Urteil des OLG Frankfurt vom 17.12.2009

OLG Frankfurt: vaterschaft, quelle, zivilprozessrecht, verwaltungsrecht, versicherungsrecht, immaterialgüterrecht, vertretung, beratungspflicht, dokumentation, ausnahmefall

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Gericht:
OLG Frankfurt 5.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 WF 267/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 78 Abs 2 FamFG
(Vaterschaftsfeststellungsverfahren: Erforderlichkeit der
Beiordnung eines Rechtsanwalts)
Leitsatz
(Keine weiteren Angaben)
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Der Antragstellerin wird im Rahmen der gewährten Verfahrenskostenhilfe für das
erstinstanzliche Verfahren Rechtsanwalt RA1 beigeordnet.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten
werden nicht erstattet.
Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird nicht bewilligt.
Beschwerdewert: Bis 600 Euro.
Gründe
Das Amtsgericht hat der Antragstellerin mit dem angefochtenen Beschluss
Verfahrenskostenhilfe für ihren Antrag auf Feststellung der Vaterschaft ihrer
Tochter A bewilligt, die Beiordnung ihres Rechtsanwalts jedoch abgelehnt. Dagegen
richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, der das Amtsgericht nicht
abgeholfen hat.
Die gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat auch in
der Sache Erfolg. Eine anwaltliche Vertretung der Antragstellerin zur Feststellung
der Vaterschaft ihrer Tochter erscheint gemäß § 78 Abs.2 FamFG geboten. Dies ist
bei Abstammungssachen – ebenso wie bisher nach ständiger Rechtsprechung des
Senats bei den früheren Kindschaftssachen nach dem wortgleichen § 121 Abs. 2
ZPO – wegen ihrer existenziellen Bedeutung grundsätzlich anzunehmen (vgl.
Keidel/Zimmermann, FamFG, § 78 Rn. 8 und Zöller/Geimer, ZPO, 28.Aufl., 2010, §
121 Rn. 6 jeweils m. w. N., u. a. auf BGH NJW 2007, 3644 und OLG Frankfurt am
Main NJW 2007, 230). Jedenfalls gebietet regelmäßig bereits der
verfassungsrechtlich gewährte Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit die
beantragte Beiordnung (OLG-Report Frankfurt 2006, 827), weil auch im
Amtsermittlungsverfahren die arme Partei nicht schlechter gestellt werden darf als
eine, die in der Lage ist, die Kosten des Verfahrens aufzubringen (vgl. BVerfG,
FamRZ 2002, 531 f.), zumal einem Laien in der Regel nicht bekannt ist, welche
Voraussetzungen vorliegen und eingehalten werden müssen, damit eine
Abstammungssache Aussicht auf Erfolg hat. Inwieweit gerade diesbezüglich allein
durch die Verlagerung der Verfahren in den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit
eine sachliche Änderung eingetreten sein soll, obwohl – wie ausgeführt – diese
Rechtsprechung bereits zum bisher bestehenden Amtsermittlungsgrundsatz
ergangen ist und ein Antragsverfahren vorliegt, ist nicht nachvollziehbar (entgegen
Schürmann, FamRB 2009, 58 ff., 60).
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Ein Ausnahmefall (vgl. auch dazu OLG Frankfurt am Main a. a. O.) liegt hier
ebenfalls nicht vor, zumal sich der Antragsgegner bisher nicht geäußert hat und
die weitere Entwicklung des Verfahrens nicht abzusehen ist. Ob noch ein
Gutachten benötigt wird oder nicht, ist eine durchaus offene Frage, zu der die
Antragstellerin sachkundigen Rechtsrat in Anspruch nehmen darf, wobei die
Aufklärungs- und Beratungspflicht eines Anwalts über die Reichweite der
Amtsermittlungspflicht des Richters hinausgeht (BVerfG a. a. O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 1 Satz 2 FamGKG, 76 Abs. 2 FamFG, 127
Abs.4 ZPO. Da Verfahrenskostenhilfe für das Verfahrenskostenhilfeverfahren nicht
zu gewähren ist und die Beschwerde nur das Verfahrenskostenhilfeverfahren
betrifft, kann sie auch nicht für das Beschwerdeverfahren bewilligt werden
(Baumbach/Lauterbach/ Hartmann, ZPO, § 127 Rn. 88; Zöller/Geimer, ZPO, § 114
Rn. 3 m. w. N.).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.