuschten Anleger entschieden (vgl. bereits BGHZ 113, 98 Rz. 10), und für den
getäuschten Vermittler kann letztlich nicht anderes gelten.
Nach alledem hat der Kläger gegen den Beklagten dem Grunde nach einen
Anspruch auf Rückzahlung der Folgeprovision, soweit sie auf Scheingewinnen
beruht. Dabei ist nach dem Sach- und Streitstand auch unter Berücksichtigung
des von dem Beklagten erhobenen Einwands der Entreicherung nach §§ 143 Abs.
2 S. 1 InsO, 818 Abs. 3 BGB wahrscheinlich, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe
besteht (vgl. BGH, NJW-RR 2005, 1008).
Soweit sich der Beklagte zur Begründung seiner Entreicherung erstinstanzlich auf
die in den Jahren 2003 und 2004 gezahlten Steuern berufen hat, ist sein Vortrag
bereits unsubstantiiert. Zwar kann eine definitiv bei dem Bereicherungsschuldner
verbleibende, durch eine rechtsgrundlos empfangene Leistung erwachsene
steuerliche Mehrbelastung grundsätzlich nach § 818 Abs. 3 BGB vom
Bereicherungsanspruch abgezogen werden (BGH, WM 1992, 745; RGZ 170, 65;
MünchKomm/Schwab, BGB. 5. A., § 818 Rn. 143). Der Beklagte hat jedoch bereits
nicht vorgetragen, welche steuerliche belastung ihm durch die zu viel
gezahlten Provisionen letztlich verbleiben wird. Zudem hat der Kläger bestritten,
dass der Beklagte die angeführten Steuern aus den Zuflüssen beglichen hat, die
ihm von Seiten der Schuldnerin zugegangen sind; dazu hat sich der Beklagte im
Weiteren nicht geäußert.
Soweit der Beklagte auf betriebliche Aufwendungen verwiesen hat, die er ohne die
vereinnahmten Provisionen nicht getätigt hätte, hat er diese Positionen trotz einer
entsprechenden Aufforderung durch den Kläger nicht belegt.
Schließlich kann sich der Beklagte auch nicht pauschal auf seine - von dem Kläger
bestrittene - Einkommens- und Vermögenslosigkeit berufen. Soweit der Beklagte
auf seine mit dem Prozesskostenantrag abgegebene Erklärung über seine
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Bezug nimmt, lässt sich dieser
entnehmen, dass der Beklagte immerhin über Grundbesitz verfügt, so dass ein
umfassender Vermögensverlust nicht nachgewiesen ist. Unabhängig davon
vermag der Senat der vom Bundesgerichtshof in seiner von dem Beklagten in
Bezug genommenen Entscheidung aus dem Jahr 1956 (vgl. MDR 1957, 598)
vertretenen Auffassung, es sei grundsätzlich anzunehmen, dass der Empfänger
nicht mehr bereichert sei, wenn ihm keine realisierbaren Vermögenswerte
verblieben seien, in Anlehnung an Bedenken in der Literatur (vgl.
MünchKomm/Schwab, a.a.O., § 818 Rn. 159; Erman/H.P. Westermann/P.Buck-
Heeb, 12. A., § 818 BGB Rn. 35; Staudinger/Lorenz, Juni 2007, § 818 BGB Rn. 34) in
dieser Pauschalität nicht zu folgen, da der Bereicherungsschuldner dem in dem
Bereicherungsvorgang liegenden Vorteil grundsätzlich nur die Nachteile
entgegenhalten kann, die mit den Vorteilen in einem Zusammenhang stehen, und
zudem nicht einzusehen ist, weshalb der Bereicherungsgläubiger etwa in der
Insolvenz des Bereicherungsschuldners nicht wenigstens die Quote soll verlangen
können.
Da im Übrigen über die Höhe des Anspruchs Streit besteht, der nur im Wege einer
Beweisaufnahme zu klären sein wird, hat sich der Senat veranlasst gesehen,
zunächst die Klage im Wege des Grundurteils nach § 304 Abs. 1 ZPO dem Grunde
nach für gerechtfertigt zu erklären.
III.
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen, da die Frage, ob auf
Scheingewinnen basierende Provisionszahlungen, die auf der Basis eines
Vertriebsvertrags entrichtet wurden, als unentgeltliche Leistungen nach § 134 Abs.
1 ZPO anzusehen sind, für eine Vielzahl anhängiger Rechtsstreitigkeiten
entscheidend und damit von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Zudem erfordert angesichts unterschiedlicher gerichtlicher Entscheidungen die
Fortbildung des Rechts zum Begriff der Unentgeltlichkeit eine Entscheidung des
Revisionsgerichts.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.