Urteil des OLG Frankfurt vom 13.02.2007

OLG Frankfurt: anrechenbares einkommen, bestreitung, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, versicherungsrecht, umweltrecht, zivilprozessrecht, quelle, dokumentation, deckung

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Gericht:
OLG Frankfurt 3.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 WF 32/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 115 ZPO, § 111 S 2 SGB 2, §
111 S 3 SGB 2, § 82 Abs 1 S 2
SGB 12
Prozesskostenhilfe: Kindergeld bei Minderjährigen als
anrechenbares Einkommen
Leitsatz
Kindergeld ist grundsätzlich sozialhilferechtlich anrechenbares Einkommen. Nach dem
seit 01.01.2005 geltenden §111 Satz 2 und 3 SGB II (vgl. auch § 82 I S. 2 BGB XII) ist bei
Minderjährigen das Kindergeld aber dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen,
soweit es bei diesem zur Sicherung seines Lebensunterhalts benötigt wird. Demzufolge
kann Kindergeld lediglich in dem Umfang als Einkommen des bezugsberechtigten
Elternteils im Sinne der §§ 64 EStG, 3 BKGG behandelt werden, in dem es nicht zur
Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts des minderjährigen Kindes benötigt
wird.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Die Verpflichtung zur Zahlung monatlicher Raten entfällt.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten sind
nicht zu erstatten (§ 1 GKG; § 127 Abs. 4 ZPO).
Gründe
Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in dem aus dem
Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Für die vorliegende Entscheidung bedarf es keines Eingehens auf die Frage, ob
Leistungen nach §§ 20 ff SGB I! als Einkommen im Rahmen des § 115 I ZPO
anzusetzen sind. Die Beschwerde hat nämlich bereits deshalb Erfolg, weil das
Amtsgericht der Antragstellerin entgegen der seit dem 01.01.2005 geltenden
Rechtslage das volle Kindergeld als Einkommen zugerechnet hat.
Nach § 115 ZPO ist für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich allein
auf das Einkommen der Partei abzustellen. Demgegenüber sind der Partei die
Einkünfte anderer Familienmitglieder nicht als Einkommen zuzurechnen. Im
Rahmen der Prozesskostenhilfe gelten die sozialrechtlichen Regeln der
Einkommensermittlung und nicht die Unterhalts- oder steuerrechtlichen
Bestimmungen (vgl. Zöller, ZPO, § 115, Rn 3).
Kindergeld ist grundsätzlich sozialhilferechtlich anrechenbares Einkommen. Nach
dem seit 01.01.2005 geltenden §111 Satz 2 und 3 SGB II (vgl. auch § 82 I S. 2 BGB
XII) ist bei Minderjährigen das Kindergeld aber dem jeweiligen Kind als Einkommen
zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Sicherung seines Lebensunterhalts
benötigt wird. Demzufolge kann Kindergeld lediglich in dem Umfang als
Einkommen des bezugsberechtigten Elternteils im Sinne der §§ 64 EStG, 3 BKGG
behandelt werden, in dem es nicht zur Bestreitung des notwendigen
Lebensunterhalts des minderjährigen Kindes benötigt wird.
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Für das am ….1999 geborene Kind X. wird gemäß § 28 SGB II als Leistung nur ein
Sozialgeld in Höhe von 207,- EUR gewährt. Dieser Betrag liegt deutlich unter dem
Betrag in Höhe von mtl. 345,- EUR, der zur Sicherung des Lebensunterhalts als
Regelleistung nach § 20 SGB II festgesetzt wurde. Der BGH hatte in seiner
Entscheidung vom 26.01.2005 (vgl. BGH FamRZ 2005, 605, 606) in Ermangelung
bereits erfolgter Festlegung der Höhe der Regelleistung noch zur Bestimmung des
Existenzminimums eines Kindes bis zum vollendeten 14. Lebensjahr auf die in §
115 I Nr. 2 ZPO vorgesehenen Freibeträge als Mindestbeträge abgestellt. Der
Freibetrag für minderjährige Unterhaltsberechtigte nach § 115 I Nr. 2b ZPO beläuft
sich derzeit auf 266,-- EUR.
In dem angefochtenen Beschluss vom 16.12.2005 in der geänderten Fassung vom
02.01.2006 hat das Amtsgericht unter Einrechnung des vollen Kindergeldes ein für
die Ratenbemessung einzusetzendes Einkommen in Höhe von 30,- EUR ermittelt.
Wird das Kindergeld jedoch nach vorstehender Maßgabe zunächst für die Deckung
des Existenzminimums des Kindes eingesetzt, verbleibt kein eine
Ratenzahlungsverpflichtung rechtfertigendes Einkommen der Antragstellerin.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.