Urteil des OLG Frankfurt vom 26.06.2008
OLG Frankfurt: gestaltung, zumutbarkeit, erwerb, bezahlung, terrasse, bestreitung, auflage, ausführung, eigentumswohnung, anwaltskosten
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Gericht:
OLG Frankfurt 4.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 W 24/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 115 Abs 3 S 2 ZPO, § 90 Abs
2 Nr 8 SGB 12
Prozesskostenhilfe: Zumutbarkeit des Einsatzes von
Vermögen zur Gestaltung eines Hausgrundstücks
Leitsatz
Die Prozesskostenhilfe beantragende Partei muss Vermögen, das sie für die äußere
Gestaltung des neuen Hausgrundstückes angespart hat (hier: Terrasse und Pflasterung
vor dem Haus, Gartengestaltung und Seitenwand Carport), als Vermögen zur
Prozessfinanzierung einsetzen. Derartige Arbeiten sind nicht mehr als für ein selbst
bewohntes „angemessenenes Hausgrundstück“ im Sinne von § 90 Abs 2 Nr. 8 SGB XII
erforderlich.
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den ihren Antrag auf Bewilligung
von Prozesskostenhilfe zurückweisenden Beschluss des Landgerichts Limburg vom
21.01.2008 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beklagten begehren Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung gegen die
Klage der Klägerin, mit welcher diese im Wege der Teilklage 30.000 € eines offenen
Saldos aus einem Bauvertrag über ein Holzhaus von insgesamt noch 59.662,30 €
geltend macht. Die Beklagten berufen sich gegenüber der Klage auf Mängel des
Hauses, unter anderem der nicht ausreichenden Leistung der Heizungsanlage und
machen unter anderem ein Zurückbehaltungsrecht an der offenen
Vergütungsforderung geltend.
Das Landgericht hat durch den angegriffenen Beschluss den Antrag der Beklagten
auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, da die Beklagten nicht
bedürftig seien. Aus ihrer Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse ergebe
sich, dass sie auf verschiedenen Bankkonten unter anderem Guthaben von
27.837,20 €, von 33.338,06 € und von 30.000 € hätten. Dieses Vermögen sei
vorrangig einzusetzen.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten. Sie tragen vor, bei
den genannten Guthaben handele es sich um zweckgebundenes Geld, dass für die
Fertigstellung des Bauvorhabens benötigt werde. Zum einen werde der
Schlussrechnungsbetrag von 59.662,30 € lediglich zurückbehalten und müsse von
ihnen, entweder an die Klägerin bezahlt werden, wenn die Mängel beseitigt sind,
oder selbst im Wege des Vorschusses für die ersatzweise Durchführung von
Mängelbeseitigungsarbeiten eingesetzt werden. Sie benötigten dafür 50.000 –
60.000 €. Das weitere verbleibende Guthaben werde für weitere Arbeiten am Haus
benötigt, nämlich ca. 5.000 € für die Fertigstellung der Terrasse, 10.000 € für die
Pflasterung vor dem Haus, 15.000 € für die Gartengestaltung und 10.000 € für die
Schließung des Carports von beiden Seiten. Darüber hinaus seien weitere 10.000 €
von einem Freund geliehen zu dem Zweck eine geringere Zinsbelastung zu
erzielen. Sie vertreten die Auffassung der Einsatz der genannten
Vermögensbeträge sei nicht zumutbar, weil sie die Kalkulation ihrer Kosten
vorgenommen hätten bevor sie mit dem Rechtsstreit rechnen müssten. Der
Einsatz minimiere ihr Gutachten sonst erheblich.
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II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerechte eingelegte sofortige
Beschwerde ist nicht begründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die
Gewährung von Prozesskostenhilfe – selbst gegen Ratenzahlung – deshalb
verweigert, weil das von den Beklagten nach § 115 Abs. 2 ZPO einzusetzende
Vermögen zur Bestreitung der voraussichtlichen Kosten des Rechtsstreites
ausreicht.
1. Für die Bestreitung des vorliegenden Rechtsstreites ist mit Kosten von rund
10.000 € zu rechnen. Nach dem Kostenvoranschlag zur Bewilligung von PKH
(Anlage 1 zu Nr. 1.3 der Durchführungsbestimmungen zum
Prozesskostenhilfegesetz) ist mit Gerichts- und Anwaltskosten bei einem
Streitwert bis 65.000 € von 5.033 € auszugehen. Hinzu kommen großzügig
geschätzte Kosten für die Einholung des von den Beklagten bereits im
selbständigen Beweisverfahren beantragten Sachverständigengutachtens von
rund 5.000 €.
2. Diesen Betrag können die Beklagten aus den verschiedenen vom Landgericht
aufgeführten Guthabenbeträgen auch unter Berücksichtigung ihres
Verwendungszwecks und der Zumutbarkeit aufbringen. a) Für die Beurteilung der
Zumutbarkeit des Einsatzes von eigenem Vermögen verweist § 115 Abs. 3 Satz 2
ZPO auf § 90 SGB XII. Nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 darf die Bewilligung von Sozialhilfe
und damit auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht von der Verwertung
eines eigenen angemessenen Hausgrundstückes abhängig gemacht werden. Dies
gilt jedoch nur für den gegenständlichen Einsatz des bereits erworbenen
Hausgrundstückes. Dem gegenüber zählt ein Vermögen, das erst zum Erwerb
eines Hausgrundstückes oder einer Eigentumswohnung bestimmt ist, nicht zum
sogenannten Schonvermögen im Sinne von § 90 Abs. 2 SGB XII (vgl.
Musielak/Fischer, ZPO, 6. Auflage, § 115 Rn. 47, Zöller/Philippi, ZPO, 26. Auflage, §
115 Rn. 54). Dies ergibt sich aus der Regelung des § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII,
wonach Vermögen, das zur baldigen Beschaffung eines Hausgrundstückes
bestimmt ist, nur dann nicht verwertet werden muss, wenn es für die Wohnung
behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dient. Abweichend von diesem
Grundsatz ist allerdings anerkannt, dass für den Erwerb des eigenen
Hausgrundstückes bestimmtes Vermögen dann nicht eingesetzt zu werden
braucht, wenn der Erwerb dieses Hausgrundstückes schon erfolgt oder
abgeschlossen ist (vgl. Musielak/Fischer und Zöller/Philippi o. a. O.). Hiervon gilt
wiederum eine Unterausnahme, wenn der Antragsteller zum Zeitpunkt des
Erwerbes des Hausgrundstückes damit hätte rechnen müssen, dass er dieses
Geld zur Prozessführung benötigt.
b) Nach diesen Maßstäben brauchen die Beklagten den Teil des Vermögens den
sie zur Bezahlung der Restforderung der Klägerin von 59.662,30 € aus der
Schlussrechnung des Bauvertrages benötigen, nicht als Mittel für die
Prozessführung einzusetzen. Die Verpflichtung zur Bezahlung dieses Betrages sind
sie nämlich bereits mit Abschluss des Bauvertrages und damit zu einem Zeitpunkt
eingegangen als sie mit dem vorliegenden Prozess und seinen Kosten nicht zu
rechnen brauchen. Dafür ist es nämlich nicht ausreichend, dass bei der
Durchführung eines Bauvorhabens allgemein und abstrakt mit Rechtsstreitigkeiten
zu rechnen ist. Die Beklagten benötigen diesen Betrag auch unabhängig vom
Ausgang des Rechtsstreites. Für den Fall, dass sie obsiegen haben, sie, da sie
lediglich ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen, den Restbetrag entweder
nach Beseitigung der Mängel durch die Klägerin zu zahlen oder müssen ihn in etwa
derselben Höhe jedenfalls vorschussweise für die eigene Durchführung der
Mängelbeseitigung einsetzen. Im letzteren Falle können sie mit den Kosten gegen
den restlichen Vergütungsanspruch lediglich aufrechnen.
c) Den Beklagten ist jedoch der Einsatz des danach verbleibenden Bankguthabens
von rund 31.000 € auch angesichts der von ihnen vorgetragenen notwendigen
Arbeiten zur Fertigstellung des Hauses zumutbar. Aus ihrem Vortrag, dass diese
Arbeiten noch anstünden, ergibt sich, dass sie die Aufträge zur Ausführung dieser
Arbeiten noch nicht erteilt haben und diese Arbeiten jedenfalls noch nicht
begonnen worden sind. Die Geldbeträge werden deshalb nicht zur Begleichung
bereits entstandener Verbindlichkeiten des Hausbaus benötigt, sondern allenfalls
zur Finanzierung geplanter weiterer Arbeiten. Die Verwendung dieses Guthabens
zur Prozessführung und damit die Aussetzung der weiteren
Fertigstellungsmaßnahmen, wären den Beklagten – auch unter dem Gesichtspunkt
der allgemeinen Härteklausel des § 90 Abs. 3 SGB XII – nur dann nicht zumutbar,
wenn die noch ausstehenden Arbeiten für ein angemessenes Wohnen in dem
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wenn die noch ausstehenden Arbeiten für ein angemessenes Wohnen in dem
Einfamilienhaus unbedingt erforderlich wären. Dies ist nach den vorgetragenen
Arbeiten jedoch nicht der Fall. Hinsichtlich der Fertigstellung der Terrasse und der
Pflasterung vor dem Haus ist es ihnen zumutbar, bis zur Beendigung des
Prozesses eine behelfsmäßige Ausführung der Abdeckung, etwa durch Kiessteine
oder anderen Abdeckungen, hinzunehmen. Auch eine Gartengestaltung mit
Kosten von 15.000 € erscheint für ein angemessenes und menschenwürdiges
Wohnen einstweilen nicht erforderlich. Für eine gewisse Zeit kann hier ohne eine
besondere Gestaltung oder mit einer behelfsmäßig eingesäten Rasenfläche
ausgekommen werden. Schließlich ist es auch nicht notwendig ein Carport bereits
jetzt von beiden Seiten zu schließen. Selbst unter Abzug des nach dem Vortrag
der Beklagten von einem Freund zur Minimierung der Zinsbelastung geliehenen
Betrages von 10.000 € verbleibt den Beklagten damit ein einsetzbares Vermögen
von 21.000 €. Davon brauchen nach dem eingangs genannten Voranschlag
lediglich 10.000 € einstweilen als Prozesskosten für die erste Instanz eingesetzt zu
werden. Mit dem Restbetrag verbleiben den Beklagten sogar Mittel zur
behelfsmäßigen Gestaltung der Außenanlagen.
Die sofortige Beschwerde war dementsprechend zurückzuweisen.
III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil eine Erstattung
außergerichtlicher Kosten nicht stattfindet (§ 127 Abs. 4 ZPO). Die Gerichtsgebühr
KV Nr. 1812 zu § 3 Abs. 2 GKG entsteht mit der Zurückweisung der Beschwerde
kraft Gesetzes.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 3 ZPO ist nicht geboten,
weil im Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe die
Rechtsbeschwerde nur wegen grundsätzlicher Fragen zugelassen werden kann, die
das Verfahren oder die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der
Bewilligung betreffen (BGH NJW 2003, 1126). Solche grundsätzlichen Fragen stellen
sich hier nicht. Dass der Einsatz von Vermögen zur Bezahlung eines eigenen
Hausgrundstückes nur dann unzumutbar ist, wenn dieses bereits erworben ist, die
Kosten also bereits angefallen sind, ist in der oberlandesgerichtlichen
Rechtsprechung nicht umstritten. Die Frage, ob und inwieweit weitere
Baumaßnahmen, für die die Kosten noch nicht entstanden sind, einer
Zumutbarkeit des Einsatzes des vorhandenen Vermögens entgegen stehen, ist
demgegenüber eine Frage des einzelnen Falles.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.